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Lebenslanges Lernen

Aktuelle Erkenntnisse der Gehirnforschung zur Unterstützung der Lernfähigkeit im mittleren Alter

 

Autorin: Julia Düttmann

 

Verlag: FQL Publishing, München

Buch: ISBN 978-3-947104-70-3

eBook: ISBN 978-3-947104-71-0

 

Buchreihe: GEHIRN-WISSEN KOMPAKT

 

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I M P R E S S U M

Lebenslanges Lernen

Aktuelle Erkenntnisse der Gehirnforschung zur Unterstützung der Lernfähigkeit im mittleren Alter

© 2020 Julia Düttmann/FQL Publishing, München

Alle Rechte vorbehalten.

Autor: Julia Düttmann

FQL Publishing, info@FQL-Publishing.com

ISBN: 978-3-947104-71-0

Autor

Julia Düttmann

Julia Düttmann war lange im Investmentbanking, im Firmenkundenbereich und der Auslandsabteilung eines internationalen Finanzdienstleisters tätig. Nach einer Weiterbildung zum Trainer und Changeberater sowie einem Psychologiestudium begleitet sie seit 15 Jahren Führungskräfte und Teams in verschiedenen Unternehmen. Dabei sind die Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften eine wichtige Unterstützung in ihrer täglichen Praxis.

Über dieses Buch

Unsere heutige Arbeitswelt ist geprägt von vielfältigen und häufigen Veränderungen. Konsequenz hieraus ist lebenslanges Lernen für alle diejenigen, die am Arbeitsleben teilhaben möchten.

Gerade im mittleren Alter, etwa zwischen 50 und 60 Jahren, wo sich eventuell die ersten Auswirkungen der kognitiven Veränderungen des Alterns zeigen, ist der Erhalt der Lernfähigkeit deshalb umso wichtiger, um mit diesen Veränderungen mithalten zu können.

Neurowissenschaftliche Erkenntnisse helfen hier, die richtigen Strategien zu nutzen. Dabei ist es hilfreich zu verstehen, wie Lernen grundsätzlich funktioniert und welche Veränderungen im Gehirn im mittleren Alter stattfinden.

Daraus lassen sich dann Strategien ableiten, die einen positiven Einfluss auf die Prozesse im Gehirn ausüben, die während des Lernens stattfinden bzw. den Veränderungen im mittleren Alter entgegenwirken.

Schlaf, Herausforderungen, die nicht als Überforderungen wahrgenommen werden, Konzentration und Bewegung sind alles Strategien, die einen positiven Einfluss auf die Lernvorgänge im Gehirn ausüben. Die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse können die genauen Vorgänge im Gehirn erklären.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

1.2 Zielsetzung und Struktur des Buches

1.3 Lernen

1.4 Entwicklung des Gehirns im mittleren Alter

2. Schlaf

2.1 Allgemein

2.2 Auswirkungen von Schlaf

2.3 Neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Schlaf

2.4 Alter und Schlaf

2.5 Umsetzung

3. Herausforderung - keine Überforderung

3.1 Allgemein

3.2 Auswirkungen von Überforderung

3.3 Neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Stress

3.4 Alter und Stress

3.5 Umsetzung

4. Konzentriertes Arbeiten

4.1 Allgemein

4.2 Ablenkungen und Multitasking

4.3 Neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Konzentriertes Arbeiten

4.4 Umsetzung

5. Bewegung

5.1 Allgemein

5.2 Auswirkung von Bewegung

5.3 Neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Bewegung

5.4 Alter und Bewegung

5.5 Umsetzung

6. Diskussion

7. Zusammenfassung

8. Literatur- und Quellenverzeichnis

9. Abbildungsverzeichnis

10. Abkürzungsverzeichnis

11. Fußnotenverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Wir leben heute in einer Arbeitswelt, die durch den Begriff VUKA treffend beschrieben wird: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Für Mitarbeiter*innen bedeutet dies konkret eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit und damit ein ständiges Umlernen. Es gibt Re- und Umstrukturierungen in den Unternehmen, NGOs, Verwaltungen etc. Darüber hinaus verändern sich Arbeitsplätze durch Digitalisierung, neu definierte Prozesse und neu definierte Produkte. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Jede Veränderung bedeutet auch immer ein Lernen von neuen Fähigkeiten, Fertigkeiten und neuem Wissen. Dies gilt für alle Bereiche und für jedes Alter.

