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12.


„Geh zur Seite, Opa“, sagte der Killer zu Delmar.

„Ich würde es nicht tun“, sagte ich.

„Lasst mich da raus!“, schrie Delmar. Seine quäkende Stimme überschlug sich fast. „Was habe ich damit zu tun? Ich will damit nichts zu tun haben. Ich ...“

„Halt die Schnauze und geh zur Seite!“, schrie der Killer.

Delmar heulte wie ein getretener Hund und ließ sich zur Seite fallen. Ich warf mich hinter einige Kaffeesäcke. Fast gleichzeitig krachte ein Schuss.

Ich spürte den heißen Luftzug der Kugel, dann prallte ich hart am Boden auf.

Tyron Delmar schrie noch immer. Er kroch auf allen vieren durch den Lagerraum und brüllte, als sei er bereits von Kugeln durchlöchert.

„Gib es auf, Kleiner!“, schrie der zweite Bandit. „Du hast keine Chance!“

„Der Teufel ist dein Kleiner“, sagte ich. Ich kniete hinter den Kaffeesäcken und feuerte, als sich die Banditen in Deckung bringen wollten.

Ich traf den einen von hinten in den rechten Oberschenkel. Er sackte zu Boden und wälzte sich hinter eine ­Konservenkiste.

Tyron Delmar schrie: „Lasst mich leben! Ich habe doch nichts getan.“ Er kroch auf die Verbindungstür zum Laden zu, erhob sich, als er das Schussfeld verlassen hatte, und floh in den zerschlagenen Store.

„Ich blute wie ein Schwein, Ned!“, rief der Kerl, den ich verwundet hatte. „Wenn ich lange hier liegen muss, kannst du mich einscharren.“

„Den Jungen haben wir gleich“, antwortete der andere. „Keine Bange.“

Eine Blechdose flog plötzlich durch die Luft. Es war ein uralter Trick, mit dem er mich ablenken wollte. Aber er unterschätzte mich. Ich störte mich nicht an der Dose, die laut scheppernd zu Boden fiel.

Ich wartete, bis sich der Mann hinter der Kiste aufrichtete. Dann schoss ich.

Ich traf den Killer in die rechte Seite. Sein Revolver ging los, und die Kugel schlug krachend in die Decke. Die Detonation staute sich dröhnend im Raum. Pulverdampf schwebte durch das Magazin. Der Killer wurde vom Aufprall der Kugel einmal um die eigene Achse geschleudert und stürzte gegen vier übereinandergestapelte Zwanzig-Liter-Weinfässer. Er riss sie um und blieb zwischen ihnen liegen.

Ich sprang auf und stürmte durch den Magazinraum. Der zweite Bandit kauerte am Boden und hatte beide Hände auf seine stark blutende Wunde im rechten Oberschenkel gepresst.

„Schieß nur“, sagte er gepresst. Seiner Stimme waren die Schmerzen anzuhören, die er ertragen musste. „Aber es sind noch zwei von uns in der Stadt, und die kriegen dich. Du kommst nicht weit.“

Ich wollte im ersten Moment wirklich schießen, dann ließ ich es. Er hatte seine Waffe verloren und war hilflos. Ich war kein Mörder. Und es war auch nicht so, wie Tyron Delmar annahm, dass mir das Töten Spaß bereitete. Es hat mir nie Spaß bereitet, und ich verfluche noch heute den Tag, an dem alles begann. Ich habe oft töten müssen, viel zu oft, aber immer nur in Notwehr. Und jedes Mal danach blieb für lange Zeit ein bitteres Gefühl in mir. So war es damals auch.

Ich wandte mich ab und lief hinaus auf den Hof, den Navy-Colt, in dem sich jetzt nur noch drei Ladungen befanden, in der rechten Hand, das Proviantpaket unter dem linken Arm.

Ich gelangte bis zum Tor zur Main Street, als ich die beiden anderen Kerle sah, von denen der verletzte Bandit gesprochen hatte.

Sie liefen vom Stadtrand heran. Offenbar hatten sie sich in dem abseitsstehenden Haus mit der roten Laterne aufgehalten, von dem ich damals noch nicht wusste, was es war. Vermutlich waren sie von den Schussdetonationen alarmiert worden, genau wie einige neugierige Bürger, die sich aus ihren Häusern getraut hatten, auf den Stepwalks und Vorbauten standen und zum Store herüber­gafften.

Ich blieb stehen und hob den Colt. Da hatten sie mich schon entdeckt. Ein Schuss krachte, eine Handbreit über meinem Kopf grub sich mit hässlichem Laut eine Kugel ins Holz und wirbelte eine kleine Wolke aus Staub und Spänen auf. Holzsplitter trafen mein Gesicht.

Ich warf den Kopf herum und verfluchte Silverton und die feigen Bürger, die erst zugeschaut hatten, wie ihr Marshal zusammengeschossen worden war, die mir auf die Schulter geklopft hatten, weil ich einen Banditen getötet hatte, und die nun zuschauten, wie ich ermordet werden sollte. Ich war in ihren Augen immer der Wilde geblieben. Vielleicht wetteten sie sogar, ob ich es schaffen würde oder ob die Banditen mich umbringen würden. In ihren Augen hatte ich wahrscheinlich schon verloren.


