HEILPFLANZEN FÜR MÄNNER

James Green

HEIL
PFLANZEN
FÜR
MÄNNER

Rezepte, praktische Anwendungen
und Pflanzenporträts

Herausgegeben von Olaf Rippe

Den Ältesten und meinen ersten Lehrerinnen gewidmet:

Großmutter Charlotte Wilkins

und der bezaubernden Oma Faye Green.

Jo Green, die mich aufzog und dabei mit dem Flair

ihres unbezähmbaren weiblichen Geistes umgab,

und John »Frank« Fox, weil er mir den Weg des Humors zeigte.

Medizinfrau Norma Myers aus Kanada und

dem Heilpflanzenkundigen Dr. John R. Christopher:

Ihr habt mit eurem Leben und eurem heilenden Geist

das Feuer der Leidenschaft in diesem männlichen Herzen entfacht.

Und natürlich gilt die Widmung auch unseren vertrauensvollen

Verbündeten und Begleitern, den Pflanzen und Tieren.

Inhalt

Prolog

Vorwort

Vorwort zur deutschen Ausgabe

KAPITEL 1

Wo ist die Medizin für den Mann, die auf Allgemeinwissen und auf alter Weisheit beruht?

Oder: Warum kann ich keinen Männerarzt anrufen?

KAPITEL 2

Die Wiederverwertung unseres Erbes

Eine Einführung in die Pflanzenheilkunde und verwandte Themenbereiche

KAPITEL 3

Die Verbindung zwischen Mann und Frau

Die Pflege unserer Gleichheiten und Unterschiede

KAPITEL 4

Greens Hypothesen

Über Heilpflanzen für den Mann, bitter schmeckende Nahrung sowie Väter

KAPITEL 5

Eine Technologie der Unabhängigkeit

Ein Kurzlehrgang für die Zubereitung von Tees, Tinkturen und anderen Pflanzenextrakten

KAPITEL 6

Die Auswahl der richtigen Heilpflanzen

Die Wirkungen von Heilpflanzen und die Sprache der Pflanzenheilkunde

KAPITEL 7

Die spezifisch männliche Gesundheitspflege

Der Wald sei mit euch!

KAPITEL 8

Die allgemeine Pflege der Gesundheit

Von Vitaminen und Süßstoffen bis zu gesunder Haut und gesundem Haar

KAPITEL 9

Materia Medica

Nomenclatura officinalis (Heilpflanzenverzeichnis)

KAPITEL 10

Ein westliches, auf die Gesundheit ausgerichtetes Konstitutionsmodell

Wisse gut über dich selbst Bescheid!

KAPITEL 11

Heilpflanzen für Männer

80 bemerkenswerte Heilpflanzen für Männer jeden Alters (und die Frauen, die sie lieben)

KAPITEL 12

Und nun stellt sich die Frage: Wohin fällt die Saat männlicher Reife?

Unsere ehrwürdigen Männer

Danksagung

Literatur- und Quellenverzeichnis

Glossar

Zur Bestimmung der Konstitutionstypen

Produktliste

Autor und Herausgeber

Bildnachweis

Register

Prolog

Es ist mir ein Rätsel, warum wir Männer nicht schon früher ein Pflanzenbuch für Männer geschrieben haben. Dieses Werk soll das erste von vielen weiteren sein.

Als kleiner Junge rannte ich meist barfuß herum und trug schlabberige Pullover, die in ausgebeulten Kordhosen steckten. Ich fand mich selbst mindestens so großartig wie einen riesigen Grizzlybären. Natürlich wusste ich, dass ich im Vergleich dazu nur einen sehr kleinen Grizzlybären abgab, aber das war mir egal. Ich hatte das Gefühl, Menschen hätten das Potenzial, genauso prachtvoll und frei, mutig und unabhängig zu sein wie ein Grizzlybär, der einfach tun konnte, was er wollte: Er konnte spielen, wütend sein, Wildpflanzen fressen, sich herumwälzen, schlafen, brüllen, seine Wunden lecken und sie dadurch heilen. Er lebte in seinem Gebiet völlig autark und eigenständig. Ich liebte das. Wenn meine Freunde und ich Cowboy und Indianer spielten, war ich immer Broken Arrow, mein Lieblingskrieger unter den Indianern. Indianer verwendeten Wildpflanzen dazu, um wieder auf die Beine zu kommen, und damals schon hielt ich das für eine tolle Sache.

Männer und Frauen, die etwas reparieren konnten, bewunderte ich ebenso. Das waren Menschen, die für sich selber sorgen und anderen helfen konnten, die über einen gesunden Menschenverstand verfügten und dazu noch über alle Fertigkeiten, die man brauchte, um ein unabhängiges Leben zu führen. Sie wussten, wie man Feuer macht, wie man Gemüse anbaut, Nahrung einlagert und bei Verletzungen oder Krankheiten seinen Tieren hilft. Sie besaßen das Wissen und die Fähigkeiten, für ihre Familien zu sorgen, und benutzten auch heimische Arzneipflanzen dazu. Sie ruhten sich aus, wenn sie krank waren, und wussten, wann sie jemand anderem den Rat geben mussten, das ebenfalls zu tun. Sie erlaubten sich, laut aufzustöhnen oder sogar vor Schmerzen zu schreien. Warum auch nicht? Es schien das Natürlichste auf der Welt zu sein, obwohl… Broken Arrow hätte das natürlich nicht getan.

Heutzutage habe ich das Gefühl, dass den Menschen diese Art von Unabhängigkeit völlig verloren gegangen ist. Damit einher geht ein Verlust an Allgemeinwissen, an altem, überliefertem Wissen und einfachen Fertigkeiten. Und mit Trauer merke ich, wie auch der großartige Grizzlybär aus der immer weiter zusammenschrumpfenden Wildnis auf diesem Planeten verschwindet. Ich glaube, dass es eine Verbindung gibt zwischen dem Verschwinden der majestätischen Grizzlybären und dem parallel dazu ablaufenden Verschwinden der menschlichen Fähigkeit zu Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit.

Mit diesem Buch möchte ich dazu beitragen, dass beides erhalten bleibt und in seinem Wert noch gesteigert wird. Ich möchte helfen, gefährdete Pflanzen- und Tierarten zu bewahren und die genauso bedrohte Unabhängigkeit meiner Mitmenschen bei der Pflege ihrer eigenen Gesundheit wiederherzustellen. Ich bin von Beruf ein ganzheitlich ausgerichteter Heilpflanzenkundiger – und damit ein Generalist und kein Spezialist. Bei der Spezialisierung muss man zu viel vergessen. Hauptsächlich verwende ich die Sprache und die Modelle der Gesundheitspflege aus den empirisch vorgehenden Wissenschaften und der klinischen Forschung, wie sie in der traditionellen Pflanzenheilkunde des Westens entwickelt wurden. Dabei beziehe ich mich auf Informationen, die auf den Erfahrungen und Einsichten moderner, ganzheitlich arbeitender Mediziner beruhen.

