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Nr. 206

– ATLAN exklusiv Band 67 –

 

Ein Robot versagt

 

Magantilliken, der Henker, greift ein – eine Gefühlsbasis wird zur Gefahrenquelle

 

von Marianne Sydow

 

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In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos.

Von dort aus versucht er, zusammen mit Crysalgira, einer adeligen Arkonidin, die ebenfalls dem »Zwergenmacher« zum Opfer fiel, den Weg zurück in sein eigenes, makrokosmisches Raum-Zeitkontinuum zu finden.

Dabei kreuzt Atlan erneut den Weg Magantillikens, seines alten Widersachers. Der Henker ist in großen Schwierigkeiten, denn EIN ROBOT VERSAGT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Magantilliken – Der varganische Henker erhält einen neuen Auftrag.

Hermon Xonth und Isthmy – Magantillikens Helfer.

Jintha – Tochter eines Diktators.

Burjos und Gaddos – Zwei erbitterte Gegner.

Atlan und Crysalgira – Zwei Arkoniden auf dem Weg nach Yarden.

1.

 

Das laute Wimmern einer Sirene riss Jintha aus dem Schlaf. Sie richtete sich hastig in ihrem Liegestuhl auf und blinzelte verwirrt in die gleißende Helligkeit jenseits der Veranda. Die Sonne stand hoch und verwandelte die sanft dem Tal entgegengeneigte Schneefläche in eine Hölle aus weißem Licht. Das Mädchen tastete geblendet auf dem niedrigen Tisch herum und spürte endlich die Sonnenbrille zwischen den Fingern. Die Sirene schrillte noch immer. Jintha stand auf und trat an das Holzgeländer, das die Veranda umgab. Von dort aus hatte sie einen guten Blick in das etwa zweihundert Meter tiefer liegende Dorf.

Zwischen den niedrigen, dunklen Holzhäusern wurde es lebendig. Sie sah die hastenden Gestalten, entdeckte jedoch nichts, was auf den Grund für diesen unerwarteten Alarm hinwies. Unwillkürlich glitten ihre Blicke weiter nach oben. Genau gegenüber, scheinbar zum Greifen nahe, ragte die gewaltige, teilweise von Schnee bedeckte Felsmauer auf, die den letzten Ausläufer des Quamendrin-Massivs bildete.

»Lawinenalarm«, sagte eine dunkle Stimme neben ihr.

Jintha zuckte zusammen und sah sich um. Sie hatte Burjos nicht kommen hören. Der ehemalige Prospektor, der seit nunmehr zwei Jahren der persönliche Beschützer des Mädchens war, hielt ein Fernglas in der Hand. Er kniff die Augen zusammen, legte den Kopf schräg, als lausche er angestrengt, dann nickte er.

»Es kommt vom Quamendrin«, behauptete er. »Sehen Sie das dort?«

Der junge Ckorvone deutete auf einen dunklen Punkt oberhalb des Dorfes. Jintha musste das Fernglas zu Hilfe nehmen. Sie erblickte einen würfelförmigen Bau. Ein paar Dutzend Menschen krabbelten wie kleine Insekten aus dem Schutz des breiten Daches und rannten in wilder Hast dem Dorf entgegen. Viele stürzten und rollten hilflos in die Schneewehen.

»Das ist die Beobachtungshütte«, erklärte Burjos. »Von dort aus wird der Quamendrin ständig überwacht.«

Jintha war wie erstarrt. Eine Lawine am Quamendrin – der Himmel mochte wissen, was dabei alles geschehen konnte! Dieser unheimliche Berg war ihr seit jeher verhasst. Als ihr Vater sie drängte, sich für einige Zeit in der Berghütte im Woronongtal zu erholen, hatte sie sich anfangs mit allen Kräften gesträubt. Aber Teihendru war nicht nur der Diktator des Landes Frinalhan. Er beherrschte seine Familie restlos, und so musste Jintha sich seinen Wünschen fügen. Immerhin hatte er ihr Burjos mitgegeben, der sich besser als jeder andere in den Bergen auskannte. Ihre Abneigung gegen den zehntausend Meter hohen Bergriesen, der mit seinen zahlreichen Nebengipfeln ein Gebirge für sich bildete, überging der Diktator mit einer lässigen Handbewegung.

»Ich habe Angst«, sagte sie leise.

Burjos lächelte leicht und legte ihr die rechte Hand auf die Schulter.

