Altägyptische Märchen
Märchen der Welt
Herausgegeben von Hans Wuessing
FISCHER E-Books
Hans Wuessing, geboren 1925, studierte Philosophie und Germanistik, altägyptische Sprache, Geschichte und Politologie in Berlin. Er arbeitete zuletzt als Studiendirektor in Baden-Württemberg. Hans Wuessing verstarb 1995.
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Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403117-0
Durch diese Verletzung und Blendung durch Seth kam es zur ersten bösen Tat auf Erden, und seitdem gibt es die Furcht. (Siehe auch die folgende Sage, Seite 12ff.)
Der Zustand vor der Schöpfung war ungegliedert. Schöpfung entstand durch Scheidung. (So auch bei Mose im Alten Testament)
Besser sollte, statt der Übersetzung, ›Nun‹ stehen, wahrscheinlich auch ohne Gottesbezeichnung.
Die Vulkane sind gemeint als Phänomen, das Land und Leben schafft.
Gedacht ist an den im Anfang der Schöpfung noch matten, zu Leben erwachenden Gott.
Gemeint ist damit, daß er nach seinem Tod im Jenseits weiterleben wird.
»Sieben« meint eine große Zahl.
Dies war das Fenster, aus dem heraus sich der Pharao seinem Volk zeigte.
Damit ist der Sonnengott Re gemeint.
Die Ruderer seiner Sonnenbarke.
Gemeint sind in Wahrheit andere Götter.
Und mit diesem Namen auch Macht über ihn gewann.
Zeitebene und die Umstände des rückverwandelten Krokodils wurden aus naiver Märchensicht der Dinge zweifach vertauscht.
Das ist an den ersten Dezembertagen.
Der Kopf fühlt sich als Befehlsgeber aller anderen Körperteile.
Dreißig Meter
Überlasse die Verteidigung oder Rache Gott.
Der Böse strandet.
Nicht selbstgerecht gemeint, sondern ›Die sicher gelandet sind, bitten für eine Errettung des Gescheiterten‹.
Ein so geführtes Leben der Beherrschung kann auch für die Kinder ein Beispiel sein.
Das meint Verbotenes oder ein Tabu.
Achte den anderen.
Erlasse sie dem Schuldner.
Gemeint ist, abends mitmenschliche Probleme lösen zu sollen. Der Morgen ist immer gedacht als in Gottes Hand. Den Weg dahin gilt es zu glätten.
Gott verfügt über die Sünde wie über sein Eigentum.
Wer sich in Gottes Hand begibt, für den entfallen alle Wertmaßstäbe, also auch Erfolg oder Mißerfolg.
Sei beherrscht.
Auch: Tag des Unglücks. Wird hier als feststehende Bezeichnung für den Todestag verwendet, denn der Mann sieht im weiteren den Tod nicht als ein Unglück an, sondern als eine Erlösung.
Im Urzustand des Alls war nur ruhendes, gestaltloses Meer, zu jeder Veränderung unfähig.
Die Urwasser hießen Nun, ihr Zustand war Nun, auch ein erstes Wesen, erste Gottform war folglich Nun, das Urwesen, noch ohne Bestimmung.
Aus Nun, der am Anfang war, ging Gottvater Atum hervor, gedacht auch als eine Art Abkömmling, Sohn des Nun. Im Anfang war Atum ebenfalls gestaltloses Ruhen; er hieß »Alles« und auch »Nichts«.
Er selbst jedoch löste sich aus seiner Trägheit, wurde s-h-m = Kraft und ’h = Geist und vor allem b’ = gestaltfähig, also schöpferisch.
Er wurde zum lebensspendenden Sonnengott.
Als der Himmel noch nicht entstanden war,
als die Erde noch nicht entstanden war,
als die beiden Ufergebirge noch nicht entstanden waren,
als noch nicht die Störung entstanden war,
und als noch nicht jene Furcht war,
die wegen der Verletzung des Horusauges entstand.[1]
Als die Menschen noch nicht lebten,
die Götter noch nicht geboren waren,
als es den Tod noch nicht gab.
Als noch nicht zwei gegensätzliche Dinge
in diesem Land entstanden waren.[2]
Allein (Atum[3]) ist der Gott, der vom Uranfang war,
als noch kein weiterer Gott entstanden war,
als noch nicht der Name
irgendeines Dinges genannt worden war.
