Ellen Spangenberg

Behutsame Trauma-Integration (TRIMB)

Belastende Erfahrungen lösen mit Atmung,
Bewegung und Imagination

Mit einem Vorwort von Luise Reddemann

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Impressum

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2015 by J. G. Cotta’ sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Jutta Herden, Stuttgart

Titelbild: Gartenmalerei (Detail) Fresko, Pompeji, Haus des

Goldenen Armreifs, 25 – 50 n. Chr.

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-89224-6

E-Book: ISBN 978-3-608-10791-3

E-Book PDF: ISBN 978-3-608-20269-4

Dieses E-Book entspricht der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

Vorwort von Luise Reddemann

Einleitung

1 Was ist TRIMB?

1.1 Herkunft und Entstehung der Methode

1.2 Elemente der Methode

1.3 Ablauf der Methode – Kurzbeschreibung

1.4 Erstes Fallbeispiel mit TRIMB

1.5 Mein eigener Weg zu TRIMB

1.6 Innehalten und die Atemtechnik üben

2 Anmerkungen zur Prozess-Arbeit im Allgemeinen

2.1 Was ist Prozess-Arbeit?

2.2 Hippocampus und Amygdala

2.3 Gesprächsführung, Rapport, Unterbrechen

2.4 Hypnotherapeutische Feinheiten

2.5 Therapeutische Geländerfunktion

2.6 Sitzordnung

2.7 Safety first

3 Schritt für Schritt – TRIMB im Detail

3.1 Auswahl der passenden Hot-spot-Situation

3.2 Distanzierung mit doppelter Rahmung

3.3 Im Lernfenster bleiben

3.4 Mit welchen Affekten wir arbeiten

3.5 Affekte skalieren

3.6 Affekte visualisieren

3.7 Affekte visuell durchtrennen

3.8 Variante: Transformation statt Durchtrennung

3.9 Variante: Ressourcen-Affekte entdecken und bewahren

3.10 Wie viele Affekte bearbeiten?

3.11 Klassische Verläufe der Entlastung

3.12 Affekte sortieren

3.13 Atemübung und Kopfbewegung durchführen

3.14 Veränderungen erfragen

3.15 Verbesserungen lokalisieren und verankern

3.16 Weiterer Durchgang oder Containment

3.17 Nachbesprechung und Nachbereitung

3.18 Wie oft sollte »getrimbt« werden?

3.19 Zusammenfassung

3.20 Innehalten: Psychohygiene-TRIMB für Leser und Leserinnen

4 Phasenadaptierte Einsatzmöglichkeiten von TRIMB

4.1 TRIMB zur Stabilisierung oder wenn Traumakonfrontation (noch) nicht möglich ist

4.1.1 Bewältigung von Alltagsstress

4.1.2 Triggerentlastung

4.1.3 TRIMB gegen Überflutung

4.1.4 Loslösungsprozesse

4.2 TRIMB zur Traumabearbeitung

4.2.1 TRIMB bei Monotrauma

4.2.2 TRIMB bei belastenden und traumatischen Verlusten

4.2.3 TRIMB bei bevorstehenden Situationen

4.2.4 TRIMB bei Komplex- und Bindungstraumatisierungen

4.2.5 TRIMB bei DIS

4.2.6 TRIMB bei Kindern und bei Menschen mit Lernschwierigkeiten

4.2.7 Wann ist Traumarekonstruktion doch noch sinnvoll?

4.3 TRIMB in der Integrationsphase

4.4 TRIMB auch ohne Trauma

4.5 TRIMB im Beratungssetting

4.6 TRIMB zur eigenen Psychohygiene

4.7 Innehalten und Abstand zu Klientinnen gewinnen

5 Voraussetzungen, Indikationen, Kontraindikationen, Grenzen und Vorteile der TRIMB-Anwendung

5.1 Voraussetzungen aufseiten der Therapeutin

5.2 Voraussetzungen aufseiten der Klienten

5.3 Indikationen, Kontraindikationen, Grenzen der Methode

5.4 Vorteile von TRIMB – und wodurch es so schonend ist

6 Einbettung von TRIMB in den Therapieverlauf

6.1 Arbeitsbündnis

6.2 Anamnese und Traumalandkarte

6.3 Psychoedukation und Aufklärung

6.4 Äußere Sicherheit und das leidige Thema Täterkontakt

6.5 Stabilisierende Imaginationsübungen

6.6 Tresor-Übung als Containment-Technik

6.7 Hilfen zur Reorientierung

6.8 Fingersignale

6.9 Einführung der TRIMB-Methode in die laufende Therapie

6.10 Bearbeitung von geringerem Stress und von traumatischem Stress

6.11 Selbständige Anwendung durch die Klienten

6.12 Innehalten: Lichtübung

7 Wirkfaktoren

8 Abwandlungen des Ursprungsprotokolls

9 Die Kontroversen in der Traumatherapie

9.1 Von der Anwendungsvielfalt zu neuen Grabenkämpfen

9.2 Über die Abschaffung der Stabilisierungsphase – Konfrontieren versus Stabilisieren

9.3 Traumakonfrontation versus Traumaentlastung

9.4 Über die Tendenz zu krassen und schnellen Methoden

9.5 Vollständige Traumrekonstruktion versus Hot-spot-Prinzip

9.6 Innehalten und Vorbilder würdigen

10 Therapeutische Haltung, Grundprinzipien und ethische Fragen

10.1 Fachliche Kompetenz und Selbsterfahrung

10.2 Respekt, Achtung, Validierung und Wertschätzung

10.3 Ressourcen- und Lösungsorientierung

10.4 Transparenz und Arbeit auf Augenhöhe

10.5 Ehrlichkeit und Echtheit

10.6 Empathie und Mitgefühl

10.7 Parteilichkeit

10.8 Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung

10.9 Vorsicht mit Deutungen

10.10 Ausbalancieren und Pendeln

10.11 Ausdauer, Humor, Hoffnung und Zuversicht

10.12 Genderaspekte

10.13 Abstinenz während und nach der Therapie

10.14 Selbstfürsorge, Psychohygiene und eigene Resilienz

10.15 Innehalten und eine Veränderung beschließen

Danksagung

Anhang

Literatur

Vorwort (Luise Reddemann)

Im Bereich der stationären Psychotherapie fanden sich schon in den 80er-Jahren viele Menschen, vor allem Frauen, die von anderen gequält, gedemütigt, als Kinder vernachlässigt – und Schlimmeres – wurden. Zu den Schreckenserfahrungen dieser PatientInnen gehörten neben der Gewalt Drohungen, die Kontrolle bestimmter Körperfunktionen, das Durchsetzen willkürlicher Regeln, eine nicht kalkulierbare Vergabe von Belohnungen, die Isolation des Opfers, das Erzwingen der Ausführung entwürdigender oder unmoralischer Aktivitäten. (Herman 2011, S.16)

