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Unsere Liebe – zum Scheitern verurteilt?

Dr. Norden hilft einem verzweifelten jungen Paar

Roman von Patricia Vandenberg

»Post für Sie, Herr Doktor«, sagte Loni, Dr. Nordens Sprechstundenhilfe. »Mal keine Reklame.«

Dr. Daniel Norden drehte das Kuvert um. »Jesses, der Mooslechner«, sagte er, »da schlägt mir gleich das Gewissen. Dem hätten wir längst einmal schreiben müssen.«

Aber wann kam er schon zum Schreiben. Die Freizeit war knapp, und seit die beiden Kinder geboren waren, hatte auch seine Frau Fee kaum eine ruhige Stunde. Immer wollten die kleinen Trabanten beschäftigt werden.

Dr. Ferdinand Mooslechner war ein guter Freund seines verstorbenen Vaters gewesen, ein Landarzt vom alten Schrot und Korn. An die siebzig musste er mittlerweile sein. Vielleicht hatte er sich nun doch zur Ruhe gesetzt!

Doch dem war nicht so, wie Daniel Norden dem Brief entnehmen konnte.

Viel Zeit bleibt mir ja nicht zum Schreiben, Daniel, und Dir wird es nicht anders ergehen, aber jetzt muss es mal sein. Ich brauche Deine Hilfe. Du hast mehr Verbindung zu den Spezialisten als ich. Es ist mir nicht oft passiert in meiner langen Praxis, dass ich völlig ratlos war, aber grad beim Matthias Mühlbauer, dessen Pate ich bin, stehe ich vor einem Rätsel.

Dann folgte eine kurze, präzise Schilderung des Falles, die verriet, dass auch der alt gewordene Dr. Mooslechner seine fünf Sinne gut beisammen hatte.

Manchmal kann sich der Bub kaum noch rühren, dann wieder wird es besser, aber es muss etwas unternommen werden, damit ich mich nicht später mal mit einem Schuldbewusstsein herumplagen muss. Meine Praxis ist nicht so modern ausgestattet, dass ich den Matthias gründlichst untersuchen könnte, und alt bin ich halt auch geworden. Ihr jungen Ärzte kennt viel bessere Heilmethoden. Ihr seid mehr auf dem Laufenden, und Du weißt sicher einen Kollegen, der sich mit Matthias gründlich befassen könnte. Er ist störrisch. Man muss es geschickt anfangen bei ihm. Vielleicht könnte ich ihn erst einmal zu Dir schicken. Lass es mich bald wissen. Ich wollte es Dir lieber schreiben, denn beim Telefonieren werde ich dauernd gestört. Es findet sich halt keiner mehr von den Kollegen, die aufs Land gehen wollen, da muss man im Geschirr bleiben, bis man selbst mal in die Grube fällt. Lass bald von Dir hören, mein Junge. Es würde mich freuen, und ich hoffe, dass es Euch gut geht. Deine Frau hätt’ ich auch gern mal kennengelernt. Dein alter Mooslechner.

Ganz warm wurde es Daniel ums Herz. Er sah ihn vor sich mit den buschigen Augenbrauen über den blitzenden Augen, in denen der Schalk saß, dem breiten, wettergegerbten Gesicht, der knorrigen Gestalt.

Er war der richtige Arzt für die Leute auf dem Land. Er redete ihre Sprache, er hatte ein Ohr für alle Leiden und Sorgen, die ein karges Leben mit sich brachten. Und es wurmte ihn, wenn er nicht helfen konnte.

Ja, anschauen musste man sich den Matthias Mühlbauer schon mal, um sich ein Bild von ihm machen zu können. Und am besten würde es in diesem Fall natürlich sein, wenn er sich einer klinischen Untersuchung unterziehen würde, aber wenn er störrisch war, würde es auch nicht einfach sein, ihn dazu zu überreden. Für manche Leute, und gerade die, die auf dem Lande aufgewachsen waren, bedeutete schon das Wort Krankenhaus den Anfang vom Ende.

Daniel nahm sich vor, seinerseits den Dr. Mooslechner anzurufen. Jetzt musste er seine Sprechstunde abhalten.

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Dr. Mooslechner machte zu dieser Zeit schon Krankenbesuche. Mit seinem alten Auto fuhr er über Land. Einen großen Bezirk hatte er zu betreuen, und er war für alles da, auch wenn eine Bäuerin ein Kind bekam. Die waren meist noch nicht zu bewegen, in die Klinik zu gehen. Sie wollten lieber daheim bleiben und auch vom Wochenbett aus den Haushalt steuern. Und zum Dr. Mooslechner hatten sie mehr Vertrauen, als zu jedem anderen Arzt.