*


Ich lief über den Hof des Stores zum rückwärtigen Zaun. Auch gestern war ich über diesen Zaun entwischt. Ich erklomm ihn. Gerade aber, als ich mich auf der anderen Seite hinunterlassen wollte, traf mich eine raue Stimme.

„Bleib oben sitzen, Freundchen, oder spring noch besser wieder dahin zurück, wo du hergekommen bist.“

Ich wandte den Kopf. Im Hof der Stellmacher­werkstatt stand ein untersetzter, muskulöser Mann mit nacktem Oberkörper und abgewetzter Lederschürze. In der rechten Faust hielt er locker einen riesigen Hammer.

„Wir wollen keinen Ärger mit dir“, sagte er. „Wenn du herunterspringst, kriegen Latimers Leute dich als Paket sauber verpackt geliefert, mit einer roten Schleife dran, und ich kassiere die Prämie, die Latimer ausgesetzt hat, wenn wir dich ausliefern.“

Ich musterte ihn. Er meinte es völlig ernst. Ich hätte ihn niederschießen können, aber es war schon zu viel Blut geflossen, und Feinde hatte ich wahrhaft bereits genug.

Er schwenkte den Hammer. Ich dachte, er wolle ihn nach mir schleudern. Ich griff nach dem Colt, den ich schräg in den Hosengurt gesteckt hatte. Da wich der Mann zurück und wurde blass. Ich sprang zurück in den Hof von Delmars Store und lief zum Haus, als ich bereits auf der Straße die Schritte der heranstürmenden Banditen hörte.

Ich saß in der Falle. Zum Tor hinaus konnte ich nicht mehr. Der Weg über den Zaun war mir versperrt, und da einer der beiden Kerle, die ich hatte heranlaufen sehen, wahrscheinlich durch den Store ins Haus eindringen und durch das Lager in den Hof kommen würde, war ein Zurück ins Haus ebenfalls unmöglich.

Ich saß fest. Es gab keinen Ausweg.

Gnadenlos brannte die Sonne des Vormittags in den Hof, der mir auf einmal lächerlich klein erschien – wie eine Gefängniszelle. Er schien zu schrumpfen, schien mir immer weniger Platz zum Ausweichen zu lassen. Sämtliche Winkel, die es gab, schienen plötzlich zu eng zu sein, um mir als Versteck zu dienen.

Ich dachte an meine Kammer, dachte an die Nacht, als ich aus dem Fenster gestiegen war, um mich in der Stadt umzusehen.

In der Kammer über dem Store würde mich niemand suchen.

Der Gedanke war verrückt, aber etwas anderes fiel mir nicht ein. Wenn ich im Hof stehen blieb, war ich verloren. Das war ich wahrscheinlich ohnehin, aber ich wollte wenigstens die Genugtuung haben, nicht kampflos aufgegeben zu haben.

Ich wich bis in die hinterste Ecke des Hofes zurück. Hier befand sich der Schuppenanbau, über den ich auf das Dach gelangen konnte. Ich stieg über eine Regentonne auf das Schuppendach, als die beiden Banditen in den Hof stürmten. Der eine kam durch das Tor von der Main Street, der andere, so wie ich vermutet hatte, durch das Haus. Mir blieb gerade noch Zeit, mich flach auf dem geteerten Schuppendach auszustrecken und, zum ersten Mal seit Jahren wieder, zu beten.

Die beiden Kerle standen im Hof und machten sich gegenseitig lauthals Vorwürfe, dass ich entwischt sei. Sie liefen schließlich zum rückwärtigen Bretterzaun. Im Hof der Stellmacherwerkstatt stand noch immer der untersetzte Mann mit dem Hammer. Ich hörte, wie er sagte, er habe mich zum Teufel gejagt. Daraufhin durchsuchten die beiden Männer den ganzen Hof. Sie schauten in jede Kiste und jede leere Tonne. Schließlich zogen sie fluchend ins Haus.

Ich hatte weiche Knie, als ich mich aufrichtete. Meine Hände und Ärmel waren schwarz vom Teer, der in der Sonnenhitze weich geworden war. Ich kümmerte mich nicht darum, sondern erklomm das Dach und kletterte zu meinem Kammerfenster hoch. Es stand ein Stück offen, und so schlüpfte ich hinein und setzte mich drinnen auf das Bett.

Unten hörte ich die Stimmen der Banditen. Die beiden Verletzten schrien nach einem Arzt, und die helle Stimme Tyron Delmars drang durch das ganze Haus.

Nach und nach wurde ich ruhiger. Ich war sicher. Während die Banditen das Haus verließen, um die ganze Stadt zu durchsuchen, streckte ich mich auf mein Lager aus und wartete auf den Abend.