An dieser Stelle hat die Ärztin und Psychotherapeutin Ingrid Olbricht mit ihrem Team in Bad Wildungen – ähnlich wie ich mit meinem Team in Bielefeld – darüber nachgedacht, was diese Gegebenheiten für eine stationäre Behandlung bedeuten können. Stationäre Einrichtungen können leicht zu etwas werden, was Goffman »totale Institution« nannte. Totale Institutionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Persönlichkeitsrechte einschränken und leicht in die Gefahr geraten, aufgrund institutioneller Gegebenheiten zu viel Kontrolle für zumutbar zu halten. Nur wenn man versteht, was Traumatisierungen durch nahestehende Menschen anrichten, und wie sie insbesondere ein Kind verändern oder an seiner gesunden Entwicklung hindern können, wird verständlich, warum die Forderung erhoben wurde, jede psychotherapeutische Intervention unter dem Gesichtspunkt der Traumaadaptation zu hinterfragen und entsprechend zu formulieren. (Reddemann und Fischer 2010)

Der entscheidende Punkt schien uns, zu erkennen, dass solche Menschen anderen nicht ohne Weiteres vertrauen können und dass das Konsequenzen für die Behandlung hat. Die PatientInnen schienen immer damit zu rechnen, wieder verraten und sogar gequält zu werden. Sie übertrugen unbewusst all ihre erschreckenden Erfahrungen mit für sie wichtigen Menschen auf neue Menschen in ihrem Leben, also auch auf alle, die therapeutisch mit ihnen zu tun hatten. Gleichzeitig hatten sie eine – bewusste oder unbewusste – Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit. Das war ein Dilemma, und wir waren herausgefordert, alles dafür zu tun, dass PatientInnen sich mit uns sicher fühlen konnten.

Aus diesen Erkenntnissen heraus entwickelte Ingrid Olbricht »TRIMB«. Ihre Überlegungen waren von Respekt für die Lösungen der Patientinnen getragen, für das, was schon da war und dieses durch behutsame Angebote zu ergänzen. Ellen Spangenberg, über lange Jahre Assistenzärztin an der Bad Wildunger Klinik, trägt diese Haltung weiter, und hat TRIMB entsprechend den Erkenntnissen der aktuellen Traumaforschung- und Therapie weiterentwickelt.

Was Menschen u. a. immer schon haben, ist, dass sie atmen (können). Der Atem wird in vielen Heiltraditionen genutzt, um erwünschte Veränderungen zu bewirken, so u. a. in ostasiatischen Traditionen oder auch in indianischen. Eine andere sehr alte Tradition, die z. B. auch im Qigong ihren Niederschlag fand, ist es, »Kümmernissen nachzublicken«, zu erkennen bzw. genauer zu erleben, dass sie bereits hinter einem liegen. Auch dieses uralte Wissen ist in TRIMB wieder aktiviert.

TRIMB ist natürlich noch mehr. Ellen Spangenberg zeigt auf, wie viele Facetten zur Stabilisierung und schonenden Traumabegegnung dieser Ansatz bietet, und wie er in der Praxis umgesetzt werden kann. So hatte Ingrid Olbricht schon Ende der 90er-Jahre und somit in einer Zeit, in der sich andere PsychotherapeutInnen immer noch kaum um traumatisierte PatientInnen kümmerten, die Idee, dass sich mit Triggerbearbeitung eine ähnlich gute Symptomreduktion erreichen lässt wie mit konfrontativer Traumabearbeitung, was sich dann in zahlreichen Therapieverläufen bestätigte. Somit wurde die Indikation der TRIMB-Anwendung auf die Bearbeitung von Triggersituationen ausgeweitet.

Aufgrund langjähriger klinischer Erfahrung stellt Ellen Spangenberg die Frage, ob das Paradigma, nur Traumaexposition bringe dauerhafte Entlastung, weiterhin apodiktisch vertreten werden sollte. Zumindest beschäftigt genau diese Frage viele Klinikerinnen und Kliniker, die immer wieder erleben müssen, dass die derzeit »hoch gehandelten« Empfehlungen an Grenzen stoßen und man damit vielen PatientInnen nicht ausreichend oder gar nicht helfen kann.

Das Buch von Ellen Spangenberg erklärt nicht nur sehr genau den TRIMB-Ansatz, sondern es ist eine Fundgrube für alle, die in der Praxis täglich vor neue Fragen gestellt sind, wie man unter Berücksichtigung der Würde einer Patientin und des Respekts vor ihren eigenen Lösungen, schonend behandeln kann.

Ich wünsche diesem Buch viele LeserInnen und viele, die das profunde Wissen von Ellen Spangenberg in ihrer eigenen Praxis umsetzen.

Einleitung

Wofür noch eine weitere Methode in der Traumatherapie? Das ist eine berechtigte Frage, da fortwährend neue Methoden entwickelt und vermittelt werden. Dabei wird so manches als Wundermittel »verkauft«, was zu Recht Skepsis auslöst. Auch Absolutheitsansprüche, nur diese spezifische Methode bringe den ultimativen Erfolg unter gleichzeitiger Abwertung anderer Ansätze, halte ich für bedenklich.

Doch nicht alle Klientinnen1 kommen mit der gleichen Methode auch gleich gut zurecht. Daher macht es Sinn, den eigenen Handwerkskoffer mit unterschiedlichsten Methoden anzufüllen, um klientenzentriert arbeiten zu können. Dabei sehe ich Traumatherapie als Baukasten, in den neue und andersfarbige Bausteine integriert werden können, wodurch sich das Repertoire ständig erweitert. Hierfür besonders geeignet sind übersichtliche Bausteine, die kompatibel sind mit eigenen Haltungen und Arbeitsweisen und für die kein schulenspezifisches Glaubensbekenntnis abgegeben werden muss.

TRIMB wurde entwickelt für komplex traumatisierte Klientinnen, die für klassische Traumakonfrontation nicht stabil genug sind und vielleicht auch nicht werden können, die mit weiterer Stabilisierung aber in ihrem Heilungsprozess nicht mehr vorankommen. Damit füllt die Methode eine Lücke, indem Prozessarbeit an Traumamaterial und Triggern auf besonders behutsame Weise und daher deutlich früher möglich wird. Die TRIMB-Methode führt nicht in das trauma-assoziierte Erleben hinein und hindurch, stattdessen wird nach vorsichtiger Tuchfühlung mit Traumamaterial dieses kreativ und lösungsorientiert »entgiftet«, wobei Selbstwirksamkeitserleben generiert wird – das Antidot zu traumatischen Erfahrungen schlechthin. Diese Arbeit ist auch bei geringerer Stabilität und somit bereits in der Stabilisierungsphase einsetzbar. Bei vielen Klienten ist danach keine klassische, aufwendigere und belastendere Traumakonfrontation mehr erforderlich.

