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Nr. 253

 

Vorstoß in die Dunkelwelt

 

Pflanzen sind die Herren der Dschungelwelt – und die Menschen werden versklavt!

 

von H. G. EWERS

 

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Auf der Erde hat das Jahr 2404 begonnen – und viele tausend Lichtjahre von ihr entfernt im All hat sich die Elite des Solaren Imperiums versammelt, um mit der CREST III, dem neuen Ultraschlachtschiff, in den eigentlichen Andromedanebel vorzudringen.

Dieser Vorstoß ist von Überraschungen begleitet, und er verläuft ganz anders, als Perry Rhodan und seine Gefährten es sich vorgestellt haben.

Sie landeten mit CREST auf KA-preiswert, der fliegenden Werft, und wurden von Robotern freundlich empfangen. Kalak, der kosmische Ingenieur, der durch das Auftauchen der Terraner aus einem 800 Jahre währenden Tiefschlaf erwachte, legte dann das Wunderwerk des terranischen Schiffbaus an die Kette und stellte seine Bedingungen.

Als die Biospalter überraschend auftauchten und die CREST mitsamt der Mannschaft entführten, war es der kosmische Ingenieur, der bei der Rückeroberung des Ultraschlachtschiffes eine wichtige Rolle spielte.

Kalak wird schließlich mit Perry Rhodan handelseinig. Der Ingenieur stellt den Terranern seine fliegende Werft als Stützpunkt zur Verfügung. Der Preis dafür ist der VORSTOSS IN DIE DUNKELWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Baar Lun – Der letzte der Moduls.

Kalak – Ein kosmischer Ingenieur.

Perry Rhodan – Großadministrator des Solaren Imperiums.

Ollok – Direktor der Werft »OL-hilfreich«.

Oberst Cart Rudo – Kommandant der CREST III.

Icho Tolot – Der Haluter reagiert zu spät.

Captain Finch Eyseman – Er fliegt in die Falle von Bengal.

Son Hunha – Ein Leutnant vom Mars.

1.

 

Leutnant Son Hunha brachte sich mit einigen grotesk anmutenden Sprüngen in Sicherheit, als ihn die Hitzewelle erreichte.

Baar Lun fing den strauchelnden Marsgeborenen auf und stellte ihn wieder auf die Füße. Dabei verzog er den breiten Mund zu einem Lächeln, das zartbesaitete Gemüter in panisches Entsetzen getrieben hätte.

Baar Lun war keine Schönheit für terranische Begriffe. Obwohl äußerlich völlig humanoid, gab es doch einige markante Abweichungen. Die Haut des Moduls war albinotisch weiß. Auf dem breiten, nach hinten ausladenden Schädel saß ein farbloser Haarfleck gleich einer runden, eng anliegenden Kappe. Die Augenbrauen sah man kaum, sie wirkten wie hauchdünner, weicher Flaum. Das alles hätte als relativ unbedeutend gelten können, wenn der äußerst breite Mund mit der verdickten Unterlippe nicht gewesen wäre. Diese so genannte Löffellippe konnte zur Nahrungsaufnahme weit vorgestülpt werden. Moduls hatten sich ehemals von den flüssigen Absonderungen der Pilzsümpfe auf Gleam ernährt. Die Meister der Insel verschleppten später einen Teil des Volkes im Zuge einer Präventivaktion zum Dunkelplaneten Modul. Baar Lun war der einzige Überlebende.

Son Hunha schnappte nach Luft. Seine weißblonden Haare waren zerzaust. Im Zustand höchster Erregung glich der Marsianer einem zornigen kleinen Zwerg.

Leider kannte Baar Lun den Leutnant noch nicht näher, sonst hätte er gewusst, dass der Schein trog. In Wirklichkeit erschrak Hunha nicht so leicht, er schauspielerte nur gern.

Die vorgetäuschte Erregung des Marsianers übertrug sich sofort auf Baar Lun. Er war so hypersensibel und leicht erregbar, wie es alle seines ausgestorbenen Volkes gewesen waren.

