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Jochen Stadler

GUTER HUND, BÖSER HUND

Wegweiser für Rudelführer

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Zitat Seite 6: Freie Übersetzung des Autors.

1. Auflage

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Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Für Kleo, wen sonst.

Wenn du mit Tieren sprichst,
werden sie auch mit dir sprechen
und ihr werdet einander kennenlernen.

Wenn du nicht mit ihnen sprichst, wirst du sie nicht kennen,
und was du nicht kennst, wirst du fürchten.

Was jemand fürchtet, das zerstört er.

Häuptling Dan George (1899–1981), Kanada

INHALT

Vorwort

Wie gefährlich Hunde und ihre Menschen sind

Risikoforschung

Frische Fälle

Welche Risiken gehen von Hunden aus

Beißen

Begrüßen und Bestürmen

Das hat er noch nie gemacht

Der Listenhund-Blues

Bisse bei Kindern – Nicht-Listenhunde verweisen »Kampfhunde« auf die hintersten Plätze

Die Beißstatistiken sind alle Schrott

Aggression – Dackel, Dackel und schon wieder Dackel

Was ein gefährlicher Hund ist

Welches Risiko geht von Menschen aus

Warnsignale abgewöhnen

Die Eskalationsleiter

Kinder und Hunde – einer ist meistens freundlich

Wie man Hunde nicht begrüßt

Hund begrüßt sich so

Der »Tut nichts«-Hund

Das Wesen der Hunde

Ziemlich beste Freunde – wie der Hund auf den Menschen kam

Für immer junge Milchgesichter – die gemeinsame Haustierwerdung von Mensch und Hund

Der Hund ist kein Jäger mehr, genauso wenig wie der Mensch

Menschen können nicht ohne Hunde leben

Sehnsucht nach Wildheit – halbe bis ganze Wölfe als Haustiere

Stimmungsübertragung

Emotionen auf vier Beinen

Der schuldbeladene Blick

Hundesprache

Ein Hund ist kein Mensch (I) – Primaten kuscheln gerne und sehen einander in die Augen, Kaniden nicht

Zwei Extreme: erlernte Aggression und erlernte Hilflosigkeit

Ein Hund ist kein Mensch (II) – Uh, uh, uh. Wauwau.

Ein Hund ist kein Wolf

Das Wesen der Menschen

Der Mensch als dominanter Alpha-Hund

Laute Hundeflüsterer

Sprunghaftigkeit verstärkt jedes Problem

Mit Biegen und Brechen und Gewalt – der schlechtestmögliche Besitzer

In der Ruhe liegt die Kraft

Helikopterherrlis

Napoleon darf alles und kann nichts

Wer sich bitte keinen Hund zulegen sollte

Was einen Hund ausmacht: Gene und Epigene

Zucht und Sozialisierung

Das Resultat

Problemfelder

Alltagstraining für Hunde

Klassische und operante Konditionierung für Dummis

Die Grundlage für das Zusammenleben mit Hunden, anderen Tieren und Menschen – und wie man richtig lobt

Zaunbellen – operante Konditionierung in Eigenregie

Guter Bulle, böser Bulle – vier negative und vier positive Methoden, um Hunden unerwünschtes Verhalten auszutreiben

Abbruchsignale – nichts kann man öfter trainieren

Gelegenheit macht Gewohnheitsdiebe

Besuch!

Ruhe lernen

Frusttoleranz

Laufen Sie vor Ihrem Hund davon!

Nein, Nein, Nein – Kommandos nützen sich ab

Sperren Sie Ihren Hund in einen Käfig!

Einsame Wölfe

Leinenaggression

Hundebegegnungen an der Leine sind das Gegenteil von gut

Spielen

Zerren ist verpönt – tun Sie es

Alltagstraining für Menschen

Wissen ist Macht! Menschenschule und Führschein

Maulkorb und Leine

Rasselisten, Verbote

Nachwort

Literatur

VORWORT

»Mein Hund ist nicht aggressiv, mein Hund ist nicht böse«, sagte die Frau, deren Rottweiler gerade ein Kleinkind in den Kopf gebissen hatte, zu den herbeigeeilten Polizisten. Oma und Opa führten den 17 Monate jungen Waris auf dem Gehsteig zwischen sich spazieren, als der entgegenkommende, braunschwarze Hund sich von der Besitzerin losriss, ihn ansprang und zuschnappte. Niemand hat einen Anlass oder Grund dafür gesehen, und es ging so schnell, dass niemand rettend einschreiten konnte.