Zudem muss mit der TRIMB-Methode eine einzelne Traumasituation nicht vollständig durchgearbeitet werden, sondern entlang des Hot-spot-Prinzips werden besonders heiße Stellen entschärft. In der Regel kühlt sich die Umgebung im Sinne eines Generalisierungseffektes mit ab, sodass durch Bearbeitung weniger hot spots das gesamte Trauma integriert werden kann, was den Prozess wesentlich abkürzt und erleichtert. Hierbei machen wir uns den Netzwerkcharakter von Erleben und Erinnerung zunutze, indem nicht mehr jede Faser oder jeder Knotenpunkt einzeln berührt werden muss, damit das Netzwerk in Schwingung gerät. Auch Entlastungserfahrungen werden in das zuvor traumatisch aufgeladene Netzwerk eingespeist und breiten sich aus, sodass die Entlastung generalisieren kann.

Begrifflich möchte ich diesen behutsameren Ansatz, der nicht mehr durch das Trauma hindurchführt, von klassischer Traumakonfrontation, Traumaexposition bzw. Traumarekonstruktion abgrenzen und neu fassen, daher verwende ich im Folgenden hierfür die Begriffe Traumaentgiftung bzw. Traumaentlastung.

Bei allen Kontroversen in der Traumatherapie, auf die ich im Kapitel 9 eingehe, gibt es weite Einigkeit darüber, dass die Therapie der Wahl bei Traumafolgestörungen nach Monotrauma die Traumakonfrontation ist. Dem stimme ich zu, auch hier würde ich jedoch zunächst mit weniger belastenden Ansätzen wie z. B. der TRIMB-Methode beginnen und erst im zweiten Schritt, falls das nicht ausreichen sollte, rekonstruierende Methoden anwenden.

Ein zusätzlicher Ansatz der TRIMB-Methode besteht darin, dass destruktive Bindungen (an Täter) gelockert und sogar gelöst werden können, sofern Klienten hierzu motiviert sind. Auch für die eigene Psychohygiene kann TRIMB gut genutzt werden. Bisher wurde die Methode noch nicht wissenschaftlich untersucht, daher kann ich Ihnen hierzu keine Studienergebnisse präsentieren. Stattdessen finden Sie einen fundierten Bericht aus der Praxis mit zahlreichen und sehr unterschiedlichen Fallbeispielen, die in theoretische Überlegungen eingebettet sind. Dabei gehe ich auf viele pragmatische Anwendungsaspekte ein.

Allerdings reicht das Lesen dieses Buches nicht aus, um danach mit der Methode kompetent in der Praxis arbeiten zu können. Ich finde hierzu (die Erotik ausklammernd) den Vergleich mit Tangotanzen passend: Das können wir auch nicht lernen, indem wir Bücher lesen und beim Tanzen zuschauen; sondern wir müssen üben, ausprobieren, Tipps bekommen und die körperliche Erfahrung machen, wie schnell wir einer anderen Person auf die Füße treten, um aus Fehlern lernen zu können. Daher lässt sich eine Prozessmethode nur in Fortbildungen so vermitteln, dass sie danach angewendet werden kann. Das Buch ist eher zum Nachlesen gedacht, wenn bereits eine Fortbildung besucht wurde. Da sich gezeigt hat, dass trotz dieser Ausführungen nicht wenige Kolleginnen bereits während oder nach der Buchlektüre mit der Anwendung von TRIMB beginnen, wobei sich nicht selten (gravierende) Fehler eingeschlichen haben, sehen wir uns veranlasst, hierauf noch deutlich sichtbarer hinzuweisen.

Neben Methodensicherheit sind in der Arbeit mit traumatisierten Menschen selbstredend Grundkenntnisse der Psychotraumatologie sowie der Stabilisierungsarbeit vorauszusetzen, die in diesem Buch nicht vermittelt werden können. Hier finden Sie jeweils Verweise auf die Fachliteratur. Auch auf Grenzen der Methode und prinzipielle Kontraindikationen für Traumabearbeitung, z. B. bei noch bestehendem Täterkontakt, gehe ich ein.

Neben der Methode selbst und deren Anwendung ist mir wichtig, eine Haltung einzubeziehen, die von Respekt, Wertschätzung, Achtung und Selbstfürsorge geprägt ist. Sie fließt überall mit ein, doch war es mir ein eigenes Kapitel (Kapitel 10) wert, auf einige Aspekte detaillierter einzugehen.

Damit Selbstfürsorge auch für die TherapeutInnen nicht zu kurz kommt, habe ich am Ende der größeren Kapitel Übungen eingefügt, die Sie für sich nutzen können, um innezuhalten und sich selbst etwas Gutes zu tun.

Ich habe mich sehr darum bemüht, Ideen, Gedanken und Konzepte jeweils den UrheberInnen korrekt zuzuordnen, was nicht immer einfach ist, weil vieles aufgegriffen und weiterentwickelt wird und ich auch bei eigenen Gedanken und Ideen nicht immer im Detail rekonstruieren konnte, durch wen sie inspiriert wurden. Ich bitte daher um Verständnis, falls die eine oder andere Quelle nicht genannt wird, und bin dankbar für diesbezügliche Hinweise.

Bitte beachten Sie, dass das alleinige Lesen des Buches weder dazu befähigt noch dazu berechtigt, die TRIMB-Methode bei Klientinnen anzuwenden. Hierfür ist zuvor der Besuch einer Fortbildung erforderlich, in der die Anwendung vermittelt und eingeübt wird. Für negative Folgen, die sich aus einer unsachgemäßen Anwendung der TRIMB-Methode ergeben, übernehmen die Autorin und der Verlag keinerlei Haftung.

1 Was ist TRIMB?

Neue Wege entstehen beim Gehen.

TRIMB bedeutet Trauma Rekapitulation with Imagination, Motion and Breath und wurde in den 1990er-Jahren von Ingrid Olbricht entwickelt. Sie hat dafür eine tradierte spezifische Atemtechnik aus einem mittelamerikanischen indigenen Kulturkreis um Imagination und weitere Elemente ergänzt und zu TRIMB weiterentwickelt. Dabei war ihr besonders wichtig, dies den Bedürfnissen komplex traumatisierter Klientinnen anzupassen und eine besonders behutsame Methode zu kreieren, sodass auch früh und strukturell »gestörte« Menschen davon gut profitieren können.

Im Laufe der letzten Jahre und meiner Vermittlung der Methode an zahlreiche KollegInnen habe ich die Methode fortwährend weiterentwickelt, sodass Sie mit diesem Buch den aktuellen Stand der TRIMB-Anwendung vor sich haben. Hierbei sind nicht nur die vielfältigen Erfahrungen von mir und meinen KlientInnen eingeflossen, sondern auch Erfahrungen und Fragen unzähliger KollegInnen und deren KlientInnen, bei allen möchte ich mich hiermit bedanken.

1.1 Herkunft und Entstehung der Methode

Ingrid Olbricht hat als Chefärztin in der Wicker-Klinik in Bad Wildungen über Jahrzehnte hinweg äußerst engagiert für und mit komplex traumatisierten Klientinnen gearbeitet. Dabei war sie immer auf der Suche nach neuen, kreativen, wirksamen und möglichst wenig belastenden Methoden der Traumabewältigung. Sie hat zahlreiche Ansätze entwickelt und zum Teil auch veröffentlicht. Die TRIMB-Methode ist nur ein Baustein dieser vielfältigen Konzepte. Viele ihrer klugen Ideen und Sichtweisen hat sie in ihrem letzten Buch »Wege aus der Angst« veröffentlicht, das 2004 in ihrem Todesjahr erschienen ist.