Die Wasser befahlen dem Atum:
»Küsse deine Tochter, die Kosmos-Ordnung.
Stupse sie an ihre Nase,
und sie wird beginnen,
mit ihrem Herzen zu schlagen (zu leben).«
»Ich, in der Tat, bin der Leben-Sohn des Atum.
Er hat mich erweckt durch einen Nasenstüber,
seine Nase hat mich geboren, sein Atem.«
Damit wurde Atum von einer Einheit
zur Dreieinigkeit.
Dann spaltete er Geb, die Erde, von Nut, dem Himmel:
Als noch kein weiterer Gott entstanden war,
bevor die ersten Körper,
die weiteren Götter und Menschen
geschaffen wurden.
Danach Atum zu seinem Sohn:
»Unsere Identität ist das Leben!«
Der Sohn aber fuhr fort:
»Ich bin Leben,
wie ein Hals an seinem Kopf,
eine Kehle voller Lebensfrische
aus der Atum die Samen und Fruchtkörner macht!
Fruchtkörner,
die er niedersendet
zu den Ländern,
zu den Inseln der Feuer.[4]
Denn siehe,
unverwechselbar sind wir Leben,
alles, was unter dem Himmel – Nut – gedeiht …«
Einst hielt man Gericht über Horus und Seth, die mächtigen Fürsten.
Horus, das Gotteskind, saß vor Atum, dem Herrn des Alls, und klagte wegen seiner Nachfolge im Amt seines Vaters Osiris, der schön war an Erscheinung und der das Totenreich erleuchtet hatte mit seinem Glanz. Da brachte der Gerichtsbote seinem Gerichtsherren und Gott Atum die Krone Ägyptens, das heilige Auge. Ein Sohn des Gottes Re sprach vor Atum, dem Fürstengott von Heliopolis: »Gerecht ist der Herr der Macht. Übe sie aus, indem du sprichst: ›Gib das Amt dem Horus!‹«
Und Thot, der weise Gott, sprach zur Versammlung der neun Götter: »Das ist gerecht, millionenfach gerecht …«
Daraufhin stieß Isis einen Freudenschrei aus. Schu, der Sohn des Re, sprach: »Das Auge dem Horus zu geben, hält die Götterneunheit für gerecht.«
Der Herr des Alls aber rief: »Was soll das heißen, daß ihr die Entscheidung allein trefft.«
Darauf die Neunheit: »Ja, mögest du dennoch dem Horus den Königsnamen verleihen und die Weiße Krone Ägyptens auf sein Haupt setzen.«
Danach schwieg Re eine lange Weile und war erzürnt über die Götterneunheit.
Seth jedoch schrie: »Horus soll zusammen mit mir hinausgehen, damit ich zeigen kann, wie ihn meine Hände besiegen, wenn man schon sonst kein Mittel weiß, mit ihm fertig zu werden.«
Aber Thot antwortete: »Auf diese Weise können wir nicht erkennen, wer recht hat. Sollte man denn das Amt des Osiris dem Seth geben, während sein Sohn Horus danebensteht?«
Erneut geriet Re in Wut, denn er wollte das Königsamt dem Seth geben, der groß war an Kraft.
Atum sagte: »Laßt kein voreiliges Urteil fällen. Laßt uns besser erst einen Brief an Neith senden, die Göttermutter. Was sie dann entscheiden wird, laßt uns tun!« …
Neith nun sandte einen Brief an die Neunheit des Inhalts: »Gebt das Amt des Osiris an Horus, schafft keine schweren Fälle von Unrecht. Dem Herrn des Alls, Re, aber rate man: Verdopple dem Seth seinen Besitz, gib ihm dazu noch deine Töchter Anat und Astarte und setze Horus an die Stelle seines Vaters Osiris.«
Thot verlas den Brief vor der Götterneunheit, und alle sagten vereint: »Diese Göttin hat recht.«
Der Allherr Re steigerte sich in Wut über Horus und sprach zu ihm: »Du bist zu schwach an Gliedern, das Amt ist zu schwer für dich, du erbärmliches Knäblein, du Daumenlutscher!«
Re, beleidigt und verletzt über alles, legte sich wie gelangweilt auf seinen Rücken. So verbrachte er einen ganzen Tag und schlief ein in seiner Halle.
Schließlich kam Hathor, die Herrin des Südens, und entblößte sich vor dem Gott. Der aber mußte nun lachen vor Freude und wurde wieder besänftigt.
