Robert Schwarz

Wenn Bodo ermittelt…

Der verfluchte September

Für Ruth,

Michael, Angelika, Alexander

und alle meine Enkel.

Verfluchter September

Es ist dem menschlichen Organismus nicht zuträglich, sich länger, als unbedingt notwendig, bäuchlings auf eine entsicherte Handgranate zu betten. Zu dieser Erkenntnis gelangte der Eisenberger Kriminalhauptkommissar Ralf Bodewski, nachdem die heftige Explosion in der Fußgängerzone seiner Heimatstadt verklungen war.

Großer Gott, dachte er, als sein geschundener Körper aus der Deckung hervorkam und sich die ganze Bescherung vor ihm auftat. Erschöpft und widerwillig ging er auf das Szenario zu, als sich die Stimme seiner Kollegin Bettina Maus hinter dem LKW nach dem Verbleib des Mannes erkundigte, der gerade das Pech seines Lebens gehabt hatte.

„Frage mich lieber, wo er nicht ist“, antwortete Bodewski. „Eigentlich ist er überall.“ Dabei schaute er nach oben in die umliegenden Baumkronen.

Mit wieviel Dummheit und menschenverachtender Rücksichtslosigkeit sollte er sich eigentlich noch herumschlagen? Ganz zu schweigen von dem explosiven Gemisch aus Wahnsinn und Rache, dass ihm das Leben in den letzten Tagen und Wochen zur Hölle gemacht hatte.

Wer konnte schon wissen, dass der Grundstein für das alles bereits vor gut 16 Jahren mit der riskanten Polizeiaktion einer jungen Kommissarin gelegt wurde.

16 Jahre vorher

Rheinkilometer 423,8. Dunkelheit lag über dem Luitpoldhafen in der Südstadt von Ludwigshafen am Rhein. Auf den ersten Moment kaum spürbar, ging ein leichter Nieselregen über dem Hafenbecken nieder. Ein Dunstschleier sorgte dafür, dass die Lagerhallen nur schemenhaft zu erkennen waren. Die Rush Hour war vorbei. Auf der Lagerhausstraße hinter den Gebäuden zogen noch ein paar in Gischt gehüllte Scheinwerfer wie mit dem Lineal gezogen ihre Bahn. Es war ruhiger geworden. Nur drüben von der Parkinsel ertönte entferntes Hundegebell.

Nichts wies darauf hin, was in Inneren eines der Lagerhäuser gerade vor sich ging. Niemand ahnte, dass dort eben die ehrgeizige junge Kriminalkommissarin Claudia Bienroth dabei war, Kopf und Kragen zu riskieren.

Die im hinteren schwach beleuchteten Hallenbereich stehenden Holzkisten, die gestern noch im Lagerraum eines Frachters aus Richtung Rotterdam den Rhein heraufgeschippert waren, sollten laut Deklaration Autoersatzteile enthalten. Eine davon war geöffnet, so dass man die dicht gestapelten Zigarettenstangen sehen konnte. Zigaretten! Keine Ersatzteile!

Dummerweise hatten die drei Schmuggler, die mit dem weißen VW Bully in die Halle gefahren waren, bemerkt, dass sie nicht alleine waren. Das Schicksal wollte es, dass die Männer auf die couragierte Bienroth trafen, die bekannt dafür war, in brisanten Situationen keinen Spaß zu verstehen.