Die Anregung für TRIMB hat Ingrid Olbricht in dem Buch »Die Zauberin« von Taisha Abelar gefunden, in der eine spezifische Art zu atmen als »Fege-Atem« bezeichnet wird, weil es darum geht, belastende Erinnerungen mit der Atmung und einer simultanen Kopfbewegung quasi »sauber zu fegen«. In diesem Buch wird der spirituelle Weg einer Frau nachgezeichnet, die von einer Lehrerin in sogenanntes toltekisches, d. h. indigenes, schamanisches (Geheim-)Wissen eingeführt wird. Dabei lernt sie das Rekapitulieren mittels dieses »Fege-Atems«. Es folgen Zitate der Autorin, in denen die Atemtechnik ausführlicher beschrieben wird:

»Geduldig erklärte sie (die Lehrerin, E. S.), die Rekapitulation sei das Zurückrufen der Energie, die wir durch unser bisheriges Handeln bereits verausgabt haben. Zur Rekapitulation, sagte sie, gehöre das Erinnern aller Menschen, denen wir je begegnet sind, aller Orte, an denen wir je gewesen sind, aller Gefühle, die wir je gehabt haben; von der Gegenwart geht man zurück bis zu den allerersten Erinnerungen, dann werden sie eine nach der anderen mit dem ›fegenden Atem‹ sauber gefegt.

Ich hörte ihr wie gebannt zu, wenn ich mir auch nicht verhehlen konnte, daß ihre Worte mir völlig unsinnig erschienen. Aber bevor ich irgend etwas sagen konnte, nahm sie mein Kinn fest in die Hand und sagte, während sie mir den Kopf nach links drehte, ich solle durch die Nase einatmen, und dann, als sie ihn nach rechts drehte, wieder ausatmen. Danach mußte ich meinen Kopf in einer durchgehenden Bewegung nach links und nach rechts wenden, ohne dabei zu atmen. Sie sagte, das sei eine geheimnisvolle Art des Atmens und der Schlüssel zur Rekapitulation, denn das Einatmen erlaube uns, verlorene Energien zurückzurufen, während wir mit dem Ausatmen fremde und ungute Energien loswerden, die sich durch den Austausch mit andern in uns angesammelt haben.«

»Versuchen Sie beim Rekapitulieren lange dehnbare Fasern zu empfinden, die von Ihrer Körpermitte ausgehen. … Sie sind die Leitungen, durch die die Energie, die Sie überall gelassen haben, zu Ihnen zurückfließt.«

Diese Grundidee des Fege-Atems hat Ingrid Olbricht in den 1990er- Jahren weiterentwickelt zu TRIMB, indem sie eine Phase der Affektdifferenzierung hinzugefügt, die Imagination der Verbindungsfasern ausgebaut sowie die Atemübung um eine tiefe Ausatmungsphase ergänzt hat. Dabei wurde der von Abelar formulierte Anspruch, alle je erlebten Menschen, Orte und Gefühle zu rekapitulieren, auf ein psychotherapeutisch verträgliches und sinnvolles Maß reduziert. Hier ein Auszug aus ihrem Buch »Wege aus der Angst« zur TRIMB-Methode (Olbricht, 2004):

»Eine weitere wirksame Methode habe ich selbst entwickelt und in den Therapieablauf integriert. Sie stammt ursprünglich von den mittelamerikanischen Indianern, die damit kollektive Traumen wie Hungersnöte oder kriegerische Auseinandersetzungen emotional bewältigten, um handlungsfähig zu bleiben …

Sie bezieht Imagination, Bewegung im Sinne einer Lateralisation und den Atem ein, deshalb habe ich sie TRIMB® genannt. Die Methode ist schonend, da eine Traumaexposition nicht erforderlich ist. Sie kann mit jedem ›Gegenüber‹ durchgeführt werden, also mit einem Täter, mit der Traumasituation, bei sekundären Traumatisierungen, mit Triggern, Suchtmitteln*, Erkrankungen*, Symptomen*, Erschöpfung*, Ängsten* oder Suizidalität*2. Außerdem kann sie im Alltag selbständig eingesetzt werden und ist jederzeit verfügbar, sie fördert damit die Autonomie des Handelns und wirkt Abhängigkeiten, auch in der Therapie, entgegen, sodass die persönliche Effektivität in der Bewältigung von äußeren belastenden Situationen gesteigert wird. Dies ist für die Entwicklung der Kontroll- und Handlungsfähigkeit sowie für das Selbstwertgefühl ganz direkt hilfreich. Aber auch eigene innere Belastungen und Kontrollverluste, etwa durch Trigger, können leichter bewältigt werden. Die Methode ist auch insofern schonend, als sie nur ein sensorisches Merkmal benötigt, etwa ein Bild, ein Geräusch, einen Geruch, ein Körpergefühl. Es ist also nicht erforderlich, sich vor der Übung an das Trauma zu erinnern und es zu rekonstruieren, denn nach der Übung kann meist die Erinnerung mit weniger belastenden und moderateren Affekten geschildert werden, wie dies bei Erinnerungen aus dem biografischen Kontext üblich ist. In jedem Fall wird dadurch das gerade für Traumatisierte entscheidende lebenswichtige Gefühl für Kontrolle, Selbststeuerung und damit Autonomie gefördert und verstärkt.«

Vielleicht ist Ihnen das Patentzeichen ® aufgefallen, mit dem die Methode gekennzeichnet ist. Ich finde es wichtig, diese Patentierung zu kommentieren, da die Grundidee zu TRIMB aus einem indigenen Kulturkreis stammt und wir in einem Zeitalter leben, in dem große Konzerne sich tradiertes Heilwissen »aneignen«, um es anschließend mit großem Profit zu vermarkten. Ingrid Olbricht hatte für diese Patentierung keinerlei kommerzielle Interessen. Ihr ging es darum, die Methode und deren Namen zu schützen, um Missbrauch vorzubeugen und sicherzustellen, dass die Arbeit mit TRIMB in ihrem Sinne und mit Achtung und Respekt vor traumatisierten Menschen weitergeführt wird, wobei ihr Frauenaspekte besonders am Herzen lagen. Nach ihrem Tod bin ich von einer ihrer engeren Freundinnen angefragt worden, ob ich die Methode weiterführen möchte, was ich mit großer Freude und Dankbarkeit aufgegriffen habe. Ihre Familie hat mich seither autorisiert, die Methode weiter zu verbreiten und damit auch das Erbe von Ingrid Olbricht lebendig zu halten.