*


Ich stieg aus dem Fenster und kletterte auf das Schuppendach hinunter. Von hier aus sprang ich in den Hof. Hinter den Fenstern war es dunkel, von den Banditen war nichts zu sehen.

Ich ging zum Hoftor und spähte auf die nächtliche Main Street von Silverton. Silbern lag das Mondlicht auf der Stadt. Ich schlich hinaus auf den hölzernen Gehsteig und hielt mich im Schatten der Häuser. So gelangte ich unentdeckt zum Stadtrand im Osten. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, ein Pferd zu stehlen. Bei den Apachen galt ein Mann, der viele Pferde gestohlen hatte, als großer Krieger. Ich wusste aber auch, dass in der Welt der Weißen anders darüber gedacht wurde. Außerdem wollte ich weder etwas hierlassen, das mir gehörte, noch etwas mitnehmen, das mir nicht gehörte: Die Stadt widerte mich an. In ihr hatte ich Feigheit kennengelernt und Gleichgültigkeit, Sensationshunger und Heuchelei, Lüge und Betrug. Mir war klar: Die Brücken zu den Apachen waren abgebrochen, aber in einer Stadt wie Silverton wollte ich nicht leben.

Ich trottete zu den Ausläufern der Sierra San Miguel und schaute nicht mehr zurück. Silverton war nur eine Station in meiner neuen Welt gewesen.

Ich hoffte damals, als ich im gleichförmigen Wolfstrott durch das Land lief, dass ich es bald besser treffen würde als hier. Aber neben der Hoffnung waren auch Unsicherheit und ein wenig Furcht vor dem unbekannten, ungewissen Morgen in mir. Meine Zukunft lag in tiefer Finsternis, so wie die Nacht, durch die ich ostwärts lief.

RONCO


In dieser Reihe bisher erschienen

2701 Dietmar Kuegler Ich werde gejagt

2702 Dietmar Kuegler Der weiße Apache

2703 Dietmar Kuegler Tausend Gräber

2704 Dietmar Kuegler Apachenkrieg

2705 Dietmar Kuegler Das große Sterben

2706 Dietmar Kuegler Todesserenade

2707 Dietmar Kuegler Die Sonne des Todes

2708 Dietmar Kuegler Blutrache

2709 Dietmar Kuegler Zum Sterben verdammt

2710 Dietmar Kuegler Sklavenjagd



Dietmar Kuegler


Die Sonne des Todes





Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logo: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-156-4

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!


Sonne des Todes


10. Januar 1879.

Überall liegt Schnee. Mein Lagerplatz befindet sich oberhalb eines zugefrorenen Wasserlochs neben einigen kahlen Pecan-Bäumen. Ein Feuer brennt, und ich sitze dicht daneben. Trotzdem ist es saukalt. Die Luft ist wie Glas, und wenn man einatmet, hat man das Gefühl, innerlich zu vereisen.

Im Moment bin ich allein. Ich hoffe, es sind keine Verfolger in der Nähe, denn ich kann ein paar Stunden Ruhe gut brauchen.

In diesem Moment bin ich meinem Ziel nicht um einen Schritt näher gerückt, aber ich fühle, dass bald etwas Entscheidendes passieren wird. Auf meinen Instinkt konnte ich mich bisher immer verlassen.

Die Gefahr, in der ich mich in den letzten Tagen wieder einmal befunden habe, hat mir gezeigt, dass ich, solange meine Unschuld nicht erwiesen ist, nur auf Frist lebe. Morgen schon kann ich tot sein. Diese Aussicht regt mich längst nicht mehr auf. Sie zwingt mich vielmehr, die Zeit, die mir zum Leben noch bleibt, nicht zu vergeuden. Aus diesem Grund sitze ich trotz der Kälte schon wieder mit dem Schulheft auf den Knien da und schreibe mit steifen Fingern, während im Westen die Sonne untergeht und von Norden Wind aufkommt, der nach Schnee riecht. Die Nacht ist nah, und ich will das letzte Tageslicht noch nutzen, um meine Geschichte weiterzuschreiben.



1.


Kurz bevor ich die Flusskrümmung erreichte, sah ich Little Friend am Westufer aus dem Dickicht auftauchen. Er winkte mir zu. Auf der linken Schulter trug er eine Springbockantilope, aus deren Hals noch der gefiederte Schaft seines Pfeils ragte.

Ich zog das flache Paddel aus dem Wasser und winkte zurück. Fast lautlos glitt mein Kanu auf dem Strom dahin. Vor mir sah ich bereits unser Lager auf einer zur Flusskrümmung hin offenen Lichtung. Im selben Moment hörte ich ein dumpfes Splittern und Krachen über mir.

Ich warf meinen Kopf hoch. Am Ostufer des Flusses erhoben sich die zerklüfteten Felsen der Sierra Espuelas, deren schroff zum Himmel aufstrebende Gipfel von weißen Wolkenschiffchen umkränzt wurden.

Auf einem der zum Fluss hin steil abfallenden Hänge hatte sich ein Schneebrett gelöst und rutschte herunter. Es geriet in immer raschere Fahrt, riss Geröll und mehr als kopfgroße Steine mit und raste direkt auf mich zu.

