Wissenschaftliche E-Book-Reihe, Band 5
Originalausgabe
© 2011 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, Berlin und bei den AutorInnen
Alle Rechte vorbehalten
Herausgeber:
Archiv der Jugendkulturen e. V.
Fidicinstraße 3, D – 10965 Berlin
Tel.: 030 / 694 29 34; Fax: 030 / 691 30 16
E-Mail: archiv@jugendkulturen.de
Ansprechpartner für die Wissenschaftliche Reihe: Klaus Farin; klaus.farin@jugendkulturen.de
Vertrieb: www.jugendkulturen.de
Lektorat: Susann Jentzsch
ISBN (epub): 978-3-943774-61-0
ISBN (pdf): 978-3-943774-60-3
Die Wissenschaftliche Reihe im Archiv der Jugendkulturen
Alljährlich entstehen an Universitäten und Fachhochschulen Hunderte von wissenschaftlichen Arbeiten, die zumeist nur von zwei GutachterInnen gelesen werden und dann unbeachtet in den Asservatenkammern der Hochschulen verschwinden. Dabei enthalten viele dieser Arbeiten durchaus neues Wissen, interessante Denkmodelle, genaue Feldstudien. Das Archiv der Jugendkulturen, Fachbibliothek und Forschungsinstitut zugleich zu allen Fragen rund um Jugendkulturen, hat deshalb damit begonnen, wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Jugend zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen. Mehr als 600 solcher Arbeiten enthält die Präsenzbibliothek des Archivs inzwischen – für jedermann kostenlos und frei zugänglich.
In der Wissenschaftlichen Reihe publiziert das Archiv der Jugendkulturen seit 2007 zudem qualitativ herausragende wissenschaftliche Arbeiten zu jugendkulturellen Zusammenhängen. Die Arbeiten werden von fachkundigen GutachterInnen gelesen und vor der Veröffentlichung professionell lektoriert. Da pro Jahr von 30 - 40 eingereichten Arbeiten nur zwei veröffentlicht werden, kann bereits die Aufnahme in den Verlagskatalog als Auszeichnung verstanden werden. Doch für die AutorInnen lohnt sich die Veröffentlichung auch materiell. Die Archiv der Jugendkulturen Verlag KG verlangt von ihren AutorInnen keinerlei Kostenbeteiligungen! Im Gegenteil: AutorInnen, deren Arbeiten wir in unserer Wissenschaftlichen Reihe veröffentlichen, erhalten bereits für die Erstauflage ein Garantiehonorar von 2.000 Euro!
Seit 2011 wird diese Reihe durch eine elektronische Schwester ergänzt. Denn immer wieder mussten wir hervorragende Manuskripte ablehnen, da ein kleiner Verlag wie der unsrige sich nicht mehr als zwei wissenschaftliche Titel mit den gesetzten Qualitätsstandards (großformatige Hardcover, alle Bände sind reichlich illustriert, oft in Farbe) und dem bewusst sehr niedrig angesetzten Ladenpreis (um möglichst viele Menschen zu erreichen) leisten kann. Die E-Book-Reihe soll dieses Manko nun ausgleichen. Was für die Printreihe gilt, gilt auch für unsere E-Books: Sie werden ebenfalls unter der Fülle eingereichter Arbeiten sorgfältig ausgewählt und lektoriert, die AutorInnen erhalten ein kleines Garantiehonorar und werden am Umsatz beteiligt.
Das Archiv der Jugendkulturen e. V.
Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e. V. existiert seit 1998 und sammelt – als einzige Einrichtung dieser Art in Europa – authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen selbst (Fanzines, Flyer, Musik etc.), aber auch wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der Öffentlichkeit in seiner Präsenzbibliothek kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus betreibt das Archiv der Jugendkulturen eine umfangreiche Jugendforschung, berät Kommunen, Institutionen, Vereine etc., bietet jährlich bundesweit rund 80 Schulprojekttage und Fortbildungen für Erwachsene an und publiziert eine eigene Zeitschrift – das Journal der Jugendkulturen – sowie eine Buchreihe mit ca. sechs Titeln jährlich. Das Archiv der Jugendkulturen e. V. hat derzeit 240 Mitglieder weltweit (darunter viele Institutionen). Die Mehrzahl der Archiv-MitarbeiterInnen arbeitet ehrenamtlich.
Schon mit einem Jahresbeitrag von 48 Euro können Sie die gemeinnützige Arbeit des Archiv der Jugendkulturen unterstützen, Teil eines kreativen Netzwerkes werden und sich zugleich eine umfassende Bibliothek zum Thema Jugendkulturen aufbauen. Denn als Vereinsmitglied erhalten Sie für Ihren Beitrag zwei Bücher Ihrer Wahl aus unserer Jahresproduktion kostenlos zugesandt.