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die Quelle der Hitzestrahlung. Vor und über dem stumpfen Bug einer Moskito-Jet waberte die erhitzte Luft. Undefinierbare Geräusche drangen nach außen. Baar Lun warf einen Blick auf die Luftschleuse hinter dem Sitz des Orters und entdeckte die brennende Warnlampe. Sie bewies, dass die positronische Sicherheitsverriegelung aktiviert war – und sich folglich niemand innerhalb der Jet aufhalten konnte.

»Na warte, du ›Feuerbart‹!«, grollte er. »Harmlose Leute zu erschrecken! Dir werde ich eine Lehre erteilen!«

Da er infolge seiner Erregung das »Maaduuna«, die Sprache der Moduls verwendete, konnte Son Hunha ihn nicht verstehen. Vielleicht hätte er ihn sonst zurückgehalten.

Baar Lun ging weiter auf die Hitzequelle zu. Als ihm der heiße Brodem den Atem zu verschlagen drohte, blieb er stehen und setzte seine Mutantenfähigkeit ein.

Er war Energietransformer, wie alle echten Moduls. Doch bei ihm war diese Fähigkeit weitaus stärker ausgebildet – und konnte vor allem differenziert angewendet werden. Darum hatten die Meister der Insel ihn erpresst und zur Schaffung von Androidenmonstren und Energiesphären gezwungen.

Es kostete ihn dennoch erhebliche Anstrengung, die ausstrahlende Wärmeenergie in ein Element umzuwandeln, das in der Natur nicht ungebunden vorkommt. Aber er brauchte nicht viel davon. Ihm genügte es, wenn er unmittelbar an der Hitzequelle einige Kubikmeter Chlorgas entstehen lassen konnte. Den Rest der Energie wandelte er in reinen Sauerstoff um.

Die Geräusche im Bug der Moskito-Jet brachen schlagartig ab.

Wenige Augenblicke später schwebte eine farblose Gaswolke aus der Terkonitstahlwandung der Maschine – eine Gaswolke, die sich im Bruchteil einer Sekunde zusammenzog und zu einem entfernt menschenähnlichen Wesen wurde.

Das Wesen krümmte und bog sich, ächzte und stöhnte und röchelte, als müsse es ersticken. Aus den unzähligen Taschen und Täschchen seines blütenweißen Kunststoffoveralls glitten blanke Präzisionswerkzeuge und schlitterten über den Boden des Hangars.

Nach etwa einer Minute schien sich das Wesen zu beruhigen. Man konnte seine seltsame Gestalt deutlicher erkennen. Es war etwa anderthalb Meter hoch – und ebenso breit. Von der tiefschwarzen Haut des menschlichen Gesichts hob sich ein feuerroter, langer Bart ab, der in der Mitte geteilt und im Nacken verknotet war.

Die Augen des Wesens waren schreckhaft aufgerissen. Der Atem ging keuchend.

Leutnant Son Hunha, der beim Erscheinen der klobigen Gestalt in lautes Gelächter ausgebrochen war, verstummte. Mit katzenartigen Schritten trat er an Baar Lun heran und riss ihn an der Schulter zu sich herum.

»Beim Deimos, Sir! Was haben Sie mit Kalak angestellt?«

Der Modul verstand jedes Wort. Eine intensive Hypnoschulung hatte ihm sowohl die terranische Hochsprache wie auch Interkosmo vermittelt, und Hunha hatte Interkosmo gesprochen.

Baar Lun zog die dünnen Augenbrauen hoch.

»Er hatte Sie doch beinahe zu Tode erschreckt, oder nicht?«, fragte er zurück. Seine Lippen zogen sich auseinander und ließen die zahnlosen Kieferleisten sehen. »Dafür, dass er Sie nicht warnte, hat der Paddler eine ... wie sagt man doch? ... Gedenkfolie verdient.«

»Sie meinen einen Denkzettel!«, knurrte der Marsianer. »Hoffentlich haben Sie keinen Schaden angerichtet, Sir.«

Der Modul grinste noch breiter.