Vom Ufer hörte ich Little Friend schreien. Ich verstand ihn nicht. Ich hörte nur das Bersten und Donnern der Lawine und tauchte mit der Kraft der Verzweiflung mein Paddel in die Wellen. Fast gleichzeitig klatschte die Lawine kaum drei Yards vor mir ins Wasser.

Eine Wolke von granitgrauem Staub, Schnee und schäumender Gischt stieg aus dem Fluss auf. Ich schloss die Augen, das Kanu neigte sich leicht zur Seite. Ich verlor das Gleichgewicht, und im selben Moment traf mich ein faustgroßer Stein am Schädel.

Ich sah und hörte nichts mehr und stürzte mit dem Gesicht voraus in das Kanu, das wild zu schlingern begann und sich quer zur Strömung stellte. Das Paddel hatte ich verloren. Es trieb irgendwo auf den Wellen davon.

Ich riss die Augen weit auf, trotzdem sah ich nur flimmernde Punkte auf einem tiefschwarzen Hintergrund. In meinem Kopf drehte sich alles. Nach und nach nur kehrte mein Bewusstsein zurück. Ein Rauschen und Dröhnen erfüllte meine Ohren. Hilflos tasteten meine Hände durch die Luft und krallten sich schließlich um die Oberkante der linken Bordwand. Mühsam stemmte ich mich hoch. Noch immer verschwammen die Konturen vor meinen Augen. Heftige Schmerzen hämmerten in meinen Schläfen.

Das Kanu war in der Flusskrümmung in eine starke Strömung geraten und abgedriftet. Es lag jetzt nicht mehr quer im Wasser, sondern schoss pfeilschnell dahin. Ich richtete mich auf die Knie auf. Um mich herum brodelte und schäumte das Wasser. Ich beugte mich nach vorn und versuchte, den Kurs des Kanus mit bloßen Händen zu ändern. Es klappte nicht.

Die Schleier vor meinen Augen lösten sich langsam auf. Ich warf einen Blick zum Ufer und sah Little Friend dort laufen. Er folgte meinem Kanu, gelangte aber längst nicht so schnell voran. Ich schaute wieder nach vorn. Da sah ich die Stromschnellen. Der Fluss verengte sich knapp hundert Yards vor mir, sein Bett schien etwas zu verflachen. Gewaltige, schroffe Felsblöcke ragten aus dem Wasser, das sich zwischen ihnen in tosende, brodelnde Strudel verwandelte. Das Kanu jagte immer schneller darauf zu. Ich sah die kleinen Felsriffe neben den großen Gesteinsblöcken aus dem Fluss ragen, hässlich gezackt oder von der Strömung blank geschliffen, wie Zahnstummel im gierig aufgerissenen Maul eines urweltlichen Untiers, zwischen denen mir die weiße Gischt wie Geifer entgegenspritzte.

Ich klammerte mich krampfhaft im Kanu fest. Hilflos starrte ich den Stromschnellen entgegen, hinter denen ich nun einen kleinen Wasserfall entdeckte, der aber immer noch groß genug war, um mein steuerloses Kanu zu zerschmettern.

Mein Kopf war wie ausgebrannt. Ich konnte nicht denken, konnte nicht handeln. Es wäre ohnehin alles sinnlos gewesen. Nichts konnte das Kanu jetzt noch bremsen.

Ich zog instinktiv den Kopf ein und duckte mich, dann glitt das Kanu bereits in die Stromschnellen. Sofort wurde es am Bug hochgeworfen. Ich verlor den Halt und kippte nach hinten. Da stürzte es bereits in ein Wellental, schrammte mit dem Boden über ein Riff, wurde von seitlich heranbrodelnden Wellen erfasst und wieder herumgeschleudert.

Ich versuchte, mich wieder aufzurichten. Das Kanu füllte sich mit Wasser. Ich war tropfnass, und das Wasser war eiskalt.

Ich kam hoch und sah gerade noch, dass das Kanu auf einen schroffen Felsklotz zuschoss. Mit der Kraft der Verzweiflung warf ich mich zur Seite. Da kippte das Kanu um, riss mich unter Wasser und schlug mit dem Heck hart an meinen Rücken.

Das Wasser war so kalt, dass ich glaubte, mir würde das Herz stehen bleiben. Schwindel stiegen in mir auf. Wasser drang mir in Mund und Nase. Ich begann zu husten, rang nach Atem und schlug mit beiden Armen um mich, um an die Wasseroberfläche zu gelangen. Die Strudel des Stromes griffen wie mit tausend Schlingen nach mir.

Ich tauchte auf. Das Kanu wirbelte im Wasser herum wie ein Spielzeug. Ich sah, wie die Wellen es hochwarfen und es dann plötzlich über die Kante des kleinen Wasserfalls hinunterstürzte und verschwand. Dann prallte ich bereits hart gegen ein Riff.

