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RONCO



In dieser Reihe bisher erschienen

2701 Dietmar Kuegler Ich werde gejagt

2702 Dietmar Kuegler Der weiße Apache

2703 Dietmar Kuegler Tausend Gräber

2704 Dietmar Kuegler Apachenkrieg

2705 Dietmar Kuegler Das große Sterben

2706 Dietmar Kuegler Todesserenade

2707 Dietmar Kuegler Die Sonne des Todes

2708 Dietmar Kuegler Blutrache

2709 Dietmar Kuegler Zum Sterben verdammt

2710 Dietmar Kuegler Sklavenjagd

2711 Dietmar Kuegler Pony Express

2712 Dietmar Kuegler Todgeweiht

2713 Dietmar Kuegler Revolvermarshal

2714 Dietmar Kuegler Goldrausch

2715 Dietmar Kuegler Himmelfahrtskommando

2716 Dietmar Kuegler Im Fegefeuer

2717 Dietmar Kuegler Die Ratten von Savannah

2718 Dietmar Kuegler Missouri-Guerillas

2719 Dietmar Kuegler Höllenpoker

2720 Dietmar Kuegler Das Totenschiff

2721 Dietmar Kuegler Der eiserne Colonel

2722 Dietmar Kuegler Der Feuerreiter

2723 Dietmar Kuegler Die Ehre der Geächteten

2724 Dietmar Kuegler Der letzte Wagen

2725 Dietmar Kuegler Die Händler des Todes

2726 Dietmar Kuegler Das Massaker

2727 Dietmar Kuegler Jagd auf Ronco

2728 Dietmar Kuegler Gewehre für Juarez

2729 Dietmar Kuegler Der Weg nach Vera Cruz

2730 Dietmar Kuegler Am Ende aller Wege


Dietmar Kuegler


Der Weg
nach Vera Cruz





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© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logo: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-178-6



Der Weg nach Vera Cruz


von Everett Jones


20. Juni 1882.


Ich denke oft viel nach. Mitunter empfinde ich Angst vor dem nächsten Tag. Dabei dürfte sich ein Mann in meiner Situation genau dieses nicht erlauben. Angst vor dem Tod habe ich nicht, zumindest glaube ich, sie nicht zu haben. Dem Tod bin ich schon so häufig begegnet, dass ich meine, er hätte seinen Schrecken für mich verloren, wie alles seine Schrecken verliert, wenn es alltäglich wird.

In Gefahr schwebte ich immer. Kein Tag verging, der mir nicht irgendwelchen brandheißen Ärger brachte, und das von Kindesbeinen an.

Damals, nach dem fürchterlichen Massaker im Halcon Canyon, war es für mich ein grausamer Schock, was ich alles entdecken musste. Zum Beispiel, dass die Regierungs­behörden gar nicht immer so gradlinig handelten, wie sie taten, und allzu häufig ein doppeltes Spiel betrieben. So suchten sie angeblich nach den Waffenschiebern, die man für den Indianeraufstand am Rio Doro verantwortlich machte, aber gleichzeitig taten sie sich mit diesen Halunken zusammen, um Juarez in Mexiko mit Gewehren, Revolvern, Munition und Sprengpulver zu beliefern und damit seinen Krieg gegen den fremden Kaiser im Lande zu unterstützen.

Ich musste damals immer mehr erkennen, dass ich drauf und dran war, gegen einen massiven Felsen aus Granit anzurennen, gegen den ich nie eine Chance haben konnte.

Sie hatten mich zum Mörder gestempelt und schienen auch tatsächlich die Macht zu haben, über mein Leben zu entscheiden. Vielleicht wäre es klüger von mir gewesen, aufzugeben und in der Weite der Wildnis zu verschwinden. Leider lag mir das nicht.

Ich befand mich auf dem Weg durch Mexiko. Das Land lag nach dem Sturz von Kaiser Maximilian in einem Taumel von Freude, Angst und Terror. Die Revolution hatte Kräfte freigesetzt, die sicherlich nur schwer wieder zu zügeln sein würden. In den weiten Teilen des Landes regierten Mordbanden. Und mitten da hindurch wollte ich meine Freunde nach Vera Cruz begleiten. Blieb die Frage, ob wir dort auch ankommen würden. Ich hoffte es jedenfalls. Und ich hoffte auch, in der Küstenstadt die Spur meiner erbarmungslosen Gegner wieder aufnehmen zu können. Doch eine Menge sprach dagegen, dass mir dies gelingen würde. Ich spielte mit meinem Leben. Das ist auch heute nicht anders als damals 1867.



1.


Die Büsche standen so dicht auf der Flanke des Hügels, dass sie mich und meinen Falben verbargen. In der frühen Morgenstunde war die Luft klar und rein, und so reichte mein Blick weit nach Süden hinunter über das Flachland.

