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Karte Avantia
Titelseite

 

 

 

 

 

Mit besonderem Dank an
Michael Ford
 
Für Connor Kennedy

Komm nur näher!

Ich heiße dich willkommen. Du stehst an der Grenze zum Reich der Dunkelheit, vor den Toren eines Furcht einflößenden Landes. Gorgonia wird dieser Ort genannt. Dort ist der Himmel rot, das Wasser schwarz und Malvel der Herrscher über alles. Tom und seine Weggefährtin Elenna müssen durch dieses Reich, um ihre nächste Beast-Quest-Mission zu erfüllen.

In Gorgonia leben sechs der tödlichsten Biester, die man sich vorstellen kann: der Minotaurus, der geflügelte Hengst, das Seemonster, der gorgonische Bluthund, das mächtige Mammut und der Skorpionen-Mann. Nichts kann Tom und Elenna auf das vorbereiten, was sie hier erwarten wird. Ihre bisherigen Siege spielen keine Rolle mehr. Ein mutiges Herz und ein starker Wille sind das Einzige, was sie retten kann.

Wagst du es, Tom ein weiteres Mal auf seinem Weg zu begleiten? Ich rate dir, besser umzukehren. Doch falls du dich entscheidest, Tom zu folgen, musst du tapfer sein und ohne Furcht. Ansonsten bist du dem Untergang geweiht.

Achte auf jeden deiner Schritte!

Torwächter Kelro

Im Regenwald

Hallam versuchte, trotz der Dunkelheit etwas zu sehen. Er wagte kaum weiterzugehen. Spärliche Lichtflecken tanzten auf dem Boden des Regenwalds und das dichte Blätterdach über ihm raschelte unheimlich. Er hatte Angst, dass ihm irgendwelche gefährlichen Kreaturen hinter den dicken Baumstämmen oder unter den riesigen Farnblättern auflauerten.

Ganz langsam ging er über den moosbedeckten Boden. Schrilles Kreischen und dumpfes Gackern war zwischen den Bäumen zu hören. Dieser Ort war ganz anders als der Wilde Wald, in dem er und die anderen Rebellen sich früher versteckt hatten. Dort waren sie schlimmstenfalls von einem Wildschwein bedroht worden.

Aber der Wilde Wald war nun nicht mehr sicher. Nicht, seitdem Malvel sein Netz über ganz Gorgonia gespannt hatte. Seine Truppen durchkämmten das Land auf der Suche nach Rebellen und brannten dabei die Dörfer von vielen unschuldigen Menschen nieder. Und er hatte diese schrecklichen Biester, die ihm dienten. Hallam erschauderte bei dem Gedanken an seine zwei Kameraden, die von einem der Biester getötet worden waren – Torgor, der Minotaurus, hatte sie in Stücke gerissen.

Hallam kämpfte sich weiter und blickte bei jedem Geräusch ängstlich in die Richtung, aus der es gekommen war. Seine Kleider klebten an seinem Körper. Eine Liane streifte seinen Nacken. Er griff nach ihr, um sie beiseitezuschieben, und merkte plötzlich, dass sie sich bewegte. Eine Schlange!

„Aaargh!“, rief Hallam und fiel vor Schreck nach hinten um.

Die Schlange landete ein paar Schritte hinter ihm auf dem Boden und ringelte sich laut zischelnd ein. Ihre Schuppen glänzten gelb und ihre Augen leuchteten blutrot. Hallam lag vor Angst wie gelähmt am Boden. Die Schlange starrte ihn an, ließ ihre Zunge immer wieder herausschnellen und wiegte bedrohlich den Kopf hin und her. Doch dann schien sie es sich anders zu überlegen und glitt blitzschnell davon.

Hallam stand langsam auf und wischte sich die feuchte Erde von Hemd und Hose. Er machte sich wieder auf den Weg durch den Regenwald. „Ich muss in Zukunft wirklich vorsichtiger sein!“, ermahnte er sich selbst.