»Ich weiß«, nickte er. »Aber hier oben sind wir relativ sicher. Bis jetzt steht auch nicht fest, dass die Lawine überhaupt den Weg in unsere Richtung nimmt. Bis jetzt hat gerade das Woronongtal am wenigsten unter den Launen des Quamendrin gelitten.«

Durch die offene Verandatür drang ein lautes Summen. Burjos lief hinein. Während Jintha immer noch den Berg anstarrte, hörte sie den Wächter drinnen sprechen. Kurz darauf kehrte ihr Beschützer zurück. Er hielt in der einen Hand Jinthas dicke Pelzjacke, in der anderen eine Schultertasche aus wasserdichtem Stoff.

»Kommen Sie!«, sagte er. »Wir müssen weg!«

Jintha schüttelte verwirrt den Kopf und setzte zu einer Frage an, aber Burjos ließ ihr keine Zeit. Sie zog gehorsam die Jacke an, stellte fest, dass der Ckorvone außer seiner Dienstpistole noch ein langes Messer und einen Knüppel an seinen Gürtel gehängt hatte und sah ihn fragend an.

»Wollen Sie in den Krieg ziehen?«, fragte sie spöttisch.

Burjos zwang sich ein beruhigendes Lächeln ab, drehte sich abrupt um und ging voraus. Jintha folgte ihm fast automatisch. In den letzten zwei Jahren hatte sie sich daran gewöhnt, Burjos beinahe blind zu vertrauen. Er hatte ihr mehrmals das Leben gerettet, wenn fanatische Gegner ihres Vaters ihre Wut an dessen Familie auszulassen versuchten. Im Laufe der Zeit hatte das junge Mädchen für den ehemaligen Prospektor Gefühle entwickelt, von denen Teihendru niemals etwas erfahren durfte. Der Diktator legte großen Wert darauf, dass seine Töchter sich »standesgemäß« verhielten.

Sie rannten durch den Ziergarten hinter der komfortablen Villa. Burjos half dem Mädchen über die niedrige Begrenzungsmauer hinweg. Jintha berührte mit der Schuhspitze einen dünnen Draht und hörte das scharfe Klicken, aber sie war zu betäubt von den sich so plötzlich überstürzenden Ereignissen, als dass sie schnell genug reagieren konnte. Ein harter Schlag gegen ihre Schulter warf sie in den Schnee. Dicht über ihr krachte ein Schuss. Sie rappelte sich mühsam auf, wischte sich den Schnee aus dem Gesicht und sah sich nach Burjos um. Der Ckorvone presste die rechte Hand gegen den linken Unterarm.

»Warum haben Sie nicht die Selbstschussanlage ausgeschaltet?«, fragte Jintha fassungslos. »Ich verstehe nicht ...«

Ihr Beschützer verzog das Gesicht.

»Ich erkläre es Ihnen später. Wir müssen weiter hinauf. Dort gibt es einen Pfad. Nun kommen Sie doch schon!«

»Sie sind verletzt!«, protestierte Jintha. »Lassen Sie mich wenigstens mal nachsehen. Sie könnten verbluten!«

Burjos, der bereits einige Schritte von ihr entfernt war, blieb seufzend stehen.

»Pass auf, Mädchen!«, sagte er gedehnt. »Die Beobachtungsstation hat eine schwere Erschütterung im Bereich der Nordwand des Quamendrin angemessen. Das ist keine normale Lawine, die da auf uns zukommt! Bis jetzt steht noch nicht genau fest, was dieses Unglück ausgelöst hat, aber eines ist sicher: Das Woronongtal wird in spätestens einer Stunde nicht mehr existieren. Es ist zu befürchten, dass auch der Südhang des Dogro unter der Katastrophe leiden wird. Abgesehen davon haben die Berechnungen unserer Wissenschaftler ergeben, dass der Umfang der Lawine ausreicht, um das Tal an dieser Stelle bis in mindestens dreihundert Meter Höhe restlos auszufüllen. Wenn ich jetzt also Zeit verschwende, um diesen lächerlichen Durchschuss zu verbinden, dann werde ich nicht einmal mehr dazu kommen, den Verband zu wechseln. Wir gehen jetzt dort hinauf, und ich rate Ihnen, sich zu beeilen.«

Jintha schwieg. Wenn Burjos in dieser Weise mit ihr redete, war die Situation schon so gut wie hoffnungslos. Der zweite Wächter, ein unangenehmer, schmieriger Kerl, der in Gaddos' Diensten stand und Jintha eher bespitzelte als bewachte, hatte Lanja ins Tal begleitet. Die beiden wollten Vorräte einkaufen.

