Smart Cities

Eine Bestandsaufnahme von Smart City-Konzepten in der Praxis

 

von

Tobias Hadzik

 

Smart Cities - Eine Bestandsaufnahme von Smart City-Konzepten in der Praxis, Masterthesis im weiterbildenden Verbundstudiengang MBA Betriebswirtschaft für New Public Management, Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Wirtschaft, Wintersemester 2015/2016.

© 2016 Tobias Hadzik
Verleger: Tobias Hadzik
Zollstockgürtel 35
50969 Köln
E-Mail: Tobias@Hadzik.eu

ISBN Taschenbuch: Erscheint demnächst
ISBN Hardcover: Erscheint demnächst
ISBN eBook: 978-3-7418-4223-8

Vertrieb/Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

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Für Julia

 

Abstract

Die Smart City ist das ganzheitliche Konzept, mit dem Städte zukunftsfähig, lebenswerter, nachhaltiger, partizipativer, wettbewerbsfähiger, in ihren politischen Entscheidungen und Prozessen transparenter und im Regieren leistungsfähiger gemacht werden sollen. Mit Smart City soll den Herausforderungen urbaner Zentren begegnet werden. Das Konzept durchdringt als ein integrierter Ansatz alle Lebensbereiche der Stadt. Vernetzung durch Informations- und Kommunikationstechnologie ist ein wesentlicher Bestandteil der Smart City.

Auf der Grundlage einer breiten Recherche gibt diese Arbeit einen Überblick über das Themenfeld. Für Praktiker soll sie einen Ausgangspunkt für die Konzeption eines eigenen Smart City-Vorhabens schaffen und den Zugang zum tiefergehenden Studium der Thematik bieten. Der Arbeit wird eine abgewägte Smart City-Definition zu Grunde gelegt, die um die Beschreibung der Smart City-Handlungsfelder und exemplarischen Services ergänzt wird. Die Bestandsaufnahme umfasst die Darstellung von für die Praxis relevanten theoretischen Überlegungen und Modellen sowie der Aktivitäten internationaler Konzerne, der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland und ausgewählter deutscher Städte.

Es wurde festgestellt, dass die theoretischen Ansätze und Modelle für das städtische Management ein Instrumentarium liefern können, um den Weg hin zur Smart City methodisch und zielgerichtet zu beschreiten. Weltweit werden bereits viele Smart City-Vorhaben umgesetzt und es werden in den kommenden Jahren weitere Smart Cities entstehen. Die europäischen Städte weisen aktuell in einem objektivierten Bewertungsmaßstab höchstens einen mittleren Level der Smart City-Transformation aus. Deutsche Städte gehören nicht zu den am weitesten entwickelten Smart Cities, dennoch haben sie bereits Smartness zu bieten. Unternehmen sind als Treiber der Entwicklung zu sehen, haben aber eigene Interessen und häufig einen technologischen Fokus. EU und Bund fördern die Entwicklung smarter urbaner Zentren auf vielfältige Weise, um die Zukunftsfähigkeit der Städte im globalen Wettbewerb zu lancieren. Aufgrund der Diversität der Städte kann es kein allgemeingültiges Konzept der Smart City geben. Daher können ganzheitliche Konzeption und Steuerung, bei denen ein bürgerzentriertes, widerstandsfähiges und lernendes Gesamtsystem Stadt im Vordergrund steht, allein auf der urbanen Ebene erreicht werden. Der Erfolg von Smart City-Vorhaben liegt hier in einer ganzheitlichen, partizipationsorientierten und strategischen Herangehensweise.