Der früher praktizierte Karriereweg mit einer Ausbildung in jungen Jahren, die mit dem Erreichen eines Abschlusses beendet war, reicht heute nicht mehr aus. Wissen und Fähigkeiten der Hochschule beziehungsweise eine Berufsausbildung genügen zunehmend seltener, um eine dreißig bis vierzig Jahre lange Berufslaufbahn erfolgreich zu bewältigen. Lebenslanges Lernen ist heute notwendig, um bei den Veränderungen mitzuhalten. Der Erhalt der Lernfähigkeit auch im mittleren Alter ist damit ein wichtiges Thema, mit dem sich jeder auseinandersetzen sollte.

Mit dem Alter verändert sich unser Gehirn und manches, was in jungen Jahren leicht gefallen ist, wird deutlich schwieriger. Entgegen der häufig vorherrschenden Meinung, dass die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns nur noch abnimmt, gibt es jedoch viele Bereiche, wo wir im Alter, bedingt durch hohe Erfahrung, sogar besser werden. Außerdem gibt es vielfältige Möglichkeiten, auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns positiv einzuwirken und damit die Lernfähigkeit zu erhalten oder sogar zu verbessern.

Unter Lernen versteht man die Fähigkeit eines Individuums, Wissen und Fertigkeiten zu erwerben, Informationen miteinander zu verknüpfen und das Ergebnis dann so abzuspeichern, dass es bei Bedarf abrufbar ist. Lernfähigkeit meint in dieser Arbeit die Fähigkeit, sich Wissen und Fähigkeiten möglichst schnell und stabil, das heißt langfristig, anzueignen. Grundlage für Lernen ist die Plastizität unseres Gehirns, das heißt, die Eigenschaft einzelner Synapsen, Nervenzellen und ganzer Gehirnareale sich in Abhängigkeit ihrer Nutzung zu verändern.

Donald Hebb postulierte schon vor 70 Jahren, dass Lernen und die Plastizität des Gehirns eng zusammenhängen, insbesondere, dass die Verbindung zwischen Neuronen durch Nutzung verändert und verstärkt wird1. Die Veränderung des Gehirns in Abhängigkeit von der Nutzung konnte bereits in den 1960er Jahren anhand von Versuchen mit Ratten gezeigt werden, die sich in einer anregenden Umgebung aufhielten. Im Vergleich mit Ratten in einer sehr anregungsarmen Umgebung zeigten die Ratten der anregenden Umwelt ein Gehirn, das physisch größer war, mehr Dendriten aufwies, mehr synaptische Verbindungen und ein höheres Niveau von Neurotransmittern wie Acetylcholin und Wachstumsfaktoren2.

Ein weiteres berühmtes Experiment für die Möglichkeit zur strukturellen Veränderung des Gehirns ist die Londoner Taxifahrer Studie. Neurologen vom University College London verglichen den Hippocampus von Taxifahrern, die für Ihre Fahrlizenz zum Taxifahrer 25.000 Straßen rund um das Zentrum kennen und sich im Londoner Straßengewirr zurechtfinden müssen, mit nichttaxifahrenden Personen und stellten fest, dass Erstere einen deutlich größeren Hippocampus besitzen. Im Ruhestand schrumpfte der Hippocampus dann wieder3.

Wie verschiedene Studien zeigen konnten besteht diese Fähigkeit des erwachsenen, menschlichen Gehirns zur strukturellen Veränderung ein Leben lang4. Eine Studie unter der Leitung von Irene Nagel, die die Unterschiede von Denkleistungen von jüngeren und älteren Menschen untersuchte, ergab, dass in der leistungsstarken Gruppe, unabhängig vom Alter, die Hirnaktivierung mit steigender Aufgabenschwierigkeit zunahm5.

