Der Autor
Dr. med. Michael Imhof,
Jahrgang 1951, absolvierte sein Medizinstudium an der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er habilitierte über Pathophysiologie/Pathobiochemie entzündlicher Darmerkrankungen und neue Wege der chirurgischen Therapie. Bevor er sich als medizinisch-wissenschaftlicher Berater und Gutachter selbstständig machte, war er lange Jahre als Oberarzt an der Chirurgischen Uniklinik Würzburg tätig.
Er hielt zahlreiche Vorträge im In- und Ausland über Grundlagen-und Tumorforschung sowie innovative chirurgische Techniken. Zu diesen Themen sind bereits mehrere Bücher und Fachpublikationen von ihm erschienen.
Seit nunmehr vielen Jahren erstellt er Gutachten auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechtes mit dem Schwerpunkt operative Medizin und chirurgische Onkologie.
Einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit stellt die Beschäftigung mit ethisch-philosophischen Grundfragen der modernen Medizin dar. Imhof versucht zudem in seiner Malerei diese Grundfragen darzustellen. Dabei ist es sein Ziel, medizinische Wissenschaft, Ethik der Medizin und bildende Kunst zu einer Einheit zu verbinden.
Ärztliche Behandlungsfehler
– Was tun?
Ein Ratgeber für Patienten, Angehörige
und medizinisches Personal
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Informationen in diesem Ratgeber sind von dem Verfasser und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de
1. Auflage 2011
ISBN 978-3-8248-0867-0
Alle Rechte vorbehalten
© Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2011
Mollweg 2, D-65510 Idstein
Vertretungsberechtigter Geschäftsführer: Dr. Ullrich Schulz-Kirchner
Titelabbildung: © babsi_w.fotolia.de
Illustrationen im Innenteil: Michael Imhof
Lektorat: Doris Zimmermann
Fachlektorat: Prof. Dr. Claudia Iven, Reinhild Ferber
Umschlagentwurf und Layout: Petra Jeck
Druck und Bindung:
wd print + medien GmbH, Elsa-Brandström-Str. 18, 33578 Wetzlar
Printed in Germany
Auch als E-Book und App (z. B. für iPhone und iPad) erhältlich unter der ISBN 978-3-8248-0832-8
| Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur Reihe
Einleitung
Geschichtliche Anmerkung
Was ist ein Behandlungsfehler?
Einteilung der Behandlungsfehler
Verteilung von Behandlungsfehlervorwürfen
Die Beweisnot des Patienten
Wann kommt es zur Umkehr der Beweislast?
Was ist unter dem Begriff „medizinischer Standard“ zu verstehen?
Spezielle Typen von Behandlungsfehlern
Diagnosefehler
Therapiefehler
Fehlerhafte Indikation
Belassene Fremdkörper
Eingriffsverletzungen
Fehler in der Vor- und Nachsorge
Mangelhafte Vorsorge
Organisationsfehler
Hygienefehler
Wie kommt der Patient zu seinem Recht?
Erstellen Sie ein Gedächtnisprotokoll
Suchen Sie das offene Gespräch mit Ihrem Arzt
Ihr Recht auf Einsicht in die Unterlagen
Vorgerichtliche Verfahren
Literatur
Wichtige Adressen
Die „Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute“ vermitteln kurz und prägnant grundlegende Kenntnisse (auf wissenschaftlicher Basis) und Hilfestellungen zu ausgewählten Themen aus den Bereichen Sprachtherapie, Ergotherapie und Medizin. Die Autor(inn)en der Reihe sind ausgewiesene Fachleute, die seit vielen Jahren in der Therapie, in der Beratung und in der Aus- und Weiterbildung tätig sind.