Inhaltsverzeichnis

Abstract

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Allgemeiner Hinweis

1   Smart Cities: Ein Lösungsansatz für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft

1.1   Gegenstand der Arbeit

1.2   Zielsetzung und Vorgehensweise

2   Smart City - die intelligente Stadt

2.1   Die Stadt und die Herausforderungen für die Zukunft

2.1.1   Das Wesen der Stadt

2.1.2   Problemlagen und Herausforderungen urbaner Zentren

2.2   Smart City als ein umfassender Lösungsansatz

2.3   Klärung der Begrifflichkeit und Definition der Smart City

2.4   Handlungsfelder der Smart City

2.5   Exemplarische Darstellung von Elementen der Smart City

2.5.1   Vernetzung in der Smart City

2.5.2   Smart Grid

2.5.3   Smart Buildings

2.5.4   Smart Mobility und Logistics

2.5.5   Weitere Beispiele und Elemente

3   Smart City in der wissenschaftlichen Forschung

3.1   Wissenschaftliche Forschung zu Smart Cities

3.2   Die Architektur einer Smart City

3.3   Smart City-Rankings und Reifebestimmung

3.3.1   Rankings

3.3.2   Bewertung der Reife einer Smart City

3.4   Die Transformation einer Smart City

3.4.1   Smart City-Handlungsempfehlungen

3.4.2   Smart City-Transformationsmodell

3.5   Zwischenfazit zum Stand der Wissenschaft im Themenkomplex Smart City

4   Smart City in der Praxis

4.1   Ein Einblick in den globalen Trend

4.2   Skizzierung ausgewählter Smart City-Konzepte internationaler Konzerne

4.2.1   IBM

4.2.2   Microsoft

4.2.3   Deutsche Telekom AG - T-City Friedrichshafen

4.2.4   Cisco

4.2.5   Siemens

4.2.6   Bewertung der Konzepte der Konzerne

4.3   Smart City-Aktivitäten auf europäischer Ebene und in Deutschland

4.3.1   Smart City-Aktivitäten auf europäischer Ebene

4.3.2   Smart City-Aktivitäten auf nationaler Ebene in Deutschland

4.3.3   Bewertung der Aktivitäten auf europäischer Ebene und in Deutschland

4.4   Smart City-Aktivitäten ausgewählter Städte

4.4.1   Bayerische Landeshauptstadt München

4.4.2   Deutsche Bundeshauptstadt Berlin

4.4.3   Bewertung der Aktivitäten der betrachteten deutschen Großstädte

4.5   Gesamtwertung der Bestandsaufnahme

5   Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

 

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Characteristics and factors of a Smart City.

Abbildung 2: Perspektivische Adaption der Handlungsfelder einer Smart City.

Abbildung 3: Bereiche von SMART Life mit Anwendungsbeispielen.

Abbildung 4: Smart Grid im Überblick.

Abbildung 5: SmartHome Geräte: Kommunikation zwischen den Geräten.

Abbildung 6: Die holistische Architektur des Smart City-Ökosystems.

Abbildung 7: Die perspektivisch erweiterte, holistische Architektur des Smart City.

Abbildung 8: Technische Universität Wien: Beispiel Benchmarking Smart Cities.

Abbildung 9: Smart City Wheel Framework.

Abbildung 10: CIMI: Darstellung der relativen Performance – Beispiele London und New York.

Abbildung 11: The Smart City Staircase Roadmap towards Maturity.

Abbildung 12: Die schematischen Bausteinkomponenten des Smart City-Reifegradmodells.

Abbildung 13: SCID Conceptual Model for Smart City Initiatives.

Abbildung 14: The SCID Framework.

Abbildung 15: Das CAF-Modell.

Abbildung 16: Das schematische Smart City-Transformationsmodell.

Abbildung 17: Action Clusters – EIP.

Abbildung 18: Fünf Säulen der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung.

Abbildung 19: Bayerische Landeshauptstadt München: Verknüpfung der Leitlinien mit Smart City.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: IDC Government Insights' Smart City Maturity Model Overview.

Tabelle 2: Beispiel: Level of Maturity – Characteristc Funding.

Tabelle 3: Das schematische Smart City-Reifegradmodell.

Tabelle 4: Beispiel: Reifegradmodell nach Jaekel – Bausteinkomponente Stakeholder Management.

Allgemeiner Hinweis

Aus Gründen der Praktikabilität und besseren Lesbarkeit wird darauf verzichtet, jeweils weibliche und männliche Personenbezeichnungen zu verwenden. So können z.B. Mitarbeiter, Arbeitnehmer, Vorgesetzter grundsätzlich sowohl weibliche als auch männliche Personen sein.