Die Schieberbande konnte nicht wissen, dass sie es mit einer Frau zu tun hatte, die nicht deshalb in den Polizeidienst eingetreten war, weil sie auf irgendeinem Plakat die Botschaft ,Die Polizei, Dein Freund und Helfer‘ gelesen hatte. Sie musste als Jugendliche den Tod Ihres Vaters verkraften, der im Dienst als Kriminalhauptkommissar von Drogendealern mit einem roten Ford Mustang überfahren worden war. Einmal vorwärts und noch einmal rückwärts, um sicher zu gehen. ,Gründliche Arbeit‘ wurde so etwas genannt. Von dieser Stunde an hatte sie sich vorgenommen, einen wesentlichen Beitrag dafür zu leisten, dass all jene hinter Schloss und Riegel kommen, die glauben, sich über Recht und Gesetz und alle menschlichen Regeln hinwegsetzen zu können. Die fortschreitende Respektlosigkeit vor der Polizei war ihr ein Dorn im Auge. Ebenso die Unart der Presse, sich wochenlang mit den Tätern zu beschäftigten, ohne einen Gedanken an die Opfer und deren Schicksal zu verschwenden. Die Faszination des Bösen hatte den höheren Unterhaltungswert. All dem entgegenzuwirken, war ihre Motivation. Und sie handelte danach.

Einer der drei Schmuggler, den die anderen Jörg nannten, war der erste, der auf die junge Beamtin das Feuer eröffnete. Er schien der Anführer der drei zu sein.

Der zweite, ein schlanker Osteuropäer, tat es ihm gleich, und zwar mit einem Revolver, der größer schien, als er selbst. Der dritte, dessen Intelligenz gerade dafür ausreichte, einen Kasten Bier unfallfrei aus dem Keller zu holen, war erst einmal verblüfft. Immerhin hatte ihm irgendjemand so viel Restverstand bescheinigt, dass man ihm eine Handfeuerwaffe anvertraute.

Bienroth, die sich hinter einen Container gerettet hatte, feuerte ohne zu zögern zurück. Die drei mussten sich hinter die Holzkisten werfen, um nicht getroffen zu werden. Unvermittelt rannte die Polizistin im Schutze zweier gestapelter Container eine Stahltreppe hinauf und sprintete über die stählerne Galerie, die zu einem hinter Glasscheiben liegenden Büro führte. Wie eine Raubkatze tigerte sie hinter dem Geländer entlang und feuerte dabei den Rest ihres Magazins in Richtung der verblüfften Männer ab, so dass diese ihre Deckung nicht verlassen konnten.

Die Beamtin duckte sich hinter einen großen Stapel leerer Kunststoffboxen. Blitzschnell entfernte sie das leere Magazin aus der Dienstwaffe, griff in die Jackentasche und schob ein volles nach. Ein Schlag mit der flachen Hand von unten auf das Magazin, das mit lautem Klicken im Griff einrastete, durchladen, und weiter ging es in Richtung Büro.

Jetzt setzte der Kugelhagel der Zigarettendealer erst richtig ein. Aus allen Rohren feuerten sie auf die junge Frau. Doch die hatte schon einen Feuerlöscher von der Wand gerissen und durch die Verglasung der Bürotür geworfen. Sie hechtete durch die neu entstandene Öffnung der Tür und landete hart in den Glasscherben. Ein schmerzhafter Schnitt in die linke Hand ließ sie kurz aufstöhnen. Egal! Weiter!

Der mit dem großen Revolver rief hinüber zu Jörg: „Was ist die? Lara Croft, oder was?“

„Halt´s Maul“, schrie der zurück, „Nimm besser deine Rübe aus der Schusslinie.“

Prompt fielen von oben wieder Schüsse. Was die drei Männer unten bei Ihren Zigarettenkisten nicht sehen konnten, war eine zweite Tür im hinteren Teil des Büros, die auf eine weitere Galerie führte. Dieser Stahlsteg war von Containern so zugestellt, dass er von den Schmugglern nicht einsehbar war.

Beinahe hätte die Bienroth gejubelt. Die bewusste Tür war nicht abgeschlossen. Hätte sie eigentlich sein müssen, denn die folgende Galerie war ohne Geländer. Sie lief hinaus! Noch ein Stück hinter den Containern entlang, dann landete sie nach einem kühnen Sprung auf dem höchsten Behälter. Gesehen wurde sie von den drei Männern nicht, aber gehört. Und so wurde sie sofort unter Feuer genommen, als sie auf dem Container stehend über die Kante auf sie hinunterblickte. Bienroth ging in die Knie, und zwar so, dass Sie gerade noch über den Containerrand zielen konnte und machte das, was sie mehr als alle anderen im Schießstand geübt hatte. Kurz und präzise feuerte Sie vier Schüsse ab. Zwei der Männer wurden getroffen, fielen hart zu Boden und blieben regungslos liegen. Wo war der dritte? Geflohen? Lauerte er noch auf sie? Verdammt, bis jetzt glaubte Claudia Bienroth genau zu wissen, was sie tat. Sie blieb oben auf dem Container und lauschte. Nichts!