Im Westen tauchten Reiter aus einem Waldstück auf. Gewehrschlösser und Kolbenplatten funkelten im Sonnen­licht. Ich zog instinktiv den Kopf des Falben weiter nach unten und dichter gegen meinen Arm.

Es waren Juaristas, eines jener kleinen Kommandos, die in diesen Tagen überall herumstreiften und nach versprengten Resten der geschlagenen Kaiserarmee suchten, nach Beamten, geflohenen Höflingen, Agenten und Glücksrittern, die in den Jahren der Revolution gegen Juarez und seine Rebellen gekämpft hatten.

Jetzt hatten sie gesiegt. Der Kaiser war gefangen­genommen worden und hatte mit einem Prozess zu rechnen, dessen Ende aller Voraussicht nur sein Tod sein konnte. Wer auf seiner Seite stand, hatte auch nichts anderes zu erwarten.

Als Amerikaner war man in diesen Tagen besonders gefährdet. Zwar kleidete ich mich wie ein Mexikaner und sprach auch fließend Spanisch, aber meine Haut war doch eine Nuance heller als die der Mehrheit der Einheimischen. Zudem erweckte mein hellblondes Haar schnell Misstrauen.

Es waren fünfzehn Reiter. Sie ritten in der weiten Talsenke an einer Reihe Saguaro-Kakteen entlang und entzogen sich bei den anschließenden Yuccasträuchern für eine Minute völlig meinem Blick. Doch hinter den Yucca­sträuchern lenkte der Anführer der mit Waffen und Patronen­gurten behängten Reiter sein Pferd jäh herum und hielt direkt auf die Hügelflanke zu. Wenn er so weiter­ritt, musste er unmittelbar auf mich stoßen.

Sie waren alle eingeschwenkt und näherten sich im Trab der Hügelflanke. Höchstens noch dreihundert Yards trennten sie von mir. Das Gestrüpp wurde von ihnen einfach niedergewalzt.

Ich konnte nicht länger warten und darauf hoffen, dass sich bei ihnen ein Sinneswandel vollzog, der sie abermals eine neue Richtung einschlagen ließ. Ich fürchtete sogar, dass sie mich bemerkt hatten und dies nur noch nicht zu erkennen gaben.

So nahm ich den Zügel länger, drehte mich herum und hob den Fuß an, um ihn in den Steigbügel zu schieben. Der Falbe schnaubte und bewegte sich. Ich schwang mich in den Sattel.

Jetzt sahen sie mich über dem Gestrüpp. Und ich erkannte, dass ihnen meine Anwesenheit bisher noch nicht bekannt gewesen sein konnte. Denn sie zügelten die Pferde und schauten überrascht zu mir herauf.

Die Sekunde ihres Erschreckens genügte mir, den Falben herumzureißen und das Weite zu suchen.

Geschrei ertönte hinter mir. Der Anführer der Juaristas gab einen Befehl. Gewehre entluden sich. Kugeln pfiffen durch das Dickicht.

Die Hufe des Falben trommelten über die Hügelflanke. Ich duckte mich auf den Hals des Tieres, dessen Mähne mir ins Gesicht wehte. Zu meinem Glück hatte ich nicht weit unterhalb der Hügelkuppe gestanden, so dass ich die Höhe schon nach wenigen Sekunden erreichte. Mein Pferd flog darüber hinweg und ging die Nordflanke in einem so hohen Tempo an, dass ich in Sorge war, es könnte stürzen und meine Flucht damit beenden.

Doch der Falbe lief mit traumwandlerischer Sicherheit über den abschüssigen, unebenen Boden. Geborstenes Gestein, Geröll, Felsbrocken und Sand wechselten auf dem Boden der Halde in schneller Folge. Überall dazwischen stand Gestrüpp wie auf der anderen Seite.

Es dauerte nur zwei Minuten, bis die Verfolger die Höhe erreichten. Ich war in diesem Moment schon am Fuß des Hügels und feuerte aus meinem Navy-Colt hinter mich. Damit konnte ich zwar keinen Mexikaner treffen, vertraute aber auf die moralische Wirkung. Sie schossen zwar noch hinter mir her. Aber das Krachen brach bald ab.

Ich ritt im Galopp weiter und schwenkte nach Osten ab. So vermochte ich sie einige Sekunden später wieder zu sehen. Sie hielten noch auf dem Hügel. Ihnen schien klargeworden zu sein, dass die Kondition meines Pferdes zu gut war, als dass sie es hätten einholen können. Vielleicht waren sie schon lange unterwegs gewesen.

Noch einmal entluden sich die Gewehre, doch das Pfeifen der Kugeln hörte ich nicht mehr. Zudem erreichte ich hohe Saguarokakteen, die mir wieder Deckung verschafften. Hin und wieder sah ich die Reiter. Doch als ich am Ende der Kakteen anlangte, zogen sie ihre Pferde bereits herum und tauchten auf der Südseite des Hügelrückens unter.