1   Smart Cities: Ein Lösungsansatz für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft

1.1   Gegenstand der Arbeit

Eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist die Urbanisierung.1 Während im Jahr 1950 lediglich 30 % der Weltbevölkerung in den Städten lebten, sind es im Jahr 2014 bereits 54 %. Im Jahr 2050 werden prognostiziert 66 % der Weltbevölkerung in urbanem Raum leben.2 Mit der fortschreitenden Urbanisierung gehen vielfältige Problemlagen einher, denen begegnet werden muss. Es kommt zu einem Mangel an Wohnraum, die Infrastruktur wird überlastet, die Wasser- und Energieversorgung sind gefährdet. Ohne eine Gegensteuerung wird die Umweltverschmutzung zunehmen, das Ökosystem, und damit die Lebensgrundlage der Stadtgesellschaft, ist bedroht. Ebenfalls muss mit logistischen Engpässen gerechnet werden. Die Urbanisierung bedingt eine Nachfrage nach Wohn- und Lebensraum durch alle demographischen Gruppierungen. So muss eine Gesellschaft auf demographische Veränderungen reagieren.3 Staatliches Handeln muss die Daseinsvorsorge ggf. anpassen.

Die Bekämpfung des Klimawandels in Form eines weltweiten Temperaturanstiegs wird ebenfalls als zentrale gesellschaftliche Herausforderung betitelt. Ein Temperaturanstieg um 4°C bis zum Jahr 2100 gegenüber dem vorindustriellen Niveau, auf den die Menschheit aktuell zusteuert, wäre mit sehr hohen Risiken verbunden, die insbesondere die Lebensbereiche Stadt, menschliche Gesundheit, Verkehr und Landwirtschaft betreffen. Dies zeigen bereits heute die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Ökosystem. Aktuelle Prognosen zeigen, dass eine Erderwärmung von ca. 2°C nicht zu verhindern ist. Um die weitere Erderwärmung zu begrenzen, sind dringend wirksame Anpassungsstrategien zu entwickeln und Aktionspläne umzusetzen.4

In städtischen Regionen wurden im Jahr 2011 rund 75 % der erzeugten Energie verbraucht und etwa 80 % aller Treibhausgase emittiert.5 Die CO2-Emission durch den Energieverbrauch gerade von Gebäuden und durch Verkehr überwiegen. Eine Verknappung von Wasser als Lebensmittel, seine Verteilung, seine Qualität und eine mögliche Nutzungssicherung bergen globales Konfliktpotential.6

Die Urbanisierung birgt hier Chancen: Ballungsräume bieten gute Rahmenbedingungen für Wachstum und Produktivität und können somit zur Verbesserung der Lebensbedingungen beitragen. Es bestehen geringe Kosten für logistische und Individualmobilität aufgrund allgemein hoher Konzentration auf relativ geringem (Lebens-) Raum.7 Die Umsetzung von Strategien und Programmen in einem urbanen Raum kann somit eine relativ große Wirkung erzielen. Als eine Antwort auf die oben genannten Problemstellungen und Herausforderungen für die Zukunft einer modernen Stadtgesellschaft werden unterschiedlich ausgestaltete Ansätze und Konzepte von intelligenten Städten propagiert. Sie werden u. a. als Smart Cities bezeichnet. Smart City ist eine vielfältig verwendete Begrifflichkeit, die hauptsächlich gesamtheitliche Entwicklungskonzepte für die Begegnung von Herausforderungen in einer urbanen Stadtgesellschaft, insbesondere durch den Einsatz von smarten Technologien, bezeichnet.8 Weltweit werden Konzepte für neue intelligente Städte entwickelt und umgesetzt. Sogenannte Green Fields („Städte vom Reißbrett“), die hauptsächlich in Entwicklungs- und Schwellenländern entstehen, sind beispielsweise neue High-Tech-Öko-Städte, wie Dongtan (China) oder New Songdo (Südkorea).9 Aber nicht nur neue Städte sind auf die Implementierung neuer Technologien bedacht. Metropolen, wie Amsterdam, Kopenhagen oder Barcelona, verfolgen entsprechende Zukunftsvisionen und setzen diese sukzessive um.10 Die Anzahl smarter Städte auf der ganzen Welt wird in den nächsten zehn Jahren stetig ansteigen.11