»Sie unterschätzen meine geistigen Fähigkeiten, Leutnant. Die erzeugte Menge Chlorgas war genau bemessen und ihre Konzentration in dem ebenfalls erzeugten Sauerstoff so minimal, dass sie Kalaks Schleimhäute nur reizte, aber nicht verletzte. Wenn er Angst hat, kann er ja in die Küche gehen und Wasserdampf einatmen, das hilft. Ein kräftiger Schluck Alkohol tut ...«

»Scheusal!«, kreischte Kalak auf Interkosmo. »Er will mich zum Alkoholiker machen!«, wandte er sich klagend an Son Hunha. »Dieser Giftmischer!«

Der Marsianer ließ Baar Lun los. Er zwinkerte dem Modul amüsiert zu. Dann ging er zu Kalak, packte dessen gepflegten Bart und wischte ihm damit den Speichel von den Lippen.

»Sie haben eine sehr feuchte Aussprache, wie?«, bemerkte er.

Der kosmische Ingenieur und Eigentümer der Werftplattform KA-preiswert reagierte nicht darauf. Er starrte mit rollenden Augen auf den beschmutzten Bart, das Zeichen seiner Zunft. Dann blickte er hoch, und es sah so aus, als wolle er sich auf den Leutnant stürzen. Anscheinend siegte jedoch die Einsicht, dass er selbst der Urheber des Ärgers war, denn er wandte sich mit grotesker Würde um, sammelte sein Werkzeug ein und verschwand wieder durch die Wandung der Moskito-Jet.

Eine Weile war Stille.

Dann erschien der Paddler erneut, sein Bart war gesäubert.

»Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich jetzt meine Arbeit fortsetze«, sagte er förmlich.

Er verschwand, wie er aufgetaucht war, durch die Terkonithülle. Paddler waren Strukturläufer. Sie konnten die Moleküle ihres Körperaufbaus völlig lösen und somit in jede Materie eindringen. Sie vermochten noch mehr! Bei Reparaturarbeiten konnten sie beschädigte Maschinenteile aus hermetisch verschlossenen Räumen herausbringen, falls diese Teile nicht größer waren als das Dreifache ihrer eigenen Körpermasse. Bei dieser Strukturumwandlung entstand eine für Menschen kaum erträgliche Hitze – und diese war es gewesen, die den Marsianer aus der unmittelbaren Nähe des Zweimann-Jägers vertrieben hatte.

Leutnant Son Hunha räusperte sich.

»Ich stelle fest, Ihre ›Kur‹ hat bereits angeschlagen, Sir«, sagte er zu Baar Lun. »Wenn aus Kalak ein zivilisierter ›Mensch‹ werden sollte, so ist das Ihr Verdienst.«

Der Modul verbeugte sich steif. Er war wieder ganz der stolze Nachkomme des ehemals herrschenden Lun-Klans.

»Ich helfe, wo ich kann«, sagte er bescheiden und schritt davon.

Son Hunha warf noch einen misstrauischen Blick auf die Moskito-Jet. Dann ging er vorsichtig um die Maschine herum auf den nächsten Liftschacht zu.

Baar Lun winkte leger, als er aus dem Hauptlift unmittelbar die Kommandozentrale der CREST III betrat.

Perry Rhodan winkte ebenso zurück.

Der Modul galt weder als Angehöriger der Raumflotte noch als Mitglied des Mutantenkorps. Er war offiziell Gast des Großadministrators – und ein wertvoller Freund des Solaren Imperiums. Perry Rhodan hatte schon bei der ersten Begegnung erkannt, dass er dem stolzen Modul keine Untergebenenrolle zuweisen konnte. Leute wie Baar Lun mochten ihn, Perry Rhodan, achten und vielleicht sogar verehren, aber sie würden sich dennoch als gleichberechtigte Partner fühlen. Und Rhodan hatte die Menschen schon immer so genommen, dass dabei ein maximaler Nutzeffekt für die Menschheit heraussprang.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte Rhodan, und er meinte es nicht nur als Floskel, auf die man keine Antwort erwartet.