Sanft lenkte ich das Pferd wieder nach Norden. Vielleicht wollten die Kerle mich nur täuschen, folgten dem Hügelrücken nach Osten und ritten dann an anderer Stelle doch noch herüber. So bewegte ich mich davon weg und brachte rasch eine weitere halbe Meile zwischen mich und die lange Erhöhung, die das unwegsame und unübersichtliche Gelände teilte.

Nach weiteren zwanzig Minuten sah ich in der Ferne das Schimmern auf den Dächern des Ranchos. Dort hatte ich meine Begleiter zurückgelassen, als ich in der Nacht aufgebrochen war, um zu erkunden, wie sicher wir uns fühlen durften.

Seit wir aus Querétaro geflohen waren, hatten wir hier zum ersten Mal Ruhe gefunden. Aber ich war nicht sicher gewesen, ob man uns nicht doch noch verfolgte. Denn immerhin war mindestens einer meiner Begleiter, der englische Arzt James Boulder, ein gesuchter Fremder. Nicht minder scharf waren manche Einheimischen darauf, auch mich zu erwischen. Auch Laureen Gilbert, die Frau eines getöteten Hoflieferanten des Kaisers, befand sich in ständiger Gefahr. Und mit ihr natürlich ihre Tochter Marie.

Aber nachdem wir sicher waren, dass man uns zumindest von Querétaro aus nicht verfolgte, wuchs meine Zuversicht, dass ich den Engländer Doc Boulder sowie die Französin Laureen Gilbert und ihre Tochter nach Vera Cruz bringen konnte. Dort sollte ein Kapitän warten, der sie auf seinem Schiff mit nach Europa nehmen würde.

Das Buschland war viel dürftiger. Bald vermochte ich den Rancho mit seinen großen Corrals um die drei ebenerdigen Gebäude aus weißen Adobelehm deutlich zu sehen. Das Windrad stand bewegungslos auf seinem Gerüst über den glitzernden Dächern. Auch das Vieh in den Corrals bewegte sich nicht.

Bei meiner Annäherung trat ein junger Mexikaner mit einem Gewehr in der Armbeuge aus dem Haupthaus. Der Blick des jungen Burschen war finster, als er sein Gewehr auf mich richtete.

Ich ließ den Falben langsamer gehen und schlug rechts den Poncho zurück, damit mein Revolver im Holster sichtbar wurde.

Der junge Mexikaner schien das aber nicht zur Kenntnis zu nehmen. Der Falbe blieb am Rand des Hofes stehen.

„Hallo“, sagte ich gedehnt. „Ist irgendetwas passiert?“

Noch ein paar Herzschläge lang musterte mich der junge Mann, dann drehte er sich um und verschwand im Haus.

„Taubstumm, wie?“ Kopfschüttelnd ritt ich weiter.

Die Tür der Scheune am Ende des Hofes hinter dem Windradgerüst wurde geöffnet. Ich sah Doc James ­Boulders mittelgroße, schlanke Gestalt und das in der Sonne heller erscheinende, dunkelblonde Haar. ­Erleichtert atmete ich durch, zügelte bei dem Mann das Pferd und saß ab.

„Ist etwas passiert?“

„Die beiden jungen Burschen, die uns gestern Abend empfingen, sind nicht allein hier“, erwiderte der dreißigjährige Engländer.

„Sondern?“, fragte ich.

Ein älterer Mann gehört auch noch dazu. Der Vater, denke ich. Der war in einem Nest, das es nördlich von hier geben muss. Seit er vor einer Stunde zurückkehrte, scheinen die uns zu bewachen.“

Ich schaute über die Schulter und sah hinter einem kleinen Fenster des Haupthauses den jungen Burschen, der mit einer demonstrativ wirkenden Geste seinen Gewehrlauf herausschob.

„Da sehen Sie es!“

„Ja.“ Ich führte den Falben an Doc Boulder vorbei in die Scheune und lächelte Laureen Gilbert und ihrer fünfjährigen Tochter Marie aufmunternd zu.

Marie lag im Stroh. Sie sah krank aus. Laureen, ihre Mutter, kniete neben ihr, befeuchtete ein Tuch in einem Eimer und legte es ihr auf die Stirn.

Laureen war eine zierliche, mittelgroße und schwarzhaarige Person, die Energie und Kraft ausstrahlte. Sie hatte ein schmales, längliches Gesicht mit hohen Backenknochen und großen, ausdrucksvollen Augen von dunkler Farbe. Sie hatte längere Zeit in dem kaiserlichen Lazarett geholfen, in dem Doc Boulder Arzt war. Der Tod ihres Mannes vor einigen Tagen hatte sie schwer mitgenommen, obwohl sie sich bemühte, sich davon nichts anmerken zu lassen.

„Marie hat leichtes Fieber“, sagte der Arzt hinter mir.

„Kein Wunder bei dem, was sie mitmachen muss“, erwiderte ich.