1.2   Zielsetzung und Vorgehensweise

Diese Arbeit soll eine Ausgangsbasis bilden, um einen Überblick über das Themenfeld zu erlangen. Aufgrund der hohen Aktualität des Themas und seiner ständigen Fortentwicklung müssen theoretische Überlegungen und wissenschaftliche Begleitung von Praxisvorhaben ein wesentlicher Bestandteil bei der Entwicklung und Umsetzung von Smart City-Vorhaben sein. Wissenschaftliche Ansätze sind eng mit der Praxis verbunden und erhalten daher für die Bestandsaufnahme eine hohe Bedeutung. Für Praktiker soll ein Ausgangspunkt für die Konzeption eines eigenen Smart City-Vorhabens geschaffen und der Zugang zu einem tiefergehenden Studium der Thematik geboten werden.

Nach einer Darstellung der zukünftigen Herausforderungen, deren Bedeutung und Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und insbesondere die Urbanisierung wird das Thema Smart City im Kapitel 2 anhand einschlägiger Begrifflichkeiten vorgestellt. Sie bilden die Ausgangslage für die inhaltliche Entwicklung des Themas der Arbeit. Im wissenschaftlichen Diskurs existieren unterschiedliche Ansätze, um Modelle für Smart Cities zu schaffen, die für Entscheidungsträger in Regierung, Wirtschaft und Gesellschaft eine Hilfestellung auf dem Weg hin zu einer Smart City geben. Darüber hinaus wird angestrebt, das neue wissenschaftliche Feld um die Thematik intelligenter Städte weiter zu erschließen, neue Elemente zu erforschen und bisherige fortzuentwickeln. Im Kapitel 3 werden die Thematik und damit verbundene Begrifflichkeiten genauer beleuchtet. Praxisrelevante Konzepte und Modelle werden vorgestellt. Ausgehend von einem holistischen Smart City-Gedanken werden die Modelle mit ihrer Zielsetzung, ihren Inhalten und der Relevanz für die Praxis beschrieben. Kapitel 4 gibt einen Einblick in Smart City-Aktivitäten und -Konzepte in der Praxis. Es wird zunächst der globale Trend skizziert. Die Bestrebungen engagierter, transatlantischer Konzerne, europäischer und deutscher Initiativen werden umrissen. Ein Fazit fasst die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammen und schließt mit einem Ausblick auf die notwendige Entwicklung der Smartness urbaner Zentren und Regionen.

Die Informationsgrundlage für diese Arbeit liefert eine breite Literaturrecherche zur Thematik Smart City. In die Recherche sind neben wissenschaftlicher Literatur ebenfalls Zeitschriftenaufsätze, Berichte und Internetquellen eingegangen. Aufgrund der hohen Aktualität und Dynamik des Themas wird neben Literatur aus Wissenschaft und Praxis ebenfalls auf Presseinhalte zurückgegriffen.

 