1.2 Elemente der Methode

Der von Ingrid Olbricht festgelegte Name der TRIMB-Methode, der übrigens nicht englisch, sondern deutsch ausgesprochen wird, setzt sich zusammen aus fünf Buchstaben mit den folgenden Bedeutungen: T steht für Trauma, R steht für Rekapitulation – hier könnten wir heute auch von Reprocessing sprechen –, I steht für Imagination, M für Motion, d. h. Bewegung, womit eine lateralisierende Kopfbewegung gemeint ist, B steht für Breath, d. h. Atmung. Bei TRIMB handelt es sich zusammengefasst also um eine Methode der Traumabearbeitung, für die Imagination, Bewegung und Atmung genutzt werden.

T   Trauma

R   Rekapitulation with

I     Imagination

M  Motion and

B   Breath

Das Prinzip von TRIMB besteht darin, die zu einer belastenden Situation gehörenden Gefühle zunächst zu identifizieren und dann zu visualisieren, als ob es sich hierbei um eine Verbindung – quasi eine Gefühlsverbindung – handelt. Danach wird diese visualisierte Verbindung mit einem geeigneten imaginativen Hilfsmittel durchtrennt, wobei der Kreativität keinerlei Grenzen gesetzt sind. Dieser Prozess wird für alle belastenden in der Arbeit auftauchenden Emotionen durchlaufen. Erst danach folgt als Abschluss die zuvor eingeübte Kopfbewegung, die mit der beschriebenen Atemtechnik einhergeht. Bei dieser abschließenden Atemübung wird die Durchtrennung der Gefühle auf Körperebene bekräftigt und damit die Integration des Prozesses ganzheitlich abgeschlossen.

1.3 Ablauf der Methode – Kurzbeschreibung

Zunächst wird mit der Klientin festgelegt, welche Situation bearbeitet werden soll. Aus dieser Situation wird ein Standbild bestimmt, das besonders belastend ist und somit entsprechendes Entlastungspotential enthält, ein sogenannter hot spot3. Bevor wir dann mit der eigentlichen Prozessarbeit beginnen, wird das Bild noch einmal zur Seite gelegt und zunächst mit einer Distanzierungstechnik für möglichst viel Kontrolle aufseiten der Klientin gesorgt. Ich verwende hierfür gerne eine doppelte Distanzierungstechnik, die ich auch für die Tresor-Übung (s. Kap. 6.6) nutze, mit der die Klientin sich zunächst eine leere Leinwand und dann auf dieser Leinwand einen leeren Rahmen vorstellt. Dieser leere Rahmen wird weit genug verkleinert, sodass das Betrachten des Bildes keine Überflutungsreaktion auslösen kann. Erst dann wird in diesen Rahmen das zuvor definierte Bild hineinprojiziert.

002.eps

Die Klientin wird nun eingeladen, das Gefühl wahrzunehmen und zu benennen, das in diesem Moment auftaucht, wenn sie aus dem Abstand heraus auf das verkleinerte Bild im Rahmen schaut. Dieses Gefühl wird auf einer Skala von 0  10 (analog zum SUD4 im EMDR5) skaliert, danach kann die Klientin aus dem Erleben des Gefühls wieder aussteigen. Es folgt ein Ebenenwechsel, indem sich die Klientin das Gefühl nun imaginativ vorstellt, als wäre es eine Verbindung zwischen ihr selbst und dem verkleinerten Bild auf der Leinwand, z. B. ein Seil, ein Kabel, ein Rohr o. ä. Dann wird die Klientin aufgefordert, dieses Gefühl imaginativ zu durchtrennen. Hierfür kann ein Werkzeug oder ein magisches Hilfsmittel genutzt werden. Manchmal sind Fantasie-Hilfsgestalten zur Unterstützung sinnvoll. Die Klientin stellt sich die Durchtrennung bildlich vor. Falls das angenehme Empfindungen auslöst, sollte diesen etwas Zeit und Raum gegeben werden. Damit ist das erste »Gefühlskapitel« für diesen hot spot abgeschlossen. Die Klientin atmet einmal tief durch (Atempause), bevor mit dem zweiten Gefühl auf gleiche Weise weitergearbeitet wird.

Wenn alle belastenden bzw. relevanten Gefühle (max. sechs Affekte pro Durchgang) auf diese Weise imaginativ bearbeitet sind, ist die Phase der Affektdifferenzierung abgeschlossen. Nun erfolgt der Übergang zur Atemübung. Diese wurde mit den Klienten bereits vorbesprochen und eingeübt, als die Methode in die Therapie eingeführt wurde.

Im Folgenden beschreibe ich die TRIMB-Atemtechnik genauer, die sich etwas von dem durch Abelar beschriebenen Fege-Atem unterscheidet. Auch ist es nicht erforderlich, durch die Nase ein- und durch den Mund auszuatmen. Das können Klienten so handhaben, wie sie sich mit der Atmung am wohlsten fühlen. Alle Schritte der Atemübung werden von der Therapeutin verbal angeleitet.

TRIMB-Atemübung

Zum Einstieg nimmt die Klientin im Sitzen eine bequeme Körperhaltung ein, beide Füße sollten möglichst Bodenkontakt haben, die Augen können offen bleiben oder geschlossen werden. Zunächst zentriert sich die Klientin mit einem tiefen Atemzug, während der Kopf in der Mitte ruht.

Dann dreht sie den Kopf zur linken Schulter und atmet dabei langsam und tief ein. Hierbei ist die Vorstellung, dass sie sich mit dem Einatmen die geklärte und gereinigte Kraft bzw. Lebensenergie aus den visualisierten Gefühlsverbindungen zurückholt und mit dem eigenen Atem aufnimmt. Sie atmet einmal für alle Gefühle gleichzeitig ein.

In maximaler Einatmung wird dann mit angehaltenem Atem der Kopf zur rechten Schulter gewendet. Hierbei wird in der Vorstellung die »recycelte« und wieder aufgenommene Energie behalten, die unangenehme Gefühlsqualität der einzelnen zuvor belastenden Gefühle jedoch sehr langsam ausgeatmet, so als würde der »Restmüll« entsorgt. Mit dem Kopf auf der rechten Seite bleibt die Klientin so lange in der tiefen Ausatmung, wie es sich angenehm anfühlt. Hierbei sollen weder Angst noch Luftnot entstehen. Wenn der Impuls, wieder zu atmen, stärker wird, dann folgt die Durchtrennungsbewegung.

Diese wird ausgeführt, indem der Kopf in rascher, fließender Bewegung zunächst zur linken Schulter, dann zur rechten Schulter und schließlich zurück in die Mitte gedreht wird. Hierbei wird nicht geatmet. Wenn der Kopf in der Mitte wieder ankommt, wird tief durchgeatmet, was sich in der Regel erleichternd anfühlt.

Die Klientin wird nun gefragt, ob sich in ihrer Wahrnehmung etwas verändert hat. Meistens, allerdings nicht immer, wird berichtet, dass sich etwas leichter oder freier anfühlt, wärmer, entspannter etc. Wenn diese Empfindung angenehm ist – im Zweifelsfall nachfragen –, lasse ich die Klientin nachspüren, wo sich das im Körper am deutlichsten zeigt. Dann kann sie das angenehme Gefühl und das angenehme Körperempfinden mittels Tapping6 verankern, indem sie sich mit den Händen liebevoll und langsam abwechselnd rechts und links auf die Schultern oder Beine klopft, etwa 20 Mal.

