DIN EN ISO 9001  Die Eintrittskarte in den globalen Markt

 Der Zertifizierungsmarkt im Schatten der Globalisierung

Ein Markt entsteht - ein Lehrstück für den Export von Dienstleistungen

von Dr. Ing. Wilfried  W.Rabe

Vorbemerkung

Vorbemerkung

 

Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich bei der Globalisierung ein  milliardenschwerer Dienstleistungsmarkt für die Zertifizierung der verschiedensten  Managementsysteme entwickelt,  in dem insbesondere  europäische Prüforganisationen tätig sind. Er bietet nach wie vor Wachstumschancen. Die Zertifizierung von Managementsystemen war eine  Schlüsseldienstleistung für den Export  von technischen Prüfdienstleistungen  und hat die heutige  internationale Aufstellung der deutschen Prüforganisationen erst möglich gemacht.  

Dargestellt wird die Entstehung eines globalen Marktes und der Aufbau des internationalen Geschäftes einer Zertifizierungsgesellschaft für eine Dienstleistung, die bis zum Zeitpunkt des Starts auf dem Markt im Jahre 1990 nicht angeboten und nicht nachgefragt wurde.  

An dieser Dienstleistung wird deutlich, welche Markmechanismen wirken und vorhanden sein müssen, damit ein neuer Markt im Bereich der Dienstleistungen entsteht.

Es wird spannend sein, zu sehen, ob man Märkte machen kann oder ob nur Bedarf gedeckt werden kann.

Welche Länder sind an dem Markt beteiligt?

Was sind die Treiber eines Marktes? Gibt es sie überhaupt?

Welche Bedeutung hat die Eigendynamik, der von einem Markt profitierenden Akteure?

Interessant dürfte auch sein zu verfolgen, welche Rolle die Globalisierung bei der Marktentwicklung spielt.

Betrachtet werden soll die Dienstleistung   

“ Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems(QMS)” eines Unternehmens.   

Bei diesem QMS-Zertifizierungsmarkt werden auch begleitende Dienstleistungen wie z.B. Aus- und Weiterbildungen, Beratungsleistungen und Akkreditierungen mit betrachtet.

Die Zertifizierung von Produkten, Prozessen und Personen läuft parallel zu diesem Markt, soll hier aber nicht im Detail dargestellt  werden.  

Wenn man von Globalisierung redet, wird das meistens nur unter dem Gesichtspunkt der Produktionsverlagerung diskutiert. Die Produktion wird in Länder mit möglichst geringen Lohnkosten verlagert. Dieser Trend ist umso stärker, je höher der Anteil der Lohnkosten an den Herstellungskosten ist und je einfacher der Produktionsprozess ist.

So haben  sich bestimmte  Länder (China, Indien, Vietnam, Indonesien…) zu den Produktionsstandorten für zahlreiche Produkte des Einzelhandels entwickelt, bei denen die Menge der Produkte und der Preis den Markt bestimmen.

Trotz einiger Rückschläge (Qualitätsprobleme, Rückrufaktionen) ist diese Aufgabenteilung vor allen Dingen aus Preisgründen, aber auch aufgrund zumeist zufriedenstellender Produktqualität am Markt von den Kunden akzeptiert und kaum noch in Frage gestellt.  

Diese Produktionsverlagerung ist nicht mehr umkehrbar, und sie stabilisiert sich zunehmend durch eine Entwicklung, die parallel dazu abläuft, ohne von den meisten Kunden wahrgenommen zu werden.

Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit  - einschließlich der Politik -  hat eine wirkungsvolle internationale Standardisierung von Prüfungsnormen und Prüfungskonzepten stattgefunden, die noch vor einigen Jahren undenkbar war.

Diese Standardisierung und die auf dieser Basis stattfindenden Zertifizierungen von Produkten, Unternehmen und Personalqualifikationen tragen erheblich zur Absicherung der internationalen Warenströme bei und festigen mit jedem weiteren Tag die Offenheit  und das Zusammenwachsen der Märkte und der Menschen.  