Um sie herum lag Unrat. Alte Vierkanthölzer, Holzkeile, Putzlappen, leere Behälter von Schmiermitteln. Es roch nach Maschinenöl. Sie schlich sich nach vorne, um besser sehen zu können. Dabei geriet ihr rechter Fuß auf einen schrägen Holzkeil. Ölverschmiert, wie der Keil war, geriet er zu einer Miniatur-Rutschbahn und wurde ihr zum Verhängnis. Das schlagartig nach vorne abgleitende Bein kippte über die Vorderkante des Containers und die Polizistin stürzte mit einem kurzen Schrei komplett ab. In einer großen Staubwolke schlug sie unsanft in eine Ansammlung leerer Kartonagen und Stoffballen ein. Ihr Glück! Als sich die Wolke halbwegs verzogen hatte und sie nur mit Kopf und Schultern aus den Kartons herausragte, sah sie den Schatten, der sich aus dem Dunkel zwischen zwei riesigen Papierrollen herauslöste. Es war Jörg, der mit der Waffe im Anschlag auf sie zu ging. Als er nahe genug war, um einen sicheren Schuss setzen zu können, blickte sie ihm über Korn und Kimme seiner eigenen Waffe direkt ins Auge. Damit war klar, dass er auf ihren Kopf zielte.

„Lady, das war´s“, sagte Jörg. Die Schüsse, die unmittelbar nach diesen Worten abgefeuert wurden, durchschlugen die Kartonagen, in der die Polizistin steckte. Die von der Bienroth aus dem Unrat heraus abgefeuerten Schüsse trafen den Mann mehrmals! Dieser torkelte einen Moment umher, um dann vor den Papierrollen zusammenzubrechen. Dort blieb er auf der Seite liegen.

Glücklicherweise hatte die Polizistin beim Sturz ihre Dienstwaffe mit der Kraft eines Schraubstocks festgehalten. So, wie sie gestrickt war, hätte sie das auch getan, wäre sie aus dem zwölften Stock gefallen. Ein Umstand, der ihr gerade das Leben gerettet hatte.

Die Beamtin wühlte sich, inzwischen an mehreren Stellen blutend und total verdreckt, aus den Kartonagen heraus. Während sie zuerst in Richtung der zwei anderen am Boden liegenden Männer ging, lud sie ihre Pistole nach. Deren Waffen kickte sie quer durch die Halle. Einer der beiden war tot, der andere atmete noch, war aber bewegungsunfähig. Sie ging jetzt langsam auf Jörg zu, die Dienstwaffe immer noch in der rechten Hand. Der Mann lag nach wie vor auf der Seite. Nachdem sie in die Hocke gegangen war, drehte sie ihn langsam um. Als sie die Schusswunden sah und die gurgelnden Geräusche aus seiner Kehle hörte, sprach sie ihn an.

„Du hast auf meinen Kopf gezielt. Dir ist schon klar, dass das ein Fehler war? Ich denke….“, sie machte eine kurze Pause, „das wirst Du nicht überleben.“

Da ertönte das Martinshorn der soeben mit zwei Streifenwagen anrückenden Kollegen. Keine zehn Sekunden später eilten vier Uniformierte mit gezogenen Waffen durch das offene Tor. Wie auf einer Leinwand aus Dunst reflektierte hinter ihnen in der Dunkelheit das Blaulicht der Dienstfahrzeuge.