Lanja! Sie hatte Jintha aufgezogen, und das Mädchen hing an dieser Sklavin mehr als an ihrer eigenen Mutter.

»Was ist los?«, fragte Burjos unwillig, als Jintha plötzlich stehenblieb.

»Sie ist im Dorf!«, erwiderte das Mädchen tonlos.

Der junge Ckorvone begriff sofort. Er presste die Lippen aufeinander, dann packte er Jintha am Arm und zog sie weiter.

»Wir können ihnen nicht helfen«, erklärte er brutal. »Weder Lanja noch den vielen anderen. Es wäre sinnlos. Sie haben keine Chance mehr.«

»Vielleicht bekommen sie einen Wagen«, wehrte sich Jintha verzweifelt gegen den unvorstellbaren Gedanken, Lanja zu verlieren. »Wenn sie schnell genug fahren, können sie es schaffen!«

»Mag sein«, nickte Burjos tröstend. Er wusste es besser, zog es aber vor, dem Mädchen wenigstens diese Hoffnung zu lassen. Über Funk hatte er erfahren, dass die Straße unterhalb des Dorfes schon durch Erdrutsche verschüttet worden war. Aber das eigentliche Drama stand noch aus.

Sie erreichten den Wald und tauchten in die Dämmerung zwischen den hohen, geraden Stämmen. Burjos warf einen kurzen Blick zurück und sah an der Flanke des Quamendrin die ersten Vorboten der Katastrophe. Schnee stäubte auf und verdeckte die Sicht auf die zerrissenen Felsen.

Unter den Bäumen lag der Schnee nicht so hoch. Sie kamen schneller voran. Über ihnen, in den verfilzten Zweigen, raschelten und flatterten Tiere. Sie schienen die Gefahr zu spüren. Burjos tastete nach seiner Waffe und behielt ihre Umgebung ständig im Auge. Aber sie erreichten unangefochten den schmalen Pfad, der sich in engen Windungen den Hang hinaufzog, um weiter oben über einen niedrigen Pass in ein Nebental zu führen. Dort wusste Burjos eine militärische Station, in der sie Hilfe finden würden. Aber sie mussten erst einmal dorthin kommen, und der Ckorvone zweifelte daran, dass sie ihr Ziel rechtzeitig erreichen würden.

Einige Minuten später ließen sie den Wald hinter sich. Das ferne Rauschen und Poltern hatte inzwischen ständig zugenommen. Noch war es am Dogro ruhig. Burjos merkte, dass Jintha kaum noch Luft bekam, und blieb kurz stehen. Er schob den Ärmel seiner Jacke hoch und warf einen Blick auf die Wunde. Sie schmerzte zwar höllisch, blutete jedoch nicht mehr besonders stark und sah relativ ungefährlich aus. Jintha setzte sich auf den Boden und legte den Kopf auf die hochgezogenen Knie. Sie fühlte sich grenzenlos müde.

Als sie das seltsame, hohle Brausen hörte, hob sie verwundert den Kopf. Ein schrilles Pfeifen mischte sich darunter. Es klang wie damals, als der Vulkan auf Mucarin ausgebrochen war. Aber der Quamendrin war kein Vulkan!

Burjos stand wie erstarrt neben ihr. Sie folgte seinen Blicken – und sah die Flammensäule, die unterhalb des weit entfernten Gipfels in den blauen Himmel schoss.

»Was ist das?«, flüsterte sie entsetzt.

»Ich weiß es nicht«, murmelte Burjos. Er half dem Mädchen hoch, und sie gingen weiter. Ab und zu ragten Felsen neben dem Pfad auf, aber die Lichterscheinung ragte so weit in den Himmel, dass sie sie ständig über sich sahen. Burjos warf immer wieder Blicke auf diese seltsame Flamme. Er entdeckte dunkle Punkte, sah, wie Felsbrocken von der Größe eines Mietshauses den Quamendrin hinabkullerten, und kam zu der Überzeugung, dass sie auch in diesem Bereich des Dogro noch längst nicht in Sicherheit waren. Aber drüben war jetzt fast der ganze Hang in Bewegung geraten, und einzelne Brocken fielen aus der Flammensäule über ihnen herab. Sie schlugen wie Bomben in den unter ihnen liegenden Wald ein.