Die Initialzündung zur Überwindung der nationalen Normungen, die häufig zum Schutze und Wohle der nationalen Industrie gedacht waren, entstand in den 90-iger Jahren des letzten Jahrhunderts durch den Zwang der europäischen Gemeinschaft, für den gemeinsamen Markt ihre technischen Regeln/Normen  harmonisieren zu müssen.

 Allein durch die europäische Idee, für diese Herausforderung mit dem „ Globalen Konzept für Prüfen und Zertifizieren“ einen einheitlichen Rahmen zu formulieren und auszugestalten, wurde dieser Prozess in Gang gebracht.

In diesem Globalen Konzept spielte der Standard für das QMS nach DINENISO 9001, den es schon länger gab, eine zentrale Rolle. Über diesen kleinen Standard, dem niemand eine große Rolle zugetraut hatte, soll hier berichtet werden.

Dieser Standard zieht einen ganzen Strauß von begleitenden Dienstleistungen nach sich, die das scheinbar geringe Dienstleistungsvolumen einer Zertifizierung auf ansehnliche Größen ansteigen lassen.

An ihm wird deutlich werden, mit welchen kleinen, aber wirksamen  Schritten die Menschen auf der Welt durch den internationalen Handel von Dienstleistungen zu gemeinsamem Verständnis von Werten zusammengeführt werden, ohne dass sich die Politik eingemischt hat.

 

Bergisch Gladbach, Dezember 2015

Dr. Ing .W. W. Rabe

1. Harmonisierung der technischen Normen und Prüfungen als Voraussetzung für den freien Warenverkehr in der EU

Am 01.01.1987 tritt die Einheitliche Europäische Akte in Kraft, in der die Vollendung des Binnenmarktes zum 31.12.1992 vereinbart wird. In diesem gemeinsamen Markt ohne Binnengrenzen soll der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen gewährleistet sein. Zu diesem Zeitpunkt besteht der gemeinsame Markt aus 12 Ländern.  

Es gibt in Europa mit Ausnahme von Großbritannien. noch keine Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems im heutigen Sinne.

Europa steht vor der Aufgabe, für den einheitlichen Wirtschaftsraum auch die technischen Standards zu harmonisieren.

Diese Harmonisierung ist erforderlich, da es in der Gemeinschaft einen freien Warenverkehr ohne Grenzen und Zölle geben soll. Heute eine Selbstverständlichkeit, aber 1987 eine Vision, die gar nicht so einfach zu realisieren war.

Gibt es in den Ländern unterschiedliche Normen für die Herstellung und Prüfung von  Produkten, wirkt das wie eine Handelsschranke. Diese Handelsschranken sollten abgebaut werden, und deshalb mussten drei Bereiche  harmonisiert werden.

Dies sind:  

die Normen und technischen Regeln für die Herstellung und  Prüfung der Produkte

die gegenseitige Anerkennung  von Prüfungen der Produkte in allen Ländern des gemeinsamen Marktes und

die länderspezifischen Prüfkonzepte der Produkte  

1.1 Harmonisierung der technischen Normen und Richtlinien

Es waren nicht in erster Linie die Deutschen, die eine Harmonisierung herbeisehnten, sondern die Franzosen, die hofften, endlich die deutschen DIN-Normen und Technischen Regeln loszuwerden, die sie als großes Handelshemmnis betrachteten

Dabei ist es gut zu wissen, dass derjenige, der die Standards setzt, auch in der Technik bestimmt, wo es langgeht und Vorteile im Handel hat.

Nationale Standards als technische Produktnormen sind stärker als Ländergrenzen.   

Sie schützen heimische Industrien und Branchen durch feinsinnige Festlegungen in den Normen und sind die Spielwiesen der Lobbyisten in aller Welt  

So konnte zum Beispiel kein Kanaldeckelhersteller (für die Straßen) aus Frankreich seine Produkte in Deutschland verkaufen, da sich die deutschen Kanaldeckelhersteller mit einer Gütegemeinschaft und entsprechenden Gütenormen ein sehr geschlossenes System aufgebaut hatten, das von ausländischen Firmen nicht geknackt werden konnte.