Baar Lun lehnte sich gegen den rund um die Säule des Antigravs verlaufenden Kartentisch und stützte sich mit einer Hand auf.

»Oh, gut, Sir ... den Umständen entsprechend.« Als Rhodan fragend die Brauen wölbte, fuhr er lächelnd fort: »Ihre Physiologen und Chemiker geben sich wirklich die größte Mühe, eine flüssige Synthesenahrung nach meinen Bedürfnissen zu entwickeln.« Er schüttelte den Kopf. »Dennoch scheint etwas zu fehlen ...«

Auf Rhodans Gesicht spiegelte sich Verwunderung.

»Das verstehe ich nicht. Haben Sie das den Leuten schon gesagt?«

Baar Luns Gesicht wurde sehr ernst. In seinen Augen tauchte ein kurzes Flackern auf und erlosch wieder.

»Man ist der Meinung, dass die Syntheseanlage auf Modul lebendes Urplasma als Basis meiner Kunstnahrung verwendete.« Er winkte ab, als Perry Rhodan betroffen hochfuhr. »Ich war ebenso entsetzt wie Sie, als ich das hörte, glauben Sie mir. Aber im Grunde genommen ist das noch das Harmloseste, was die Meister mit meinem Volk und mir gemacht haben.«

Melbar Kasom, der riesenhafte Ertruser, beugte sich über den Tisch.

»Wie wäre es, wenn Sie es einmal mit Truthahn versuchen würden oder mit Rauchschinken von ertrusischen Mastschweinen ...?«

Der Modul bewies, dass er sich in den vergangenen zweieinhalb Monaten ausgezeichnet akklimatisiert hatte. Er grinste ausgesprochen zynisch.

»Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie sich räuchern lassen, Kasom.« Er räusperte sich und blinzelte dem empörten Riesen beschwichtigend zu. Dann öffnete er den Mund. »Haben Sie darüber nachgedacht, womit ich festes Fleisch kauen soll? Nein, dieser Ausweg ist mir versperrt. Aber ich habe heute etwas anderes ausprobiert: zwei Liter kräftige Rinderbrühe mit Gemüsemark und zehn Eigelb. Es fragt sich nur, ob ich das auf die Dauer durchführen kann. Major Bernard sah mich an, als hätte ich sein Gehirn als Nachspeise verlangt.«

Beinahe feierlich stand Melbar Kasom auf, trat auf den Modul zu und klopfte ihm auf die Schulter, dass Lun in die Knie ging. Danach schlug der Ertruser sich gegen die Brust.

»Niemand kann Ihnen Ihren Schmerz so nachfühlen wie ich, mein Freund. Von heute ab sind wir Verbündete!«

Er streckte die Hand aus. Aber Baar Lun, durch schlechte Erfahrung gewarnt, zog sich hastig zwei Schritte zurück.

»Nein, mit Ihnen verbünde ich mich nicht«, erklärte er trocken. »Jedenfalls nicht in diesem speziellen Fall. Major Bernard könnte sonst auf die Idee kommen, mir die Hälfte unseres gemeinsamen Verbrauchs anzuschreiben.«

Perry Rhodan hatte dem scherzhaften Disput mit nachsichtigem Lächeln zugehört. Doch als Kasom zu einer neuen Rede ansetzen wollte, winkte er energisch ab.

»Wir kommen vom Thema ab, Kasom.« Er nickte Baar Lun auffordernd zu und wies mit der Hand auf einen freien Sessel. Als der Modul saß, lehnte Perry Rhodan sich zurück und sagte langsam und betont: »Ich wollte eigentlich über etwas ganz anderes sprechen. Vor einer Stunde war Kalak bei mir. Der Paddler wird ungeduldig. Er erinnerte mich daran, dass ich ihm versprach, nach restlichen Überlebenden seines Volkes zu suchen.« Er richtete sich etwas auf und blickte Baar Lun ins Gesicht. Der Modul verstand.