In meinem Herzen und meinem Denken sind Frauen, Männer und Familien am lebendigsten, die in punkto Gesundheit unabhängig sind und auf sich selbst vertrauen. Ein klares Empfinden von sich selbst und das Wissen sowie die Fähigkeiten, sich um die eigene Gesundheit kümmern zu können, ist meiner Meinung nach für ein Leben in dieser Welt von grundlegender Bedeutung.

Die Pflanzenheilkunde ist eine Kunst und Wissenschaft, die das Wissen darüber beinhaltet, wie sich wilde und kultivierte Pflanzen unabhängig und selbstständig für die persönliche Gesundheitspflege verwenden lassen. Das Pflanzenmaterial und pflanzliche Essenzen zu verwenden, ist ökologisch vollkommen unbedenklich – sofern die Pflanzen mit Verstand geerntet werden. Heilpflanzen sind unverzichtbare pflanzliche Nahrungsmittel und Medizin für alle Bewohner des Gebiets, in dem sie vorkommen. Pflanzliche Medizin ist überall. Sie ist in jedem Wald, in jedem Dschungel, an jeder Küste, selbst in jedem Hinterhof und in jedem Hausgarten zu finden – vorausgesetzt, wir wissen, wie wir sie identifizieren und verwenden können, und vorausgesetzt, die kulturelle Amnesie hat uns nicht befallen und so machtlos gemacht, dass wir uns nur noch als Opfer von Verletzungen und »Krankheiten« sehen, die nicht ohne die externe Expertise einer zu einer Elite gehörenden Autorität geheilt werden können, und der Auffassung sind, Gesundheit lasse sich nicht ohne diese Experten aufrechterhalten.

Irgendjemand stellte einmal weise fest: »Heilung ist eine Grundfunktion des Menschen; sie besteht weder aus der Berührung durch einen Mediziner, noch ist sie eine übernatürliche Kraft.« Heilung ist ein ganz natürlicher Vorgang in der persönlichen Entwicklungsgeschichte jedes Menschen; Krankheit ist das ebenso. Heilung ist ein Bestandteil von jedem, der einen lebendigen Körper sein Zuhause nennt; sie geht einher mit der Tatsache, über einen Körper zu verfügen. Doch wir sollten uns nicht täuschen lassen: Weder die Kraft, sich selbst zu heilen, noch der wirkungsvolle Gebrauch von Heilkräutern und Arzneipflanzen beruht auf dem Vorhandensein einer magischen, chemischen Substanz, die alles im Handumdrehen in Ordnung bringt, oder einer Art Wunderwaffe in Form einer Pflanze. Keine einzige medizinische oder technologische Errungenschaft kann das, obwohl viele mit großem Aufwand versuchen, uns davon zu überzeugen, dass sie das mit irgendetwas hinbekommen. Heilung ist ein sehr viel tiefgreifenderer Prozess und besteht nicht aus dem Kauf eines von irgendeinem Unternehmen fabrizierten pflanzlichen oder chemischen Präparats zur Erlangung von Gesundheit.

Die Fähigkeit, sich um seine eigene körperliche Verfassung zu kümmern, erzeugt auch ein Gefühl, das ich mit Würde bezeichnen würde. Wenn man in einer verständigen Beziehung mit seiner natürlichen Umgebung lebt, persönlich unabhängig ist und alle Fähigkeiten hat, um sich selbst mit natürlichen Heilmitteln und Selbsthilfemaßnahmen zu versorgen, erreicht man eine Würde, die meiner Meinung nach besonders gut zum Wesen eines Mannes und zur männlichen Psyche passt.

Ach ja, die männliche Psyche! Klare Vorstellungen davon müssen irgendwo auf der dunklen Seite des Mondes vorhanden sein, vielleicht in Form eines Labyrinths, das noch mysteriöser ist als das der weiblichen Psyche. In diesem Buch geht es genau um dieses Mysterium. Dieses Buch ist die Frucht aus einem intensiven Austausch persönlicher Erfahrungen, Meinungen und Hypothesen über die männliche Seele und die Pflege der männlichen Gesundheit. Es ist weder ein Buch über Männer, noch ausschließlich an diese gerichtet. Es wurde von einem Mann verfasst, der sich mit anderen Personen seines Geschlechts unterhalten, sie befragt, beobachtet und mit ihnen gearbeitet hat. Die vorliegenden Ideen und Techniken zur ganzheitlichen, auf pflanzlichen Heilmitteln basierenden Gesundheitspflege sollen als Konzepte dienen, die Männer jeden Alters, aller Rassen, aller Länder und Kulturen in ihre Überlegungen einbeziehen können, um damit zu arbeiten und sie miteinander zu teilen. Das Buch richtet sich an alle Männer, mögen sie jung oder alt sein, in der Stadt oder auf dem Land leben, hetero- oder homosexuell sein. Unabhängig von meinen eigenen Vorlieben, die da und dort durchschimmern mögen, möchte ich jeden Mann dazu ermutigen, seinen eigenen Weg anzunehmen und ihm von ganzem Herzen zu folgen.

Bevor wir uns nun auf die Reise in die geheimnisvolle und faszinierende Landschaft aus Fragen begeben, die ganz spezifisch die männliche Gesundheit betreffen, würde ich gerne noch einiges für die Leserschaft und mich als Autor klären.