Man sah ihm seine fast siebzig Jahre nicht an. Noch immer schritt er elastisch einher. Viel Bewegung und die gute Landluft hielten ihn frisch.

Und weil er dauernd auf den Beinen war, schlug bei ihm auch das gute Essen nicht an, das er unterwegs vorgesetzt bekam. Hier eine kräftige Brotzeit, da ein deftiges Mittagsmahl, dann auch mal ein Glas Milch und ein Butterbrot. An Appetit mangelte es ihm nicht.

Auf dem Mühlbauerhof wurde er stets als guter Freund willkommen geheißen. Da machte er auch mal länger Rast, und wenn man ihn in seiner Praxis nicht erreichte, rief man dort an.

Der Mühlbauerhof war der größte und schönste weit und breit. Gutsbesitzer wurden sie auch genannt, aber der Erbe, der Matthias, legte keinen Wert darauf. Er wollte Bauer sein. Er liebte sein Land, die Natur, seine Tiere. Es gab prächtige Pferde und wertvolle Kühe, einen Stier, wie man ihn lange suchen musste, zwei bildschöne Jagdhunde, und Hühner, die noch in einem Freigehege herumlaufen konnten und nicht in Brutmaschinen gesteckt wurden.

Mit seinen Tieren konnte er reden, aber ein Mädchen hatte dafür kaum Verständnis. Tina, Matthias Jugendfreundin hatte es auch in die Großstadt gezogen, und so war er immer noch »einspännig«, wie man hier sagte, und er schien das auch nicht ändern zu wollen, obgleich man es doch gern gesehen hätte, wenn auf dem Mühlbauerhof die Nachfolge gesichert wurde.

Eine unbändige Kraft hatte Matthias immer gehabt, nichts war ihm zu viel geworden, doch seit ein paar Monaten hatte sich das geändert.

Dr. Mooslechner machte sich ernste Sorgen, und er glaubte es Matthias schon lange nicht mehr, wenn er sagte, dass es nur halb so schlimm sei.

Auch seine Mutter war in großer Sorge und gerade heute war sie besonders froh, dass ihr Freund Ferdinand bei ihnen hereinschaute. Er hatte sich immer gekümmert um sie, und nach dem Tode ihres Mannes ganz besonders. Das war auch wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen, ohne Vorankündigung. Der Herzschlag hatte den Mühlbauer-Anton getroffen, mitten unter der Arbeit. So, wie er es sich immer gewünscht hatte, nur viel zu früh war es geschehen.

Das Hannerl, seine Frau, konnte es lange nicht verwinden, und nun machte ihr der Matthias auch noch solchen Kummer.

An diesem Tag hatte er schon arge Schmerzen. Kaum aufstehen konnte er und so ließ er es sich gefallen, dass Dr. Mooslechner ihm eine Spritze gab.

Das half, und gleich wollte Matthias wieder hinaus aufs Feld.

»So geht das nicht, Matthias«, sagte Dr. Mooslechner energisch. »Mit Spritzen allein ist da nichts getan. Du musst dich röntgen lassen.«

»Geh zu, Ferdl«, redete Matthias dagegen, »meinst, dass die Doktoren in der Stadt mehr wissen als du? Wird wohl noch von dem Tritt herkommen, den mir der Stier versetzt hat. Dieser narrische Kerl.«

Ja, das hatte Dr. Mooslechner anfangs auch gedacht, denn so ein Bursche wie Matthias hielt schon etwas aus und er hatte sich da auch bald wieder erholt. Genau wie vorher hatte er gearbeitet, war auf seinem Rex über die Felder geritten und hatte sich um alles gekümmert wie eh und je.

Und jetzt machte er sich auch wieder stark. Gerade zur rechten Zeit, denn nun kam noch Besuch. Einer, mit dem man gewiss nicht gerechnet hatte.

Die Tina Wagner war es, schlank und hübsch anzuschauen in dem grünen Lodenkostüm.

Hannerl Mühlbauer begrüßte sie freundlich, aber doch sehr zurückhaltend. Sie wusste, wie gern ihr Matthias das Mädchen gehabt hatte und wohl auch noch hatte.

»Muss doch mal hereinschauen, wie es euch so geht«, sagte Tina verlegen. »Der Dr. Mooslechner ist auch da. Es wird doch hoffentlich niemand krank sein?«, fragte sie erschrocken.

