Angela und Karlheinz Steinmüller

Der Traummeister

Ein Spera-Roman

Angela und Karlheinz Steinmüller

Werke in Einzelausgaben. Band 4

Herausgegeben von Erik Simon

Impressum

Angela und Karlheinz Steinmüller: Der Traummeister

(Werke in Einzelausgaben. Band 4)

Herausgegeben von Erik Simon

Vignette von Thomas Hofmann

© 1990, 2020 Angela und Karlheinz Steinmüller (für den Roman)

© 2005 Angela und Karlheinz Steinmüller (für »Miscara – Die Stadt hinter der Wüste«)

© 2020 Angela und Karlheinz Steinmüller (für das Nachwort)

© 2020 Thomas Hofmann (für die Titelvignette)

© dieser Ausgabe 2020 by Memoranda Verlag, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Illustrationen am Ende des Romans: Stefan Hanusch

Die Karte von Miscara zeichnete Ronald Hoppe nach einem Entwurf der Autoren.

Redaktion der Neufassung: Erik Simon

Gestaltung: Hardy Kettlitz & s.BENeš [www.benswerk.com]

Memoranda Verlag

Hardy Kettlitz

Ilsenhof 12

12053 Berlin

www.memoranda.eu

ISBN: 978-3-948616-36-6 (Buchausgabe)

ISBN: 978-3-948616-37-3 (E-Book)

 

Inhalt

Impressum

Eins

Der lichte Morgen

Zwei

Gratwanderungen

Drei

Traumeszucht

Vier

Wilde Woche

Fünf

Stadt aus Glas, Stadt aus Stein

Sechs

Alp

Sieben

Erwachen

Miscara – die Stadt hinter der Wüste

ANHANG

Unterwegs in die Traumwelt

Bücher bei MEMORANDA

Eins

Die Luft flimmert über der Karr; was fern ist, verschwimmt. Bisweilen knarrt eine Zeltstange, die zerschlissene Plane knattert in einer Bö. Über umgestürzte Scherengitter weht grober Sand, und zwischen den Steinen rollen Helme. Nur eine Eidechse draußen im Sonnenglast teilt, die Flanken blähend, meine Einsamkeit. Öde und leer ist die Karr wie zu Anbeginn der Zeiten.

Hier, in der Wüste, wo die Jahrhunderte im Sand versickern, sind sie mir nah, die Großen Alten, unsere Vorfahren. Mir ist, als wären sie gestern erst in silbernen Schiffen vom Himmel herabgeglitten und als könnte ich dabeisein: Sie schauen über die roten Ebenen, einzig die Drachenberge, schroff und drohend, bieten dem Auge einen Halt. Sie heben die Arme – und ihre Maschinen eilen, um das Gebirge zu spalten und die Gletscher anzuzapfen, um Platz für Flußläufe zu schaffen, Pflanzen und Tiere anzusiedeln und jenen Fleck zu bebauen, der heute die Stadt Miscara trägt. Welche Träume haben sie getrieben, sich auf einer so kargen, steinigen und trockenen Welt niederzulassen? Damals, im Kristallenen Zeitalter, war unsere Welt noch jung, formbarer Ton in ihren Händen …

Ich habe den Klapptisch an den Eingang des Zeltes gerückt. So habe ich sie immer vor Augen: Miscara, meine Stadt, deren Tore mir verschlossen sind. Gleicht sie, keinen Tagesmarsch weit, am Fuße der Drachenberge, nicht einer Luftspiegelung, einer jener lockenden Oasen, die sich auflösen, willst du in ihren Schatten treten?

Miscara könnte ein Traumbild sein. Die Katen der Niederstadt hocken übereinander, eingepfercht von den Wehrtürmen der Stadtmauer, grau und ungeschlacht wachsen darüber die Hausburgen aus dem Fels, fünfeckige Steinkolosse, die einst die Großen Alten erbauten, als sie sich, ermüdet von der Umgestaltung unserer Welt, an den kargen Hang zwischen Wüste und Gletscher zurückzogen; ich sehe den grünen Stufenbau der Hängenden Gärten und den Rauch, der unterhalb des vierschrötigen Gipfels des Eisgrauen Wächters aus den Schloten der Erzhütten quillt, und alles scheint unverändert.

Dann aber trifft mein Blick den Traumturm, schlank und spitz und schlohweiß, und ich erahne eine winzige Gestalt auf dem Umgang, und ich denke: Vielleicht schaut er auf dich herab? Ich möchte hinausstürzen und die geborstene Brustplatte eines Harnischs aufheben und ihm mit dem Widerschein der Sonne ein Zeichen schicken. Doch nichts blitzt vom Turm herab. Er ist es, der befohlen hat, die Tore vor mir zu verschließen, seinethalben verließ ich die Stadt.

Sand rieselt gegen die Planen, feiner Staub nistet in meinen Kleidern. Ich spüre ihn zwischen den Zähnen, er schmeckt nach Torl, und der pelzig-bittere Geschmack führt mich zurück zu dem Tag, an dem alles begann. Denn eine Stadt, die nicht träumt, versinkt im Staub.