Alle großen Länder hatten für die gleichen Produkte sehr unterschiedliche Normen und technische Regeln, mit denen sich die jeweilige Industrie vor dem Wettbewerb aus dem Ausland schützen konnte.

Ohne Harmonisierung muss ein Hersteller sein Produkt so herstellen und prüfen lassen, dass es alle Normen der Länder erfüllt, in die es exportiert wird. Geht das nicht, muss er spezifische Produkte für das jeweilige Land herstellen. Das erhöht seine Herstellungskosten ganz erheblich, da es nicht nur die Übersetzung der Bedienungsanleitungen betrifft.

Für Deutschland mit seinem hohen Exportanteil in alle Länder der europäischen Gemeinschaft war dies stets eine kostspielige Herkulesaufgabe, obwohl die DIN-Normen und deutschen technischen Regeln eine starke Position in den Lieferbedingungen der Einkäufer hatten.  

Auch die Prüfphilosophien der Länder waren sehr unterschiedlich, insbesondere zwischen Deutschland und Großbritannien.   

Auf der einen Seite in Deutschland stehen umfangreiche, unabhängige Kontrollen der Produktqualität durch Technische Überwachungsvereine, auf der anderen, der angelsächsischen Seite, mehr Eigenverantwortung der Produzenten und weniger Produktprüfungen durch unabhängige Prüfstellen.

Diese diametral gegensätzlichen Konzepte sollten von Fachleuten, die eigentlich alle Lobbyisten der jeweiligen Branche und ihrer Länder waren, zu einheitlich geltenden europäischen Normen harmonisiert werden.

Dabei muss man wissen, dass die Normen nicht von staatlichen Stellen der Länder erstellt werden, sondern von den Unternehmen, die die Produkte herstellen, betreiben/nutzen oder prüfen.

Eine eigentlich unlösbare Aufgabe, denn diese Normen waren in jedem einzelnen Land in jahrzehntelanger Kleinarbeit entstanden, und beinhalteten die ausbalancierte Interessenslage der verschiedenen Nutzer der Norm. Und jetzt sollte das länderübergreifend zusammengebracht werden.  

Dennoch haben sich Tausende von Fachleuten aus allen Branchen Ende der Achtziger Jahre und in  den Neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dieser langwierigen Aufgabe in den europäischen Normungsgremien gewidmet und in unermüdlicher Kleinarbeit um jede kleinste Formulierung gerungen, gefeilscht und nach dem Kompromiss niedergeschrieben.

Es wurde mit harten Bandagen gekämpft, getrickst und getäuscht. Jedes Land versuchte seine Interessen und seine Normen zu europäischen Normen zu machen und durchzusetzen.

Genauso wie es schon bei der deutschen nationalen  Normung zwischen den Beteiligten üblich war.

Eine dänische Norm, die zwar mit der deutschen Norm völlig  übereinstimmte wurde akzeptiert. Nur keine deutsche Norm als harmonisierte europäische Norm akzeptieren, war die Devise vieler anderer Länder in Europa.

Mit gutem Essen und noch mehr  Rotwein  konnten wir in Wien die Franzosen von unseren deutschen Vorstellungen überzeugen, die sie dann vier Wochen später nach Einwirken der französischen Industrielobby wieder einkassierten.

Dennoch gelang es immer mehr Normen mit entsprechenden Mehrheitsbeschlüssen zu harmonisieren.

Nur eins konnten technischen Delegierten nicht zusammenbringen, die verschiedenen Prüfphilosophien der Deutschen und Briten.

 

1.2 Angelsächsisches kontra deutsches Qualitätssicherungskonzept

Was waren die Gründe für die unterschiedlichen Prüfphilosophien?  