Immer wieder hört man von Hundebesitzern, ihr geliebter Vierbeiner würde so etwas nie machen, und sie glauben tatsächlich daran, bis etwas passiert und wieder einmal ein tragischer Vorfall durch die Medien geht: »Unvermittelte« Angriffe in der Öffentlichkeit, der Familienhund, mit dem alle Kinder bisher so lieb kuscheln konnten, hat den Jüngsten beim Spielen »ohne Warnung« gebissen, oder sein Herrchen attackiert, als es zur Futterschüssel griff. Viele Menschen sind dann bestürzt, und schimpfen Hunde Bestien und unberechenbare Wesen, um reflexartig ein Verbot für bestimmte Rassen wie Dobermänner, Pitbulls und Rottweiler zu fordern, die immer wieder für negative Schlagzeilen sorgen.

Die Wissenschafter haben aber längst gezeigt, dass es böse »Kampfhunde« genauso wenig wie »Zuschnellfahrautos« gibt. Beißen ist keine Rassefrage. Zuschnappen kann jeder Hund, genauso wie jeder Autofahrer einen Menschen totfahren könnte. Hunde senden normalerweise eine Reihe von Signalen aus, die zeigen, in welcher Stimmung sie sind und was sie eventuell als Nächstes vorhaben. Einen Menschen zu verletzen, ist für jedes Tier hoch riskant und der allerletzte Ausweg, wenn es nicht mehr weiterweiß und all sein Flehen und Warnen ungehört verhallte. Viele Menschen haben es aber nie gelernt, die Warnsignale der Hunde zu erkennen, die einem Biss vorausgehen, teilweise deuten sie diese falsch und allzu oft schauen sie einfach nicht gut genug hin. Genauso wie im Straßenverkehr können Missverständnisse zu Unfällen führen und Fehler, die sich in der Erziehung eingeschlichen haben, sich irgendwann rächen. Manchmal liegt, wie es bei Rottweiler Joey und dem kleinen Waris wahrscheinlich war, der Teufel im Detail, manchmal aber sind die Fehler unübersehbar.

WIE GEFÄHRLICH HUNDE UND IHRE MENSCHEN SIND

RISIKOFORSCHUNG

Von rund 600 000 Hunden in Österreich und neun Millionen in Deutschland beißen nur die wenigsten, genauso wie die meisten Autofahrer keine Unfälle mit Toten und Schwerverletzten verursachen. Für die Risikoforscher sind solche Vorfälle die Spitze des Eisbergs, die aus einer breiten Basis von Fehlern aufragt. Die meisten davon bleiben ungerächt, doch ein gewisser Anteil führt zu Zwischenfällen. Auf jeden Hundebiss, über den in der Zeitung berichtet wird und der im Internet die Wellen der Empörung hochschlagen lässt, kommt eine Unzahl von sogenannten »Beinahe-Unfällen«. Bei ihnen sind alle Voraussetzungen erfüllt, dass es zu einem Zwischenfall kommt, aber durch glückliche Umstände passiert nichts. Im Straßenverkehr wäre solch ein Beinahe-Unfall zum Beispiel, wenn man im Winter unterschätzt, wie rutschig die angeeiste Landstraße ist und in der Kurve auf die Gegenfahrbahn gerät. Es kommt aber gerade niemand entgegen, niemand hat den Fehler gesehen, nichts ist passiert. Oder ein Kind huscht hinter einem abbiegenden Lastwagen vorbei, ohne zu wissen, dass der Fahrer es nicht im Rückspiegel sehen kann. Solche Sachen gehen tausendmal gut, doch hier und da stolpert ein Kind bei einer solchen Aktion, oder es gibt in der rutschigen Kurve auf der Landstraße Gegenverkehr.

Wenn das Risiko in absoluten Zahlen niedrig ist, kann man jahre- und jahrzehntelang Dinge falsch machen, ohne dass etwas vorfällt. Das gilt im Umgang mit Hunden genauso wie im Straßenverkehr. Die menschliche Psyche ist so eingerichtet, dass sie einen dann glauben macht, man ist sicher unterwegs und das Verhalten adäquat. In Wirklichkeit hat man bisher nur Glück gehabt.

Unfälle passieren nicht, sie werden gemacht, ist ein Leitsatz in der Unfallforschung. Wen es trifft und wie schlimm der Ausgang ist, entscheidet aber der Zufall. Man kann als unschuldiges Opfer zur falschen Zeit zum Beispiel in der falschen Kurve sein oder dem falschen Hund-Besitzerpärchen entgegenspazieren. Man kann mit blauen Flecken davonkommen oder totgefahren und -gebissen werden. Man kann seinen Hund jahrelang falsch behandeln und dadurch aggressiv machen, ohne dass es je zu einer Situation kommt, wo er beißt. Er kann nach einem erwachsenen Freund schnappen, der das Ganze als Lappalie abtut, oder nach einem Kind, das dadurch schwer verletzt wird.

