F. A. Peters

Gnomus

oder

Der König, der nicht lachte

 

 

Außer der Reihe 29

 


F. A. Peters

Gnomus

oder

Der König, der nicht lachte

 

Außer der Reihe 29

 

 

Dieses Buch ist die Fortsetzung der Kurzgeschichte »Der Weg des Gnomus«, die in »Bilder einer Ausstellung«, hrsg. von Marianne Labisch, Marco Habermann und Gerd Scherm, als Band 28 der Reihe »Außer der Reihe« erschienen ist.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

© dieser Ausgabe: September 2018

p.machinery Michael Haitel

 

Titelbild: Gerd Scherm

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda, Xlendi

Lektorat: Marianne Labisch, Gerd Scherm

Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda, Xlendi

 

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Ammergauer Str. 11, 82418 Murnau am Staffelsee

www.pmachinery.de

für die Geschichtenweber, www.edition-geschichtenweber.de

 

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 145 7

 

Prolog

 

 

»Wie kann man uns, den König Barbarussa, nur zum Lachen bringen?«, rief Gnomus mit der Stimme seines Königs aus. Der Zwerg Gnomus war, wie sonst sein Herrscher, in königlichem Purpur gekleidet, mit einer kleinen Krone auf seinem Kopf. Auf allen vieren krabbelte er auf der Bühne umher. Seinen Hintern, blank und prall, streckte er dem Publikum entgegen. Ein hoher Aufschrei!

»Skandalös!«, rief das Publikum. »Wie obszön!« Wieder andere kicherten verhalten und fragten sich: Wie konnte der Narr den König nur so kompromittieren? Was war nur in ihn gefahren?

Ein Klingeln … Hälse wurden gereckt.

»So seht! Ein Hund!«, riefen die Höflinge, als ein Spaniel auf die Bühne sprang. Dieser Hund nun war gewandet in ein moosgrünes Kostüm, daran Glöckchen eingenäht, und das weinrote Narrenkäppchen mit den hängenden Eselsohren, wie sonst Gnomus eines trug, bedeckte keck des Hundes Kopf. Vier Schnabelschühchen tapsten über die Bühnenbretter.

»Da kommt der Gnomus!«, riefen sie. »Hahaha! Der Hund ist Gnomus!«

Die Blicke der Höflinge wandten sich unsicher zum goldenen Königsthron, und ihr Lachen erstarb sogleich. Der König saß wie immer tief in sich versunken und sah träge vor sich hin. Aus der Nase quoll ihm weißer Schleim. Hermanus, ein flachköpfiger Zwerg und echter Stocknarr, hockte auf der linken Armlehne des Throns und fütterte den König mit Haferschleim, in dem Krötenbeine lagen.

»Mmmhh, lecker Hapse, Hapse für die Babba, Babba«, sagte der Stocknarr Hermanus und streckte seine Zunge aus dem trockenen Mund heraus. »Löffelchen, noch eins, noch!«

Der König würgte, doch der goldene Löffel wurde ihm gnadenlos in den Mund gedrückt.

Neben dem Thron lehnte Rusputin, des Königs einziger Berater, und sein Blick war so finster und schneidend, wie man es von ihm kannte. Die schwarz gekleidete Gestalt Rusputins beugte sich tief hinab zum Haupte Barbarussas.

»Und das lasst Ihr Euch gefallen, mein guter König? Dieser Wicht dort ist dem Teufel näher als dem Himmel!«

Barbarussa hustete. Ein Stückchen Schleim landete auf seinem rot-grauen Bart, der ihm bis auf die Beine, die dünnen, herunterging.

Der Spaniel hechelte ganz aufgeregt, und die Glöckchen an seinem Narrenkostüm klingelten. Gnomus schnalzte, woraufhin der Hund zu seinem blanken Hintern rannte und daran schnupperte.

»Vielleicht, wenn Gnomus Ihro Gnaden am Arsche leckt?«, rief Gnomus und schnalzte ein weiteres Mal.