Beide Länder waren natürlich davon überzeugt, dass sie jeweils das bessere System hatten.

In der Realität war es dagegen so, dass sie jeweils das für ihr Land angemessene System hatten, das erforderlich war, um die gewünschte Qualität  für den Verbraucher zu erzeugen.

Wenn ein Hersteller über sehr gute Facharbeiter in allen Unternehmensbereichen verfügt, wie in Deutschland, kann er es sich leisten, nicht alle Arbeiten und Verfahren eingehend zu beschreiben und vorzugeben.

Er benötigt kein festgeschriebenes Qualitätsmanagementsystem mit Verfahrens- und Arbeitsanweisungen.

Außerdem kann er es sich leisten, erst am Ende des Produktionsverfahrens  Qualitätsprüfungen vorzunehmen, da die Wahrscheinlichkeit Fehler festzustellen gering ist.

Grundsätzlich ist es natürlich viel effizienter möglichst frühzeitig Fehler im Produktionsprozess zu finden, da dann die Behebung des Fehlers kostengünstiger ist.

Dieser Weg ist besonders dann sinnvoll und angemessen,  wenn das Unternehmen über nicht qualifiziertes Fachpersonal verfüge, wie es in den angelsächsischen Ländern häufiger der Fall war. Darüber hinaus ist es in diesem Fall ratsam, sehr detailliert die Arbeiten und Verfahren vorzuschreiben.

Daher ist in diesem zweiten Falle ein Qualitätsmanagementsystem von Vorteil, da es für alle Unternehmensbereiche/ Abläufe im Unternehmen  Vorgaben macht, damit am Ende eine bestimmte Qualität erreicht wird. Wichtig ist dabei, dass mit dem QM-System ein Regelkreis aufgebaut wird.  

Lassen sie mich das an einem Beispiel deutlich machen:   

Bei einem Kekshersteller gehe ich durch die Produktionshallen von der Teigherstellung, über den Backvorgang in Durchlauföfen an langen Bändern bis zur Verpackung. Überall an den Bändern sehe ich große Kisten  gefüllt mit gebrochenen, zerkrümmelten, zu hellen oder zu dunklen Keksen, Kubikmeterweise.

Auf meine Frage nach den Ausschussraten erhalte ich die Antwort.

„Ausschussrate? Nahezu Null“.

Nach meinem Verweis auf die vielen Kisten mit Krümmeln erhalte ich die Antwort.

„Das ist kein Ausschuss. Das wird doch wieder unter den Ausgangsteig gemischt“.

Ganz abgesehen von der Geschmacksbeeinträchtigung entspricht dieses Vorgehen nicht den Intensionen eines QM-Systems.

Die Menge des  Ausschusses wurde nicht erfasst.

Die Ursache für den Ausschuss wurde nicht ermittelt ( Wendevorrichtung für die Kekse, Temperatur– und Laufzeitkontrolle in den Öfen,…) und beseitigt.

Folge dieses Fehlers sind die Geschmacksbeeinträchtigung und die erhöhten Backkosten.

Bei einem zertifizierten QM-System müsste der Hersteller die Fehler erfassen, die Ursachen ermitteln und Maßnahmen zur Abstellung einleiten.

Dieser Hersteller hat von uns zu diesem Zeitpunkt kein Zertifikat für ein funktionierendes QM-System erhalten.

Hätte er in der Produktion gute Facharbeiter gehabt, so hätten diese von sich aus wahrscheinlich die Ofentemperaturen beim Backen korrigiert und weitere Fehlerursachen beseitigt.  

Hinzu kam, dass in Großbritannien gerade 1984 von der Regierung ein Projekt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit  der britischen Unternehmen durch Einführung von Qualitätsmanagementsystemen angelaufen war. Dies beinhaltete die Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems nach dem britischen Standard BS 5750 für die Unternehmen.    

Erster Genieblitz

gleichwertig im Sinne der Erreichung einer gewünschten Qualität.