Er setzte sich mit der Neunheit zusammen und sprach zu Horus und Seth: »Tragt vor, was ihr zu sagen habt.«
Seth rief: »Was mich anlangt, ich bin Seth, der Größte an Kraft. Ich töte den Feind des Re täglich, während ich am Bug der himmlischen Barke für Millionen stehe. Deshalb sollte ich das Amt des Osiris übernehmen.«
Die Götterneunheit, in ihrer Meinung umschwenkend, sagte: »Seth hat recht.«
Darauf Horus: »Es ist schlimm, wie ich vergewaltigt werde vor den Augen der Neunheit und wie man mir das Amt meines Vaters Osiris raubt.«
Auch Isis ergrimmte über die wankelmütige Neunheit, und sie schwor mit den Worten: »So wahr meine Mutter, die Göttin Neith, lebt, wird man diesen Entscheid auch Atum, dem Herrn von Heliopolis, vortragen und Chepri in seiner Barke als der höchsten Instanz.«
Darauf sprach die Neunheit zu ihr: »Reg dich nicht auf, man wird dem Gerechtigkeit widerfahren lassen, der im Recht ist, und man wird alles berücksichtigen, was du sagst.«
Nach den Worten der Isis ergrimmte Seth. Er sprach zur Götterneunheit: »Jeden Tag werde ich einen von euch mit meinem Zepter von 4500 Barren töten, und ich werde nicht weiter vor Gericht verhandeln, solange Isis zugegen ist.«
Da sprach Re zu der Götterneunheit: »Fahrt zu der Insel der Mitte und entscheidet dort zwischen ihnen.« Und er sagte zu Anti, dem Fährmann: »Setze keine Frau über, die Isis ähnelt.«
Da fuhr die Neunheit zur Insel hinüber.
Später kam aber Isis, und sie traf Anti, den Fährmann. Sie hatte sich in ein altes Weib verwandelt und trug einen goldenen Ring. Sie sprach: »Ich bin gekommen, damit du mich übersetzt nach der Insel der Mitte.«
Er aber antwortete ihr: »Man befahl mir, fahre keine Frau über.«
Sie sagte: »Das hat man dir doch nur wegen der Isis gesagt.«
Darauf er: »Was gibst du mir, wenn ich dich hinüberfahre?« Isis antwortete ihm: »Ich will dir den goldenen Ring geben, den ich trage.« Er sagte: »Gib ihn mir«, und sie gab ihn. Er setzte sie über.
Während sie unter Bäumen dahinging, erblickte sie die Neunheit. Da sah auch Seth auf und erblickte sie, wie sie von weitem näher kam. Sie aber verwandelte sich in ein junges Mädchen von so schönem Leib, wie es keines im ganzen Lande gab. Seth wurde augenblicks krank vor Liebe zu ihr. Er stand auf, um ihr zu begegnen. Niemand jedoch hatte sie gesehen außer ihm. Er rief sie an und sagte: »Ich möchte hier mit dir zusammenleben, schönes Mädchen!«
Und sie antwortete ihm: »Gern doch, mein hoher Herr. Ich selbst war verheiratet mit einem Hirten, und ich habe ihm einen Sohn geboren. Mein Mann starb, und der Junge kümmerte sich um das Vieh seines Vaters. Ein Fremder kam, und er sprach zu meinem Sohn: ›Ich werde dich prügeln, dir dein Vieh wegnehmen und dich hinauswerfen.‹ Du sollst nun für ihn entscheiden.«
Da aber sprach Seth zu ihr: »Soll man das Vieh einem Fremden geben, während der Sohn des Ehemannes danebensteht?«
Sogleich verwandelte sich Isis in eine Weihe, flog auf und rief: »Schäm’ dich, dein eigener Mund hat es ausgesprochen und hat dich gerichtet.«
Da war er beschämt, ging zu Re, der ihn fragte: »Was hast du?« Seth aber antwortete ihm: »Das schlechte Weib hat mir nachgestellt. Sie hatte sich in ein verführerisches Mädchen verwandelt und zu mir gesagt: ›Ich war mit einem Hirten verheiratet. Er gebar mir einen Sohn, der jetzt unser Vieh hütet, und starb. Dann kam ein Fremder zu uns, suchte den Stall auf und sprach zu meinem Sohn: ›Ich werde dich prügeln, das Vieh deines Vaters wegnehmen, und es soll fortan mir gehören!‹ Ich befand: Man soll das Gesicht des Eindringlings mit einem Stock schlagen, ihn hinauswerfen und man soll deinen Sohn an die Stelle seines Vaters setzen.« Da sprach Re zu ihm. »Sieh doch, du hast dich vor Isis selbst gerichtet, was willst du noch weiter?«
Als es Abend geworden war, schickten Re und Atum an die Neunheit das folgenden Schreiben: ›Wozu sitzt ihr eigentlich da? Wollt ihr die beiden jungen Männer ihr ganzes Leben vor Gericht zubringen lassen? Sobald unser Brief euch erreicht, setzt Horus die Weiße Krone auf und erhebt ihn auf den Thron des Osiris.‹
Seth brauste auf, aber die Götterneunheit sprach: »Warum tobst du unmäßig? Muß man nicht handeln nach der Weisung des Atum?«
Und man setzte die Weiße Krone auf das Haupt des Horus. Darauf brüllte Seth gegen die Neunheit: »Soll man denn das Amt meinem jüngeren Bruder geben, während ich, sein älterer Bruder, dabeisteht?« Seht schwor: »Man soll die Weiße Krone vom Haupt des Horus herunterreißen, dann will ich mit ihm kämpfen.« Re war einverstanden.