Die Menge hielt nun nichts mehr, und sie brach in schallendes Gelächter aus, als der närrische Spaniel dem Zwerg den Allerwertesten abschlabberte.

Gnomus stimmte in das Lachen ein. Er wusste, dass er ein riskantes Spiel spielte. Es könnte ihm durchaus den Kopf kosten, oder die Zunge, wie beim Schalknarren Luca de Borria, seinem alten Kumpan, dem man die Zunge herausgeschnitten und ihn dann gesteinigt hatte. Doch wollte Gnomus sich nicht länger als Narr demütigen lassen. Wie sehr sehnte er sich zurück nach seiner Freiheit, als er noch Musiker gewesen war! Ohne Rechte zwar, aber frei! Wie sehr sehnte er sich zurück nach seiner Musik, die er gespielt hatte in der ganzen Welt! Hier am Hofe hatten sie ihm alles genommen: sein freies Leben, seine schöne Limonenholzvioline und am Ende auch seinen Namen. Einfach alles! Nun wollte er es dem König und Rusputin ordentlich heimzahlen – ihnen allen! Sollen sie ihn nur verbannen! Sollen sie ihn nur zum Tode verurteilen! Nichts lieber als das! Nur dieses Leben, das seinen Namen nicht verdiente, konnte er keinen weiteren Tag ertragen.

Der Spaniel schlabberte an Gnomus’ Hintern und jaulte vor Freude.

»Oh wie herrlich, unser lieber Gnomus!«, schrie Gnomus in der Verkleidung des Königs. »Ach, wie du uns zum Lachen leckst! So treib uns den Fluch aus! Ja! Jaa! Unser kleiner König, Karol Malenki! Mehr! Mehr! Mehr!«

Die Leute hielten sich schon die Bäuche, schnappten nach Luft. Die Narrenkappe des Spaniels verrutschte. Er wackelte mit dem Schwanz, legte seine Vorderpfoten auf den Rücken des Zwerges und brachte sich in Position. Gnomus streckte seine Zunge weit heraus und verdrehte die Augen.

»Ja, Gnomus! Jaa! Besorg's uns nur richtig!«, rief er. »Nun wackel schön mit beiden Schwänzen! Ooh, ja!«

Die Hofdamen hielten sich pikiert ihre Hände vor die Augen, doch zwischen ihren Fingern linsten neugierige Blicke hindurch. Der Spaniel jaulte vor Lust!

Rusputin flüsterte König Barbarussa ins Ohr: »Jetzt ist mir alles klar, mein guter König: Gnomus ist der zweite Kuckuck, den uns die Hexe ins königliche Nest gesetzt hat! Er kam hierher unter Vorspiegelung falscher Tatsachen! Ja, dieser Gnomus ist im Bunde mit der Hexe!«

Barbarussa räusperte sich und blinzelte träge.

»Wollen mir Ihre Hoheit etwas mitteilen?«

»Ich …«, kratzte die Stimme des Königs.

Rusputin nickte. »Oh, Ihre Hoheit wünschen, dass ich mir all jene notiere, die nicht lachen?«

»Nein … Kerk–«

»Wie bitte?« Rusputin spitzte die Lippen. »Entschuldigt! Ich kann Euch gerade so schlecht verstehen. Habt Ihr ›Kerker‹ gesagt?«

Der König gähnte und blinzelte.

»Oh ja, mit Vergnügen, mein guter König! Eine sehr, sehr weise Entscheidung, wenn mir diese Bemerkung erlaubt ist, und überaus gerecht all jenen gegenüber, die so treu an Eurer Seite stehen! Was habt Ihr bitte mit Gnomus vor?«

»Gnom– jaa … Gnomuu… Möcht– hmmm …« König Barbarussa senkte sein Haupt und schnarchte. Ein Schwall grauen Schleims sickerte ihm aus der Nase und über den Bart.

Rusputin gab der königlichen Leibgarde ein Zeichen.

»Ergreift den verhexten Zwerg! Ergreift Gnomus!«