2   Smart City - die intelligente Stadt

2.1   Die Stadt und die Herausforderungen für die Zukunft

2.1.1   Das Wesen der Stadt

Der Begriff Stadt beschreibt eine verdichtete Siedlung mit spezifischen Funktionen in der räumlichen Arbeitsteilung und politischen Herrschaft, abhängig von der gesellschaftlichen Organisation und Produktionsform.12 Ihren Bewohnern bietet die Stadt ein vielfältiges Angebot, wie beispielsweise den Zugang zu Arbeit und eventuell Wohlstand, Marktzugang, Zugang zu Wasser, Nahrung, Wohnung, medizinischer Versorgung, Elektrizität, Wärme, sanitären Anlagen, Entsorgungseinrichtungen. Über diese Art Grundversorgung hinaus ermöglicht sie den Zugang zu Informationen, Wissen, technischem Fortschritt, eventuell Bildung und anderen sozialen, kulturellen oder religiösen Angeboten. Sie ist ein Ort, der das Zusammentreffen von Gruppierungen, Gleichgesinnten und Gemeinschaften fördert, aber auch ein Ort von Anonymität, Rechten und Pflichten, Sicherheit, Stabilität und Planbarkeit. In einer Stadt können physische und möglicherweise soziale Mobilität (z. B. über Produkte, ein Kino, Kunden-/Lieferantenbeziehungen, Touristen, durch einen Bahnhof oder Flughafen) eröffnet werden.13 Als Stadtsysteme gelten z.B. Sicherheit/Schutz, Konsum/Lebensmittel, Information/Kommunikation und Beleuchtung/öffentlicher Raum.14

Der Erfolg einer Stadt ist von der Zufriedenheit der Bürger, ihrer Identität, ihrer Zukunftsfähigkeit, einer nachhaltigen Ökologie, einer positiven Ökonomie, ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihrer Sicherheit abhängig.15 Städte haben emotionalen Charakter und Identität. Sie sind die Summe von Wohlgefühl, Behaglichkeit, Kreativität, Individualität, sozialen Verbindungen und regionalkultureller Zugehörigkeit. Somit prägt der Mensch – mit seinen Eigenschaften, Bedürfnissen und seiner Schöpfungskraft – die Stadt.16

Städte sind eine Kombination aus historisch gewachsenen, kulturellen, politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen. Sie sind Motoren wirtschaftlichen Wachstums und Brutstädten der Kultur. Sie sind Plattformen für Ideen, Orte geistiger Spannung und technischer sowie sozialer Innovation. Durch die Verdichtung menschlichen Lebens werden Wege für die Versorgung mit Gütern oder Dienstleistungen verkürzt, wodurch die Energieeffizienz pro Einwohner steigt.17 Die Stadt ist die ökologischste und effektivste Form der Siedlungsentwicklung: Städte beherbergen 50 % der Weltbevölkerung und nehmen lediglich 3 % der Erdoberfläche ein.18

Die Dichte im urbanen Raum intensiviert die Interaktion der Menschen, fördert die Diversität und hält Verbindung zu anderen Städten. Es findet ein Austausch von Ideen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Architektur, Wirtschaft, Forschung, Technologie und gesellschaftliches Leben statt. Menschen interagieren im privaten und öffentlichen Raum, aber gerade im öffentlichen Raum manifestiert sich die Stadt.19

Wegen der vielfältigen Interaktion zwischen Menschen und Institutionen, zwischen Lebensbereichen sowie Stadtsystemen und weiteren Elementen einer Stadt sind ihre Strukturen einem Wandel unterworfen. Die Stadt kann damit als ein wandelnder Organismus verstanden werden, in dem mehrere Systeme und Technologien zusammenwirken. In Städten unterstützt Technologie insbesondere in den Bereichen Energieversorgung und -speicherung, Versorgung mit Ressourcen, Entsorgung, Informationsbeschaffung und -austausch, Sicherheit, Gesundheit, Verwaltung und Bebauung den reibungslosen Ablauf der städtischen Prozesse.20

2.1.2   Problemlagen und Herausforderungen urbaner Zentren

Im Jahr 2014 lebten 54 % der Weltbevölkerung in Städten. Bis zum Jahr 2050 soll dieser Anteil auf 66 % ansteigen.21 Von rd. 7,2 Mrd. Menschen in 201422 (in 2015 waren es rd. 7,3 Mrd. Menschen) wird die Weltbevölkerung auf rd. 9,7 Mrd. Menschen in 2050 anwachsen.23 Die Städte unserer Welt werden zu diesem Zeitpunkt rd. 6,4 Mrd. Menschen beherbergen. Bislang leben in urbanen Zentren rd. 3,9 Mrd. Menschen. Die zunehmende Urbanisierung stellt die Städte, aber auch Gesellschaften als Ganzes, vor große Herausforderungen. Die städtischen Systeme einschließlich der Daseinsvorsorge werden in hohem Maße belastet und ggf. überlastet. Wohnraummangel, eine Gefährdung der Wasser- und Energieversorgung, logistische Engpässe, eine steigende Umweltverschmutzung und weitere negative Effekte können die Folge sein. Städte müssen aber auch auf weitere gesellschaftliche Entwicklungen, wie den demographischen Wandel, reagieren.24