Boulder trat an meine Seite, nahm mir den Zügel des Falben ab und führte ihn zu den beiden anderen Pferden in der hinteren Scheunenecke.

Laureen richtete sich auf und trat mir entgegen. „Wie sieht es draußen aus, Ronco?“

„Die Juaristas sind überall und nirgends“, sagte ich mit gesenktem Kopf. Doch dann schaute ich auf und sie an. „Hinter uns ist niemand mehr her.“

„Aber seit der ältere Mann eintraf, ist hier alles ver­ändert. Sie stehen uns feindlich gegenüber.“

„Hat jemand zu Ihnen etwas gesagt?“

„Nein. Ich spüre es, Ronco. Diese Leute wollen, dass wir verschwinden. Sie haben uns auch nichts mehr zu essen gebracht, obwohl ich darum bat.“

„Ja, das ist wahr.“ Doc Boulder verließ die Ecke. „Aber die Hauptsache ist, dass man uns nicht verfolgt. Dann kann auch niemand wissen, wo wir zuletzt waren.“

„Heute misstrauen die Leute jedem“, sagte die junge Frau. Plötzlich wurde ihr Blick starr und ging an mir vorbei.



2.


Wie einem Zwang folgend, drehte ich mich um. Die beiden jungen und ein älterer Mexikaner standen im Hof neben dem in der Sonne weiß leuchtenden Haupthaus. Alle drei hielten sie Gewehre in den Händen, die sich auf uns richteten.

„Mein Gott“, flüsterte Laureen. Ihre Hand tastete langsam zum Hals hinauf.

„Keine Panik“, murmelte ich.

Boulder griff in die Tasche, wo er seinen kleinen Revolver stecken hatte. Doch ich griff nach seinem Hand­gelenk, schüttelte den Kopf und zog seine Hand zurück.

„Den lassen wir stecken, Doc. Und ganz ruhig bleiben!“ Ich ließ den Arm des Engländers los und ging auf das offene Scheunentor zu.

Sie rückten mir schon entgegen.

Ihre Gesichter wirkten finster und verschlossen und verrieten auch ohne Worte, dass wir hier unerwünscht waren. Der ältere der Männer war sicher schon sechzig. Er war etwas kleiner als seine drahtigen Söhne, trug aber wie sie zerlumpte, ärmliche Leinenkleidung, Sandalen an den Füßen und einen Sombrero aus Stroh auf dem Kopf. Die Gewehre der drei schienen das Beste zu sein, was sie besaßen, es waren moderne Mehrladewaffen aus den USA, solche, wie Mahon Tabor in dieses Land schmuggelte.

„Was ist los?“, fragte ich. „Wir kamen gestern hier an und erhielten die Erlaubnis, einige Tage zu bleiben.“

„Dafür haben wir bezahlt!“, sagte der Engländer. „Und nicht schlecht, möchte ich behaupten!“

„Es ist mein Rancho und nicht der meiner Söhne“, entgegnete der ältere Mann. „Ich war in einer Stadt acht Meilen nördlich von hier.“

„So?“, sagte ich gedehnt. „Und was soll uns daran interessieren, dass Sie in einer Stadt waren?“

„Man sucht nach ein paar Leuten, die aus Querétaro flüchteten“, erklärte der junge Mann links des älteren. „Darunter ein blonder Amerikaner und eine Französin, die ein Kind bei sich haben soll.“

„Ich habe es doch geahnt!“, stieß die junge Frau leise hinter mir hervor.

„Na und?“, fragte ich. Meine Hand näherte sich dem Revolvergriff und berührte ihn.

„Wir wollen damit nichts zu tun haben“, erwiderte der ältere Mann. „Wir haben hier in Frieden gelebt. Immer war das so. Immer hielten wir uns aus den Streitigkeiten um die Macht heraus. Wir hatten nichts mit den Rebellen und nichts mit dem fremden Kaiser zu tun. Wir züchten nur Vieh und bauen Mais an. Haben Sie verstanden?“

„Sie wollen also, dass wir verschwinden?“ Boulder trat an meine Seite. „Verstehen wir Sie richtig?“

„Es könnte sein, dass ihr verfolgt werdet und man Spuren findet, die hierherführen!“, stieß der zweite junge Mexikaner hervor.

„Was heißt das?“ Boulder streckte die Hand wieder in die Tasche, in der er den kleinen Revolver bei sich trug. Die Mexikaner schwiegen. Doch ihre schussbereiten Waffen waren weiter auf uns gerichtet.

„Ihr wollt also nichts riskieren und uns für den Fall, dass Verfolger auftauchen und nach uns fragen, als Gefangene präsentieren, was?“ Ich lächelte scharf. Auf Englisch sagte ich zu Doc Boulder: „Dagegen ­müssen wir was tun, Doc. Und zwar sofort. Sie nach links. ­Laureen, zurück!“

Im selben Moment warf ich mich nach rechts, schrammte gegen den Torpfosten und zog den Revolver.

