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Über dieses Buch

Wer rastet, der rostet: Das wusste schon Plutarch vor bald 2000 Jahren. Mehr noch: Er empfahl, sich im Alter nicht zurückzuziehen. Denn man hat einen Schatz an Wissen angesammelt, an Erfahrung, an Umsicht und Voraussicht, an Handlungsfähigkeit auch in schwierigen Situationen. Gerade jetzt sollte man seine Fähigkeiten nicht der Gesellschaft entziehen. Selbstprofilierung, Neid und Rivalität spielen zudem keine so große Rolle mehr. Die Jüngeren zu fördern, sie anzuleiten zu einem gelingenden »Dialog der Generationen«, das sei eine der schönsten und befriedigendsten Aufgaben eines älteren Menschen – neben vielfältigem sozialem Engagement.

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Fußnoten

Daher der Titel: Ob ein Älterer noch politisch tätig sein soll (Ei presbytéro politeutéon / An seni sit gerenda res publica).

Denksprüche von Königen und Feldherren. Die Biographien sind Sosius Senecio gewidmet, dem philosophisch gebildeten Freund und Mitarbeiter Trajans, Konsul und Statthalter, der auch mit Plinius dem Jüngeren befreundet war.

Gegen Kolotes [einen Epikureer] 2,1108C.

Ob ein Älterer noch tätig sein soll 14,791C. Politikós – philokálos, philanthrópos (LCL, S. 120).

Wie man den Schmeichler vom Freund unterscheidet 37 (s. hier Kap. 23).

Politische Lehren 20,816B. Die Schrift hat Plutarch für einen jungen Mann verfasst, der sich in der Politik betätigen wollte und keinen Lehrmeister zur Verfügung hatte. Vgl. dort auch 32,824C–D.

Politische Lehren 20,816D–E.

So Richard David Precht in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung 2018. Vgl. auch Eckart von Hirschhausen, Die bessere Hälfte, Reinbek 2018.

Endnoten

Für Personennamen und Personengruppen (z. B. »Amphiktyonen«) s. das Verzeichnis der Personen, sofern über die jeweilige Person etwas bekannt ist. Wo ein Zitat nicht konkret nachgewiesen wird, ist es nur als Fragment überliefert.

Der ältere Dionysios [I.] hatte sich in einer Festung vor seinen Feinden verschanzt.

So von Simonides; vgl. Kap. 5.

Plutarch, Vita Catos des Älteren 9.

In Cicero, Über das Alter 15 ist Cato weniger rigoros: Er erzählt von den Freuden der Landwirtschaft und von seiner Liebe zum Weinbau.

Gemeint ist der Peloponnesische Krieg. Vgl. die Rede des Perikles bei Thukydides 1,140 ff. Das Folgende: Thukydides 2,21 f.; Plutarch, Vita des Perikles 33.

D. h. unter der Römerherrschaft. Vgl. dazu Plutarch, Politische Lehren 32,824C ff.

Um ihn entmündigen zu lassen und Zugriff auf das Erbe zu haben.

Es gab Sammlungen über makróbioi, »Langlebige«, aus denen z. B. Plinius der Ältere in seiner Naturgeschichte zitiert. Auch Cato nennt bei Cicero zahlreiche Ältere, die noch aktiv waren.

Gemeint ist das siegreiche Rennpferd, das aufgrund seines Alters nun nicht mehr an den Spielen teilnehmen kann.

Wie in Korinth zu Ehren der Aphrodite Pandemos, wozu Prostitution gehörte.

Vgl. auch Kap. 16. In seiner Vita (dort Kap. 42) stellt Plutarch Lucullus nicht so negativ dar; sein Haus mit seiner großen Bibliothek sei ein Musensitz gewesen.

Bei Cicero spricht Cato von seiner Freude am Zusammensein mit Freunden beim Gastmahl, mit moderatem Trinken und guten Gesprächen (vgl. Über das Alter 13).

Simonides sagt freilich auch, seine Geldgier sei eher Sparsamkeit, damit er nicht die Freunde um etwas bitten müsse, da er erkannt habe, wie unzuverlässig die Freundschaft der meisten sei.

Plutarch wendet sich gegen philosophische Richtungen, welche hedoné (»Freude/Lust«) als höchstes Ziel ansahen, wie die Epikureer und die Hedoniker oder Kyrenaiker, nach der von Aristipp von Kyrene begründeten Schule. Ihnen allen ging es freilich nicht um ein hemmungsloses Sich-Ausleben, was ja die angestrebte Seelenruhe stören würde, sondern eher um das Fernhalten störender, Unlust verursachender Faktoren.

Das althergebrachte Ideal der kalokagathía, des Schön- und Gutseins, ursprünglich ein Wert der Adelsgesellschaft, wird hier auf das bürgerliche Leben bezogen.