»Ach geh«, sagte Matthias, »einreden wollen Sie mir was, weil mir das Kreuz a bissel wehtut. Nett, dass man dich mal wieder sieht, Tina. Wie geht es so?«

»So là, là«, erwiderte sie ausweichend, und nun bemerkte Dr. Mooslechners scharfes Auge, dass sie schmaler und blasser war als früher, dass ihre Augen umschattet waren.

»Dem Vater geht es gut?«, fragte er.

»Bestens, den bringen auch die Rangen nicht aus dem Gleichgewicht«, erwiderte Tina.

Ihr Vater war Lehrer, und einer von den ganz guten, die es wussten, mit Kindern und jungen Leuten umzugehen. Sie lernten viel bei ihm, weil er den Unterricht lebendig gestalten konnte. Sie hatten ihn alle gern und allzu viel Kummer bereiteten ihm auch die wildesten Buben nicht.

Sein Kummer war, dass es Tina so bald in die Stadt gezogen hatte. Er hätte sie gern als Bäuerin auf dem Mühlbauerhof gesehen, Hannerl wusste das so gut, wie der Dr. Mooslechner auch.

Ein großer Redner war Matthias nie gewesen und auch jetzt fragte er nur wortkarg, ob sie länger bleiben würde.

»Nein, nur den Tag. Ich habe die Stellung gewechselt.«

Matthias warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, aber er sagte nichts.

»Von euch kommt wohl keiner mal in die Stadt?«, fragte Tina. »Jetzt, wo es Herbst ist, könntest du doch auch mal kommen, Matthias. Schöne Konzerte kannst du hören.«

Sie wusste, dass er klassische Musik liebte und erzählte ihm, dass es nächste Woche ein Orgelkonzert geben würde, für das sie Karten hätte.

»Dann könntest du doch mal rüberfahren, Matthias«, sagte Dr. Mooslechner. »Und du könntest mir auch einen Gefallen tun und bei Daniel Norden vorbeischauen. Ich bräuchte ein paar Sorten Tee, den sie auf der ›Insel der Hoffnung‹ selbst zusammenstellen.«

»Das kannst doch auch selbst, Ferdl«, brummte Matthias.

»Nein, den nicht. Den macht der Cornelius wie kein anderer.«

Das war natürlich eine Ausrede, aber eine gute, wie Dr. Mooslechner meinte.

Die Insel der Hoffnung war auch den Mühlbauers ein Begriff, und dagegen hatten sie nichts einzuwenden. Mit Naturheilmitteln konnte man Krankheiten doch besser kurieren als mit all dem Gift, meinten sie. Nur hätte man Matthias nicht vorschlagen dürfen, es doch einmal mit einer Kur zu versuchen. Da hätte er aber heftig widersprochen, weil das seiner Ansicht nach nur etwas für alte Leute wäre

»Ja, das machst, Matthias«, sagte Tina. »Du tust Dr. Mooslechner den Gefallen, und wir gehen mal ins Konzert.«

Nanu, was ist denn mit der Tina, dachte Hannerl. So hat sie doch schon lange nicht geredet.

Dr. Mooslechner lag jetzt noch etwas anderes am Herzen. Er wollte mit Tina sprechen. Und es gelang ihm auch, es so einzurichten, dass sie gemeinsam den Mühlbauerhof verließen.

Wenn es irgend ginge, würde er zum Konzert in die Stadt kommen, hatte Matthias dann doch tatsächlich versprochen.

»Hättest a bissel Zeit für mich?«, fragte Dr. Moosbauer, als er mit Tina zum Wagen ging. »Ich könnte dich heimbringen. Hätt’ etwas mit dir zu reden, Dirndl.«

»Wegen Matthias?«, fragte sie. »Er sieht nicht so frisch aus wie sonst. Was fehlt ihm denn?«

»Das weiß ich nicht. Es könnte etwas mit der Wirbelsäule sein. Ich will es nicht verheimlichen, dass ich mir Sorgen um ihn mache. Er hat manchmal arge Schmerzen. Er muss geröntgt werden, aber man bringt den Dickschädel ja nicht dazu. Vielleicht kannst du ihm gut zureden. Dr. Norden ist der Sohn meines Freundes. Ein guter Arzt. Er weiß bestimmt Rat, und die jungen Ärzte sind doch ein Stückerl weiter als wir hier auf dem Lande.«

»Sagen Sie das nicht, Dr. Mooslechner. So arg viel taugen die Städtischen auch nicht. Manch einer mag ja drunter sein, aber selten genug kommt man an den Richtigen.«

»Hast deine Erfahrung gemacht, Dirndl?«, fragte der alte Arzt.