Solange es den Eisberg gibt, kann man jederzeit in genau diesem einen von Tausenden Schiffen sitzen, das im Nebel dagegen kracht. Man kann aber etwas gegen diese Eisberge tun. Die Spitzen sieht man meist zu spät, dagegen vorzugehen, bringt also nicht viel. Aber man kann der Basis einheizen und sie zum Schmelzen bringen. Fundiertes Wissen, wie Hunde die Welt sehen und auf ihre Umgebung reagieren, und ein wenig Übung mit den besten Freunden des Menschen helfen, Fehler zu vermeiden, die irgendwann zu ernsthaften Problemen und Unfällen führen können. Lässt man so die Basis des Eisbergs schwinden, sinkt die Spitze ins Meer und löst sich im Salzwasser auf. Damit wird das Leben für Zwei- und Vierbeiner angst- und stressfreier, genauso wie man eine Seefahrt viel besser genießen kann, wenn man weiß, dass auf der Route keine Eisberge lauern.

FRISCHE FÄLLE

Rottweiler tötet Kleinkind

Noch gibt es aber zu viele Eisberge mit hoch herausragenden Spitzen. Der nicht einmal eineinhalb Jahre junge Waris wurde Opfer eines solchen. Oma und Opa gingen mit ihm spazieren. Eine Frau mit Rottweiler an der Leine kam ihnen entgegen. Der Rottweiler riss sich los und biss das Kind unversehens in den Kopf. Niemand konnte schnell genug reagieren, um dies zu verhindern. Obwohl rasch ein Sanitäter und eine Notärztin zur Stelle waren und ihn versorgten, starb Waris zwei Wochen später im Krankenhaus.

Dies klingt zunächst so, als ob ein unberechenbarer Listenhund jäh durchdrehte, Amok lief und mordete. Gerade noch friedlich auf der Straße Gassi geführt, mutierte Rottweiler Joey von einem Augenblick auf den anderen zum Killer.

Schnell wurde er in den sozialen Netzwerken zum Psychopathen erklärt. Joey war ja nicht irgendein Hund, sondern ein Rottweiler. Also ein Angehöriger einer Rasse, vor der viele Menschen aufgrund ihrer Größe und Kraft Respekt haben. Eine Rasse, die als harte Gebrauchshunde zum Rindertreiben gezüchtet, von der Polizei und dem Militär gegen Räuber, Mörder und Feinde eingesetzt wurde und die Drogendealer und Zuhälter zum Einschüchtern von Konkurrenten und als Potenzsymbol missbraucht und so in Verruf gebracht haben – und die manch Unwissender als Kampfhunde bezeichnet. »Wie viele Kinder müssen noch sterben oder bis ans Ende ihrer Tage ein Leben als Pflegefälle fristen, bevor man endlich Kampfhunde verbietet – rein biologisch gesehen, wäre das von der Artenvielfalt auch kein nennenswerter Verlust«, schreibt einer meiner Facebook-Freunde. Eigentlich ist er Wissenschafter, sogar Biologe. Auch wenn sein Fachgebiet nicht die Zoologie oder gar Verhaltensforschung ist, sollte er zumindest das tun, was er von Impfgegnern und Klimaleugnern auf genau diesem sozialen Medium fordert: Sich über wissenschaftliche Ergebnisse informieren und ihnen Glauben schenken, anstatt unverblümt ahnungslos jemanden anzupatzen. Eine andere Bekanntschaft, ebenfalls Wissenschafter und Professor an einer Universität, der ansonsten überaus liberale Ansichten kundtut, fordert wiederum generelle Leinen- und Maulkorbpflicht für alle Hunde immer und überall in der Öffentlichkeit, solange sich »jeder Soziopath einen Hund zulegen kann«.

Lebensbedrohliche Hundeattacken sind zum Beispiel im Vergleich zu tödlichen Autounfällen sehr selten. In Deutschland und Österreich ist die Gefahr, durch einen Hundebiss zu sterben, in etwa so klein, wie von einem Blitz tödlich getroffen zu werden, bei Verkehrsunfällen sterben zwei- bis vierhundertmal mehr Menschen. Trotzdem spalten sie offensichtlich die Gesellschaft und sind ein so emotionales Thema, dass eine langjährige Ausbildung und Berufstätigkeit, die anleitet, sich stets von Fakten und nicht Affekten leiten zu lassen, oft komplett ausgeblendet wird.

Aber keine Angst. Wir bleiben hier absolut wissenschaftlich und beantworten gemeinsam mit ausgebildeten Experten und Spezialisten für »Hundeprobleme« die wichtigsten Fragen, wann und warum Hunde beißen, und räumen mit gängigen Vorurteilen auf. Außerdem werden wir entdecken, dass die meisten Hundeprobleme in Wirklichkeit Menschenprobleme sind.