Wenn ein Individuum an die Öffentlichkeit tritt und ein Buch veröffentlicht, das seine Erfahrungen, Glaubensvorstellungen und Meinungen besonders in den Bereichen Gesundheit und persönlicher Machtbefugnis zur Diskussion stellt, ist es wichtig, Leserinnen und Lesern ihre eigenen Vorurteile aufzuzeigen. In unserer westlichen Kultur erzeugt allein die Tatsache, dass ich dieses Buch geschrieben habe, das dann auch noch veröffentlicht wurde, die Tendenz, mich als besondere Autorität darzustellen. Im Lichte dieses merkwürdigen kulturellen Phänomens wünsche ich mir, die kritischen Leser und Lernenden auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde in angemessenem Umfang mit aufschlussreichen Informationen zu versorgen, die ihm oder ihr dabei helfen, diese Autorität auch infrage zu stellen:

Nichts von dem, was ich sage, wird von mir als Wahrheit präsentiert. (Nur Broken Arrow sprach immer die Wahrheit.) Durch Ihre Augen wird die gedruckte Stimme dieses Buches mein Wissen, meine Beobachtungen und die auf meinen Erlebnissen aufbauenden Auffassungen mit Ihnen teilen. Immer wieder wird dabei aufleuchten, was ich dadurch an Weisheit erlangt habe. Jede Einzelperson hat einen Anteil an dieser Weisheit. Während Ihr Geist durch die Landschaft der von mir für Sie in diesem Buch entworfenen Ideen streift, sollten Sie nicht in einen passiven Zustand des Beobachtens verfallen. Hinterfragen Sie im Lichte Ihrer eigenen Erfahrungen meine Ansichten und lachen Sie ruhig mal laut über die Schlüsse, die ich ziehe. Das Risiko, dass man mir ihr Gegenteil beweist, nehme ich auf mich. Ich weiß, dass ich immer wieder den von meinem Verstand als Wirklichkeit getarnten eigenen Auffassungen aufsitze. Das Wohl des Menschen, dieses Planeten und all seiner unglaublichen Lebewesen sind mir ein großes Anliegen – der Grizzlybären und aller anderen, die diesen Planeten mit uns teilen. Zu diesen Themen, die uns gegenwärtig alle betreffen, habe ich selbstverständlich meine klare Meinung. Wenn ich diese Meinung bisweilen mit der Eindringlichkeit eines Wanderpredigers vermittle, bitte ich um Nachsicht; das gehört wohl einfach zu meinem Charakter und ist wahrscheinlich auf meine geringe Körpergröße zurückzuführen. Gerne erfahre ich dann von Ihnen, womit Sie nicht übereinstimmen und lasse mich auf einen möglichen Irrtum hinweisen. Auf diese Weise können wir miteinander ins Gespräch kommen und als gemeinsam Suchende und gleichberechtigte Mitglieder der einen Spezies Mensch, die offensichtlich noch eine Menge zu entdecken hat, aufeinander einwirken und uns weiterentwickeln. Wir sind ein Menschengeschlecht im Transformationsprozess, das sich in seinen Erfahrungen und Ideen miteinander austauschen sollte, wenn es darum geht, auf dem einen kleinen Planeten zusammenzuleben, zu erfahren, was es heißt, gesund zu sein, und unser individuelles Leben in eine heilsame ökologische Balance zu bringen. Damit, dass einige Menschen Autoren immer als »Experten« ansehen, kann ich leben, solange wir dabei beachten, dass das einzige universelle Merkmal von Experten darin besteht, immer mit anderen Experten uneins zu sein. Für mich selbst hat dieser Begriff keine besondere Bedeutung. Mir ist die Bezeichnung Künstler oder vielleicht auch Könner lieber.

Vorwort

Gesundheit ist eine dynamische, lebendige Erfahrung und kein statischer Zustand, der entweder »gut« oder »schlecht« ist. Unsere Gesundheit ist immer vorhanden, auch wenn wir sie manchmal vorübergehend als geschwächt erleben. Unser natürlicher Zustand ist Gesundheit, und die Energie unseres Körpers wird darauf verwendet, lebenslang für bestmögliche Gesundheit zu sorgen. Jede normal funktionierende Körperzelle ist auf intelligente Weise auf Selbstheilung und die Aufrechterhaltung von Vitalität und Wohlbefinden ausgerichtet.

Wenn wir genauer darüber nachdenken, verstehen wir wahrscheinlich nur sehr wenig von unserer Gesundheit. Meistens beziehen wir uns auf sie, wenn wir die Erfahrung machen, dass wir scheinbar gerade nicht gesund sind. Folglich verfügen wir über unzählige Bezeichnungen für die Beschreibung von Krankheitssymptomen, aber befassen uns nur selten mit Symptomen von Gesundheit. Die meisten Leute würden wahrscheinlich schon den Begriff »Gesundheitssymptom« als Widerspruch in sich auffassen. Was soll ein Zeichen für Gesundheit, ein Gesundheitssymptom, also überhaupt sein? Wenn es uns gut geht, müssen unzählige solcher Merkmale in unserer Ausstrahlung sichtbar sein. Warum legen wir unseren Schwerpunkt also nicht auf diese Indikatoren für Gesundheit und geben ihnen ausgefeiltere Bezeichnungen? Vielleicht fallen uns sogar einige sehr eindrucksvolle lateinisch klingende Begriffe dafür ein – genauso wie für Krankheiten. Sind Sie jemals zum Arzt gegangen, um mit ihm über die Symptome Ihrer Gesundheit zu sprechen? Wahrscheinlich hätte er das schon als Zeichen einer Krankheit gewertet. Warum setzen wir uns nicht darüber hinweg? Warum gehen wir nicht zum Arzt und sprechen darüber, wie gut es uns geht, bekommen dann einige Pflanzen oder Arzneien, um damit unsere Gesundheit weiter zu unterstützen und uns noch gesünder zu fühlen? Wie viele Tage bekommen wir arbeitsfrei, weil wir überschäumen vor Schwung und Elan? Wo gibt es eine Klinik, in der Gesundheit vermittelt wird und in die wir gehen können, um uns im zwanglosen Zusammensein mit ausgesprochen fitten und lebendigen Menschen von ihrem Wohlgefühl anstecken zu lassen?

In unserer Kultur scheint in Bezug auf Gesundheit alles verdreht zu sein. Das liegt an einem »Gesundheitssystem«, das völlig in die Pathologie vernarrt ist und darin, Medikamente zu verschreiben, um Krankheiten zu bekämpfen. Daher hielt ich es für eine gute Idee, mit einem etwas anderen Ansatz zu beginnen. Es ist nur ein Anfang, und mit Sicherheit habe ich einen großen Teil eines »Nimm-ein-Kraut-für-dies-und-das«-Modells beibehalten, aber: Diese Informationen habe ich mit wahllos eingestreuten Gedanken zur Steigerung von Gelassenheit, gesundheitsförderlichem Jargon, unermüdlichem Erinnern ans Wassertrinken, Rezepten für pflanzliche Stärkungsmittel und Visionen von Wohlbefinden durchsetzt, die dann in Ihrem Kopf herumtanzen können und sollen.