»Sie sind wahrscheinlich ungeheuer stolz darauf, dass es Ihnen gelang, unbemerkt in den Andromedanebel einzudringen. Sie dürfen es sein. Ich gestehe, mich hat es auch beeindruckt. Noch mehr beeindruckte mich Ihr neues Flaggschiff, die CREST III. Es ist wirklich ein Gigant, der seinesgleichen sucht; mit seinen zweieinhalb Kilometern Durchmesser, den gigantischen Kraftwerken, der ungeheuerlichen Reichweite und nicht zuletzt dem unüberwindbaren Hochenergie-Überladungsschirm sollte es unbesiegbar sein.«

Er lächelte undurchsichtig.

»Wie relativ selbst Unüberwindbarkeit ist, mussten wir bereits zweimal erleben, obwohl wir von Andromeda so gut wie noch nichts erforscht haben. Ich weiß, Sie nehmen mir meine Kritik nicht übel. Darum spreche ich ganz offen aus, was Sie wahrscheinlich selbst erkannt haben: Die größte Feuerkraft und die unüberwindlichen Defensivwaffen nützen überhaupt nichts, wenn der Kommandant nicht hart genug ist.«

Er nickte Atlan zu. Der Arkonide war aus dem Liftschacht getreten und hatte stumm Platz genommen.

»Ich möchte nicht für arkonidische Maßnahmen plädieren, Sir. Aber ich weiß, dass Lordadmiral Atlan diese Pannen nicht passiert wären. Wenn sich jemand an unseren Schutzschirmen die Köpfe einrennen möchte wie die Biospalter – den sollten Sie nicht daran hindern, Sir. Aus purem Mitleid völlig fremdartigen Intelligenzen den Zutritt zum größten Trumpf Ihrer Expedition zu gestatten ...« Baar Luns Stimme wurde hart. »Das ist, mit Verlaub, eine Dummheit, die ich Ihnen nicht zugetraut hätte – jedenfalls nicht nach den Erfahrungen, die Sie bisher auf dem Wege nach Andromeda sammeln konnten.«

Perry Rhodan schluckte hörbar. Auf seiner Stirn schwoll die Zornesader an, doch anstatt sich diesen Ton zu verbitten, lachte er plötzlich.

»Ich weiß nicht, was du daran komisch findest, Perry!«, sagte Atlan scharf. »Es ist wirklich bezeichnend, dass unser ehemaliger Gegner von Modul dir klarmachen muss, welch sentimentaler Barbar du noch bist.«

Baar Lun schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

»Sie verstehen mich völlig falsch, Lordadmiral! Großadministrator Rhodan ist in meinen Augen weder sentimental noch ein Barbar. Im Gegenteil, an seiner Ethik und unbestechlichen Moral gemessen, steht er hoch über den Arkoniden. Er hätte mich nicht zum Verbündeten, würde er nur zielstrebige Härte kennen. Wenn der Zweck alle Mittel heiligte, wären die ›Meister der Insel‹ im Recht und dazu berufen, das Universum zu beherrschen. Was ich kritisiere, ist nur die überspitzte Moralauffassung, wie sie bei wirklich verantwortungsbewussten Wesen immer wieder zum Durchbruch kommt. Das betrifft nur Einzelfälle. Mit den Biospaltern konnte man auch anders fertig werden. Sie waren gewarnt, als die ersten ihrer Leute am Schutzschirm verbrannten. Wir dagegen verhielten uns anfänglich nur passiv – und wir hätten uns weiterhin passiv verhalten sollen. Schließlich würde niemand auf den Gedanken kommen, einem Angreifer die sichere Tür zu öffnen, nur damit der sich nicht den Kopf daran einrennt. Diese Art Sentimentalität sollten wir uns abgewöhnen. Wären wir hart geblieben – auch das muss gesagt werden – hätten wir im Endeffekt menschlicher gehandelt. Dann existierten nämlich sowohl die Stadt Boltra wie der größte Teil der Biospalter noch. Indem wir unserem Mitleid freien Lauf ließen, wurden wir schuldig am Tode einer ganzen Rasse!«