Im Falle Joey gegen Waris führte das Zusammentreffen von mehreren Fehlern zur Katastrophe, die jeweils für sich selbst wohl keine große Auswirkung gehabt hätten. »Das war ein schrecklicher Unfall, aber den hätte kein Gesetz der Welt verhindern können«, meint Irene Sommerfeld-Stur, Hundezuchtexpertin und Professorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Ruhestand. Die Konstellation war so unglückselig, wie sie nur sein konnte, sowie ein paar Menschen und ein Hund zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Dame, die den Rottweiler an der Leine führte, war bei dem Unfall zudem betrunken. Sie arbeitete bei einem Sicherheitsdienst. »Dieser Hund wird nicht immer entspannt an der Leine gegangen sein und sich dann plötzlich umgedreht haben und ausgerastet sein«, erklärt Marleen Hentrup, ehemalige Hunde- und Wolfslehrerin am Wolf Science Center in Ernstbrunn, nunmehr Hundetrainerin und Spezialistin für Problemhunde. Genauso wie bei Menschen, gäbe es bei Hunden immer Vorzeichen. Im Training für Gebrauchshunde, zu denen neben Rottweilern zum Beispiel auch Deutsche Schäferhunde zählen, wird oft spielerisch der Jagdtrieb »aktiviert«: Die Hunde dürfen etwa nach mit Stoffresten gefüllten Jutekissen schnappen, die von ihnen weggezogen werden, um später einmal davonlaufende Einbrecher zu packen. Gut ausgebildete Hunde können dabei problemlos unterscheiden, ob es sich um einen Menschen oder um ein Spielzeug handelt, selbst wenn sie sich in einer adrenalingeschwängerten »hohen« Trieblage befinden. Bei dem Unglücksfall in Wien darf bezweifelt werden, dass der Hund voll und gut ausgebildet war. »Halb oder schlecht auszubilden, ist in solchen Bereichen problematisch, genauso wie wenn man jemanden nach drei Fahrstunden zwischendurch mal allein durch die Gegend kurven lässt«, so Hentrup. Zusätzlich war der Rottweiler-Rüde wohl verunsichert, weil seine Vertrauensperson sich seltsam verhielt, immerhin hatte sie laut Polizei 1,4 Promille Alkohol im Blut.

Dann kamen die zwei Großeltern mit dem Kleinkind entgegen. Sie spielten laut Wiener Zeitung mit ihm »Engelchen flieg«, schwangen es also zwischen sich an den Armen hoch. Sie achteten wohl nicht darauf, dass ihnen eine Dame mit Rottweiler entgegenkam, vielleicht waren sie aber auch sorglos, weil er ohnehin an der Leine war. Dass die Frau den 47 Kilogramm schweren Rüden in ihrem alkoholisierten Zustand nicht halten konnte, als er lossprang, wundert im Nachhinein wohl niemanden. So zynisch und surreal es klingt: Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Hund »einfach nur spielen« wollte. Er schoss auf das Kind zu, das er vermutlich nur für ein Spielzeug hielt, und packte es. Wie ein Jutekissen im Training. Der Ausgang war freilich fatal. Schuld an diesem Vorfall ist laut der Expertin aber nicht die Hunderasse. »Es hätte genauso mit jedem anderen großen Hund passieren können«, sagt Hentrup. Grund ist multiples menschliches Versagen, das durch unglückliche Umstände in einer Tragödie endete. Bei kleinen Kindern müsse man als Hundebesitzer immer aufpassen, denn gewisse Bewegungsmuster von ihnen können einen Jagdinstinkt auslösen. Manche Experten sind auch der Meinung, dass Hunde ganz kleine Kinder nicht immer als Menschen erkennen. Deshalb sollte man diese auch nie mit Hunden allein lassen und eben bei Begegnungen mit fremden Hunden eine gewisse Vorsicht walten lassen.

»Ich glaube, selbst wenn der Hund einen Maulkorb gehabt hätte, hätte das Kind diesen Vorfall wahrscheinlich auch nicht überlebt«, meint Sommerfeld-Stur. Die Wucht des Aufpralls von einem maulkorbbewehrten Rottweilerschädel hätte bei so einem kleinen Kind zu einem Schädelbruch führen können, der genauso lebensbedrohlich ist wie ein Biss. Die in Wien aufgrund dieses Vorfalls verordnete Maulkorbpflicht hätte also Waris’ Leben möglicherweise auch nicht retten können.

Solche Fälle, in denen ein Hund eine fremde Person anfällt und beißt, sind absolut die Ausnahme und nicht die Regel. 90 Prozent der Beißopfer kennen den angreifenden Hund, meist ist es sogar der eigene, und diese Vorfälle passieren in der Wohnung und in privaten Gärten, wo kein Hund Leine und Maulkorb trägt. Man kann also die Zahl der Unfälle mit Gesetzen zur Leinen- und Maulkorbpflicht schon deshalb kaum mindern. Zu den meisten Verletzungen kommt es auch nicht, weil der Hund von sich aus aggressiv wäre, sondern es mangelt den Menschen oft an Wissen, wie man sich gegenüber Hunden verhält.