In der EU und in China hat die zunehmende Verstädterung u. a. zu Energie- und Wasserknappheit, Verkehrsstaus, Problemen mit der Müllentsorgung sowie Gefahren durch die Beanspruchung und Alterung der Infrastruktur geführt.25

In der dritten Welt vollzieht sich das Wachstum der Städte unkontrolliert. Verstärkt sind Menschen in diesen Städten konfrontiert mit Ausbeutung, Krankheit, Gewaltverbrechen, Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und extremer Armut. Gerade für diese Städte ist es eine Herausforderung, das weitere Wachstum von Elendsvierteln zu verhindern, sauberes Wasser bereitzustellen, Abwässer und Abfälle hygienisch zu entsorgen und die Luftqualität zu verbessern.26 Der Umgang mit Slums führt aber weltweit vor Augen, dass Staat und Stadtregierung in diesen Vierteln nur fiktiv und sehr punktuell die Kontrolle haben. Es sind eher sogenannte Slum Lords oder das organisierte Verbrechen. Die Lebenswirklichkeit des Großteils der Bevölkerung ist durch Selbstorganisation, Schutzlosigkeit, Gewalt, Willkür und Perspektivlosigkeit geprägt.27

Um die negativen Folgen der Urbanisierung zu reduzieren, benötigen Städte effizientere Infrastruktursysteme.28 Besonders in Afrika und Asien sind die Infrastruktur, die öffentlichen Dienstleistungen und die Absatzmärkte aufgrund des rapiden Bevölkerungswachstums häufig überfordert.29

In städtischen Regionen wurden im Jahr 2011 rund 75 % der erzeugten Energie verbraucht und etwa 80 % aller Treibhausgase emittiert.30 Europäische Städte mit mehr als 5.000 Einwohnern beherbergen circa 350 Mio. Menschen, also rd. drei Viertel der Europäer. Auf diese Siedlungen entfallen rd. 70 % des Energieverbrauches der EU.31 Die Energie wird gerade durch den Betrieb von Gebäuden und im Verkehr verbraucht. Auf diese städtischen Systeme lässt sich ein hoher Anteil der CO2-Emmissionen zurückführen.32

Die Freisetzung von Treibhausgasen, insbesondere Kohlendioxid (CO2), ist die Hauptursache für den Klimawandel. Der Weltklimarat, Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC), hat die weitere Erderwärmung in seinem fünften Sachstandsbericht nach unterschiedlichen Szenarien prognostiziert. Er geht lediglich für ein Szenario mit sehr ambitionierter Klimapolitik von einer Erwärmung um weniger als 2°C aus. Für das schlechteste Szenario mit fast ungebremsten Emissionen kann der Wert gegen Ende des Jahrhunderts 5,4°C übersteigen.33

In Deutschland haben auch andere Faktoren Einfluss auf die Anforderungen an urbanes Leben bzw. die hierfür erforderlichen Entwicklungen. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011 hat die Bundesregierung beschlossen, den Atomausstieg bis zum Jahr 2022 zu vollziehen. Für die stärkere Nutzung von erneuerbaren Energien sollen vor allem die Stromnetze ausgebaut werden.34 Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2014) schreibt vor, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen. Dazu soll der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch in Deutschland auf 18 % im Jahr 2020, 40 % bis 45 % bis zum Jahr 2025, 55 % bis 60 % bis zum Jahr 2035 und 80 % im Jahr 2050 erhöht werden.35