Er trieb Jintha erbarmungslos an. Es war keine gewöhnliche Lawine. Irgend etwas gab es am Quamendrin. Vielleicht hatten die Landbewohner dieser Gegend doch recht, wenn sie den riesigen Berg für den Wohnsitz rachsüchtiger Dämonen hielten. Aber er hatte seine Aufgabe zu erfüllen. Burjos musste alles versuchen, um Jintha aus dieser Hölle hinauszulotsen. Falls ihm das nicht gelang, er selbst aber am Leben blieb, so war es besser, wenn er Frinalhan für alle Zeiten den Rücken kehrte. Er würde ein solches »Versagen« teuer bezahlen müssen.

Jintha stapfte wie eine Maschine vorwärts. Als Burjos sie auf die kleine Höhle hinwies, die er über einem Gebüsch jenseits des Pfades entdeckte, hob sie nicht einmal den Kopf. Über ihnen glühte der Himmel, und immer zahlreicher regneten brennende Trümmerstücke auch auf den Dogro hinab. Das Poltern und Rauschen übertönte alles. Ein starker Wind kam auf, der ihnen aufgewirbelten Schnee und den Gestank brennender Tarvobäume entgegentrieb.

Er führte das Mädchen den sanft geneigten Hang hinauf, schob sie durch die Büsche und half ihr über die rissigen Felsbrocken. Sein Arm schmerzte fast unerträglich, und das Gewicht der Schultertasche schien von Minute zu Minute zu wachsen.

»Da hinein!«, keuchte er und zeigte auf die kleine, dunkle Höhle. Es war nicht viel mehr als eine Nische in den Felsen. Eiszapfen bedeckten die Rückwand. Darunter rieselten ein paar Wassertropfen herab, die sich am Boden zu einer mit dünnem Eis bedeckten Pfütze sammelten. Jintha wollte sich instinktiv in den hintersten Winkel verkriechen, aber Burjos hielt sie zurück.

»Wenn das Gestein bricht, sind wir dort hinten verloren«, erklärte er. Sie stand offensichtlich unter einer Schockeinwirkung. Ihre Blicke gingen durch ihn hindurch. Sie hockten nebeneinander auf dem eiskalten Boden und starrten auf das Chaos, das sich ihren Augen darbot.

Unmengen von Schnee, Eis und lockeren Steinen aller Größenordnungen hatten sich aus der Flanke des Quamendrin gelöst. Burjos sah die Lawine, schätzte die Richtung, orientierte sich und verglich das umgebende Gelände mit den ihm bekannten Daten über den geheimnisvollen Berg. Die Lawine selbst bot für sie jetzt keine überragende Gefahr mehr, es sei denn, der Hang des Dogro würde durch die Erschütterungen ebenfalls in Unruhe geraten. Die Massen von Schnee und Eis würden die kleine Höhle jedoch nicht erreichen. Einziger Unsicherheitsfaktor in dieser Rechnung war die Flammensäule.

Burjos griff nach dem Fernglas und spähte zum Ort des unheimlichen Geschehens hinauf. Noch niemals hatte ein Ckorvone die Spitze des Quamendrin erreicht, und die Nordwand mit dem riesigen Überhang, die von den Dorfbewohnern die »Burg der Dämonen« genannt wurde, bot ein absolut unüberwindliches Hindernis. Dieser Überhang ragte etliche hundert Meter weit aus der Steilwand heraus. Darüber türmte sich eine ungeheure Geröllhalde bis fast zum Gipfel. Aus dem unteren Teil dieser merkwürdigen Formation brach der Feuerstrahl hervor. Er streifte den unteren Rand des Gerölls, das dadurch in Bewegung geriet und die Lawine auslöste.

Noch während er hinsah, erlebte Burjos die Demaskierung dieses Überhangs.

Allmählich löste sich die Kruste, die den geheimnisvollen Gegenstand an der Spitze des Quamendrin so lange verborgen hatte. Eine metallisch glänzende Kugel kam darunter zum Vorschein. Aus dieser Entfernung wirkte sie klein und unbedeutend, aber als Burjos einen kurzen Größenvergleich anstellte, stockte ihm der Atem. Das Ding, aus dessen glänzender Hülle das Feuer der Vernichtung brach, musste unvorstellbare Ausmaße haben.

Plötzlich schien der kahle Hang zu bersten. Die Verankerungen, mit der die Kugel sich bis jetzt an ihren Platz geklammert hatte, brachen und lösten Felsbrocken von der Größe kleiner Berge aus der Wand. Wie ein gigantischer Ball sprang das Gebilde den Hang hinunter. Bei jedem Aufprall nahm das Ausmaß der Zerstörungen zu. Der Kugel selbst geschah nichts.