Das bedeutet, die kognitive Leistungsfähigkeit und damit die Lernfähigkeit ist nicht nur eine Frage des Alters. Um seine Lernfähigkeit zu erhalten und besser noch zu steigern ist es hilfreich, die neurobiologischen Grundlagen dieser Vorgänge zu verstehen, um dann gezielt daraus Strategien abzuleiten. Dies gilt für jedes Alter. Da die Leistungsfähigkeit des Gehirns mit dem Alter abnimmt, wir auf der anderen Seite jedoch immer länger arbeiten, ist es im mittleren Alter umso wichtiger, seine Leistungsfähigkeit und damit seine Lernfähigkeit bewusst zu erhalten.

1.2 Zielsetzung und Struktur dieses Buches

Dieses Buch soll Antworten auf die folgende Frage geben:

Inwieweit können die neuesten Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen Forschung helfen, die Lernfähigkeit im mittleren Alter zu erhalten bzw. sogar noch zu verbessern?

Ziel des Buches ist es, Verhaltensweisen und Strategien unter Berücksichtigung der aktuellen neurowissenschaftlichen Forschung zu beleuchten, die dazu beitragen, die Lernfähigkeit zu erhalten und somit dem hohen Veränderungsdruck in unserem Umfeld gewachsen zu sein. Damit ist automatisch auch eine gute Grundlage geschaffen, um bis ins hohe Alter hinein geistig fit zu bleiben.

Der erste Teil des Buches soll den Leser in das Thema Lernen mit den entsprechenden neurowissenschaftlichen Grundlagen einführen. Es werden unterschiedliche Arten von Wissen, die Phasen des Lernens mit den beteiligten Gehirnarealen für diese unterschiedlichen Wissensarten sowie die zugrundeliegenden Prozesse dargelegt. Dem gegenübergestellt werden Veränderungen ab dem mittleren Alter im Gehirn mit ihren entsprechenden Auswirkungen. Damit wird deutlich, wo es Ansatzpunkte für Strategien und Verhaltensweisen gibt, die zum Erhalt der Lernfähigkeit beitragen.

Der zweite Teil geht dann auf diese Strategien und Verhaltensweisen zur Einflussnahme ein wie Schlaf, Herausforderung ohne Überforderung, Bewegung, und konzentriertes Arbeiten. Es werden jeweils die äußerlichen Auswirkungen dieser Strategien dargelegt, sowie die dazugehörigen Erklärungen aus neurowissenschaftlicher Sicht, die den dahinterliegenden Mechanismus im Gehirn aufzeigen. Die Möglichkeiten der Umsetzung dieser Strategien werden nur kurz angerissen, sie sind nicht Schwerpunkt dieses Buches.

1.3 Lernen

Lernen ist die Reaktion eines Organismus auf Veränderungen in seiner Umwelt. Komplexere Formen des Lernens benötigen eine Gedächtnisfunktion, um Informationen kurzfristig im Gedächtnis zu halten und diese mit Informationen aus dem Langzeitgedächtnis zu verknüpfen. Diese neue Information muss dann wieder im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden und bei Bedarf abrufbar sein. Zur neurobiologischen Erklärung von Lernen ist es hilfreich, die unterschiedlichen Phasen des Lernens zu differenzieren, sowie zu unterscheiden, was gelernt wird. Beim „Was“ kann man unterscheiden in das deklarative und nicht-deklarative Wissen. Deklaratives Wissen beinhaltet Wissen, dass verbal berichtet werden kann. Es wird nochmals unterteilt in episodisches, unsere persönlichen Erlebnisse, sowie semantisches, Faktenwissen. Beim nicht-deklarativen Wissen unterscheidet man zwischen dem prozeduralen und dem emotionalen Wissen.