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Veränderungen sowie der Globalisierung stehen Städte vor der Herausforderung, gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und nachhaltige Stadtentwicklung zu betreiben. Dies wird einen massiven Einfluss auf alle Fragen zur urbanen Qualität, wie Wohnen, Wirtschaft, Kultur, Sozial und Umweltbedingungen, haben.36 Konkrete Fragen sind beispielsweise, wie das urbane Verkehrs- und Transportwesen effizient gestaltet, die Energieversorgung organisiert oder der Zugang zu Bildung sichergestellt werden können. Dies sind nur einige Problematiken, mit denen sich eine Stadt auseinandersetzen muss.37

2.2   Smart City als ein umfassender Lösungsansatz

Die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, erfährt gesamtgesellschaftlich ein gesteigertes Interesse. Den Menschen wird bewusst, dass mit Blick auf die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen eine Änderung des Umgangs mit der Umwelt vollzogen werden muss.38

Aus der Erkenntnis, dass den Herausforderungen einer Stadt mit einem umfassenden Ansatz begegnet werden muss, entstand die Idee der intelligenten Stadt. Die Idee äußert sich in vielen unterschiedlich ausgestalteten Ansätzen und Konzepten. Im Kern sollen durch ein hohes Maß an Technologieeinsatz die Lebensbedingungen der Bewohner verbessert und die Umwelt geschützt werden.39 Städte sollen smart werden. Die Entwicklung der Stadt in Bezug auf Gesellschaft, Wachstum, Funktionen, Service, Verschmelzung von Technologiefeldern etc. soll nachhaltig, intelligent, lösungsorientiert und effizienzsteigernd sein.40 Mit einem gleichen oder geringeren Ressourceneinsatz soll die smarte Stadt einen deutlich höheren und stabilen Standard an Lebensqualität erzielen. Dazu soll das Stadtmanagement durch eine innovative und technisch unterstützte Vernetzung nutzenstiftende Synergien schaffen. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) soll die Stadtsysteme und ihre Informationsquellen miteinander verknüpfen. So soll die Stadt für Bürger und Investoren attraktiv, zukunftsfähig, resilient und gemeinwohlorientiert gestaltet werden und ihre Lebensqualität steigern.41

Nach dieser Idee steht den Bewohnern alles zur Verfügung, was sie zum Leben brauchen: Sauberes Wasser, gesunde Nahrung, umweltfreundliche Energie, effiziente Verkehrskonzepte und gute Luft. Zu ihrer Realisierung entwickeln Forscher in interdisziplinären Teams Konzepte und erproben innovative Technologien.42

Städte, die derartige Initiativen umsetzen, werden u. a. als Smart Cities bezeichnet. Smart City ist eine vielfältig verwendete Begrifflichkeit, die hauptsächlich gesamtheitliche Entwicklungskonzepte für die Begegnung von zukünftigen Herausforderungen in einer urbanen Stadtgesellschaft, insbesondere durch den Einsatz von smarten Technologien, betitelt.43 Die Smart City kann beschrieben werden als eine Stadt, in der durch den Einsatz von IKT intelligente Lösungen für unterschiedliche städtische Bereiche (z.B. Infrastruktur, Gebäude, Mobilität, Energie, Dienstleistungen oder Sicherheit) eingesetzt werden. Dabei steht die sinnvolle Vernetzung innerhalb dieser Bereiche und zwischen ihnen im Fokus, um zu einer Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz, der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Lebensqualität zu führen.44 Als übergeordnete Wirkungsziele der Smart City können grob zusammengefasst werden:

Insgesamt werden mit der zu erzielenden Wirkung die Zukunftsfähigkeit des Siedlungsraums verbessert und die negativen Folgen der Urbanisierung gemindert oder vermieden.45