Das Gleichnis vom Seelenwagen (Platon, Phaidros 246a–248e): die Seele als ein geflügeltes Gespann, das über den Himmel zieht, hinauf zum überhimmlischen Ort, zum Sitz der Götter, mit der Vernunft als Lenker. Vgl. Plutarch, Platonische Fragen 1008C–E.

Vgl. Plutarch, Vom Hören 13,44B–C: »Denn für wahrhaft gute und charakterfeste Menschen ist es die schönste Ehre, einen zu ehren, der es verdient.«

Vgl. Cato bei Cicero, Über das Alter 11,36: Wie die Körperkraft, so schwindet auch die Denkkraft im Alter, wenn man nicht wie bei einer Lampe immer Öl nachgießt. Der Geist wird nur dadurch frisch erhalten, dass man ihn betätigt.

Wie Lucius Quinctius Cincinnatus, Konsul 460 v. Chr., der 458 vom Pflug weg berufen wurde, um als Dictator das römische Heer aus einer Notlage zu befreien.

Homer, Ilias 1,343: Achill tadelt Agamemnon; er weiß nicht zugleich voraus- wie zurückzudenken, wie er das Heer zu retten vermag.

Vgl. Platon, Der Staat 329b–c; 573b.

So in Euripides, Orest 258, Elektra zu ihrem Bruder Orest, der nach dem Muttermord dem Wahnsinn verfallen ist.

Gemeint sind die Anhänger Epikurs, der seine Schule in einem Garten in Athen begründet hatte.

Anspielung auf Laertes, der mit nur einer Dienerin kümmerlich auf dem Land lebte (vgl. Homer, Odyssee 1,188 ff.).

Vgl. Plutarch, Politische Lehren 12,806F: Wer zuvor nicht recht zu dienen gelernt hat, wie Platon sagt (Gesetze 762e), der versteht auch nicht gut zu herrschen. (Und man habe sich mehr des guten Dienens als des guten Herrschens wegen zu rühmen.) Vgl. hier Kap. 1: Zum Nutzen der Gemeinschaft beherrscht zu werden wie auch zu herrschen, ist eine würdige Bürgertugend.

Weil hier das Gemeinwohl verwirklicht werden kann ohne Rücksicht auf Parteiinteressen; vgl. Plutarchs Fragment Über Monarchie, Demokratie und Oligarchie. Freilich denkt Plutarch hier an Platons »Philosophenherrscher-These«: Die Staaten können nur glücklich sein, wenn die Herrscher Philosophen sind oder die Philosophen Herrscher (Der Staat 473c–d; 7. Brief 326a–b).

Vgl. den Ausspruch des Makedonenkönigs Antigonos Gonatas (283/276 – 239 v. Chr.), die Königsherrschaft sei eine ruhmvolle Knechtschaft, éndoxos douleía.

S. dazu in der Einleitung S. 12.

Vgl. in Rom das tirocinium fori, die Lehrzeit eines jungen Mannes an der Seite eines angesehenen älteren Senators; dieser nahm ihn nicht nur aufs Forum zu Gerichts- und Senatssitzungen mit, sondern prägte ihn auch durch sein Vorbild. Cicero erinnerte sich dankbar an die Mentoren seiner Jugend.

Platon, Gesetze 773d: Dionysos steht für den Wein, Poseidon fürs Wasser.

So die Definition des Aristoteles in Politik 1,1213a. Für Plutarch wichtig ist die philanthropía, die »Menschenliebe«.

So auch Cato bei Cicero, Über das Alter 11,35.

Mit dieser provozierenden Herausforderung brachte er sie von ihrem unüberlegten Vorhaben ab; vgl. Plutarch, Vita des Phokion 24.

Vgl. Anm. 12.

Nach Homer, Ilias 16,9, ein Vergleich mit einem Kind, das sich an die Mutter hängt.

Also schon lange: Die Pythischen Spiele, mit Wettkämpfen und Götterfeiern, fanden alle vier Jahre statt.

Zu den Ämtern des Euphanes vgl. Kap. 20.

Sie singen angeblich erst im Sterben (Schwanengesang); vgl. Platon, Phaidon 84e–f.

In den öffentlichen Sportstätten, den Gymnasien, trainierten nicht nur Wettkämpfer; auch die Römer hielten sich in ihnen fit. Dabei konnte, wer Weitsprung üben wollte, selbst die Sprunggrube ausheben. Schaukelnde Bewegungen beim Bootsfahren oder in der Sänfte galten auch als gesundheitsfördernd (vgl. Seneca, Briefe an Lucilius 78,5).

In seinen Streitschriften gegen die Widersprüche der Stoiker kritisiert Plutarch, dass diese Zeus den Retter und Erhalter nennen (vgl. den Zeushymnus des Kleanthes), ihn aber auch für Unheil verantwortlich machen und ihn als übelwollend und missgünstig hinstellen.