Doch Hallam war so sehr damit beschäftigt, in den Bäumen nach Schlangen Ausschau zu halten, dass er nicht darauf achtete, wo er hintrat. Plötzlich rutschte er einen steilen Abhang hinunter, so schnell, dass er das Gebüsch auf beiden Seiten nur noch verschwommen erkennen konnte. Und dann sah er, was ihn unten erwartete.

Eine Grube voller Vipern!

Er versuchte verzweifelt abzubremsen, doch der feuchte Boden war viel zu rutschig. Die Lianen, an denen er sich festhalten wollte, zerrissen ihm unter den Händen. Er rammte mit aller Kraft seine Fersen in den Boden. Eine Haaresbreite vor der tödlichen Schlangengrube kam er mit einem Ruck zum Stehen.

Das Blut in seinem Kopf rauschte laut und übertönte sogar das Kreischen der Vögel über ihm.

Zitternd begann Hallam, sich rückwärts den Abhang hinaufzuschieben.

„Du Idiot!“, murmelte er vor sich hin. „Wenn du nicht vorsichtiger bist, werden Malvels Soldaten dich noch entdecken!“

Hallam ließ die Schlangengrube nicht aus den Augen. So schnell wie möglich wollte er wieder aus diesem Dschungel heraus.

Er stieß mit dem Rücken an einen Baumstamm und betastete ihn vorsichtig. Er spürte etwas Weiches, fast wie … Federn. Irgendetwas blies seinen heißen Atem in seinen Nacken.

Hallam drehte sich um.

Ein Pferdekopf ragte durch das dichte Geäst über ihm und starrte auf ihn herab. Aber es war kein gewöhnliches Pferd. Es war eines der Biester! Hallam schnappte nach Luft und sein Magen verkrampfte sich vor Angst. Das Monsterpferd zog die Lippen zurück und entblößte ein gelbliches Gebiss, von dem lange Speichelfäden troffen.

Hallam fiel vor den goldenen Hufen des Biests auf die Knie. Da breitete der Hengst ein Paar riesige Flügel aus und erhob sich ein Stück in die Luft. Er schlug wild mit den Hufen, warf seinen Kopf zurück und wieherte laut, während Hallam am Boden kauerte. Silberne Funken blitzten aus seinen Augen und erhellten die glänzenden Blätter des Dschungels, bevor das Biest mit seinen schrecklichen Zähnen zuschnappte …

Die Vision im Wasser

„Wir müssen uns um deine Wunden kümmern“, drängte Elenna.

Tom und seine Freundin standen neben dem Fluss, der sich durch die staubigen Ebenen Gorgonias schlängelte. Doch dieser Fluss hatte nichts mit den klaren Gewässern von Avantia gemein. Das Wasser war braun und schlammig. In regelmäßigen Abständen tauchten Luftblasen an der Oberfläche auf, zerplatzten und erfüllten die Luft mit faulig riechendem gelbem Gas.

Elenna betupfte die Wunden auf Toms Arm, die ihm Torgor, der Minotaurus, mit seiner gewaltigen Axt zugefügt hatte. Die Kraft der magischen Kralle an Toms Schild, die er von Eposs, dem Flammenvogel, bekommen hatte, hatte nachgelassen, noch bevor alle seine Wunden geheilt werden konnten. Es war Toms bisher schwierigster Kampf gewesen, aber er hatte es geschafft, Tagus, den Pferdemann, aus Torgors Klauen zu befreien. Nun befand sich das gute Biest wieder in Sicherheit, zu Hause in Avantia, fernab von Malvels bösem Zauberbann.

„Denkst du, dass die Kräuter wirken werden?“, fragte Tom.

Elenna musste lächeln, während sie die Heilkräuter, die Toms Tante ihnen gegeben hatte, zermahlte. Als Elenna sie mit ein wenig Wasser aus ihrer Flasche vermischte, wurde eine dicke Paste daraus. Silver, der graue Wolf, schaute aufmerksam zu, während sie die Mischung auf Toms Wunden strich.

„Danke“, seufzte Tom. Ohne Elenna hätte Tom seine Missionen niemals überstehen können.

Der Schmerz in seinem Arm ließ langsam nach.

„Es wirkt!“, rief er begeistert.