Da das Ausgangsbild nicht selten durch die Arbeit deutlich kleiner oder blasser geworden, bisweilen ganz verschwunden und oft auch die Leinwand nicht mehr zu sehen ist, bestehe ich nicht darauf, sich das Bild noch einmal anzusehen und damit zu prüfen, ob die Veränderung stabil bleibt. Eher frage ich danach, wie stark die Belastung noch ist, wenn die Klientin jetzt an die bearbeitete Situation denkt. Auch lasse ich sie noch einmal bewusst wahrnehmen, dass jetzt wieder nur die Wand zu sehen ist, wo zuvor die Leinwand projiziert worden war.

Meist ist die Arbeit damit abgeschlossen. Falls noch weitere Gefühle auftauchen bzw. sich ankündigen, könnte bei noch vorhandener Zeit ein weiterer Durchgang durchgeführt werden. Falls die Zeit dafür nicht ausreicht oder es der Klientin für dieses Mal zu viel wäre, kann das Ausgangsbild mit allen daran gekoppelten Gefühlen im Tresor aufbewahrt werden, bis es bei der nächsten Gelegenheit weiter bearbeitet werden kann.

1.4 Erstes Fallbeispiel mit TRIMB

Damit es für Sie anschaulicher wird, schildere ich nun ein ausführliches Fallbeispiel, ohne an dieser Stelle auf den gesamten Therapieprozess einzugehen. Wie die Methode in die Behandlungsplanung einbezogen wird, welche Voraussetzungen für die Anwendung bestehen und wie Klientinnen herangeführt werden können, werde ich an anderer Stelle erläutern.

Sexuelle Übergriffe durch den Bruder

Frau L.7 kam im Alter von 42 Jahren zur Therapie wegen einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auf dem Boden kindlicher Traumatisierungen. Sie hatte vom fünften bis zum zehnten. Lebensjahr sexualisierte Übergriffe durch ihren Bruder (zehn Jahre älter) erlebt, die endeten, als der Bruder aus dem Elternhaus auszog. Die Mutter reagierte bagatellisierend, als sie im Alter von sieben bis acht Jahren versucht hatte, sich ihr anzuvertrauen. Immer wieder tauchten flashbackartige Erinnerungsbilder auf, in denen die Klientin sich in ihr damaliges Kinderzimmer zurückversetzt fühlte, in dem die Übergriffe stattgefunden hatten. Sie kannte bereits die TRIMB-Methode, sodass wir vereinbarten, in der nächsten Stunde die auftauchenden Bilder zu bearbeiten.

Wir einigten uns zunächst auf den zu bearbeitenden hot spot. Frau L. entschied sich für den Moment, in dem der Bruder ihr Kinderzimmer betrat und sich ihr mit einer Drohgebärde näherte. Da sich diese Szene zahlreiche Male ähnlich wiederholt hatte, konnten wir von einer sequenziellen Traumatisierung ausgehen und auch davon, dass mit einer einmaligen Bearbeitung ähnliche Szenen im Sinne einer Generalisierung mit erfasst und integriert werden, sodass nicht jede einzelne Szene einzeln bearbeitet werden musste.

Bevor wir weiterarbeiteten, nahm Frau L. selbständig den Igelball von meinem Tisch in die Hand, den sie schon kannte, um sich damit sicherer zu fühlen.

Dann suchte sie sich im Raum eine Projektionsfläche für die Leinwand, und wir veränderten leicht die Sitzordnung, indem sie ihren Sessel etwas verschob und ich hinterherrückte, damit ich sie weiterhin gut im Blick hatte. Sie stellte sich dann mithilfe meiner Anleitung eine leere Leinwand vor. Da ihr dies mit offenen Augen schwerfiel, schloss sie die Augen. Ich erinnerte sie daran, dass sie die Augen jederzeit öffnen könne, ich sie vielleicht auch während der Arbeit dazu auffordern würde und dass wir jederzeit im Gesprächskontakt bleiben. »Dann stellen Sie sich jetzt bitte auf der leeren Leinwand einen leeren Rahmen vor und sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie den Rahmen sehen können.« Frau L. nickte. »Welche Farbe hat der Rahmen?« – »Naturfarben, der Rahmen ist aus Holz.« – »Ist der Rahmen schlicht oder verziert?« – »Ganz schlicht.« – »Welches Format hat der Rahmen?« – »Rechteckig.« – »Hochformat oder Querformat?« – »Im Querformat.« – »Wie groß ist der Rahmen jetzt?« – »So etwa 1 m × 1,50 m.« – »Das ist noch sehr groß. Und ich bitte Sie, den Rahmen deutlich zu verkleinern.« Frau L. konzentrierte sich sichtlich darauf und nickte dann. »Wie groß ist der Rahmen jetzt?« – »30 × 40 cm.« – »Das erscheint mir immer noch recht groß. Für die Bearbeitung reicht es aus, wenn Sie ihn noch weiter verkleinern.« – »Ja, … Jetzt ist er so groß wie eine Postkarte.« – »Noch im Querformat?« – »Ja.« – »Ist die Größe für Sie jetzt so in Ordnung?« – »Ja.« – »Gut, dann fixieren Sie den leeren Rahmen jetzt in dieser Verkleinerung.« Frau L. wartete einen Moment und nickte dann.

»Dann projizieren Sie jetzt bitte das Bild in den verkleinerten Rahmen hinein und sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie das Bild sehen können.« – »Ja.« Frau L. wirkte etwas aufgeregt und bekam rote Flecken im Gesicht, sodass ich sie bat, kurz die Augen zu öffnen und zu mir zu schauen. Dann erinnerte ich sie daran, dass wir in meinem sicheren Therapieraum waren und es sich um ein Bild aus der Vergangenheit handelte. Sie nickte. »Wie viele Jahre ist das her? Rechnen Sie das bitte mal aus.« Sie rechnete, »… 35 Jahre ist das her.« – »Eine lange Zeit. Was ist seitdem Gutes in Ihrem Leben passiert? Sagen Sie mir bitte zwei oder drei wichtige Ereignisse.« Zuerst schaute sie überrascht, dann lächelte sie, »ich habe meine Abschlussprüfung bestanden, … ich habe meinen Mann kennengelernt, … wir haben uns vor drei Jahren ein Haus gekauft.« Sie wirkte sichtlich entlastet. »Nachdem Sie jetzt wieder Kontakt zu Ihren Ressourcen haben, können wir uns dann wieder dem Bild auf der Leinwand zuwenden?« – »Ja«, sie nickte und schaute wieder auf die Leinwand. »Können Sie gleichzeitig noch den Igelball wahrnehmen?« Sie bewegte die Hände und nickte.