Ein besonderes Kapitel befasst sich zudem mit einem westlichen, auf die Gesundheit ausgerichteten Konstitutionsmodell. Es ist Männern und Frauen gewidmet, die nicht länger in ein Schema gepresst werden wollen, in das sie über so lange Zeit von medizinischen Autoritäten und einem Großteil der gegenwärtigen alternativen Gesundheitsindustrie gesteckt wurden. Ich habe dieses relativ einfache Konstitutionsmodell geschaffen, das westliche Begrifflichkeiten und Archetypen verwendet (im Vergleich zu orientalischen bzw. asiatischen Modellen) und das Sie als Leser nutzen können, um die einzigartige Beschaffenheit Ihrer eigenen konstitutionsabhängigen »Ausformung« zu ermitteln. Dieses Modell kann Ihnen dabei helfen, sich mit mehr Hintergrundwissen für die richtigen Pflanzen, die passende Ernährung, geeignete Nahrungsergänzungsmittel und den für Sie angemessenen Lebensstil zu entscheiden, der auf wirkungsvolle Weise Ihren speziellen Körperbau, Ihre ganz besondere Energie und Ihr Temperament nährt. Sie können sich selbst als das Individuum behandeln, das Sie wirklich sind, und nicht als der allgemeine Typ von Mensch, dem das Gleiche gegeben wird wie allen anderen auch. Ein wie auch immer gearteter einheitlicher Standard ist hier nicht länger die Norm.

Nun: Haben Sie Spaß, gebrauchen Sie Ihren wissbegierig forschenden Verstand, und hinterfragen Sie Autoritäten, besonders beim Lesen von Büchern! Trinken Sie viel Wasser, weil Ihre Körperzellen durchfeuchtet sein müssen, um glücklich zu sein! Lassen Sie sich von den regenerierenden Kräften des Waldes unterstützen, und konzentrieren Sie sich frohgemut auf Ihre Gesundheit!

James Green

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Haben Sie schon einmal versucht, als Mann einen Andrologen zu konsultieren? Sie könnten zu einem Urologen, Internisten, Nephrologen, Kardiologen, Endokrinologen oder zu einem anderen Spezialisten gehen, aber einen Arzt speziell für Männer hat man beim Spezialisierungswahn der modernen Medizin einfach vergessen – oder brauchen Männer vielleicht keine besondere Zuwendung, werden sie vielleicht überhaupt nicht krank?

Abgesehen davon, dass bei so vielen Spezialisten meistens der eine nicht weiß, was der andere so treibt, und es daher zu immensen Fehlern in der Therapie kommen kann, könnte die Idee, Männer seien nicht krank, durchaus zutreffen. Schon die griechischen Ärzte beklagten sich über die gesundheitliche Fahrlässigkeit der damaligen Männer, die sich als Helden sahen – und Helden werden natürlich nicht krank, bestenfalls bringen sie Verletzungen aus der Schlacht mit nach Hause.

Und der moderne Mann? Könnte es sein, dass Krankheit nicht in das Selbstbild des erfolgreichen Geschäftsmannes passt, der die Börsenschlachten zu bestehen hat, oder wie ist es mit dem Playboy, der von den Kämpfen an der Bar und mit schönen Frauen so manche Blessur davonträgt? Was ist mit dem PS-Freak und seinen Boliden auf vier Rädern – kennt dieser Männertyp Krankheit? Bleibt noch der wilde Mann, der einsame Wolf, der braungebrannt von seiner Weltumsegelung oder seiner Weltreise mit dem Motorrad heimkehrt – aber gerade der bringt vielleicht höchstens ein gebrochenes Bein mit nach Hause.

Natürlich sind die meisten Männer in der Realität weder erfolgreiche Geschäftsleute, Playboys oder Rocker, die meisten sind ganz »normale« Männer, was immer das heißen mag. Nach über 30 Jahren Praxiserfahrung mit Männern kann ich allerdings eines feststellen: Männer sind tatsächlich ungerne krank. Die Compliance bei Männern ist oft schwierig, das heißt, sie machen ungerne mit, nehmen ihre Mittel wenig sorgfältig bis überhaupt nicht und sie reden auch nicht viel, häufig werden sie sogar von ihren Frauen in die Praxis geschickt und fühlen sich dort wie Odysseus auf seiner Irrfahrt. Praxisgespräche sind oft wenig ergiebig, aber sie waren ja auch schon bei diversen Spezialisten und bringen brav ihre Blutwerte oder ein Spermiogramm mit, und ein Belastungs-EKG haben sie auch schon gemacht – aber auf die Frage: »Wie fühlen Sie sich« folgt meist Schweigen, oder sie beschreiben nochmals ihren Eindruck von den Blutwerten. – Der Zugang zu ihren Gefühlen fällt ihnen sichtlich schwer. Sie sind dabei keineswegs unsensibel, woran es eher fehlt, ist die Ausdrucksfähigkeit, sei es durch Sprache oder Gestik.

Da es kaum Männer-Heilkundige gibt, sucht man natürlich auch nach Literatur vergebens. Dies war am Anfang meiner Praxistätigkeit tatsächlich ein Problem, und ich war glücklich, als ich das Buch Male Herbal von James Green entdeckte, auf das mich eine Assistentin (!) aufmerksam gemacht hatte. In den USA, speziell in Kalifornien, gibt es schon länger eine »Männerbewegung«, in der Männer versuchen, sich miteinander neu zu definieren und ihre Sensibilität auf bisher unbekannte Weise zu erfahren, sei es in Gesprächskreisen, Wildniscamps oder beim Sonnentanz und in der Schwitzhütte – und natürlich schwappte diese Bewegung irgendwann zu uns. An Angeboten dieser Art herrscht jedenfalls hierzulande kein Mangel mehr.

Zudem gibt es inzwischen in allen westlichen Ländern haufenweise Zeitschriften und auch Bücher für Männer, aber eher voller Ratschläge zur Selbstoptimierung, zur Stressbewältigung für ausgelaugte Manager und mit Werbung für Augencremes, um morgens wieder adrett auszusehen. Eine ernst zu nehmende Literatur zur Gesundheit des Mannes und zu Behandlungsmöglichkeiten für ihn ist immer noch selten. So stand die Frage im Raum, selbst ein Buch hierzu zu schreiben oder aber das Buch von James Green zu übersetzen und in eine Form zu bringen, die auf den deutschsprachigen Raum zugeschnitten ist. Die Entscheidung fiel auf Letzteres, und ich freue mich, dass der AT-Verlag meine Anregung aufgegriffen hat und diesen Schritt in ein unbekanntes Land wagt. Schließlich ist die Frage berechtigt, ob es denn überhaupt einen Markt für das Thema Männergesundheit gibt, Bücher wollen schließlich verkauft und gelesen werden.