Halb betäubt ging ich unter, versuchte noch, mich festzuhalten, rutschte aber von dem glatten Gestein ab und sackte unter Wasser. Ich war unfähig, ein Glied zu rühren, wurde von der Strömung mitgerissen und trudelte wie leblos zwischen den Riffen herum. Hart schlug ich gegen die Felsen im Wasser. Mein Bewusstsein schwand mehr und mehr. Ich schluckte Wasser, kriegte keine Luft mehr und wurde von der Gewalt des Flusses auf den Wasserfall zu gerissen. Mir wurde schwarz vor Augen.

Ich war schon so gut wie tot.


*


Little Friend streifte sein Wildlederhemd ab und sprang mit ausgebreiteten Armen in den Fluss. Er tauchte tief ein, berührte fast mit dem Gesicht den sandigen Grund und schwamm mit kräftigen Zügen auf die Stromschnellen zu. Die Strömung erfasste ihn, noch bevor er die Mitte des Flusses erreicht hatte. Er ließ sich treiben, bis er den Riffen so nahekam, dass er an ihnen zu zerschellen drohte.

Die Strudel erfassten ihn, er kämpfte mit ihnen, wurde gegen einen Felsbrocken gepresst und klammerte sich daran fest, um Atem zu schöpfen.

Ich lag eingeklemmt zwischen zwei Klippen. Das eisige Wasser hatte die Schleier der Bewusstlosigkeit in mir vertrieben. Die Kälte durchdrang meinen Körper. Ich war völlig steif und konnte mich nicht bewegen, aber selbst, wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich mich nicht gerührt. Ich hatte Glück gehabt. Die Strömung hatte mich zwischen zwei dicht nebeneinander aus dem Wasser ragende Riffe geschleudert. Hier war ich hängen geblieben. Wenn ich versuchte, mich zu bewegen, würde die Strömung mich vermutlich wieder mitreißen und über die Kante den kleinen Wasserfall hinunterspülen.

Ich sah Little Friend, der sich langsam und verbissen näher an mich heranarbeitete. Er kämpfte sich von Felsblock zu Felsblock vor. Sein Gesicht war vor Anstrengung verzerrt, die Muskelstränge an seinen Armen spannten sich wie Schiffstaue.

Plötzlich war er bei mir. Ich streckte die Arme nach ihm aus und wurde im selben Augenblick von der Strömung mitgerissen. Ich versuchte, zu schreien, tauchte gurgelnd unter und fühlte den stahlharten Griff Little Friends, der meinen linken Oberarm umspannte und mich hochzerrte. Als ich aus dem Wasser auftauchte, schwanden mir wieder die Sinne.

Little Friend zog mich mit. Er kämpfte sich zwischen den Riffen hindurch. Einmal rutschte er aus und verlor den Halt. Wir tauchten beide unter und wurden wieder ein Stück auf den Wasserfall zu gerissen. Aber Little Friend fing sich. Er schaffte es, die brodelnden, tosenden Strudel hinter sich zu bringen. Er zerrte mich die Uferböschung hinauf, und als er mich oberhalb des Flusses ins Gras gleiten ließ, hockte er einen Moment lang mit zitternden Gliedern da, während ihm das nasse Haar wirr um den Kopf hing. Die Haut seines bloßen Oberkörpers schimmerte bläulich von der Kälte des Wassers. Ich sah vermutlich nicht anders aus, doch darüber dachte ich nicht nach. Sowie ich festen Boden unter mir fühlte, der noch die Feuchtigkeit des Schnees hatte, verließen mich meine Kräfte. Ich verlor das Bewusstsein.

Das Letzte, was ich sah, war, dass Little Friend sich erhob und mit unsicheren Schritten davonging. Dann versank ich in einem Meer von Schatten.



2.


Little Friend stand im flachen Wasser unterhalb des Wasserfalls und barg das Kanu, das in einem von Bibern gebauten Damm stecken geblieben war.

Der Fluss war an dieser Stelle fast so ruhig und glatt wie ein See. Little Friend watete mit dem Kanu auf den Schultern zum Ufer. Das Wasser reichte ihm bis zu den Hüften.

Ich richtete den Oberkörper langsam auf. Mein Magen zog sich fast augenblicklich krampfartig zusammen. Der Schmerz war schlimm, ich bäumte mich auf und übergab mich. Ich hatte das Gefühl, literweise Wasser auszuspeien. Ich kniete erst, kippte dann kraftlos vornüber, lag auf dem Bauch und hustete und rang nach Luft.

Little Friend war auf einmal neben mir, hob mich hoch und legte mich mit dem Leib über sein rechtes Knie. Mein Kopf hing bis auf den Boden. Ich übergab mich noch einmal und sank dann schwach ins Gras.

Groß wie ein Turm stand Little Friend neben mir und schaute besorgt auf mich herab. Vor meinen Blicken verschwamm alles. Ich schloss die Augen und fühlte, dass er mich aufhob und davontrug. Das Rauschen und Dröhnen der Stromschnellen und des Wasserfalls wurden immer leiser. Die Schmerzen in meinem Körper wichen, ich fror noch etwas, aber nicht mehr so stark. Als Little Friend mich auf eine Decke legte, schlug ich die Augen wieder auf.