In diesem Fall waren die Auswirkungen fatal: Das Kleinkind Waris starb an den Folgen des Unfalls. Joey wurde euthanasiert. Die Besitzerin verlor ihren Job und zog innerhalb kürzester Zeit aus der Gegend fort, wo der Unfall passierte, weil sie sich nicht mehr in die von Reportern belagerte Wohnung traute. Sie konnte nur mit Beruhigungsmitteln schlafen, weil sie sonst ständig das Szenario mit der Blutlache des Kindes vor Augen hatte. Sie wurde schließlich wegen grob fahrlässiger Tötung zu einem halben Jahr unbedingter Gefängnisstrafe verurteilt. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig, denn sie beruft gegen das Strafmaß. Das Ausmaß des Seelenschmerzes der Großeltern und Eltern des kleinen Buben können wohl nur Menschen nachvollziehen, die Ähnliches durchgemacht haben. Das sind wohl wenige. Es ist brutal, wenn das Leben zufällig einen Kontakt mit der Spitze eines Eisbergs hat.

Dackel beißt zu

Kurz darauf war die nächste Hund-biss-Baby-Meldung in den Medien. Diesmal war ein Dackel der Täter. Sein Besitzer ließ ihn bei einem Heurigenbesuch in einem Weinort südlich von Wien frei im Gastgarten herumlaufen. Er bettelte andere Gäste an und entdeckte unter einem Tisch Essbares. Dort krabbelte aber auch ein zweijähriges Mädchen namens Olivia umher. Der Dackel verteidigte wohl sein gefundenes Fressen gegen das Kleinkind und fügte ihr so tiefe Fleischwunden im Gesicht zu, dass sie ins Wiener Allgemeine Krankenhaus gebracht und dort in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden musste. Auch hier haben erwachsene Zweibeiner massive Fehler gemacht. Ein argloser Hundebesitzer ließ seinen Dackel, der zwar klein, aber ein waschechter Jagdhund ist, frei herumlaufen, obwohl das Gesetz an solchen öffentlichen Orten Leine oder Maulkorb für jeden Hund vorschreibt. Arglose Eltern ließen ihr Kleinkind unter dem Tisch krabbeln, achteten entweder nicht darauf, dass da auch ein Hund war, oder dachten sich nichts dabei. Dem Dackel kann man eigentlich keinen Vorwurf machen, und er hat sich nur so verhalten, wie es ein Hund tut: Er hat sein Essen verteidigt. Dass Dackel nicht zimperlich sind, sollte man aus der Geschichte dieser Rasse wissen, wenn man so einen Hund besitzt: Sie wurden gezüchtet, um Füchse und Dachse in den Bau zu verfolgen und zu töten. Nur verwegene, gnadenlose Draufgänger hatten dabei eine Chance. Selbst wenn das Erbe ein bisschen verwässert ist, weil heute viele Dackel als Familienhunde und nicht zur Jagd gehalten werden, sollte man mehr Vorsicht walten lassen, wenn man so einen Hund besitzt. Dasselbe gilt, wenn das eigene Kind zu einem Hund, den man noch dazu nicht kennt, hin krabbelt, während er frisst.

Die Bissserie riss nicht ab. Zwei Tage später wurde in Oberösterreich einem alten Mann, der auf einer Bank saß, von einem Schäferhund-Mischling eines Wanderers in die Hand geschnappt. Knapp zwei Wochen danach biss ein Pitbull-Terrier in Wien zwei Jugendliche und kurz darauf ein Staffordshire Bullterrier ein elfjähriges Mädchen. In diesen beiden Fällen kannten die Opfer die Besitzerinnen und die Hunde. Zu Weihnachten fütterte eine Frau ihre Schäferhunde im Zwinger und nahm Besuch mit hinein: Einen Vater mit dreijährigem Bub. Zwei Hunde attackierten den Jungen und verletzten ihn – zum Glück nur leicht. Gegen die Besitzerin und den Vater wurde wegen Körperverletzung und Verletzung der Aufsichtspflicht Anzeige erstattet. Ich denke zu Recht: Solch unverantwortliches Verhalten gehört gerichtlich gewürdigt, vor allem wo wieder einmal ein kleiner Junge unschuldig zum Handkuss kam.