»Was ist das?«

Jinthas Stimme klang schrill und spitz. Sie zitterte am ganzen Körper. Die Kugel hatte jetzt ungefähr einen Höhenunterschied von zweitausend Metern überwunden. Noch ließ sich nicht sagen, wo sie am Ende aufschlagen würde. Der Feuerstrahl schlug mit vernichtender Gewalt rundum in die Berge ein. Ein paar Sekunden später traf er den Wald unterhalb der Höhle. Glühende Äste wirbelten am Eingang vorbei. Ein Schauer von Steinen prasselte herab. Jintha wollte sich in das Chaos hinausstürzen, aber Burjos hielt sie fest. Das Mädchen war völlig hysterisch, trat nach ihm und kratzte. Er wusste, dass vernünftige Argumente jetzt nichts mehr nützten. Darum schlug er zu.

Die Hitze wurde fast unerträglich. Er zerrte den Körper des Mädchens tiefer in die Höhle, hockte sich neben Jintha und starrte hinaus. Geisterhaft fingerte der Feuerstrahl an den Bergwänden entlang. Ein kleiner Berg loderte auf und verschwand in einer Fahne davonwehenden Staubes. Die Kugel kam näher. Als sie etwa einen Kilometer südlich des Dorfes aufschlug, schwankte der Boden der Höhle wie bei einem Erdbeben. Ein paar Steine lösten sich aus der Decke. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Burjos das Gebilde ganz deutlich. Es war glatt wie eine Murmel, durchmaß etwa einen Kilometer und wies an verschiedenen Stellen Auswüchse auf, die durch den Absturz teilweise verbogen oder abgebrochen waren. Der Feuerstrahl war verschwunden.

Dann raste eine Wand aus mit Geröll vermischtem Schnee den Hang hinunter und bedeckte sowohl die Kugel als auch die letzten Überreste des Dorfes. Die Lawine hatte ihr Ziel erreicht.

 

*

 

Der Kommandant der Gefühlsbasis Xertomph war defekt. Allerdings wusste er das nicht, sonst hätte er den Schaden längst gemeldet. Der Fehler in seinen Schaltkreisen zeigte sich erst, als es schon zu spät war.

Die Antennen der Station nahmen einen Impuls auf. Die Sendung wurde im Untersektor »Empfang« entschlüsselt und an den Kommandanten weitergeleitet. Es handelte sich um einen Befehl aus der Eisigen Sphäre. Der Kommandant erteilte dem Sektor »Sendung« die Anweisung, die für diesen Fall vorgesehene Bestätigung abzustrahlen. Gleichzeitig informierte er alle anderen Nebengehirne und setzte die erforderlichen Schaltungen in Betrieb. Innerhalb von Sekunden erwachte die Gefühlsbasis zu robotischem Leben.

Ein ziemlich untergeordneter Kontrollteil machte den Kommandanten kurz darauf auf einen Fehler aufmerksam. Die an die Varganen gerichtete Bestätigung war nicht abgestrahlt worden. Der Kommandant zog daraus den Schluss, dass die Funkzentrale nicht in Ordnung war und erteilte ihr den Befehl, sich schleunigst zu regenerieren.

Die Funkzentrale befolgte den Befehl. Für die Dauer der Untersuchung schloss sie sich zunächst von dem ihr übergeordneten Sektor ab. Als sie in ihren eigenen Schaltkreisen keinen Fehler fand, öffnete sie ihre internen Kanäle wieder und meldete das Ergebnis an ihre Zentrale weiter. Dort entstand der Eindruck, die Fehlschaltung müsse innerhalb des zuständigen Kontrollgehirns liegen. Der gesamte Sektor »Sendung« sperrte die Verbindung zu den übrigen Anlagen und suchte nach dem Fehler, der laut Befehl des Kommandanten beseitigt werden musste. In diesem Komplex wurde auch die Funktion der überaus wichtigen Emotiostrahler kontrolliert und gesteuert. Das Robotsystem der Gefühlsbasis funktionierte sternförmig. Vom Kommandanten gingen direkte Verbindungen zu den Sektoren, von dort aus wurden die Nebensektoren informiert, die die Informationen wiederum an zahlreiche kleinere Einheiten weiterleiteten. Es gab Verflechtungen, die der Überbrückung der Instanzen dienten, aber in Fällen wie diesem war jeder Komplex fähig, absolut autark zu handeln.