Wir befanden uns auf unserem Lagerplatz auf der Lichtung neben der Flusskrümmung. Unweit der kalten Feuerstelle lag die Springbockantilope, die Little Friend geschossen hatte.

„Bleib still liegen.“ Ich hörte die Stimme Little Friends, der in der kehligen Apachensprache redete, wie aus weiter Ferne. Stumm schaute ich ihm nach, als er davoneilte. Wenig später kehrte er zurück. Er trug das Kanu auf der Schulter. Dicht am Flussufer setzte er es ab und untersuchte es gründlich.

Ich richtete mich langsam auf. Diesmal wurde mir nicht schlecht, aber ich knickte kraftlos in den Knien ein, als ich versuchte, mich auf die Beine zu stellen. Schließlich gelang es mir. Mit unsicheren Schritten ging ich zu Little Friend hinüber.

Er schaute auf. Sein ebenmäßig geschnittenes Gesicht war ernst. Wäre sein nasses Haar nicht gewesen, niemand hätte ihm ansehen können, dass er vor kaum zwanzig Minuten noch im reißenden Strom um mein Leben gekämpft hatte.

„Du solltest doch liegen bleiben“, sagte er.

„Ich fühle mich gut.“ Ich versuchte zu lächeln. „­Chichasey – danke, mein Bruder.“

„Enju.“ Er nickte und wandte sich wieder dem Kanu zu, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er hatte mir das Leben gerettet, aber darüber wurde nicht geredet. Er war mein Blutsbruder, und ich hätte genauso gehandelt, wenn er in Gefahr gewesen wäre.

„Ist das Kanu in Ordnung?“

„Ein kleiner Riss vorn am Bug“, sagte er. „Wir haben viel Glück.“

Ich schaute auf den Fluss. Sacht schlugen seine Wellen an die sandigen Ufer. Er schimmerte blaugrau, und die Frühlingssonne spiegelte sich in seinem Wasser. Er sah jetzt alles andere als gefährlich aus.

Die Sonne stand hoch. Es war angenehm warm, die Luft war mild, auch wenn hier und da auf den zerklüfteten Felshängen der Sierra, die sich am Ostufer des Stromes erhoben, noch Schneereste lagen.

Es war April. Man schrieb das Jahr 1859. Über ein halbes Jahr befand ich mich jetzt schon wieder bei den Apachen, bei meiner Stammesgruppe, den Chiricahua. Ein für Mexiko ungewöhnlich langer und harter Winter lag hinter uns. Unser Winterlager, das sich in der Sierra Espuelas befand, war wochenlang verschneit gewesen. Es war eine schlimme Zeit gewesen. Wir hatten wenig jagen können, und das Wild hatte sich in weit entfernte Täler zurückgezogen. Ein paar Babys, die während ­dieser Zeit geboren worden waren, hatten nicht überlebt.

Wir hatten ums nackte Dasein kämpfen müssen, und dabei hatte ich meine furchtbaren Erlebnisse, die ich gehabt hatte, nachdem ich zeitweise den Anschluss an meine Gruppe verloren hatte und allein durch Mexiko gezogen war, vergessen.

Ich ging zur kalten Feuerstelle und hockte mich neben die Antilope. Während Little Friend den Riss im Kanu nähte und mit Harz verschloss, enthäutete ich die Antilope und zerlegte sie.

Als ich damit fertig war, verließ ich die Lichtung, auf der sich unser Lager befand, und drang durch das dichte Unterholz in den Wald ein, der sich am Westufer des Flusses meilenweit hinzog. Ich sammelte halbwegs trockenes Reisig und kehrte zurück. Little Friend war mit dem Kanu fertig. Er hatte sein Wildlederhemd wieder übergestreift und schnitzte ein paar Bratspieße zu. Ich entfachte das Feuer, während er einige Fleischstücke aufspießte und das Fleisch mit kalter Asche einrieb.

Wir befanden uns seit einer Woche auf der Jagd, hatten bis jetzt aber wenig Glück gehabt. Die Springbock­antilope war die erste nennenswerte Beute.

Die Flammen züngelten hoch. Ich nahm den Spieß, den Little Friend mir reichte, und hielt das Fleisch über das Feuer. Während ich zusah, wie es sich langsam bräunte, sagte ich: „Es gibt wenig Wild.“

„Es wird mehr werden“, sagte Little Friend. „Der Winter ist vorbei, das Wild wird aus den Tälern zurückkehren.“

„Hoffentlich bald.“ Ich dachte an die mageren Apachenkinder, an die hohlwangigen Gesichter der Frauen.

„Es wird nicht mehr lange dauern.“ Little Friend sog die Luft ein wie ein Jagdhund, der eine Witterung aufnimmt. „Es wird ein guter Sommer.“

„Gehen wir wieder über die Grenze?“

„Das wird der Rat des Stammes entscheiden.“ Little Friend begann, an seinem Fleisch zu nagen. „Wahrscheinlich geht der Krieg weiter.“

Sein Gesicht war düster.