Ich denke ja! Was mich darin bestärkt, sind die zunehmend tiefsinnigen Gespräche mit meinen männlichen Patienten und die spannenden Männerseelen, die in meine naturheilkundlichen Kurse kommen. Es gibt einen Wandel, ganz sicher. Die Metamorphosen vom Jungen zum Mann, vom Sohn zum Geliebten, die unterschiedlichen Wege zum persönlichen Heldentum, zum König, Krieger und Seher in uns, sind eine spannende Reise durch das Leben, die uns Männer miteinander verbindet und für deren Feinheiten wir ganz langsam eine neue Sprache entwickeln.

James Green und ich und mit uns viele andere Männer erlebten jedoch darüber hinaus etwas, das uns in ein anderes geistiges Universum katapultierte – die Anwesenheit bei der Geburt unserer Kinder – hierzu findet James Green deutliche Worte. Was kulturgeschichtlich selbst bei Naturvölkern bisher ein Tabu war, ist heute fast schon selbstverständlich geworden. Nicht mehr nur zu schwängern, sondern wirklich anwesend zu sein, wenn neues Leben zum ersten Mal die Welt erblickt, hat mich als Mann direkt ins Herz getroffen. Der Blick meines Sohnes, sein Geruch, sein Geschrei, das Glück in den Augen meiner Frau, die großartige Erfahrung, dies gemeinsam erleben zu dürfen – all dies hat unauslöschliche Spuren in meiner Seele hinterlassen. Die Geburt öffnete mir die Augen für das Wunderbare dieser Welt. Diese seelische Offenheit, die Welt als Wunder wahrzunehmen und nicht nur als Maß, Zahl und Gewicht, ist eine wichtige Voraussetzung, um sich auch seelisch mit dem Thema Gesundheit zu befassen und nicht nur technisch. Natürlich muss man nicht unbedingt Vater sein, um dies zu empfinden – die Wege, auf denen das Herz berührt wird und das Eis darin zu schmelzen beginnt, sind vielfältig, aber sie gleichen sich in einem, der Liebe zum Leben.

Den Technokraten dieser Welt wird dieses Buch damit wohl nicht viel zu sagen haben – aber wenn nicht jetzt, dann vielleicht in Zukunft, Hauptsache, es besteht die Möglichkeit, und wenn der Zufall es will …

Für alle anderen wird es ein wichtiges Buch sein, da es auch Antworten auf Fragen jenseits von Prostata und Viagra gibt. Zudem vermittelt James Green ein Bewusstsein für Männergesundheit im kulturellen Kontext, denn der Autor bedient sich gleichermaßen aus dem Fundus der chinesischen, indischen, indigenen und europäischen Naturheilkunde, und in Zeiten des Globalismus ist die kulturelle Offenheit und Faszination für den anderen ein sicherer Garant für Glück.

Genießen Sie Ihr Mannsein!

Olaf Rippe

KAPITEL 1

Wo ist die Medizin für den Mann, die auf Allgemeinwissen und auf alter Weisheit beruht?

Oder: Warum kann ich keinen Männerarzt anrufen?

Über Heilpflanzen für die Gesundheit des Mannes gibt es in der Literatur unserer westlichen Kultur nur relativ wenige spezifische Informationen, die auf altem, überliefertem Wissen gründen. Meine eigenen Kenntnisse beziehe ich aus den Erfahrungen von Männern, die mich aufsuchen, weil ich sie zur Verwendung von Heilpflanzen für ihre Gesundheitspflege beraten soll, sowie von Frauen, die Hilfe für ihre männlichen Partner, ihre Söhne oder andere männliche Verwandte benötigen. Es ist so allerdings ziemlich schwierig, eine breite Palette an ganzheitlichen Informationen zur Gesundheitspflege für Männer zusammenzubekommen, weil sich bisher nur relativ wenige Männer mit ihren gesundheitlichen Problemen an Heilpflanzenkundige wenden. Ich persönlich bin dabei keine Ausnahme. Auch ich suche mir nur selten Hilfe, solange mir nicht etwas richtig wehtut. Wahrscheinlich würde ich auch dann keinen Männerarzt aufsuchen, wenn es einen solchen Spezialisten für Männermedizin tatsächlich gäbe. Der Hauptgrund dafür, dass ich keine Hilfe von außen suche, ist der, dass ich der Ansicht bin, mich gut zu ernähren, genug Wasser zu trinken, mich in ausreichendem Maß zu bewegen, meinem Körper genügend Ruhe zu gönnen und von einem glücklichen Geist belebt zu sein. Deswegen habe ich das Gefühl, mein Körper werde schon selbst mit den meisten Problemen fertig, vorausgesetzt, er hat genügend Zeit dafür und wird von außen durch nichts gestört. Das machen Männer im Allgemeinen so. Aus irgendeinem Grund haben viele von uns die Tendenz, auch sich abzeichnende Probleme mit der Gesundheit für sich zu behalten. Möglicherweise aus Stolz, aus Angst, aus einem Gefühl der Peinlichkeit oder aus einer durch Konditionierung entstandenen Scheu davor, eine Krankheit zuzugeben und Verletzlichkeit zu zeigen. Diese Eigenart ist bei einer großen Zahl von uns Männern anzutreffen.

Es hat jedoch den Anschein, als ob diese allgemeine und für das männliche Geschlecht typische Zurückhaltung bei vielen ein wenig an Kraft verliert, und vielleicht hat dies zum Aufkeimen einer »Männerheilkunde« beigetragen. Jedenfalls müssen wir Männer, wenn wir uns ein umfassenderes Wissen und ein größeres ganzheitliches Verständnis männerspezifischer Gesundheitspflege aneignen wollen, uns selbst beobachten, mehr auf unsere Ernährung achten (und kochen lernen!), Alternativen erkunden, uns Notizen machen und unsere Erfahrungen mit anderen teilen. Wichtig ist insbesondere auch: Wir müssen Wege finden, mit denen sich die Auswirkungen von Stress mildern lassen.

Meine Reise in den Bereich der männlichen Gesundheitspflege ähnelte einem Spaziergang im Schlenderschritt auf einer von Unkraut und wild wachsenden Gräsern gesäumten Landstraße. Etwa zwanzig Jahre lang lehrte ich Pflanzenheilkunde an der California School of Herbal Studies in Forestville, Kalifornien, und lebte auch dort. Mein Haus befand sich beim üppigen Kräutergarten der Schule, deren Grünfläche über dreißig Hektar Land umfasste. Aus dieser idyllischen Perspektive heraus betrachtete ich das Leben mit den Augen eines sehr stark mit den Pflanzen verbundenen Menschen und entwickelte so eine relativ einmalige Sichtweise zum Thema Mann.