Der junge Bursche vor mir feuerte. Die Kugel pfiff vorbei und traf die Rückwand der Scheune. Laureen stieß einen Schrei aus. Das Kind weinte.

Boulder landete auf der anderen Torseite im Sand und zerrte die kleine Handfeuerwaffe aus der Tasche. Ich schoss.

Der junge Kerl vor mir wurde in den Arm getroffen und ließ das Gewehr aus den Händen fallen. Mit ­schmerz­verzerrtem bösem Gesicht schwankte er wimmernd zurück.

Der ältere Mann und sein anderer Sohn zögerten, da sie von Boulder und mir mit den Waffen bedroht wurden.

„Werft sie weg!“, befahl ich wieder auf Spanisch. „Na los!“

Der Ranchero blickte auf seinen wimmernden Sohn, der die rechte Hand auf den linken Arm presste.

Da öffnete der Mann die Hände. „Wir wollen mit so was nichts zu tun haben. Wir sind friedliche Leute, die nur ihrer Arbeit nachgehen.“

Auch der andere junge Bursche ließ sein Gewehr fallen.

Doc Boulder erhob sich und schlug über seine staubige Hose. Ich ging auf die Mexikaner zu, stieß erst den älteren Mann an mir vorbei und dann den jungen Burschen. Der Verletzte folgte seiner Familie danach von selbst.

„Was soll jetzt werden?“, fragte Laureen.

„Wir werden sie fesseln“, entschied ich. „Wir binden jeden von ihnen in einer anderen Ecke fest. Dann dürften wir genügend Vorsprung gewinnen, um vor denen sicher zu sein. Doc, kümmern Sie sich um ein paar geeignete Stricke?“

Der Engländer wandte sich dem Corral zu. Lassos hingen über dem Zaun. Der Boulder brachte zwei davon in die Scheune, wo er sie mit seinem Messer zerschnitt. Während ich die Mexikaner weiterhin mit dem Colt in Schach hielt, wurden sie von dem Engländer jeder für sich in drei verschiedenen Ecken ans Gebälk gebunden. Die bis in die Erde reichenden Dachstützen waren dick und aus festem Holz. Allein würden die Mexikaner sich nicht befreien können. Das bedeutete jedoch für sie insofern keine Gefahr, als ich ganz sicher damit rechnete, dass bald suchende Soldaten auftauchen mussten. Sie waren überall und würden auch hier erscheinen.

„Sei still, Marie“, sagte Laureen Gilbert, die bei ihrer Tochter kniete. Ich führte die Pferde in den Hof und schaute mich um. Noch lag das weite, unter dem Sonnenlicht gleißende Land scheinbar verlassen um den Rancho.

Doc Boulder trat mit seinem Sattel nach draußen und legte ihn seinem Pferd auf. „Wir brauchen zumindest für Marie etwas zu essen. Obwohl uns eigentlich allen der Magen knurrt. Oder Ihnen nicht?“

„Doch. Ich sehe nach.“ Der Zügel des Falben glitt aus meiner Hand, ich wandte mich dem Haupthaus zu.

Drinnen sah es ziemlich wüst nach Männerwirtschaft aus. Alles verfügbare Geschirr stand benutzt in einer großen Waschschüssel neben der Wasserpumpe, von der aus ein rostiges Eisenrohr in den festgestampften Lehm­boden führte. Auch der Tisch war mit Tellern, Messern und Mahlzeitresten überladen. Ich durchsuchte den aus Brettern gezimmerten Schrank, die in die Wand ­eingelassene Speisekammer und die Kisten, die auch als Bänke um den Tisch dienten.

Außer etwas Ziegenkäse und einem halben Maisbrot fiel mir nichts in die Hände. Sie waren wirklich arme Leute, die offenbar nicht einmal eins der wenigen, mageren Longhorns schlachteten, so dass man fürchten musste, sie könnten eines Tages an ihrem Geiz zugrunde gehen. Ich legte für das gefundene Essen ein paar Kupfer­münzen auf den überladenen Tisch, reichliche Bezahlung für das alte Maisbrot und den Käse, der nur ein übrig gebliebener Rest war.

Als ich in den Hof trat, hatte der Doc alles für den Abritt vorbereitet. Laureen und ihre Tochter saßen bereits auf dem einen Pferd. Boulder saß eben auf. Seine Kiefer begannen zu arbeiten, als er das Brot in meiner Hand sah.

Ich warf es ihm zu, gab Laureen den Ziegenkäse und ging hinter die Pferde, um das Tor zu schließen.

„Er ist verletzt!“, rief der ältere Mann und schaute zu seinem von der Kugel getroffenen Sohn.

Das Tor loslassend, ging ich hinein und auf den Getroffenen zu, dem aber Doc Boulder bereits den Arm verbunden hatte. Ich sah nur flüchtig danach, weil es mir dumm erschien, etwas zu kontrollieren, was der Doktor viel besser konnte als ich.