Den Vogel abgeschossen hat aber meiner Meinung nach ein Vorfall wieder einmal mit einer betrunkenen Dame, diesmal mit Schäferhund-Mischling, sowie Polizisten, Sanitätern und Passanten. Mehrere der handelnden Personen wurden blessiert: Eine Frau war im Treppenhaus gestürzt und hatte Verletzungen im Gesicht. Ein Nachbar setzte einen Notruf ab. Polizisten und Sanitäter eilten herbei und führten die offensichtlich betrunkene Frau in ihre Wohnung. Sie konnte sich dort aber nicht auf den Beinen halten und fiel abermals zu Boden. Ein Polizist und ein Sanitäter wollten ihr aufhelfen. Dies hat der Schäferhund-Mischling wohl missverstanden, der aufgrund des seltsamen Verhaltens seiner Besitzerin und des Personenaufgebots in seinem Revier sicherlich verstört war: Er biss den Hüter von Gesetz und Ordnung in den Unterarm. Die Sanitäter und Polizisten gaben daraufhin auf, der Betrunkenen helfen zu wollen, und rückten ab, jedoch nicht ohne sie in Kenntnis zu setzen, dass sie wegen Körperverletzung und Verstößen gegen das Tierhaltegesetz angezeigt würde. Sie ließen Frau und Hund in der Wohnung zurück. Eine Stunde später läutete bei der Polizei erneut das Telefon. Eine Frau liege regungslos auf der Straße, berichtete der Anrufer. Als die Einsatzkräfte dort ankamen, fanden sie dieselbe unkooperative Dame, die zuvor im Stiegenhaus gestürzt war. Sie war unweit ihrer Wohnung zusammengebrochen, neben ihr war der angeleinte Hund. Eine junge Passantin griff zur Leine, damit sich die Sanitäter der Berufsrettung um die Dame kümmern konnten. Dies missfiel dem Hund allerdings. Er wollte sich losreißen und zu seinem Frauchen, wurde allerdings standhaft zurückgehalten. Zumindest, bis er die Passantin in die Hand gebissen hatte. Beide Frauen wurden erstversorgt und getrennt in Rettungswägen ins Krankenhaus gekarrt. Polizisten der Hundestaffel wurden gerufen, damit sich Profis um den Hund kümmern. Sie brachten ihn in eine nahe gelegene Polizeistation. »Dort lösten sich Leine und Beißkorb, die defekt waren, und eine Beamtin musste den aggressiven Hund fixieren«, heißt es in einer Meldung der Austria Presse Agentur über den Vorfall. Der Schäfer-Mischling war damit nicht glücklich, wehrte sich und schaffte es, die Polizistin in den Unterarm zu beißen. Die Polizisten riefen die Tierrettung und erneut ihre Spezialstaffel-Kollegen zu Hilfe: Der Hund verhalte sich »weiterhin äußerst aggressiv«. »Bei der Umlagerung des Tieres in einen Hundekorb wurde ein weiterer Beamter in die Hand gebissen«, wird weiter berichtet. Aller gebissenen Polizisten sind drei. Letztlich endete der wohl mittlerweile vollkommen verstörte und verängstigte Hund im Tierquartier. Sämtliche seiner Verteidigungsbisse hatten zum Glück nur leichte Verletzungen zur Folge. Auch seine Besitzerin war nur leicht versehrt. In ihrem Blut befanden sich übrigens mehr als zwei Promille Ethanol. Es wurde diskutiert, den »äußerst aggressiven Hund« einzuschläfern. Wissenschafter und Hundeverhaltensexperten sind sich jedoch einig, dass ein Hund nicht als aggressiv bezeichnet werden kann, wenn er seine Besitzer oder sich selbst verteidigt. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, wurde die Euthanasierung des Hundes durch ihre heftigen Proteste zu Recht verhindert.

Schließlich gab es auch noch zwei in den sozialen Medien und Zeitungen hochemotional diskutierte Vorfälle mit Hunden und Wild. Im ersten Fall riss ein Weimaraner Jagdhund auf einem Hügel im Norden von Wien ein Reh, im zweiten Fall der Siberian-Husky-Rüde einer Skitouristin eines in Kärnten direkt neben der Piste. Es gab jeweils Fotos und Videos von Umstehenden, die sofort ihre Beobachtungen auf Facebook und Youtube teilten, mit dem entsetzten Vermerk, was sie da Schreckliches mitansehen mussten, aber nicht wagten einzugreifen. Das wäre laut Experten auch nicht sinnvoll gewesen, da die Hunde ihre Beute wahrscheinlich vor Fremden ernsthaft verteidigt hätten. Zu Hilfe gerufene Jäger konnten schließlich nicht mehr tun, als den Rehen weitere Leiden zu ersparen. Jenes am Wiener Bisamberg wurde erschossen, das in Kärnten auf der Turracher Höhe »geknickt«, also mit dem Messer getötet.

Empöret euch!