Ich hatte davor eine ganze Reihe unterschiedlicher Systeme zur Pflege der Gesundheit erkundet (wobei ich der Auffassung bin, dass alle plausiblen Wissenschaften, die sich um Gesundheitsfürsorge kümmern, erwähnenswert und notwendig sind und gleichwertig nebeneinanderstehen). Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass die Pflanzenheilkunde für mich das schönste und die Gesundheit am besten unterstützende System von allen ist. Ich glaube, die einmalige Kraft und Weisheit der modernen Pflanzenheilkunde entfaltet sich insbesondere durch die fürsorgliche Beziehung, die damit zur Erde aufgebaut wird. Bei der Wiederherstellung dieser Beziehung werden wir von unseren pflanzlichen Verbündeten unterstützt, und über diese Verbindung werden dann beide Seiten wechselseitig genährt. Der beste Weg, das mitzubekommen, besteht darin, so viel wie möglich direkt mit Pflanzen zu arbeiten, besonders mit vor Ort wild wachsenden oder selbst angepflanzten Pflanzen. So können wir die Pflanzen betrachten, ihre Schönheit würdigen, sie berühren, riechen, schmecken, pflegen und ernten.

Dieses direkte Erleben der Pflanzen geht weit über den bloßen Kauf und das Konsumieren pflanzlicher Produkte hinaus. Es ergänzt und verbessert die Lebensqualität und führt zu mehr Mitgefühl, größerer Weisheit und einer mehr von Demut geprägten Beziehung zu den anderen Spezies auf diesem Planeten. So lernen wir, auch anderen Platz einzuräumen, den Raum und die natürlichen Ressourcen der Erde mit unseren Begleitern, den anderen Arten – den anderen Wesen, die hier leben – zu teilen. Durch diese Beziehung beschäftigt die Pflanzenheilkunde unseren Geist, berührt unser Herz und verringert definitiv die Auswirkungen von Stress.

Neun von zehn Personen, die etwas über Pflanzenheilkunde lernen wollen, sind Frauen. Ich vermute, dass es Männer im Allgemeinen weniger spannend finden, Pflanzen zu beobachten und von ihnen zu lernen, als Frauen. Wenn ein Mann es aber zulässt, sich Pflanzen zuzuwenden und mit ihnen zu kommunizieren, dann wird ihn das mit großer Kraft erfüllen und seine Empfänglichkeit für Pflanzenheilmittel beträchtlich verstärken. Von diesem Punkt des Begreifens und des Akzeptierens aus werden die Energie, die pharmakologischen Wirkungen und die Nährstoffkomponenten der Zubereitungen aus Heilpflanzen von seinem physischen Körper viel bereitwilliger und schneller empfangen.

Dass manche Menschen bezweifeln, dass etwas heilen kann, was sie als »wissenschaftlich nicht nachgewiesene« Wirkstoffe ansehen, kann ich verstehen. Doch die Materia medica, das Handwerkszeug und die Techniken der mit Heilpflanzen arbeitenden Therapeuten beruhen auf jahrhundertealter menschlicher Erfahrung, die die Wirksamkeit solcher Heilmittel untermauert. Pflanzenmedizin ist tatsächlich eine empirische Wissenschaft, deren Erkenntnisse sich durch die Erfahrungen und Beobachtungen der Menschen, die mit Pflanzen heilen, beweisen lassen. Sicherlich ist es klug, mit einer kritischen Haltung und Skepsis an die Dinge heranzugehen, aber gleichzeitig fordere ich Sie als Leser auf, mit Begeisterung und einer positiven Haltung die Pflanzen für Ihre eigenen Pflanzenheilmittel und Tonika zu ernten, zuzubereiten und zu verwenden. Selbst seinen Beitrag zur Herstellung der eigenen Pflanzenheilmittel zu leisten (Heilpflanzen zu sammeln oder zu ernten, Tees aufzugießen, Tinkturen herzustellen usw.), ist – wie das Kochen für sich selbst – ein Unterfangen, das jemanden zu etwas befähigt und ermächtigt. Heilpflanzen oder häufig vorkommende und vor Ort vorhandene Arzneipflanzen wurden schon seit jeher zur Ernährung oder zur Heilung eingesetzt. Pflanzenheilmittel waren immer da für uns. Ihre Zubereitung ist einfach, die Verabreichung ebenso, und ihre wirkungsvolle Anwendung ist eine leicht abzurufende Begabung oder Fähigkeit. (Im fünften Kapitel finden Sie Informationen zu den Methoden der Zubereitung von Heilmitteln aus Pflanzen.)

Das Wesen und die Heilkraft der Pflanzen erfährt man am besten in der Natur selbst.

Wie erwähnt, hat meine Suche nach überlieferten Kenntnissen zur Vorbeugung gegen Krankheiten und deren Behandlung bei Männern in unserer westlichen Kultur nicht viel an schriftlichen Informationen zutage gefördert. Ein entsprechend umfangreiches Wissen bezüglich der weiblichen Gesundheit mit dem entsprechenden reichhaltigen Erfahrungsschatz gibt es allerdings und sogar in Form von Allgemeinwissen, das für jeden zugänglich ist, der sich dem Studium der Heilpflanzentherapie und der ganzheitlichen Gesundheitsfürsorge widmet.

Warum haben die Männer in unserer Kultur nicht die gleiche Fülle an Techniken und natürlicher Weisheit hinsichtlich ihrer eigenen spezifischen Gesundheitsfürsorge und Behandlungsmethoden zur Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit entwickelt? Liegt es daran, dass Männer nicht die gleiche Komplexität in der anatomischen Struktur und der Funktion ihrer Geschlechtsorgane haben? Oder liegt es daran, dass Männer nicht so offensichtlich einem mit ihren Geschlechtsorganen verknüpften Zyklus unterworfen sind, der sie dazu bringt, routinemäßig ihrem physischen Körper besondere Aufmerksamkeit zu schenken – einem Zyklus, der sie für innere Prozesse und Veränderungen wach werden lässt? Ist das vielleicht der Grund dafür, dass Männer über die Jahrhunderte hinweg kein so offensichtliches und bewusstes Interesse an ihrer Gesundheit und ihrem Körper entwickelt haben, wie das bei den Frauen der Fall ist? Sind Frauen mehr auf Vorbeugung eingestellt als Männer, oder verfügen Männer über ein angeborenes Vertrauen in die natürliche Heilungskraft ihres Körpers und verlassen sich vollständig darauf?