Weitere Infos unter www.jugendkulturen.de
Humboldt-Universität zu Berlin
Philosophische Fakultät II
Institut für Romanistik
Bachelorarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Bachelor of Arts (B.A.)
im Fach Französisch
eingereicht von Simon Klippert
1. Gutachter/in: Prof. Dr. Dr. h.c. Hartwig Kalverkämper
2. Gutachter/in PD Dr. Brigitte Heymann
Tunja, den 15. Oktober 2009
1. Einleitung
Idee und Konzeption der Arbeit
2. Grundlegende Begriffe – Lebenswelt, Jugend, Migration und Literatur
Lebenswelt
Jugend
Migrationshintergrund
Literaturbegriff und dieser Arbeit zu Grunde liegende Literatur
3. Lebenswelten jugendlicher Migranten in literarisch-soziokultureller Fremd- und Selbstwahrnehmung in Deutschland und Frankreich
3.1 Verankerung der Lebenswelten im Raum – Banlieue, Kiez und Heimat
Banlieue und Kiez als Heimat
Der Raum in der Fremdperspektive
Demarkationslinien - räumliche Trennung
Der Raum in der Selbstwahrnehmung der Jugendlichen
Aneignung und Verteidigung des Raumes
Anspruch und Wirklichkeit
Ein dritter Raum?
Resümee
3.2 Die Familie als erste Instanz der jugendlichen Sozialisation
Familiäre Gewalt
Geschlechterrollen in der Familie
Die Wahrnehmung der Jugendlichen
Resümee
3.3 Freundeskreis, Peer-Groups und Freizeitgestaltung
Peer-Groups
Freizeitgestaltung
Soziale Netzwerke
Die jugendliche Selbstwahrnehmung
Freizeit-Delinquenz
Neugier am Fremden
Resümee
3.4 Die Institution Schule
Schulische Sozialisationen
Schule und Raum
Unterschiedliche Bezugssysteme
Resümee
3.5 Verankerung der Lebenswelt in der Zeit – Lebensentwürfe und Zukunftsaussichten
Verankerung in der Gegenwart
Visionen einer besseren Zukunft
…und die Realität
Resümee
4. Zusammenfassung und Ausblick – Deutsch-französische Perspektiven
Frankreich – Deutschland
Fremddarstellung vs. Selbstwahrnehmung
Literatur als Heimat transkultureller Identität
Weitergehende Überlegungen, politische Initiativen
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Selbstständigkeitserklärung
Die Idee zu dieser Arbeit entstand aus den Erfahrungen und Begegnungen innerhalb meiner eigenen Lebenswelt. Ich lebe in Berlin-Neukölln und arbeite sowohl an einer Neuköllner Schule als auch im deutsch-französischen Jugendaustausch mit jugendlichen Migranten. Im Rahmen meines Studiums stieß ich immer wieder auf Literatur im Zusammenhang mit den Themen Jugend und Migration und belegte gezielt Seminare, die sich mit der Thematik auseinandersetzten. Vier ausgewählte, da repräsentative Werke, die an geeigneter Stelle durch unterstützende oder grundlegende Zitate weiterer Autoren ergänzt werden, legen den Grundstein für diese Analyse jugendlicher Lebenswelten. Nicht zuletzt ist die aktuelle gesellschaftliche Diskussion ein Ausgangspunkt für diese Arbeit, schlägt doch sowohl in Frankreich als auch in Deutschland die Integrationsdebatte politisch hohe Wellen, begleitet von einer überwiegend negativen Berichterstattung der Medien, die oftmals im schroffen Kontrast zu den von mir erlebten Lebensrealitäten der Jugendlichen stehen. Diesen Eindruck zu bestätigen oder zu widerlegen ist ein Anliegen dieser Arbeit. Darüber hinaus wird sie einen Einblick in jugendlich-migrantische Lebenswelten geben, indem in ihr verschiedene Perspektiven, nämlich die Darstellung in Deutschland vs. die Darstellung in Frankreich und andererseits die Fremd- vs. die Selbstwahrnehmung der jugendlichen Lebenswelten verschränkend analysiert werden.
Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass sich die Thematik an der Schnittstelle zu einer Menge anderer (vor allem kontrovers diskutierter) Themen befindet, enthält sie doch Verweise auf die (grundlegend unterschiedliche) Geschichte der Immigration nach Frankreich und Deutschland und die damit einhergehenden Konzepte der Assimilation bzw. Integration, stellt sie die Konzepte der citoyenneté und des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts implizit gegenüber, streift das Thema der jugendlichen Suche nach eigener Identität und das weite Feld der Literatur „mit Migrationshintergrund“. Viele dieser Bereiche werden hier nur anklingen und nicht im Detail zur Sprache kommen können, der Fokus liegt vielmehr auf den Fragen, wie der Alltag junger Menschen, der in Medien und Gesellschaft zunächst mit Gewalt und Integrationsproblemen assoziiert wird, in Literatur und soziokulturellen Studien dargestellt wird und wie er von den Jugendlichen selbst wahrgenommen wird.
Die Arbeit baut sich dabei folgendermaßen auf: In einem ersten Teil werden vorweg die zentralen Begriffe dieser Analyse jugendlicher Lebenswelten definiert. Dabei handelt sich zunächst um den Begriff der Lebenswelt selbst, darüber hinaus auch um die Termini Jugend, Migrationshintergrund und das hier angewendete Verständnis von Literatur. Im Folgenden werden nach dem Lebensweltbegriff von Alfred Schütz und Edmund Husserl einige typische, durchweg in der Literatur beschriebene Sozialisationsinstanzen analysiert und in oben genannter zweifacher Verschränkung gegenübergestellt. Eine grundlegende Komponente der Lebensweltanalyse ist die Verankerung im Raum, die Darstellung und Wahrnehmung dessen wird in Kapitel 3.1 vorangestellt. Es folgen die Analyse der Sozialisationsinstanzen Familie, Kapitel 3.2, Freundeskreis und Peer-Groups, Kapitel 3.3, und Schule, Kapitel 3.4. Um die zeitliche Entwicklung mit einzubeziehen wird in Kapitel 3.5 die Darstellung unterschiedlicher Zukunftsperspektiven der Jugendlichen Thema sein. Abschließend folgt in Kapitel 4 eine Zusammenfassung der Ergebnisse Bezug nehmend auf die zuvor analysierten Einzelaspekte von Sozialisationserfahrungen, die schlussendlich in den Zusammenhang der aktuellen, deutschfranzösischen Debatte gestellt werden.
Wie eingangs bereits erwähnt, verlangt die Themensetzung dieser Arbeit durch die Ansammlung vielfach auslegbarer Begriffe im Titel geradezu zwangsweise die Eingrenzung der Kernthemen der hier vorliegenden Fragestellung.
Unter Lebenswelt wird im Folgenden nach Edmund Husserl „die raumzeitliche Welt der Dinge, so wie wir sie in unserem vor- und außerwissenschaftlichen Leben erfahren“,1 sowie nach Alfred Schütz die „für den Menschen selbstverständliche Wirklichkeit“2 seines Alltagslebens verstanden. Husserl bezieht sich dabei auf die Natur - Schütz auf die Sozialwissenschaften, seine Definition ähnelt dem Verständnis Max Webers, der die Soziologie als „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“3, definiert. Schütz’ weiterführende Definition von Lebenswelt lautet folgendermaßen: „Die Lebenswelt ist der Inbegriff einer Wirklichkeit, die erlebt, erfahren und erlitten wird. Sie ist aber auch eine Wirklichkeit, die im Tun bewältigt wird, und die Wirklichkeit, in welcher - und an welcher - unser Tun scheitert.“4 Die Bewältigung dieser Herausforderung des Alltags soll in den folgenden Kapiteln Thema sein. Schütz stellt in seiner Definition jedoch ebenfalls klar, dass die Lebenswelt der „Wirklichkeitsbereich, an der der Mensch in unausweichlicher, regelmäßiger Wiederkehr teilnimmt“5, ist.
Die Lebenswelt, in der sich ein jeder fraglos bewegt, bildet dem zu Folge den „unbefragten Boden der natürlichen Weltanschauung“6 unseres Alltages. Die Analyse von Lebenswelten hat zum Ziel, „formale Grundstrukturen [...] des Handelnden [...] durch einen täglichen oder wissenschaftlichen Beobachter zu beschreiben“.7 Ihr Ziel ist das Verstehen, der Einblick in Alltagswelten. Die Lebensweltanalyse ist keine Erkenntnistheorie. Es geht ihr vielmehr darum, Grundstrukturen der Sinnkonstitution im subjektiven Bewusstsein des Handelnden durch einen alltäglichen oder wissenschaftlichen Beobachter zu beschreiben.8
Auf den Begriff der Lebenswelt beziehen sich in der Wissenschaftsgeschichte auch andere Geisteswissenschaftler: David Lockwood910Lebenswelt11