Damit umfasst die Smart City nahezu alle Lebensbereiche, wie z.B. Daseinsvorsorge, stoffliche Ver- und Entsorgung (Wasser, Abfall), Mobilität und Verkehr, Information und Kommunikation, Produktion und Logistik, Soziale Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Kultur), Politik und Verwaltung, Energie, natürliche Umwelt, Gebäude und bauliche Infrastrukturen, Sicherheit und Schutz, Handel und Dienstleistungen, Stadtentwicklungs- und Stadtplanung.46 Die dazugehörigen Aufgaben einer Stadt werden ohne den Einsatz technischer Innovationen, insbesondere in großen und in schnell wachsenden Städten, nicht zu bewältigen sein. Technische Lösungen, nicht als Selbstzweck, sondern als befähigendes Element, werden in Städten für die Funktionsfähigkeit der Stadtsysteme benötigt.47

Die voranschreitende Entwicklung der Technologien, insbesondere in der IKT, und ihre Verbreitung ermöglichen erst eine Smart City nach einem integrierten Ansatz. Im Jahr 2015 verfügten 43 % der Weltbevölkerung über einen regulären Internetzugang.48 Nach Angaben der Cisco Internet Business Solutions Group (IBSG) wird die Anzahl von insgesamt 25 Mrd. mit dem Internet verbunden Geräten im Jahr 2015 auf rd. 50 Mrd. im Jahr 2020 steigen.49 Die Möglichkeiten für Menschen, sich über das Internet zu informieren, mit anderen auszutauschen, Geschäfte abzuwickeln etc., bilden eine Grundlage für smarte Entwicklungen. Über das Internet interagieren aber nicht nur Menschen. Mit dem Internet verbundene Geräte verfügen teilweise über Sensoren und Aktoren. Über Sensoren sammeln sie Informationen über ihre Umwelt (z.B. die Temperatur oder den CO2-Gehalt in der Luft) und über Aktoren beeinflussen sie diese (z.B. Regulation der Heizung). Vernetzte technische Komponenten und Geräte tauschen selbständig Daten aus und setzen Steuerungsfunktionen um.50 Man spricht vom sogenannten Internet der Dinge. Einsatz finden diese Technologien im öffentlichen und im privaten Bereich beispielsweise in Smartphones, PCs, Telekommunikationsgeräten, mit Sensorik und Rechenkapazitäten ausgerüsteten Haushaltsgeräten und Privatfahrzeugen.51 Smart Home-Lösungen etablieren sich. Im Zusammengang mit Smart Home und Smart Building ist eine intelligente Stadt als Erweiterung des intelligenten Raumes auf die gesamte Stadt zu sehen.52 Es besteht eine relativ preisgünstige Verfügbarkeit für immer leistungsfähigere und zunehmend kleinere Sensoren, Prozessoren und Aktoren. Übertragungsgeschwindigkeiten von netzgebundenen und drahtlosen Kommunikationskanälen, die Speicherung von großen Datenmengen und Rechenkapazitäten werden rapide ausgebaut. Diese Entwicklung ermöglicht heute und noch mehr in der Zukunft eine weitestgehend automatisierte Steuerung einzelner Prozesse und Verfahrensabläufe.53 Dies führt zu einer Digitalisierung zahlreicher Lebensbereiche mit einer zunehmenden Humanisierung der Technologie, das heißt, sie ist ohne Expertenwissen bedienbar, sie agiert weitgehend im Hintergrund und ist in den Alltag integriert.54 In diesem Zusammenhang kann auch die Entwicklung künstlicher Intelligenz im Internet der Dinge und Services als bedeutsam betrachtet werden.55 Durch die Digitalisierung besteht für Städte großes Potential ihre Leistungsfähigkeit in den einzelnen Stadtsystemen und als Ganzes zu steigern. Beispiele aus aller Welt zeigen die Entwicklung und Erprobung von innovativen Lösungen, etwa in den Bereichen Mobilität, Energie oder Gesundheit. Gemeinsam haben sie alle, dass sie auf zahlreiche, zum Teil ausgewählte Lebensbereiche ganzer Städte abzielen und Synergien schaffen wollen.56

Die Zukunft liegt in der Nutzung von Synergieeffekten, der Koordination und einem Management der zunehmenden Vernetzung, damit wertvolle Ressourcen nachhaltig genutzt werden.575859