Da sprach Seth zu Horus: »Auf, laß uns die Gestalt von Nilpferden annehmen und ins Wasser tauchen. Wer aber vor Ablauf von drei Monaten auftauchen wird, dem soll das Amt versagt werden.« Die beiden tauchten hinab.
Nun sprach Isis unter Tränen: »Seth wird den Horus töten.« Sie nahm ein Seil, knüpfte eine Schlinge und schmolz Erz zu einer Waffe. Die Harpune legte sie in die Schlinge und warf sie dort ins Wasser, wo Horus und Seth getaucht waren. Aber das Erz traf Horus. Der schrie laut auf und rief: »Hilf mir, meine Mutter Isis!« Isis befahl der Harpune, sich von ihm zu lösen, und es geschah.
Erneut stieß sie ins Wasser und traf den Leib des Seth. Da schrie Seth: »Was habe ich dir denn getan. Ich bin doch dein Bruder, liebe Isis!« Isis befahl der Harpune, sich sogleich zu lösen, und sie fiel von ihm ab.
Jetzt aber ergrimmte Horus über die Mutter. Er schoß aus den Fluten heraus wie ein Leopard voller Wildheit, und mit einem Messer schnitt er den Kopf seiner Mutter ab. Er nahm ihn unter den Arm und stieg auf ins Gebirge. Re sprach zu Thot: »Was ist das für eine, die da kommt ohne Kopf?«
Thot sprach. »Oh, mein gütiger Herr, das ist Isis, die Göttermutter! Ihr eigenes Kind hat ihr den Kopf abgeschnitten.«
Voller Zorn schrie nun Re: »Eilen wir, um ihn streng zu bestrafen!«
Die Neunheit stieg in die Berge hinauf, um Horus zu suchen. Der aber schlief unter einem Schen-uscha-Baum. Seth indes fand ihn, packte ihn, warf ihn auf seinen Rücken. Dann riß er ihm beide Augen raus und vergrub sie am Berg. Beide Augen aber wurden zu Knospen und erblühten zu Lotusblumen, bereit, um als Sonne und Mond die Erde zu erleuchten.
Seth ging heim und log Re heimtückisch an: »Ich habe Horus nicht gefunden.«
Nun machte sich Hathor auf, und sie fand Horus, wie er im Wüstengebirge lag und weinte. Sie griff sich eine Gazelle, molk sie und sprach zu Horus: »Mach deine Lider auf, damit ich diese Milch hineinträufeln kann.« Er öffnete nun seine Lider, und sie träufelte die Milch hinein und sprach: »Mach deine Augen auf.« Und er öffnete sie und sah wieder.