Man könne keinem Hund mehr trauen, der einem auf der Straße entgegenkommt, ist der Tenor verängstigter Menschen in den sozialen Medien und Foren der Onlinezeitungen nach solchen Vorfällen und Berichterstattungen. Manche Rassen seien unberechenbar und unterschwellig aggressiv, sollten nur mehr durch Maulkörbe gefilterte Luft atmen und besser gar nicht mehr gezüchtet werden, kann man dort wieder und wieder lesen. Die Politik folgt dem Poster-Herz brav bei Fuß: In Wien, wo der tragische Vorfall mit dem kleinen Jungen Waris und dem Hund Joey stattfand, dürfen Angehörige einer von Laien willkürlich zusammengestellten Liste von Hunderassen nur mehr mit Maulkorb und Leine auf die Straße, die Hundebesitzer müssen jederzeit mit einer Alkoholkontrolle rechnen, und solche Hunde dürfen in dem Bundesland nicht mehr gezüchtet werden. Ein seriöser Züchter, der sich um die Gesundheit, Wesensstärke und gute Sozialisierung einer Rasse kümmert, nach den Regeln eines Verbandes arbeitet und von diesem kontrolliert wird, darf also in der Hauptstadt zum Beispiel keine Rottweiler, Bullterrier und Staffordshire Terrier mehr heranziehen, sozialisieren und anbieten. Die Wiener werden sich deshalb anderswo umsehen müssen, wenn sie solch einen Hund haben wollen. Hoffentlich werden sich viele an gute Quellen zum Beispiel in anderen österreichischen Bundesländern, Deutschland und der Schweiz wenden, aber der Markt für Kofferraumhunde aus ehemaligen Schweineställen, schmutzigen Hinterhöfen und windigen Schuppen im In- und Ausland ist mit dieser zweifelhaften Gesetzgebung freilich größer und lukrativer geworden.

Schon bei der Erstellung der umstrittenen »Kampfhunde«-Liste vor zehn Jahren vermied man es in Wien geflissentlich, auf die Meinung von Experten zu hören. Diese wurden zwar befragt, wie zum Beispiel Irene Sommerfeld-Stur. »Wir gaben unsere Meinungen und Statements ab, die alle einhellig solche Maßnahmen als nicht zielführend deklarierten, aber dies wurde überhaupt nicht berücksichtigt«, berichtet sie. Damals wie heute ist die Gesetzgebung rein populistisch motiviert, sind sich die Experten einig. Man will die Bevölkerung mit einfachen, raschen, billigen und plakativen Maßnahmen beruhigen und dem Wahlvolk eine Sicherheit vorspiegeln, die es so nicht gibt. Denn die meisten Beißvorfälle geschehen erstens nicht in der Öffentlichkeit und zweitens nicht von »Listenhunden«. Sie sind in erster Linie in menschlichem Versagen begründet und keineswegs in der Unberechenbarkeit der Vierbeiner. Jene sind sogar meist sehr tolerant gegenüber dem menschlichen Fehlverhalten, das man eigentlich tagtäglich mitanschauen kann, wenn man durch die Städte und Ortschaften spaziert.

WELCHE RISIKEN GEHEN VON HUNDEN AUS

BEISSEN

Facebook-Poster, die Boulevardblätter und manche Politiker suggerieren gerne, dass die Gefahr durch Hundebisse groß ist und zunimmt. Beides ist falsch. Bei den Unfallursachen bei Kindern und Erwachsenen findet man Hundeattacken unter »ferner liefen«. Laut Schätzungen gehen von 8,8 Millionen Österreichern pro Jahr zwischen 3000 und 5500 wegen Hundebissverletzungen zum Arzt. In Deutschland mit seinen 82,8 Millionen Einwohnern suchen 30 000 bis 50 000 wegen eines durch die Haut eingedrungenen Hundezahns einen Mediziner auf und in der Schweiz von 8,4 Eidgenossen 2500. Das heißt, im Schnitt wird im deutschsprachigen Raum pro Jahr einer von mehr als 2000 Menschen durch einen Hund so stark verletzt, dass er ärztlich versorgt wird. In den drei Ländern ist damit nur jeder zehn- bis zwanzigtausendste Arztbesuch auf einen Hundebiss zurückzuführen. Überall dort, wo es nach Jahren geordnete Statistiken gibt, sind die Zahlen der Hundebissvorfälle rückläufig. In manchen städtischen Kliniken stammt übrigens jede fünfte Bissverletzung, die Mediziner versorgen müssen, von Menschen und nicht von Hunden oder Katzen. Wir sollten uns also selber an der Schnauze nehmen, bevor wir unsere besten Freunde bissig heißen.