»Ich habe eine gemacht, ja. Und sie langt mir. Nicht mit einem Arzt.«

»Aber mit einem Mann«, klopfte er auf den Busch.

»Sie haben Röntgenaugen, Dr. Mooslechner«, sagte Tina leise.

»Nur, wenn’s um die Seel’ geht, Dirndl. Kopf in den Nacken und sich tüchtig schütteln, das hilft, wenn es nicht zu tief sitzt.«

»Es ist vorbei. Wenn der Matthias auf mich hört, helfe ich Ihnen gern.«

»Ihr kennt euch doch von Kindesbeinen an, und solche Freundschaft bricht nie ganz auseinander, Tina«, sagte Dr. Mooslechner sinnend. »Das hält länger als eine Liebelei und du gehörst nicht zu denen, die sich niederwerfen lässt.«

»Geschlaucht hat es mich schon«, gab sie zu. »Aber es ist gut, dass ich beizeiten einen Denkzettel bekommen habe. Ich könnte ja vorher mal mit Dr. Norden sprechen. Er ist sehr bekannt und hat einen guten Namen. Vielleicht fällt mir was ein, wie ich Matthias mit ihm zusammenbringen kann, ohne ihn erst aufsässig zu machen. Das kann er nämlich schon sein.«

»Das weiß ich. Nett, dass du mir helfen willst. Hannerl hat ja nur noch den Buben. Bin sehr froh, dass du grad gekommen bist. Und wenn du mal Hilfe brauchst, weißt du ja, zu wem du kommen kannst.«

Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. »Ein Kind bekomme ich nicht, Dr. Mooslechner. Nein. Das tu ich mir nicht an. Aber die Männer lachen ja nur, wenn man noch seine Grundsätze hat. Da sind sie alle gleich.«

»Nicht alle, Tina«, erwiderte Dr. Mooslechner ernst. »Nein, alle darf man nicht in einen Topf werfen. Einer, der nicht in solchen Topf gehört, ist Matthias.«

»Das weiß ich, er hat es mir nicht vergessen, dass ich damals sagte, ich will auf dem Lande nicht versauern.«

Das war fünf Jahre her. Das Gymnasium hatten sie beide besucht. Jeden Tag waren sie gemeinsam in die Kreisstadt gefahren. Matthias war zwei Klassen höher gewesen als sie, und gewiss nicht einer von den Dümmsten. Aber er war dann lieber auf die Landwirtschaftsschule gegangen, als das Abitur zu machen, und das war gut gewesen, da er dann so nötig auf dem Hof gebraucht wurde.

Tina hatte das Abitur gemacht und eine Sekretärinnenschule besucht. Sie hatte dann auch bald einen guten Posten in einer Fabrik bekommen, sehr gut verdient und Gefallen an dem Leben in München gefunden.

Sie besuchte gern die Oper, Konzerte und sie war auch gern in Gesellschaft junger Leute.

Und dann hatte sie einen neuen Abteilungsleiter bekommen, Robert Carstens, in den sie sich verliebt hatte.

Und ein gutes halbes Jahr schien es auch so, als meine er es ernst mit ihr, wenn er sie auch manchmal prüde oder gar verklemmt nannte.

Fast war sie dann auch bereit gewesen, ihre Grundsätze für ihn aufzugeben, weil sie fest überzeugt war, dass er sie heiraten würde, denn davon redete er auch.

Doch dann kam die Tochter des Fabrikbesitzers aus dem Internat, kein besonders attraktives Mädchen, aber doch mit einem beträchtlichen Vermögen im Rücken, und einem Vater, der seine Tochter gern rasch unter die Haube bringen wollte, weil er selbst eine viel jüngere Frau geheiratet hatte.

Und sehr schnell hatte sich Robert Carstens von Tina getrennt, nüchtern, als wäre nie etwas gewesen. Er hatte Ilona geheiratet und war nun der Juniorchef. Er hatte aber dann auch die Frechheit besessen, Tina zu sagen, dass sie sich doch auch in Zukunft noch treffen könnten.

Da hatte es ihr endgültig gelangt, und sie hatte gekündigt. Eine andere Stellung war rasch gefunden. Sie war überdurchschnittlich intelligent, sprach Französisch und Englisch perfekt, und hatte auch schon eine fundierte Berufserfahrung.