Dann ging sie zu Re, um zu sagen: »Horus wurde gefunden. Seth hatte ihn seiner Augen beraubt, aber ich habe ihn wieder geheilt.«
Die Neunheit rief nach Horus und Seth. Der Herr des Alls sprach zu ihnen vor der Neunheit der Götter: »Eßt, trinkt, aber laßt uns in Frieden! Laßt ab, jeden Tag so zu streiten!«
Danach sprach Thot zum Herren des Alls: »Laß einen Brief an Osiris senden, damit er zwischen den beiden Burschen entscheide.« Im Brief an Osiris schrieb er: »Teile uns mit, was wir mit Horus und Seth machen sollen. Wir wollen keine Maßnahmen treffen in Unkenntnis.«
Osiris antwortete: »Vortrefflich ist alles, was du machst, Schöpfer der Neunheit. Nur die Gerechtigkeit, die hat man in die Unterwelt versinken lassen!«
Thot verlas die Zeilen vor Re und der Neunheit. Sie sprachen: »Sehr recht hat er mit allem Gesagten, der Herr der Nahrung, der die Überflutungen spendet.«
Als Seth erneut zu einem Kampf aufrief, befahl Atum der Isis: »Bringe Seth her, in einem Block gefesselt wie einen Sträfling.«
Atum sprach zu ihm also: »Weshalb sträubst du dich dagegen, daß man rechtlich zwischen euch entscheidet, und weshalb versuchst du, das Amt des Horus mit Gewalt an dich zu reißen?«
Seth aber antwortete ihm nun: »Keineswegs, mein gütiger Herr. Laß Horus rufen, das Amt seines Vaters Osiris werde ihm verliehen.«
So holte man Horus, den Sohn der Isis, setzte die Weiße Krone auf sein Haupt und setzte ihn an die Stelle seines Vaters Osiris.
Ptah, der große Herr des Lebens, sagte darauf: »Was soll aber jetzt mit Seth geschehen?«
Re antwortete: »Man überlasse ihn mir, daß er bei mir lebe wie mein Sohn. Er soll im Himmel donnern, und man soll sich vor ihm fürchten!«
Es geschah aber, daß Re, der Gott, der von selber entstanden war, erstrahlte, nachdem er das Königtum über die Menschen und die Götter erlangt hatte. Da nun planten die Menschen etwas gegen den Herrscher des Himmels.
Seine Majestät war alt geworden, seine Knochen aus Silber, seine Haare aus Lapislazuli, als Re von den Anschlägen, die die Menschen ersonnen hatten, erste Kunde erhielt. Und es sprach die Majestät zu seinem Gefolge: »Ruft mir doch meine göttlichen Hüter, samt den Göttervätern und Müttern, die bei mir waren, als ich noch im Nun weilte, und auch Nun, die große Gottheit selbst.
Dazu soll er auch seinen Hofstaat mitbringen. Kommt alle heimlich zu mir: Die Menschen sollen es nicht bemerken und fliehen.
Die Götter sollen zu meinem Palast kommen, damit sie mir ihren Rat vortragen können. Am Ende gehe ich dann in den Nun zurück, dorthin, wo ich entstanden bin.«
Da wurden diese Götter herbeigebracht, und sie reihten sich neben Re auf, damit er seine Rede halte vor seinem Vater Nun, dem Ältesten, dem Erschaffer der Menschen. Sie sprachen zu Re: »Sprich zu uns, damit wir es hören.«
Und Re sprach zu Nun: »Du ältester Gott, aus dem ich entstanden bin. Die Menschen, die aus meinem Sonnenauge hervorgingen, haben Pläne gegen mich geschmiedet. Sagt, was ihr dagegen tätet. Seht, ich suche die rechte Lösung. Ich töte sie nicht, bis ich eure Vorstellungen gehört habe.«
Da sprach die Majestät des Nun: »Mein Sohn Re, du Gott, der größer ist als sein Erzeuger, ehrwürdiger als sein Schöpfer, die Furcht vor dir ist groß, da doch dein strafendes Auge gegen die gerichtet ist, die sich von dir entfernt haben.«
Da sprach die Majestät des Re: »Seht, sie sind in die Wüste geflohen. Ihre Herzen sind in Furcht über die Folgen ihrer bösen Gedanken.«
Die Götter sprachen zu Re: »Laß deine Augen sich niedersenken und diejenigen Menschen von deinem Zornesblick schlagen, die sich alle gegen dich gestellt haben. Dein Auge steige hinab als Hathor.«
Später kam diese Göttin zurück, nachdem sie viele Menschen in der Wüste abgeschlachtet hatte. Da sprach Re: »Willkommen wieder in Frieden, Hathor, die du für den Schöpfer getan hast, wofür man dich schickte.«
Die Göttin antwortete: »Ich habe mich der aufsässigen Menschen bemächtigt, und es war ein Labsal auf mein Herz!«