»Gut, dann schauen Sie bitte aus dem Abstand heraus auf dieses alte Bild und nehmen Sie wahr, welches Gefühl jetzt bei Ihnen auftaucht.« – »Angst.« – »Es reicht, nur kurz in die Angst hineinzuspüren, so als ob Sie einmal die große Zehe hineintauchen. Auf einer Skala von 0  10, 10 ist Maximum, wie stark ist dann die Angst?« Sie überlegte »bei 8.« – »Gut, dann nehmen Sie die große Zehe wieder heraus aus dem Gefühlserleben, vielleicht wackeln Sie mal mit den Zehen oder bewegen Sie Ihren Körper. Das hilft gegen die Starre, die manchmal kommt, wenn wir alte Bilder anschauen.« Frau L. bewegte Füße und Schultern und wirkte deutlich weniger angespannt als noch kurz zuvor. »Der nächste Schritt ist jetzt, sich das Gefühl der Angst vorzustellen, als wäre es eine Verbindung zwischen Ihnen und dem Bild auf der Leinwand. Wie sieht Ihre Gefühlsverbindung für die Angst aus?« Frau L. brauchte einen Moment: »Ich sehe eine rote Wäscheleine.« – »Welchen Durchmesser hat diese Wäscheleine?« – »Sie ist dicker, als sonst Wäscheleinen sind, vielleicht so breit.« Sie zeigte mit den Fingern etwa 2  3 cm. »Hat die Wäscheleine auch einen Kern aus Metall, wie das manchmal bei Wäscheleinen ist?« – »Ja, genau. Die ist stabiler, als man erst mal so denkt.« – »O. k., wie wollen Sie die Wäscheleine in Ihrer Vorstellung durchtrennen? – Sie können dafür Werkzeug, aber auch magische Mittel nutzen.« Sie überlegte etwas, dann sagte sie: »Ich nehme einen großen Bolzenschneider.« – »Machen Sie das selbst?« – »Ja.« – »Dann durchtrennen Sie jetzt bitte die Verbindung.« Sie konzentrierte sich und lächelte dann. »Ist die Verbindung durchtrennt?« Sie nickte. »Braucht es noch eine Ergänzung, oder ist es so für Sie stimmig?« – »So ist es gut.«

»Dann atmen Sie einmal tief durch – ein großes Kapitel haben Sie jetzt schon geschafft.« Sie atmete tief durch, öffnete die Augen und schaute mich mit klarem Blick an.

»Können Sie weitermachen?« – »Ja, das geht.« – »Dann schauen Sie bitte wieder aus dem Abstand heraus auf das alte Bild. Welches weitere wichtige Gefühl taucht dann auf?« Sie zögerte und wirkte wieder recht aufgeregt. »Ich – ich kann nichts tun …« – »Ist das ein Gefühl von Ohnmacht?« – »Ja, genau.« Sie nickte heftig, schien sich gut wahrgenommen zu fühlen, ihre Aufregung legte sich dadurch etwas. »Und auch jetzt wieder nur mit der großen Zehe hineinspüren: wie intensiv ist das Gefühl der Ohnmacht?« Sehr schnell und spontan die Antwort: »10!« »O. k., dann nehmen Sie jetzt bitte wieder die Zehe heraus und wackeln Sie ein bisschen mit den Füßen … Können Sie den Igelball spüren?« Sie bewegte sich und nickte. »Dann stellen Sie sich auch das Gefühl der Ohnmacht wieder vor, als wäre es eine Verbindung zwischen Ihnen und dem Bild auf der Leinwand. Wie sieht diese Verbindung aus?« Sie zögerte etwas. »Ich sehe nur eine Farbe, da ist was Schwarzes.« – »Hat das Schwarze eine Kontur oder Form?« Sie konzentrierte sich, »… es ist wie ein schwarzer Baumstamm, der auf mich zeigt.« – »Welchen Durchmesser hat der Baumstamm?« Sie zeigte mit den Armen etwa 50 cm. »Zeigt das dickere Ende des Stammes auf Sie oder von Ihnen weg?« – »Der dünnere Teil zeigt auf mich.« – »Ist das ein glatter Stamm, oder sind da auch noch Äste an dem Stamm?« – »Die Äste sind abgebrochen, man sieht nur noch die Stummel.« – »O. k., und wie wollen Sie den Baumstamm jetzt in Ihrer Vorstellung durchtrennen?« – »… Mit einer Motorsäge.« – »Kennen Sie sich aus mit Motorsägen?« – »Nein, nicht wirklich.« – »Wollen Sie das dann selbst machen, oder soll eine Fantasie-Hilfsgestalt das für Sie erledigen?« – »… Ich möchte das lieber selbst machen, aber vielleicht kann mir jemand dabei helfen, der sich besser damit auskennt.« – »Der Sie z. B. anleiten kann?« – »Ja, genau.« – »Dann bitten Sie doch jetzt eine Innere Helferin oder einen Inneren Helfer herbei, der sich mit Motorsägen auskennt.« … Sie lächelte, »da kommt jetzt so ein Waldarbeiter vorbei in einer grünen Uniform, der eine Motorsäge mitbringt und mir zeigt, wie ich sie bedienen soll.« – »Brauchen Sie auch Schutzkleidung, z. B. eine Schnittschutzhose?« – »Ja, das wäre besser.« – »Dann stellen Sie sich bitte vor, dass Sie die Schutzkleidung jetzt tragen.« Sie nickte. »Braucht es noch mehr Vorbereitung?« – »Nein, aber es ist wichtig, dass der Waldarbeiter neben mir steht.« – »Gut, dann stellen Sie sich jetzt vor, wie Sie den Baumstamm durchsägen.« Sie konzentrierte sich, hielt dabei die Luft an und atmete schließlich tief durch. »Ist der Baumstamm jetzt durchtrennt?« – »Ja, und das hat richtig Spaß gemacht.« Sie öffnete die Augen und schmunzelte mir zu. Ich lächelte zurück, wir freuten uns beide über ihren Erfolg. »Schauen Sie bitte noch mal kurz hin, wie jetzt das Ergebnis der Durchtrennung ist. Ist das gut so, oder soll noch was verändert werden?« – »Der Waldarbeiter nimmt das Holz noch mit.« – »Ist es so jetzt stimmig?« – »Ja.« – »Dann atmen Sie noch einmal tief durch … Und Sie haben das zweite große Gefühls-Kapitel zu dieser Situation jetzt schon geschafft.«

Frau L. bearbeitete noch zwei weitere Gefühle, was ich etwas verkürzt beschreibe: Es tauchte Wut in einer Intensität von 8 auf. Da es sich bei Wut ja auch um ein Ressourcengefühl handelt, das erhaltenswert sein kann, besprachen wir genauer, ob sie es in die Arbeit mit hineinnehmen oder als Schatz aus der Arbeit bergen möchte. Da die Intensität des Gefühls sehr hoch und damit für sie quälend war, entschied sie sich, das Gefühl mittels TRIMB zu bearbeiten. Ich erklärte ihr noch, dass nur der unangemessene (nämlich dysfunktionale) Anteil der Wut sich durch TRIMB auflösen lässt, ihr der gesunde Anteil von Wut aber in jedem Fall erhalten bleibt, was sie in ihrer Entscheidung noch bestärkte. Dann stellte sie sich die Wut als großen Energieblitz vor, der auf das Bild gerichtet war. Ihr fiel kein passendes Durchtrennungs-Werkzeug ein, so dass ich sie daran erinnerte, dass sie auch magische Mittel verwenden darf. Sie stellte sich dann vor, dass aus dem Himmel ein riesiger kühlender Wasserstrahl herabfällt, der den Energieblitz auslöscht. Ich forderte sie auf, sich selbst gut zu schützen, bevor diese Kräfte ans Werk gehen – und sie visualisierte, dass sie unter einem magischen Schirm stand, sodass weder die Blitzenergie noch der Wasserstrahl sie treffen konnten.