Etwa ein Fünftel der Hundebiss-Opfer sind Kinder unter 15 Jahren. Am häufigsten (in 28 Prozent der Fälle) beißt Köter zu, während die Kinder mit ihm spielen, wie Forscher der Universität Graz herausfanden. Halb so viele Beißvorfälle (14 Prozent) geschehen beim Vorbeigehen von Hund und Mensch, etwas weniger (10 Prozent) beim Kuscheln sowie beim Füttern und Vorbeiradeln (8 Prozent). Jeweils zwei Prozent der Unfallopfer haben den Hund absichtlich erschreckt, ihn am Schwanz gezogen oder bei einer Rauferei zwischen zwei Hunden dazwischen gegriffen. Neun von zehn Bissopfern kannten den Hund, in vielen Fällen handelte es sich um den eigenen Familienhund, den von Nachbarn oder Freunden. Der Humanmediziner und Herausgeber der österreichischen Hundezeitung Wuff Hans Mosser aus Wien untersuchte sämtliche Literatur zu Beißvorfällen bei Kindern, die er finden konnte, und entdeckte, dass in zwei von drei Fällen eindeutig erkennbar war, dass die Kinder den Hund vor dem Vorfall provoziert haben. Manchmal neckten oder quälten sie ihn absichtlich, manchmal rissen sie ihn zwecks Gaudi aus dem Schlaf, streichelten ihn, obwohl er dies offensichtlich nicht wollte, störten ihn beim Fressen oder spielten nicht adäquat mit ihm. Das Fehlverhalten war in diesen Fällen also klar ersichtlich und wurde von den Eltern zumindest im Nachhinein als solches erkannt und zugegeben. Ich würde einmal vorsichtig spekulieren, dass im restlichen Drittel ähnliche Dinge oft unbemerkt blieben oder aus Scham nicht preisgegeben wurden. Den Großteil der Beißunfälle könnte man also schon allein damit verhindern, dass man Kindern klarmacht, dass Hunde Lebewesen und kein Spielzeug sind, mit dem man umgehen kann, wie es einem gerade passt. Dass man Hunde respektieren muss, sie nicht ärgert, quält und beim Fressen stört. Wenn Kinder und Erwachsene lernwillig und bereit sind, die Hunde und ihre Sprache zu verstehen, sollte eigentlich gar nicht mehr viel passieren. Die gute Nachricht aus der Statistik ist also: Fast alle Beißvorfälle sind mit ein wenig Mühe vermeidbar, weil die Menschen sie verschulden. Die schlechte Nachricht lautet hingegen, dass die Menschen sich am eigenen Schopf packen müssen, wollen sie die Situation verbessern, und dies nicht an die Politik und alle anderen auslagern können.

BEGRÜSSEN UND BESTÜRMEN

Meine Hündin presst sich auf den Boden, mit dem Kopf zwischen den Vorderpfoten liegt sie flach wie ein Bärenfell in einer Jagdhütte am Rande des Schotterwegs. Sie hat zwei Reiter erblickt, die auf uns zukommen. Ihre Rute bewegt sich langsam hin und her und wirbelt ein bisschen Staub auf, sonst ist ihr ganzer Körper starr. Sie fixiert die Pferde, lässt sie nicht aus den Augen. Nur ja nicht rühren. Die Reiter lenken ihre Rösser rücksichtsvoll einen Bogen um sie herum. »Oje, der arme Hund hat Angst vor Pferden«, höre ich den einen zum anderen sagen. Das ist leider falsch beobachtet, denn meine Hündin Kleo hat ihnen aufgelauert, um sie mit Spielaufforderungen zu bestürzen, so wie sie es bei fremden Hunden gerne macht. »Schau mal, ich bin vollkommen harmlos, du kannst gefahrlos herkommen«, signalisiert sie ihnen mit jeder Faser ihres Körpers. Den Pferden ist übrigens im Gegensatz zu den Menschen auf ihren Rücken sehr gut bewusst, dass dieser Hund auf gewisse Art lauert und sich nicht fürchtet. Sie stelzen äußerst vorsichtig an ihm vorbei und verdrehen die Augen so, dass sie ihn stets im Blick behalten. Meine Flat-Coated-Retriever-Hündin wiederum ist, wenn sie näherkommen, stets von der Größe dieser Tiere dermaßen beeindruckt, dass sie ruhig liegen bleibt und sie nur interessiert aus den Augenwinkeln beobachtet, bis sie vorbei sind. Doch wenn die Reiter auf ihren nervösen Pferden stehen blieben, um sie zu ermuntern, dass sie keine Angst zu haben bräuchte, würde es gefährlich. Sie könnte dann aufspringen und als Spielaufforderung mit geducktem Kopf und Vorderkörper vor ihnen herumtollen. Bei einem Esel hat sie dies schon einmal probiert und ist nur knapp seinen Hinterhufen entgangen. Fluchttiere kennen solche Gesten instinktiv von Wölfen, bevor sie zuspringen, und machen als Reaktion ihrem Namen unversehens Ehre. Ob die Reiter für eine solche Aktion fest genug im Sattel sitzen, wage ich zu bezweifeln und kläre sie daher raschestens über die wahre Intention meiner vierbeinigen Freundin auf.

Vor Kurzem gab es in Niederösterreich einen Zwischenfall mit Hunden und Pferden. Ein Mann wollte drei Pferde von der Koppel in den Stall führen, doch die Tiere scheuten, als sie freilaufende Hunde erblickten, und liefen davon. Rund einen Kilometer vom Stall entfernt bereitete ein heranbrausender Eisenbahnzug ihrer Flucht jedoch ein jähes Ende. Die Feuerwehr musste ihre Überreste mit einer Seilwinde bergen, und die Strecke war einige Zeit gesperrt. Menschen wurden bei dem Unfall zum Glück keine verletzt.