Ärzte berichten häufig, dass Männer im Alter zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahren nur selten in ihre Praxis kommen, außer sie haben sich die Knochen gebrochen oder andere akute Verletzungen. Was immer der Grund dafür sein mag: Angesichts des auffälligen Mangels an überlieferten Kenntnissen über Heilpflanzen für Männer haben sich Männer im Westen anscheinend als Kollektiv jahrhundertelang nicht um spezifische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit gekümmert.

Zu Beginn meiner Seminare über die Männergesundheit stelle ich häufig zunächst Fragen wie die gerade angeführten, was sowohl bei den teilnehmenden Männern wie Frauen lebhafte Diskussionen hervorruft. Aus der Vielzahl dieser Rückmeldungen bekam ich allmählich eine Ahnung davon, dass Männer möglicherweise doch ihr geschlechtsspezifisches medizinisches System und geschlechtsspezifische Techniken einer Gesundheitspflege selbst geschaffen haben. Allein schon dadurch, dass Männer sich viel mehr auf dem Schlachtfeld unter Beweis stellen mussten als Frauen, war die Bedeutung dieser Art »Kriegsmedizin« mit ihren äußeren Eingriffen natürlich für die Männer viel stärker. Methoden einer Gesundheitsfürsorge, die weniger auf einer »Krisenintervention« beruhten, wurden von den Männern aufgegeben oder als überhaupt nicht anwendbar angesehen. Auf diese Weise gingen diese anderen Methoden für die Männer verloren.

Vielleicht entsteht mit der heutigen allopathischen und technologischen Medizin des Westens gerade die Grundlage für ein Wissen über eine Medizin für den Mann, auf deren Überlieferung in der Zukunft zurückgegriffen werden kann. Allgemein hat der Mann bei unserer Spezies Unterstützung in seinen technischen, taktischen und intellektuellen Fähigkeiten erfahren. Er wurde weniger durch zyklische, mit dem Mond verknüpfte, hormonelle Gezeiten in ein Bewusstsein für seinen Körper hineingezogen, sondern eher durch unmittelbar aus einer Situation heraus erwachsene Erfordernisse. Der Mann behält lieber die Kontrolle; historisch gesehen hat er den Wettkampf, Kriege und andere Situationen mit einem hohen Potenzial für Krisen in die Welt gesetzt und gierig weiterverfolgt. Vielleicht sind es ja diese Vorlieben, die seine spezifischen hormonellen Gezeiten zum Ausdruck bringen.

Möglicherweise bevorzugt der Mann und fordert es auch ein, dass Medizin zu einer draufgängerischen und abenteuerlicheren Lebensweise passen muss. (Oder gilt ein kühner, abenteuerlicher Lebensstil in unseren modernen Zeiten als überholt? Einige haben dieses Gefühl und meinen, dass die Männer von heute anders sind – vielleicht haben sie ja auch recht damit –, aber ich selbst habe da meine Zweifel. Das Testosteron bleibt einfach ein Saft, der für das Draufgängertum gemacht ist, und damit kann jeder Mann auf die Weise umgehen, die ihm gefällt.) Vielleicht braucht der Mann eine Medizin, die »heldenhaft« ist und grandiose Taten vollbringt, und nicht eine, die ihn einfach nährt. Er sucht nach einer Medizin, die so gestaltet ist, dass sie in akuten Krisen unmittelbar wirkt, und nicht notwendigerweise nach einer Medizin, die vorbeugt und in den für ihre Wirkungen erforderlichen Zeitverläufen von der Natur selbst gesteuert wird. Es ist durchaus möglich, dass ihm eine Medizin lieber ist, die ihn dabei unterstützt, sein zielorientiertes »Getriebensein« weiterzuführen, oder die ihn wieder auf die Beine stellt, damit er draußen an seinem Platz das nach Kräften weiterverfolgen kann, nach dessen Vollendung er so unerbittlich strebt: »Stoppen Sie die Blutung! Schnell, sorgen Sie dafür, dass der Schmerz aufhört, und unterdrücken Sie die Symptome, damit diese mir nicht dauernd in die Quere kommen und meine Fortschritte gefährden! Ich habe zu tun. Bremsen Sie mich nicht aus, und versuchen Sie auch nicht, die von mir eingeschlagene Richtung zu ändern! Tun Sie, was nötig ist, aber tun Sie es schnell! Und reden Sie nicht mit mir darüber, wer ich bin oder dass ich irgendetwas in meinem Leben ändern sollte!«

Die »heroische«, durch dramatische Erfolge gekennzeichnete allopathische Medizin (auch die Chirurgie, Chemo- und Strahlentherapie) hat sich auf genau diese Dienstleistungen spezialisiert und kann diese wirksamer und effizienter an den Mann bringen als jedes andere Gesundheitssystem im Westen. Es ist eine ausgezeichnete Medizin in Krisen und in Notsituationen, bei Unfällen und auf dem Schlachtfeld. Heilpflanzen und natürliche, ganzheitliche Gesundheitssysteme erfüllen diese Kriterien bei Weitem nicht und sind viel ineffizienter. Und das ist in Ordnung so. Mit Sicherheit profitieren wir alle von der Verfügbarkeit einer großen Vielfalt an verschiedenen Spielarten für Heilung und für die Fürsorge für unseren Körper. Überschreiten wir Männer aber ein Alter von vierzig Jahren, beginnen wir anscheinend damit, in größerem Umfang ganz unterschiedliche Lebensstile und verschiedene Grundbedingungen für unsere Gesundheit mit in unsere Betrachtungen einzubeziehen und auch nach Mitteln zu suchen, mit deren Hilfe wir unsere Kraft, unser Können und unsere Potenz aufrechterhalten können.

In den letzten achtzig Jahren haben die Verkäufer einer Medizin der Krisenintervention und die Ärzte, die diese praktisch anwenden, leider ein politisches und auch bezüglich der Informationen beherrschendes Monopol errichtet, das die meisten anderen Heilsysteme als unorthodox abtut oder sie in der jüngeren Geschichte auch unverhohlen als illegal brandmarkt. Das wiederum hat die Auswahlmöglichkeiten zwischen Systemen, die sich um die Gesundheit kümmern (und von denen es immer eine große Vielfalt gab), für den Menschen drastisch eingeschränkt. Eine offene, forschende, zu Hause oder in den Schulen erfolgende Vermittlung von Kenntnissen einer alternativen Gesundheitspflege ist fast völlig verschwunden. Das hat zur Folge, dass die meisten Menschen in unserer Kultur, Männer wie Frauen, so gut wie nichts darüber wissen, wie sie selbst für ihre Gesundheit sorgen und dadurch die meisten chronischen und viele akute gesundheitliche Krisen verhindern können.