„Wir werden hier umkommen!“, erklärte der Ranchero wütend.

„Man wird euch finden“, erwiderte ich. „Die ­Juaristas suchen überall. Sie sind bald hier und werden euch befreien. Sie werden dann überzeugt sein, dass ihr gute Landsleute für sie seid.“ Ich lächelte verächtlich. „So wie ihr auch für den fremden Kaiser welche gewesen sein dürftet.“

„Wir gehen nur unserer Arbeit nach!“, rief der ältere Mann. „Alles andere ist uns egal!“

Mein Blick glitt noch einmal durch die Scheune, in der wir gehofft hatten, uns ein paar Tage von den Strapazen der Flucht erholen zu können. Aber vielleicht war es besser, dass wir weiterritten und versuchten, möglichst schnell zur Küste zu gelangen. Ich ging hinaus, schloss das Tor und stieg auf mein Pferd.

Doc Boulder warf mir ein Stück des harten Maisbrots zu. „Das ist so alt wie die Berge in der Sierra. Beißen Sie sich nicht die Zähne daran aus, Ronco!“

„Ich werde es ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen“, versprach ich lächelnd.

Marie hatte sich beruhigt und wurde von Laureen mit kleinen Bissen Brot und Ziegenkäse gefüttert. Aber sie war vom Fieber schon so sehr geschwächt, dass sie nur noch lustlos aß. Ich sah dem Doktor an, dass er in erheblicher Sorge um das Kind war.

„Also los!“ Ich lenkte den Falben am Schuppen des Ranchos vorbei und ritt nach Nordosten.

Sie folgten mir. Wir ritten hinaus in das bald wieder von Kakteen, Tannengehölzen, Yuccasträuchern und Rotdorn überwucherte Land. Oftmals bedeckte geborstene, graue Lava streckenweise den Boden. Feiner Staub wurde von den Hufen unserer Pferde aufgewirbelt und hing hinter den Tieren wie ein Polster dicht über dem Boden.

Ich ritt in einen Graben hinunter und im steinigen Bett weiter nach Norden und hoffte, dass sich spätestens hier unsere Spuren für eventuelle Verfolger für immer verlieren würden.

Unser Problem, mehr und bessere Verpflegung und auch Medikamente für Marie zu erhalten, löste sich damit allerdings noch nicht. Mit Sorge dachte ich daran, dass in der Stadt im Norden, die der Ranchero aufgesucht hatte, von uns gesprochen worden war.

Bald verließ ich den Arroyo und lenkte den Falben nach Osten. Niemand von uns sprach ein Wort. Immer, wenn ich hinter mich schaute, sah ich Laureen Gilberts sorgenvolles Gesicht und ihre schmale Hand, die das Kind vor ihr auf dem Pferd festhielt. Je mehr Stunden vergingen, umso mehr schien es mir, als würde das schöne Gesicht der Französin härter, als würde ihre alte Energie mehr und mehr zurückkehren. Das steigerte meine Zuversicht, dass wir es schaffen könnten, Vera Cruz zu erreichen.

Doc James Boulder ritt am Schluss unseres kleinen Zuges. Er schaute hin und wieder zurück, ohne dort jemals etwas anderes als das karge, ausgedörrte Land zu sehen.

Erst gegen Mittag fanden wir einen armschmalen Wasser­lauf. Er plätscherte noch relativ kühl aus einer Spalte im felsigen Hang eines Hügels und verdunstete wenige Yards weiter in seinem steinigen Bett auf den heißen, abgewaschenen Steinen.

Ich stieg ab, reinigte mir die staubigen Hände im glasklaren Wasser, legte sie danach zusammen, fing das Wasser damit auf und trank es. Da es nicht alkalihaltig schmeckte und genießbar erschien, nickte ich den anderen zu und nahm Laureen das schlafende, vom Fieber gezeichnete Kind ab.

Während sich die anderen am Wasser stärkten, ging ich durch die trockene Rinne zurück und beobachtete nun meinerseits das schwer überschaubare Gelände im Westen.

Der Engländer trat zu mir herüber. „Wir müssen irgendwo für eine Weile bleiben, Ronco. Wegen Marie.“

„Ich weiß.“

„Und zwar bald!“

„Ja“, sagte ich leicht ungeduldig. „Aber wo? Sie braucht auch etwas Kühle. Schatten! Also mindestens ein Dach. Sehen Sie irgendwo ein Dach oder was anderes, was dazu dienen könnte?“

Doc Boulder schaute sich gar nicht erst um, weil es nichts gab, was zu Maries Schutz vor der Hitze geeignet gewesen wäre. „Gute Lebensmittel wären das Wichtigste. Heilkräuter, wie es sie in jedem Gemischtwarenladen gibt, selbst im kleinsten Dorf noch. Das würde dem Kind bestimmt schnell wieder auf die Beine helfen.“

„Wir halten an, sobald sich dazu eine Möglichkeit bietet.“ Ich wandte mich um und ging zur anderen Seite zurück.