„Wenn wir nicht kämpfen, gehen wir unter“, sagte ich.

„Solange wir in Ruhe leben können, sollten wir nicht kämpfen.“ Little Friend schaute mich ernst an. „Erst wenn wir uns verteidigen müssen, sollten wir kämpfen. Aber wir sollten den Kampf nicht beginnen.“

„Niemand lässt uns in Ruhe leben“, widersprach ich trotzig.

Little Friend schwieg. Er verzehrte sein Fleisch und schaute ins Feuer, das langsam niederbrannte.

Ich biss ebenfalls lustlos in mein Fleisch. Little Friend mahnte immer zum Frieden, obwohl er einer der tapfersten Krieger war. Er war erfahren und besonnen, und häufig genug hatte ich einsehen müssen, dass er recht hatte. Ich aber war jung und wollte meine Kräfte erproben. Ich war einer der jüngsten unter den Kriegern, aber auch einer der besten. Ich war dreizehn Jahre alt und schon fast so groß wie Little Friend. Das harte Leben hatte mich geprägt. Meine Schultern waren breit, und an meinen Armen hatten sich kräftige Muskeln entwickelt. Wer mich sah, konnte mich für siebzehn halten, und außer meiner helleren Haut und meinem blonden Haar gab es nichts, was mich von einem echten Apachen unterschied.

Ich hatte fast schon vergessen, dass ich ein Weißer war und bei Weißen aufgewachsen war. Seit ich gesehen hatte, wie sie gegen die Indianer vorgingen, fühlte ich mich ihnen nicht mehr zugehörig. Ich hatte gegen sie gekämpft, und ich hatte weiße Soldaten getötet. Der Kampf war mein Leben. Ich kannte nur den Krieg. Vom Frieden wusste ich nichts.

Deshalb verstand ich Little Friend häufig nicht. Vielleicht war ich auch zu jung dazu. Aber was er sagte, fraß sich in mir fest, und später habe ich es verstanden. Damals aber zerbrach ich mir nicht den Kopf darüber. Kaum einer der jungen Krieger tat das. Sie lauschten lieber den Geschichten von Geronimo, einem jungen Apachen, vermutlich noch keine dreißig Jahre alt, der aber seine eigenen Krieger hatte und mit ihnen das Grenzland westlich von uns in Arizona in Angst und Schrecken versetzte.

Ich konnte mich flüchtig an ihn erinnern. Er war ein Chiricahua wie ich und einige Zeit mit Cochise geritten. Aber er war kein besonders hervorragender Krieger gewesen. Jetzt war sein Name in aller Munde, seit einem Jahr ungefähr, und wir jungen Krieger dachten, dass das, was er tat, richtig war. Die Armee versuchte vergeblich, ihn zu fangen. Er war allen über, und es gab nicht wenige unter den jungen Kriegern, die gern zu seinen Leuten gehört hätten.

Cochise hatte ihn ausgestoßen. Er duldete keine Privatkriege, und Cochise war unser unumstrittener Führer. Es gab nur wenige, die es wagten, sich seiner Autorität zu widersetzen.

Ich aß mein Fleisch und warf den Spieß ins Feuer.

Die Sonne hatte den Zenit überschritten. Als ich mich erhob, hatte ich wieder das Gefühl, meine Knie seien aus Gummi. Ich hatte mich noch längst nicht wieder völlig von dem Abenteuer im Fluss erholt.

Ich nahm meinen Spencer-Karabiner auf, der neben meinem Deckenbündel im Gras lag.

„Ich geh noch mal los“, sagte ich.

Little Friend nickte nur. Er aß noch ein zweites Stück Fleisch und schlug den Rest der Antilope in die frische Haut ein.

Ich streifte mir den breiten Gurt mit den schweren Patro­nen in den Schlaufen über den Oberkörper und schritt durch das Unterholz in den Wald.


*


Der Wildpfad lag im roten Abendschimmer vor mir. Der Himmel hatte die Farbe von glühendem Kupfer, die Schatten waren lang, und die Luft kühlte sich bereits rasch ab.

Auf meiner linken Schulter hatte ich an einem Lederriemen zwei Fasane hängen. Eine magere Beute. Ich war müde und fühlte mich schwach und ausgebrannt. Weiter als bis zu dem Pfad wollte ich nicht gehen. Es hatte doch keinen Sinn mehr.

Da sah ich einen Fasan durch den Abend schweben und riss den Karabiner an die Schulter. Im selben Moment hörte ich Hufschlag und Wagengeräusche.

Der Fasan flog davon, und ich hockte mich hinter dichtem Gestrüpp auf den bemoosten Boden.

Die Geräusche wurden lauter. Ich hörte Männerstimmen, jemand sang ein Lied, das ich nicht kannte. Wenig später tauchten aus dem Abendschatten Reiter auf dem Wildpfad auf. Ich duckte mich unwillkürlich noch etwas tiefer. Es waren Amerikaner. Sie waren einfach gekleidet, ihre Pferde waren gut, ihre Bewaffnung erstklassig. Zunächst sah ich fünf Mann, dann folgte ein hoch beladener Kastenwagen, auf dem ein lederhäutiger Kutscher saß, der laut sang. Hinter dem Wagen ritten noch einmal fünf Männer.