An dieser Stelle möchte ich den (bald aussterbenden) Hausärzten und Allgemeinärzten meine Anerkennung für ihre Verdienste zollen. Diese hingebungsvollen Vertreter der Ärzteschaft verbringen einen großen Teil ihrer für ihren Beruf aufgewendeten Zeit damit, den Menschen vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten nahezubringen und ihnen bei der Krankheitsverhütung zur Seite zu stehen. Der Hausarzt gehört definitiv zu einer völlig anderen Spezies als die zahllosen medizinischen Fachärzte, die intensiv auf ihren engen Fachbereich fokussiert und davon so vereinnahmt sind, dass sie häufig die Haupttätigkeit eines Arztes aus dem Blick verlieren, nämlich den Patienten etwas beizubringen, sie etwas zu lehren. Das Wort »Doktor« stammt schließlich vom lateinischen Wort docere, »lehren«, ab. Im Mittelalter war der Doktorgrad der höchste akademische Rang in der Medizin, in den Rechtswissenschaften oder in der Theologie. Auch heutzutage belehrt jeder anständige Doktor oder Arzt seine Patienten weiterhin darüber, wie sie gesund leben können.

Das Problem, dem die Hausärzte täglich gegenüberstehen, besteht jedoch darin, dass nur wenige Personen bereit und gewillt sind, den Ratschlägen, die ihnen vom Arzt oder Doktor gegeben werden, auch zu folgen – also sich beispielsweise qualitativ hochwertiger zu ernähren, sich mehr zu bewegen und zu entspannen, mehr Wasser und weniger Alkohol zu trinken, weniger Genussdrogen zu konsumieren, den Nikotinkonsum einzuschränken und vieles andere mehr. Stattdessen haben sich unzählige Menschen in der westlichen Kultur dazu entschieden, sich von Medikamenten oder chirurgischen Eingriffen des allopathischen Gesundheitssystems abhängig zu machen, wenn es darum geht, die durch ihre Lebensgewohnheiten und den damit verbundenen Raubbau an sich selbst entstandenen Symptome zu behandeln oder zu unterdrücken. Und aus ihrer Unwissenheit heraus oder aufgrund der Propaganda der Medien glauben viele, dass dies das einzige tatsächlich durchführbare System einer Gesundheitsfürsorge sei. Dabei ignorieren sie das reichhaltige Erbe eines überlieferten Wissens über die Möglichkeiten, die wir selbst in der Hand haben, um uns um unsere Gesundheit zu kümmern. Dieses Wissen wurde von den Lehrern und den alten Heilern unter unseren Vorfahren an uns weitergegeben und für uns aufbewahrt, aber wir haben es innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne fast völlig aufgegeben und vergessen.

Wenn ich den Begriff »alternative Heilkunst« verwende, beziehe ich mich auf Techniken, die hauptsächlich auf empirischem Wissen beruhen. Im Wesentlichen geht es dabei um die Verwendung von Arznei- und Nahrungsmitteln, die uns die Natur zur Verfügung stellt, und darüber hinaus um die therapeutischen Behandlungsmethoden, die aus Jahrhunderten der Beobachtung und der wiederholten erfolgreichen Verwendung seitens unserer Vorfahren hervorgegangen sind. Dies sind alles legitime Heilverfahren, die nicht nur darauf abzielen, spezifische Krankheitssymptome zu beseitigen, indem sie künstlich hergestellte, synthetisch-pharmazeutische Medikamente einsetzen oder hoch technische Geräte und Apparaturen, Bestrahlung, Injektionsspritzen und Skalpelle verwenden. Ich beziehe mich auf die Heilmittel, die langsam und systemisch wirken und die Zeit als Verbündete für eine Heilung mit einbinden. Dabei handelt es sich um traditionelle Systeme, die Heilpflanzen und andere natürliche Ressourcen nutzen, um die unangenehmen Erscheinungen einer Krankheit oder Verletzung zu mindern, während sie gleichzeitig neu beleben, stärken und gesundes Körpergewebe wieder aufbauen.

Diese Verfahren versuchen, die natürlichen Abwehrkräfte und das Immunsystem des Körpers zu stärken und zu unterstützen. Sie wollen sie nicht durch die Einwirkung von Impfungen, Seren und künstlich hergestellten, synthetischen Wirkstoffen verdrängen oder ersetzen. Alternative Heilsysteme verlassen sich auf die dem Körper von Natur aus innewohnende Intelligenz und seine Selbstheilungsprozesse und unterstützen beides, damit der Körper auf diese Weise für seine eigene Gesundheit sorgen und seine Mechanismen zur Selbstreparatur anwenden kann. Alternative Heilverfahren streben danach, die Einzelperson zum Thema Gesundheit anzuleiten, anstatt die Verantwortung für deren Gesundheit zu übernehmen. Sie versuchen, gesunde Lebensgewohnheiten zu fördern, die dabei helfen, chronische oder akute mit einem schlechten Gesundheitszustand zusammenhängende Notsituationen überhaupt erst zu verhindern.

Allopathische und alternative Gesundheitssysteme beruhen auf unterschiedlichen Sichtweisen und verschiedenen Konzepten der Wirtschaftlichkeit. Therapeutisch müssen sie sich aber nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen. Oft ergänzen sie einander, und ich glaube auch, dass sie unter den passenden Umständen in Kombination miteinander wirksam sein können. Wenn Operationen sinnvoll oder bei Unfällen und Naturkatastrophen Notmaßnahmen erforderlich sind, oder wenn die Verwendung natürlicher und weniger drastisch wirkender Verfahren eine zusätzliche Unterstützung seitens der allopathischen Medizin benötigt, sollte man, ohne zu zögern, auf die spezifische Technologie einer allopathischen Krisenintervention zurückgreifen.

Es ist der Beginn einer inspirierenden Zeit, in der Männer verstärkt den Wunsch und den Willen zum Ausdruck bringen können, Alternativen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge zu erkunden und eine Vielzahl an Wissenschaften und ganzheitlichen Einsichten in diesem Bereich zurate zu ziehen. Es ist eine Zeit, in der wir in der Lage sind, die traditionellen Anwendungsmöglichkeiten von Pflanzenheilmitteln und pflanzlichen Stärkungsmitteln vollumfänglich zu nutzen und sie auf eine Behandlung der Beschwerden, unter denen Männer leiden, auszurichten. Gemeinsam mit der Technologie der allopathischen Medizin können wir dabei helfen, dem männlichen Teil der Bevölkerung im Kindesalter und als Erwachsene eine bessere Fürsorge zukommen zu lassen.