Der vorliegende Band der Ratgeberreihe greift ein brisantes Thema auf: Das Risiko, dass im medizinischen Handlungsfeld auch Fehler passieren können. Der Autor, selbst Mediziner und Verfasser von Fachpublikationen zum Thema Behandlungsfehler und Medizinrecht, macht für medizinische Laien nachvollziehbar, wann man überhaupt von einem Behandlungsfehler sprechen kann, wenn ein Heilungs– oder Hilfsversuch nicht den gewünschten Erfolg hatte. In angenehm sachlicher Form und mithilfe vieler Beispiele schildert er die Fehlerquellen im medizinischen Alltag der Klinik oder ambulanten Praxis. Er gibt fundierten Einblick in die Schwierigkeiten der Patienten, bei der Auseinandersetzung mit Ärzten, Kliniken, Versicherungen, Gutachtern und Gerichten zu ihrem Recht zu kommen. Darüber hinaus gibt er praktische und umsetzbare Tipps dafür, was man als Patient bei dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler tun kann und was Patienten selbst dazu beitragen können, sich bestmöglich gegen solche Fehler zu schützen. Hilfreiche Adressen für medizinischen und juristischen Rat runden den Ratgeber ab.
Seit einigen Jahren stellt der Autor die ethisch-philosophischen Grundfragen der modernen Medizin in seiner Malerei dar. Einige Illustrationen können Sie in diesem Ratgeber sehen.
Als Herausgeber dieses Bandes freuen wir uns, dass sich dieser renommierte Fachautor der Thematik angenommen und sie in Ratgeberform aufbereitet hat. Im Sinne der Patientensicherheit, aber auch der Transparenz und des Vertrauens zwischen Arzt und Patienten ist dem Ratgeber eine breite Leserschaft zu wünschen.
Dr. Claudia Iven und Arnd Longrée
Herausgeber
Warum schlagen die Wellen in den Medien immer wieder so hoch, wenn es um vermutete oder tatsächliche Behandlungsfehler geht? Eine Antwort darauf könnte lauten: weil es dabei um unsere aller Gesundheit geht. – Wie es uns von Politikern ständig versichert wird, ist Gesundheit unser höchstes Gut. Gesundheit ist machbar. Tatsächlich?
Die Medizin schöpfte über Jahrtausende immer wieder ihre Kraft aus den hip-pokratischen Werten der Humanität, Ehrfurcht vor dem Leben und der unveräußerlichen Würde jedes Einzelnen. Diese Jahrtausende alten ethisch-geistigen Grundlagen sind bedroht durch eine sich verselbstständigende technische Fortschrittsmaschinerie, die heute schon das Wesen des Menschen selbst zu hinterfragen beginnt. Der sich permanent beschleunigende technische Fortschritt muss eigengesetzlich zu immer größerem Anspruchsdenken und zu immer größerem ökonomischen Druck im System führen, dem sich in zunehmendem Maße sowohl die Patienten als auch die Ärzteschaft gegenübersehen.
Im April 2010 wurde eine Studie von Medizinsoziologen veröffentlicht, für die 1.311 chirurgisch tätige Klinikärzte in den Universitätskliniken Düsseldorf und Hamburg über ihre Arbeitsbedingungen befragt wurden. Diese Studie zeigte auf, dass Deutschlands Chirurgen unter Überarbeitung, Erschöpfung und zu geringer Wertschätzung leiden.
Diese immer komplexer werdende Medizin, in der teilweise ganz unterschiedliche Berufsgruppen zusammenarbeiten, ist umso fehleranfälliger, je mehr das Fortschrittstempo und der ökonomische Druck ansteigen. Moderne Ärzte stehen oft unter dem Diktat planwirtschaftlicher Vorgaben, die sie nach wirtschaftlichen Prinzipien erfüllen sollen. Und das bei einer ständig komplexer werdenden Medizin – eine irrsinnige Quadratur des Kreises, die nicht gelingen kann und die eine der Hauptquellen für die immer drängendere Behandlungsfehlerproblematik ist. Allerdings ist die Fehlerproblematik nicht neu, sondern seit jeher in der Medizin bekannt.