Marie war munter. Ihr Gesundheitszustand war jedoch so angegriffen, dass sie apathisch in den Armen ihrer Mutter ruhte, mich zwar anschaute, aber nicht zu sehen schien.

„Wir reiten weiter“, entschied ich in einem Ton, der Widerspruch ausschloss. „Ich helfe Ihnen, Laureen!“

Ich nahm der Frau das Kind ab und wandte mich den Pferden zu.

Laureen stieg in den Sattel. Ich gab ihr das fiebernde Kind hinauf, holte die beiden leeren Flaschen, die wir hatten und füllte sie am Creek. Boulder nahm mir eine davon ab.

Minuten später lag der kurze Creek schon hinter uns, und wir hielten weiter Ausschau nach einem Unterschlupf.


*


Die Sonne tauchte langsam in einen blutroten Streifen am fernen Horizont im Westen. Ihre letzten, langen Strahlen vergoldeten das große Kreuz auf einem fernen Kirchturm und ließen die weiße Wand des Gemäuers hell erstrahlen.

Die ferne Stadt musste in einer Senke liegen, in die wir vom Standort, an dem wir hielten, nicht hineinschauen konnten. Aber sie war nicht weiter als zwei bis drei Meilen entfernt. Eine Dunst- und Staubglocke stand darüber bewegungslos über dem Land.

„Eine Stadt“, sagte Laureen. Neue Hoffnung schimmerte in ihren Augen, als sie mich anschaute.

Auch der Engländer wandte mir das Gesicht zu. „Wissen Sie, wie sie heißen könnte?“

„Nein.“

„Soll ich mal hin reiten?“

„Auf keinen Fall heute Abend“, erwiderte ich.

Der Engländer zeigte Überraschung. „Wann dann?“

„Morgen früh. Dann herrscht Leben in den Straßen, und viele Leute bemühen sich um Lebensmittel und andere Dinge. Dann kann man sich viel unauffälliger bewegen als am Mittag oder am Abend, wenn die Straßen wie leergefegt sind.“

„Ja, das stimmt“, sagte die Französin. „Wir haben nie gelernt, was man auf der Flucht alles bedenken muss, James.“

Ich spürte, dass sie mich beide anblickten, vermied es aber, dass mein Blick den ihren kreuzte. Statt­dessen wendete ich den Falben nach Osten und ritt auf ein scheunenartiges Lehmgemäuer zu, das halb verfallen in einem Kakteengewirr stand. Das Dach hing auf einer Seite schon so weit über der eingestürzten Wand, dass zu befürchten war, es könne jede Minute ganz einfallen.

Ich hielt neben dem losgerissenen, umgefallenen und zersplitterten Tor und saß ab.

In der ehemaligen Scheune, um die herum es keine Felder mehr gab, weil das Land offenbar aufgegeben worden war, sah ich einen alten, morschen Wagen, über dessen Räder und Planken sich Spinnengewebe wie ein mausgrauer Vorhang woben. Eine rostige Egge lag in einem abgeteilten Verschlag, der ebenfalls keine Tür mehr hatte. Altes Stroh bedeckte den Boden. Schaufeln, Spitzhacken und ein Rechen bildeten einen Haufen an der Nordwand.

„Scheint zu einem aufgegebenen Rancho gehört zu haben“, sagte der Engländer an der Tür. „Hier jagt uns sicher keiner fort.“

Ich ging zurück, nahm der Französin das Kind ab und hielt es, bis Boulder eine Decke an der Wand nahe des Tores ausgebreitet hatte und ich Marie darauf betten konnte. Laureen setzte sich zu dem Kind.

„Ich reite morgen früh in die Stadt“, erklärte ich. „Voraus­gesetzt, es treibt sich während der Nacht niemand hier herum. Wir werden wachen, Doc. Abwechselnd.“

James Boulder nickte.

Wir führten die Pferde in die Scheune und sattelten sie ab. Unser Wasser wurde mit ihnen geteilt und nur ein Rest für Marie aufgehoben.

Sie lag mit geschlossenen Augen auf der Decke. Rote Flecken brannten auf ihren Wangen. Sie redete im Fieber und streckte abwehrend die Arme aus, als wollte sie eine Gefahr von sich abhalten.

Doc Boulder zog mich zur Seite und flüsterte: „Sie müssen vor allem an Heilkräuter denken, Ronco. Aber auch an etwas, das kräftigt. Wenn man zum Beispiel einen guten Rinderknochen mit noch etwas Fleisch dran auftreiben könnte, dann wäre das gut.“

„Ich weiß schon, was Sie meinen“, entgegnete ich, hob mein Gewehr auf und verließ die halb verfallene Scheune.

Die Sonne war verschwunden. Noch stand ein heller Streifen im Westen über den Hügeln. Doch auch er verschwand langsam. Am Himmel erglühten die Sterne, und der Mond warf silbernes Licht auf die Wildnis. Coyoten heulten in der Ferne.