Atlan wollte voller Empörung aufspringen. Doch Rhodans harte Hand drückte ihn in den Sessel zurück. Statt dessen erhob sich der Großadministrator und sagte tonlos: »Sie haben recht, Baar Lun. Härte, wo Härte angebracht ist und Mitleid, wo es weder uns noch anderen schadet ...!« Er seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Es fällt schwer, das rechte Maß zu finden, wenn man Mensch bleiben will. Was gut und was schlecht ist, weiß der Allmächtige allein. Wir können nur versuchen, ihm geistig so nahe wie möglich zu kommen, zu seinem geistigen Ebenbild zu werden – oder zu scheitern ...«

»Ich beginne zu ahnen, woher Sie Ihre Kraft schöpfen«, sagte Baar Lun leise. »Vielleicht ist es der Glaube – nicht der kleinliche, ichbezogene Glaube, sondern der allumfassende – der die Festigkeit von euch Terranern erklärt und die Siege auf eurem Wege ...« Er hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Aber nun sollten wir ins Detail zurückkehren, sonst vergesse ich, weshalb ich eigentlich kam.« Er beugte sich vor. »Wahrscheinlich kenne ich die ›Meister der Insel‹ besser als Sie. Während wir hier sitzen und uns unterhalten, naht vielleicht schon eine Inspektionsflotte.«

Rhodan und Atlan horchten auf.

»Wie meinen Sie das?«, fragte Atlan mit belegter Stimme.

Baar Lun deutete auf eine Stelle der Panoramagalerie. Ein gigantischer Krater war dort zu sehen. Breite Bodenrisse mit glasierten Rändern liefen von ihm aus bis zu einem flachen Schuttwall und einer Mauer verbrannten Urwalds. Dort, wo nur noch ein riesiges, von erstarrter Schmelze überzogenes Loch klaffte, hatte einst die Stadt Boltra gestanden, die einzige Ansiedlung des Planeten Ollura. Sie war mitsamt ihren Bewohnern im Glutodem einer Atomexplosion vergangen, als Rhodans abgeschossene Moskito-Jet aufschlug.

»Glauben Sie niemals«, erklärte Baar Lun mit erhobener Stimme, »eine Energiefreigabe dieses Ausmaßes bliebe unbemerkt. Nicht im Andromedanebel ...!«

Perry Rhodan hob zweifelnd den Kopf.

»Andromeda ist ungeheuer groß ...«

Er unterbrach sich, als Kalak mit allen Zeichen hochgradiger Erregung aus dem Liftschacht stolperte. Der kosmische Ingenieur deutete mit lebhaften Gesten auf die Bildschirmgalerie und dann auf Rhodan.

»Was tun Sie noch hier auf Ollura?«, schrie er. »Ich nahm an, Ihr Schiff befände sich längst im Raum. Wollen Sie warten, bis eine Überwachungskommission erscheint? Oder meinen Sie, die Explosion wäre nicht angemessen worden? Ich ...«

Perry Rhodan hob die Hand.

Er warf Baar Lun einen rätselhaften Blick unter gesenkten Lidern zu, dann schlug er mit der geballten Faust auf die Alarmtaste.

Die Sirenen heulten durch den Ultragiganten und verkündeten höchste Alarmstufe ...

 

*

 

Perry Rhodan nestelte am Verschluss seines Raumanzuges, während er den Interkom abschaltete. Sein Blick glitt über die um den Kartentisch versammelten Männer, die inzwischen ebenfalls die Raumanzüge übergestreift und verschlossen hatten. Nur die Helme waren noch geöffnet.

»Cart Rudo meldete die CREST start- und gefechtsbereit.« Er ließ eine Pause eintreten, während der ein dünnes Lächeln über seine Lippen huschte. »Damit ist das Problem allerdings nicht gelöst. – Ja, Tolot ...?«