Die Fehlerdiskussion begleitet die Medizin seit ihren Anfängen. Die älteste Rechtsquelle stellt der sogenannte Kodex Hammurabi dar, der von 1726-1686 vor Christus gelebt haben soll. Dieser Kodex definiert die berufsrechtliche Situation der babylonischen Ärzte und soll selbst von tausend Jahren älteren sumerischen Gesetzestexten abgeleitet sein. In diesem Kodex wurden nicht nur die Honorare für die ärztliche Behandlung beziffert, es wurden zudem auch praktische Strafen für eine erfolglose oder gar fehlerhafte Therapie kodifiziert. So heißt es dort zum Beispiel im Zusammenhang mit Augenoperationen: „Wenn der Arzt einen Herrn behandelt und einen Abszess mit dem Messer eröffnet und das Auge des Patienten erhält, so soll er 10 Shekel Silber erhalten. Wenn der Patient ein Sklave ist, so hat sein Herr 2 Shekel Silber zu bezahlen. Hat der Arzt einen Abszess am Auge mit dem stumpfen Messer eröffnet, den Patienten getötet oder sogar sein Auge zerstört, so soll seine Hand abgeschnitten werden ...“.
Im griechischen Altertum hatten nicht wenige Ärzte einen schlechten Ruf. So beklagte sich ein Autor aus der berühmtesten medizinischen Schriftenreihe des Altertums, dem Corpus Hippocraticum: „Die Heilkunst ist die vornehmste aller Künste; aber wegen der Unwissenheit derer, die sie ausüben und derer, die leichtfertig über solche Ärzte urteilen, bleibt sie nun weit hinter allen Künsten zurück.“
In der Neuzeit führte Virchow im Zusammenhang mit der Novellierung des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich 1871 den Begriff des „Kunstfehlers“ ein, den er als einen „Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der ärztlichen Wissenschaft“ definierte. Der heutige Begriff des Behandlungsfehlers leitet dagegen seine Definition aus einer Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht ab. In den letzten Jahren trat zunehmend der Begriff des Standards in den Vordergrund.
In Deutschland fand der erste Arzthaftungsprozess im Jahre 1811 in Berlin statt und hatte folgenden Hintergrund: Die 21-jährige Luise Thiele wurde in die Charité eingeliefert, weil sie die Nahrungsaufnahme verweigerte und dann, wie es heißt, in Raserei verfallen war. Sie wurde von dem Hofrat Dr. Ernst Horn behandelt, der die nach ihm benannte „Sack-Methode“ anwandte. Diese Methode bestand darin, die Patienten in einen Sack zu stecken, in dem sie so lange bleiben mussten, bis sie zu toben aufgehört hatten. Am 1. September 1811 wurde die Patientin erneut in einen Sack gesteckt, weil sie laut Krankenblatt unaufhörlich geschrien hatte. Am Nachmittag des gleichen Tages wurde sie plötzlich ruhig, weswegen ihr der Sack abgenommen wurde. Man fand sie dann leblos. Wiederbelebungsmaßnahmen waren vergeblich.
Am 26. Oktober 1811 wurde dann der erste überlieferte Ärzteprozess vor dem Kammergericht Berlin eröffnet. Dr. Ernst Horn wurde am 8. Mai 1812 freigesprochen, weil mehrere Gutachter bestätigt hatten, dass kein Mensch durch Einsperren in einen besagten Sack ersticken könnte. Eher könne man auf Bäumen ersaufen, wie einer der Gutachter feststellte. Die Haltung der damals tätigen Gutachter, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, ist heutzutage leider immer noch ein Stolperstein für die Durchsetzung von Patientenrechten.
Eine genaue gesetzliche Definition des Behandlungsfehlers gibt es nicht. Nach verbreiteter juristischer Auffassung versteht man unter einem Behandlungsfehler einen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Heilkunde. Ein schuldhafter Behandlungsfehler ist bei sorgfältiger Vorgehensweise vermeidbar. Man lässt diejenige Sorgfalt außer Acht, die man von einem pflichtbewussten, sorgfältig arbeitenden Arzt erwarten darf.