Ich klemmte die Spencer mit dem Ellenbogen gegen die Hüfte und ging langsam in einem großen Kreis um das alte Gemäuer.

Das Heulen der Coyoten wurde lauter. Sie wagten sich näher heran. Ihre Lage war auch nicht besser als unsere. Es gab kein Wild in dieser trockenen, verlassenen Gegend, über das sie hätten herfallen und ihren Hunger stillen können. So wagten sie sich mitten im Sommer an uns Menschen heran.

Irgendwann erschien Boulder, stülpte seinen Hut auf und nahm mir das Gewehr ab. „Die verdammten Bestien lassen mir keine Ruhe. Zur Hölle, Ronco. Versuchen Sie es.“

„Die greifen nicht an“, erwiderte ich. „Nicht zu dieser Jahreszeit. Denn so schlimm wie im Winter ist ihr Hunger jetzt doch nicht. Ab und zu finden sie etwas.“

„Ihr Wort in Gottes Ohr“, murmelte der Engländer.

Ich ging in die Ruine und legte mich in der Nähe der Frau nieder. Laureen und ihr Kind schliefen. Das ­beruhigte mich einigermaßen.



3.


Die Coyoten hatten sich wirklich nicht ganz an uns heran­gewagt. Und Menschen waren auch nicht aufgetaucht. So verließ ich die anderen beim ersten Sonnenschein und erreichte das kleine Nest in der langen Mulde zur günstigsten Stunde.

Ich hatte meinen Hut tief in die Stirn gezogen und den Poncho über den Navy-Colt geschlagen, um einen fried­lichen Eindruck zu erwecken und für einen Einheimischen gehalten zu werden. Außerdem lenkte ich meinen Falben immer möglichst dicht an den Häusern entlang und blieb auf der Ostseite, um den Schatten für mich zu haben.

Lebhaftes Treiben erfüllte den Ort. Frauen und Männer waren unterwegs. Kinder tollten auf den Straßen.

„Soldaten!“, rief plötzlich eine Stimme.

Ich drängte den Falben gegen die Wand und zog den Hut rasch noch tiefer in die Stirn.

Soldaten sprengten im Galopp aus einer Gasse und vorbei. Ein schwarzbärtiger Offizier in einer ­gold­geschmückten Phantasieuniform führte sie an. Niemand beachtete mich.

Ich schnalzte mit der Zunge und ritt die Gasse weiter hinauf. Meine Blicke versuchten alles zu sehen, und bald war ich überzeugt, dass ich unbeachtet blieb. Von mir schien hier niemand etwas zu wissen. Es hatte sich also gelohnt, einen ganzen Tag lang nach Osten zu reiten. Da es keine Telegrafenverbindung in dieser Richtung gab, wuchs meine Sicherheit so sehr, dass ich bei einem Mann anhielt, der unter einem Vordach im knarrenden Schaukel­stuhl saß und eine dicke Zigarre rauchte.

„Entschuldigen Sie“, sagte ich, bemüht, ein gutes Spanisch zu sprechen.

Der Mann schaukelte nicht mehr und nahm die Brasil aus dem Mund. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er mich.

„Ich suche ein Geschäft, in dem es Heilkräuter und Lebensmittel gibt. Wo kann ich beides finden, Señor?“

„Reiten Sie um die Plaza herum und halten Sie bei Señor Perez. Er handelt mit allem, was Mexiko derzeit zu bieten hat. Sie sind fremd in Porfriar?“

Mir war sofort klar, dass Porfriar der Name der Stadt sein musste, den ich aber nirgendwo hatte lesen können.

„Ja“, sagte ich schnell.

„Ach so.“ Der Mann lehnte sich zurück und klemmte die dicke Zigarre zwischen die Lippen.

„Danke, Señor.“ Ich tippte an meinen Hut, lächelte freundlich und ritt schnell weiter.

Die Plaza bestand aus einem großen, gepflasterten Rund mit einem Brunnen in der Mitte, über dem eine Holztrommel als Winde angebracht war. Die Eimer wurden daran an einem langen Seil in die Tiefe gelassen. Ein auf der Brunnenmauer stehender Mann in Hemdsärmeln bewerkstelligte dies. Hinter ihm standen Frauen in langer Schlange, um bedient zu werden. Wanderte ein voller Wassereimer über die neben dem Mann nasse Mauer, dann wechselte eine Kupfermünze den Besitzer.

„Pablo Perez“, stand über dem Gemischtwarenladen neben der Kirche. Es stand keine Menschentraube vor dem Geschäft, aber drinnen war es gerammelt voll. Ich hielt davor, stieg ab und band den Falben an die dafür vorgesehene Zügelstange im Schatten der Kirche. Aber kaum war ich drinnen, da hörte ich draußen Rufe und sah Menschen mit leeren und vollen Eimern von der Plaza rennen.