Einer der Reiter hatte seinen Sattel mit zwei Skalpzöpfen verziert, die rechts und links herunterbaumelten. Als ich sie sah, presste ich die Lippen zusammen und krampfte meine Fäuste fester um den Schaft meines Spencer-Karabiners. Reglos blieb ich hocken und beobachtete, wie sie vorbeizogen.

Sie kamen von der Grenze her und schienen sich auszukennen.

Der Mann mit den Skalps am Sattel drehte sich plötzlich um und sagte: „Hör endlich auf zu grölen, Smoky, verdammt noch mal, ich kann’s schon nicht mehr hören.“

„Ich sing eben gern“, sagte der Mann auf dem Wagenbock.

„Hast du singen gesagt?“ Der Reiter lachte, und die anderen lachten auch. Der Kutscher schwieg beleidigt.

Ich sah, dass längliche Kisten auf dem Wagen standen und kleine Fässer, wie ich sie schon häufig gesehen hatte. Meistens wurde Schießpulver darin befördert. Wenn es so war, enthielten die Kisten vermutlich Gewehre. Ich fragte mich, was die Männer damit vorhatten. Indianerhändler waren sie nicht, das stand für mich fest.

Weiter konnte ich nicht denken. Ein zischender Laut seitlich von mir ließ mich erschreckt herumfahren.

Die Schlange war dicht neben mir. Sie war über einen Yard lang und hatte eine silbergraue, dunkel gemusterte Haut. Ihr Kopf war dick wie eine Faust und lief spitz nach vorn zu.

Eine Hakennatter.

Sie zischelte wieder, zwischen den Giftzähnen tauchte die schmale, gespaltene Zunge auf. Aus starren, farblos glitzernden Augen blickte sie mich an. Plötzlich richtete sie sich auf.

Ich verlor die Nerven und schlug mit dem Kolben des Spencer-Karabiners zu. Die eiserne Kolbenplatte traf die Schlange eine halbe Handbreit unterhalb des Kopfes und schleuderte sie ins Moos. Sofort richtete sie sich wieder auf und ging in Kampfstellung. Zuckend bewegte sich ihr silbriger Leib hin und her. Ich ließ sie nicht aus den Augen und schmeckte salzige Schweißtropfen auf meinen Lippen. Urplötzlich schoss der Kopf der Schlange auf mich zu. Ich ließ mich nach hinten fallen und sprang auf. Es ging nicht anders. Und im selben Moment entdeckten mich die Reiter auf dem Wildpfad.

Ich hörte ihre Rufe, da stürmte ich bereits in den Wald. Dass die beiden Fasane, die ich geschossen hatte, von meiner Schulter rutschten, bemerkte ich nicht. Blindlings hetzte ich durch das Dickicht, blieb im dicht verwurzelten Unterholz hängen, stürzte hin, erhob mich und lief weiter. Als ich hinter mir Hufschlag hörte, der immer lauter wurde, drehte ich mich um.

Da waren sie. Zwei Reiter. Sie trieben ihre Pferde rücksichtslos durch den Wald. Einer hielt eine Volcanic-Rifle in den Fäusten. Es war der Mann, dessen Sattel mit Skalpzöpfen verziert war. Er konnte mich sehen, und er schoss. Ich spürte den heißen Luftzug der Kugel, die sich hinter mir in einen Baumstamm bohrte. Geduckt lief ich weiter. Es wurde immer dunkler, und das Dickicht wurde immer dichter, aber die Reiter hielten nicht an. Sie holten auf, und sie schossen nun beide.

Haken schlagend wie ein Hase, rannte ich über eine kleine Lichtung und warf mich mit einem Hechtsprung hinter einen umgestürzten, fast vermoderten Baumstamm. Die Holzsplitter flogen mir um die Ohren, als ein Hagel von Geschossen die morsche Rinde des Stammes zerfetzte. Ich sah dicht vor meinem Gesicht einen dicken Käfer mit schwarzem, glänzendem Panzer eilig unter altem Laub verschwinden und beneidete ihn für einen Sekundenbruchteil. Dann schob ich den Lauf des Spencer-Karabiners über den Baumstamm und drückte ab, als der Mann mit der Volcanic-Rifle auf die Lichtung preschte.

Er sah den orangeroten Mündungsblitz und riss in letzter Sekunde sein Pferd herum. Da traf mein Geschoss sein Tier in den Schädel. Es wieherte grell und knickte in den Vorderläufen ein. Der Reiter verlor den Halt im Sattel und stürzte über den Kopf des Pferdes, das seitlich zu Boden fiel.

Im selben Augenblick galoppierte der zweite Reiter auf die Lichtung und konnte sein Pferd nicht mehr stoppen. Es strauchelte über das am Boden liegende Tier und krachte schwer auf die Seite.