Zuletzt kam als Gefühl Ekel auf, skaliert bei 7, das sie sich als glibberigen, dunkelgrünen Pflanzenstrang vorstellte, den sie von einer Hilfsgestalt mit einer dicken Astschere durchtrennen ließ.

Damit waren alle wichtigen Gefühle bearbeitet. Als sie noch einmal auf das Bild schaute, tauchte nichts Neues mehr auf, sodass wir in die Abschlussphase übergehen konnten. Die Gefühle wurden von mir in der Reihenfolge der Intensität sortiert, somit: Ohnmacht – Angst – Wut – Ekel. Dann wurde die Atemübung wie oben beschrieben angeleitet und durchgeführt.

  • »Mit dem Kopf in der Mitte tief ein- und wieder ausatmen.
  • Kopf nach links – tief einatmen: Ohnmacht – Angst – Wut – Ekel
  • Kopf nach rechts – tief ausatmen: Ohnmacht – Angst – Wut – Ekel
  • Durchtrennen (während die Klientin mit der Durchtrennungsbewegung beginnt)
  • Und wieder atmen« (wenn die Klientin den Kopf im eigenen Tempo wieder zurück in die Mitte dreht)

»Dann spüren Sie bitte ganz in Ruhe nach, ob sich etwas verändert hat.« – »… Ich bin ruhiger geworden, … und irgendwie ist es leichter.« – »Wo im Körper spüren Sie das am deutlichsten, dass Sie ruhiger geworden sind und dass es leichter geworden ist?« – »… mein Brustkorb fühlt sich leichter an, und mein Herz schlägt ruhiger.«

»Wenn Sie möchten, dann können Sie das angenehme Gefühl zusammen mit den angenehmen Körperempfindungen noch festklopfen.« Frau L. kannte das Tapping schon und klopfte sich etwa 20 Mal an die Außenseiten ihrer Oberschenkel.

»Braucht es noch etwas, oder können wir die Arbeit für heute so abschließen?« – »Das ist gut so.«

Dann besprachen wir noch kurz ein paar Alltagsdinge und beendeten die Sitzung nach 50 Minuten.

1.5 Mein eigener Weg zu TRIMB

Als ich in der Wicker-Klinik das erste Mal durch Ingrid Olbricht von der TRIMB-Methode hörte, war ich zunächst skeptisch, da mir diese Methode zu einfach vorkam, vielleicht auch zu »magisch«, vielleicht zu esoterisch. Auch nachdem ich an einer Fortbildung bei Ingrid Olbricht teilgenommen hatte, blieb diese Skepsis noch eine Weile erhalten. Zunächst war ich davon überzeugt, dass es sich eher um eine sehr differenzierte Form der gewollten Dissoziation handelt und hierüber die Entlastung kommt, statt dass traumatisches Erleben hierdurch integriert wird. Auch hatte ich eine Abwehr gegenüber Elementen aus dem Ursprungsprotokoll (Olbricht 2003), in dem die Gefühlsverbindungen visuell am eigenen Körper befestigt und dann wieder abgelöst wurden. Das war mir zu invasiv und erschien mir für komplex traumatisierte Klientinnen als eine zu heikle Vorstellung.

Erst mit einigem zeitlichen Abstand und aufgrund meiner neugierig-forschenden Grundhaltung habe ich mich dann doch ausführlicher mit der Methode befasst. Zunächst habe ich TRIMB für eigene berufliche Belastungs-Situationen genutzt, wie sie als Assistenzärztin auf einer großen Traumatherapie-Station natürlich häufiger vorkommen, d. h., ich habe schwierige Situationen selbständig mit TRIMB bearbeitet und dabei zu meiner Verblüffung eine tief greifende Entlastung wahrgenommen. Allerdings habe ich die Methode derart modifiziert, dass die Gefühlsverbindungen nicht an meinem Körper befestigt waren, um sie dann imaginativ zu durchtrennen. Auch damals blieb ich noch skeptisch, wie lange dieser Entlastungseffekt wohl anhalten würde. Und auch hier wieder zu meiner Überraschung: die Entlastung blieb stabil. Von da an nutzte ich TRIMB häufiger und immer regelmäßiger zur eigenen Psychohygiene.

In der Traumatherapie-Station der Wicker-Klinik in Bad Wildungen arbeiteten wir in der Regel mit schwerst (sexuell) traumatisierten Frauen mit entsprechend schwerwiegenden Traumafolgestörungen. Daher legten wir sehr viel Wert auf Stabilisierung. Die meisten dieser Patientinnen waren in aller Regel nicht stabil genug, um mittels EMDR oder anderer verhaltenstherapeutischer Methoden Traumakonfrontationen auszuhalten. Reine Stabilisierung schien bei vielen Patientinnen jedoch nicht auszureichen, um wirklich im eigenen Heilungsprozess voranzukommen. Für diese Klientel suchten Ingrid Olbricht und auch wir als Team immer wieder nach weniger konfrontativen, aber gut entlastenden Methoden. Sehr hilfreich für die konkrete Arbeit erlebte ich auch Ego-State-Ansätze in Anlehnung an Michaela Huber und Luise Reddemann.

Da ich eigene entlastende Erfahrungen mit der TRIMB-Methode gemacht hatte, begann ich, mit stabileren Patientinnen vermehrt mit TRIMB zu arbeiten. Zunächst fokussierten wir noch nicht Traumasituationen, sondern Alltagsbelastungen oder Trigger-Situationen aus dem häuslichen oder stationären Umfeld. Auch hier kam es regelmäßig zu deutlicher Entlastung und damit einhergehender Symptomverminderung. Dies ermutigte mich, mit diesen Patientinnen die eine oder andere Traumasituation zu bearbeiten. Auch hier zeigten sich deutliche Entlastungseffekte. Nicht selten kam es durch das aktive und kreative Durchtrennen der belastenden Gefühle zu wichtigen Schlüsselerfahrungen von Selbstwirksamkeit, die sich auf andere Lebensbereiche ausweiteten. Auch destruktive Bindungen zu Menschen aus dem eigenen sozialen Umfeld konnten zunehmend mit hierfür motivierten Patientinnen bearbeitet werden, sodass die Loslösung oder Distanzierung aus diesen Beziehungen erleichtert wurde.