Wie die Überbringung von Neujahrsglückwünschen, was Trajan als unnötigen Aufwand ansah. Eine schriftliche Grußadresse sei ausreichend (vgl. Plinius, Briefe 10,43; 44).

Plutarch hat hier den Wichtigtuer im Auge, der alles tut, um sein Geltungsbedürfnis zu befriedigen. Er selbst wertet Tätigkeiten keineswegs ab, wenn sie nicht zum eigenen Vorteil, sondern zum Nutzen des Gemeinwesens ausgeübt werden. »Ich antworte denen, die mich kritisieren, weil ich in meiner Stadt bei der Abmessung der Ziegel und beim Transport von Mörtel und Steinen [d. h. im Baureferat] dabei bin: ›Nicht für mich besorge ich das, sondern für mein Vaterland.‹« (Plutarch, Politische Lehren 15,811C)

Damit er den Puls messen konnte. In diesem Alter müsste man selbst über seinen Körper Bescheid wissen (vgl. Sueton, Tiberius 68,5).

Wie der Demagoge Kleon; vgl. Kap. 26 und Politische Lehren 13,806F–807A.

Cato berichtet bei Cicero (Über das Alter 28), ein hochbetagter Mann sei in Athen zu den Festspielen gekommen und habe keinen Platz gefunden; nur die Gesandten der Spartaner seien vor ihm aufgestanden.

Statt des harmonischen Miteinanders von Jung und Alt findet sich bei Aristoteles (Rhetorik 1389a–1390b) ein eher negatives Bild. Beide Altersstufen haben ihre typischen Fehler: die Jungen den jugendlichen Überschwang; die Alten seien vom Leben enttäuscht, verbittert und missmutig, keineswegs geschätzte Führer und Leiter der Jugend. Cato zeichnet bei Cicero ein positives Bild vom Zusammenwirken von Jungen und Alten im Staatswesen.

Wie der berüchtigte Demagoge Kleon; vgl. Plutarch, Vita des Nikias 8.

Peripateîn; der Name »Peripatetiker« für die Schüler und Anhänger des Aristoteles stammte vom Unterrichtsort, dem Peripatos, der Wandelhalle in Athen.

Nur Böswillige behaupteten dies, sagt Plutarch in Politische Lehren 11,806A, ebenso wie Kaiser Julian Apostata, Rede 8,244C: Scipio habe immer den Rat seines Freundes Laelius eingeholt, und daraus hätten seine Neider diese Behauptung in Umlauf gebracht. Plutarch kehrt hier zurück zu seiner Verbindung von Staatskunst und Philosophie in Kap. 26.

Die Älteren werden gebraucht – und das tut ihnen selbst auch gut. Das ist die Botschaft des griechischen Schriftstellers und Philosophen Plutarch (um 46 v. Chr. – 125 n. Chr.). Er legt sie in einem Brief an einen älteren Freund ausführlich dar: Euphanes ist offenbar verunsichert, denn viele meinen, wie die Teilnehmer an Sportwettkämpfen, so müssten sich auch diejenigen, die ein Amt ausüben, ab einem bestimmten Alter zurückziehen. Plutarch widerspricht. Auch er ist ja schon älter, und er weiß: In einem langen Leben hat man einen Schatz an Wissen angesammelt, an Erfahrung im Umgang mit den Mitmenschen, an Umsicht und Voraussicht, an Handlungsfähigkeit auch in schwierigen Situationen. Und man muss nicht mehr überall der Erste sein, man hat ja genügend Ansehen erworben, so dass man gelassen auf die Erfolge anderer blicken kann, vor allem der Jüngeren. Diese zu fördern, zu beraten, anzuleiten zu einem gelingenden »Dialog der Generationen« sei eine der schönsten und befriedigendsten Aufgaben eines älteren Menschen.

Sich stattdessen aufs Altenteil zurückzuziehen, das wäre doch mit Blick auf die Gesellschaft eine maßlose Verschwendung von Ressourcen. Aber es hat auch eine negative Wirkung auf den Einzelnen. Denn wer nur hinterm Ofen sitzt und nicht mehr gefordert wird, der wird nicht nur körperlich schwach, es leiden auch der Geist, das Erinnerungsvermögen, die Willenskraft, und der Ältere wird schließlich zu einer traurigen Gestalt. Wer rastet, der rostet. Es gab doch bei den Griechen und Römern berühmte Persönlichkeiten, die noch im Alter Bedeutendes geleistet

Sein »Hauptheld« aber ist Homers Nestor, der im Alter noch, zusammen mit seinem ältesten Sohn, am Trojanischen Krieg teilnahm, als Krieger und vor allem als hochgeschätzter Ratgeber. Als solcher verkörpert er die Vorbildfigur der frühen Gesellschaften: Ein Alter verfügt über Weisheit und Erfahrung; er ist der Bewahrer der Tradition, ja er trägt sie aktiv weiter.

Wie alt stellte man sich den »greisen Nestor« vor? Als géron,