Eigentlich wäre sie gern wieder heimgegangen, aber das verbot ihr der Stolz. Und Matthias sollte ja nicht denken, dass er Lückenbüßer sein solle. Aber sprechen wollte sie schon gern mal mit ihm über alles, wie sie es früher als Kinder getan hatten.

Etwas schwerfällig war er immer gewesen. Alles überlegte er sich genau, und er hatte es sich auch immer wieder überlegt, sie zu fragen, ob sie seine Frau werden wolle. Ein bisschen zu lange hatte er gewartet. Tina hatte gemeint, dass sie für ihn nur die Jugendgespielin sei, und auch jetzt wusste sie noch nicht, dass es bei ihm sehr viel tiefer saß.

Dr. Mooslechner überlegte, ob Matthias’ Leiden wenigstens zum Teil auch seelisch bedingt sein könnte. Man sagte ja, dass solche Schmerzen aus Verspannungen und innerer Abwehr entstehen könnten. Aber er wollte es nun genau wissen, das war er dem Hannerl schuldig.

Als er Tina vor dem Lehrerhaus absetzte, hatten sie viel miteinander geredet und nun hatte er eine Verbündete gefunden.

»Ich mag den Matthias sehr gern«, sagte Tina. »Ich werde mich kümmern, Dr. Mooslechner. Danke, dass Sie mich eingeweiht haben. Wenn er nur nicht gar so ein Dickschädel wäre.«

Aber das war er nun mal. Und hineinschauen in sich, ließ er niemanden, auch nicht seine Mutter.

»Magst die Tina immer noch, Bub?«, fragte Hannerl.

»Freilich mag ich sie. Wir kennen uns lange. Aber sie hat sicher in der Stadt einen gefunden, der ihr besser gefällt und ihr mehr bieten kann.«

»Du tätst sie heiraten?«, fragte Hannerl.

»Ach was, denk nicht gleich das, Mutter.« Nein, um nichts in der Welt hätte er preisgegeben, wie gern er Tina hatte, sie nicht vergessen konnte.

Er ging nun zu seinem Rex, der freudig wieherte. »Mit dem Reiten ist es noch nichts, Rex«, sagte er. »Diese starken Schmerzen, aber wenn’s sein muss, geh ich auch zu einem städtischen Doktor und lasse mich durchleuchten, damit es endlich besser wird. Ich hab’ ja gemeint, es würde an dem verflixten Wetter liegen, aber dem ist wohl doch nicht so. Du musst bewegt werden, mein Guter, sonst setzt du Fett an, und das tut nicht gut. Wenn die Tina geblieben wär’, hätte sie dich reiten können. Sie ist doch immer so gern geritten. Vermisst sie das denn gar nicht?«

Doch darauf konnte ihm Rex auch keine Antwort geben. Er schmuste. Das tat er gern. Er rieb seinen Kopf an Matthias’ Schulter und schmatzte dann den Apfel herunter, den er bekam.

Es gab auch noch neun andere Pferde auf dem Mühlbauerhof, aber Rex nahm einen besonderen Platz ein. Er war nicht nur schön, er hatte auch Gemüt. Das sagte Matthias. Und das sagte er auch von seinen beiden Hunden, Troll und Dolly, die ihm auf Schritt und Tritt folgten, und sich zu wundern schienen, wie schwer ihm jeder Schritt wurde.

Matthias machte sich Gedanken, weil es gar nicht besser wurde und weil auch die Spritze nicht lange wirkte. Er dachte an seine Mutter, an den Hof, seine Viecherl, und auch daran, wie schwer man Leute fand, auf die man sich verlassen konnte.

Es musste wieder aufwärtsgehen mit ihm.

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Tina dachte unentwegt über Matthias nach. Was war er doch für ein Bursche gewesen, kraftstrotzend, allen anderen überlegen und wenn einer ihr dumm kam, brauchte er nur in Erscheinung zu treten, dann stoben die andern davon.

Sie hatte plötzlich Angst um ihn, eine irrsinnige Angst sogar. Und als sie nach München zurückkam, suchte sie gleich Dr. Nordens Telefonnummer heraus, denn die hatte Dr. Mooslechner ihr vergessen zu geben in der Eile.

Daniel Norden hatte indessen Dr. Mooslechner nach mehreren Fehlversuchen erreicht. Ein langes Gespräch hatte er mit ihm geführt und auch einiges über Tina Wagner erfahren.

Und dann meinte er, dass es Gedankenübertragung sein müsse, als Tina ihn anrief.