Die Kommissarin kam ihnen langsam entgegen. Von ihrer Hand tropfte Blut. Während sie die Dienstwaffe ins Schulterhalfter schob, sagte sie in ihrer unnachahmlichen Art: „Ihr wisst aber schon, dass ihr ein bisschen spät seid.“

Die Kollegen, drei Männer und eine Frau, blickten sich vielsagend an. Sie kannten das schon. Das hier war wieder ein typischer Bienroth-Einsatz.

Einer der Beamten ging tiefer in die Halle, blickte über die am Boden liegenden Männer und stellte fest: „Gratuliere Kollegin. Das war gründlich.“

Die Bienroth ging nicht darauf ein. „Ruft bitte jemand einen Krankenwagen“, rief sie den Kollegen zu.

Die Schutzpolizistin reagierte als erste und eilte zu ihrem Dienstwagen.

In diesem Moment verstummte im hinteren Bereich der Halle der rasselnde Atem des Mannes, den die anderen Jörg nannten.

Heute, 5. September

An diesem Tag leuchtete der Himmel über den Bergen des Stubaitals in einem prächtigen Blau. Nur ein paar Cirruswolken standen über den schneeweißen Gletschern. Ein Wandertag zum Niederknien. Der Weg zwischen der Bergstation Kreuzjochbahn und der Starkenburger Hütte bot eine wunderbare Abwechslung zwischen grünen Matten, schroffen Felsen und einer immerwährenden grandiosen Aussicht auf die umliegenden Dreitausender. So wie heute liebte Ralf Bodewski die Berge. Angenehme Temperaturen, sieben Sonnen am Himmel und die höchsten Gipfel mit Neuschnee gepudert. Ein herrlicher Anblick. Er liebte die Kombination aus Sonnenschein und kühler Luft; die beste Voraussetzung für einen schönen Wandertag.

Am Ende des Tals glänzten die Stubaier Gletscher. Besonders der markante Sulzenauferner unterhalb des Zuckerhütls bestimmte das Panorama. Dieser Anblick war bei der Wanderung zur Starkenburger Hütte fast ununterbrochen zu sehen. Bodewski genoss es. Er war in Begleitung von Jürgen Maus, dem Mann seiner Arbeitskollegin, einem ruhigen Charakter mit Brille und ergrautem Lockenkopf sowie einem grauen Vollbart. Bodo hatte ihm von den Bergen so lange vorgeschwärmt, bis der erklärte Nichtwanderer allen Widerstand aufgab und ihn auf seinem einwöchigen Trip begleitete. Für ihn war es der erste Wanderurlaub. Aber er schlug sich tapfer und hatte sogar Spaß daran.

Dass Bodo nicht in Gesellschaft seiner Frau wandern konnte, hatte die tragische Bewandtnis, dass diese vor neun Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Aus dieser Ehe war allerdings eine bezaubernde Tochter hervorgegangen, die ihm nach ihrer Heirat einen Enkel geschenkt hatte. Der kleine Bub war inzwischen zwei Jahre alt und hatte den alten Bodewski mit seinem Charme im Sturm erobert.

Ralf Bodewski in den Bergen. Das konnte man sich zu Hause bei den Kollegen der Eisenberger Kripo nicht so richtig vorstellen. Galt doch der eigenwillige Bodewski, den niemand weder ,Ralf noch ,Herr Bodewski‘, sondern einfach Bodo nannte, eher als ein bisschen bequem. Nicht zu Unrecht, denn er war dafür berüchtigt, in seinem Amt als Kriminalhauptkommissar oft zu spät zum Dienst zu erscheinen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil er morgens gern ein bisschen länger schlief.

Seine Chefin, die resolute Claudia Bienroth, kommentierte das anfangs noch streng bis sarkastisch. Später gab sie es dann auf, als sie merkte, dass sie an Bodo einen professionellen Polizeibeamten mit exzellenter Aufklärungsquote zum Mitarbeiter hatte.

Das galt auch für seine langjährige Kollegin, nämlich die Frau seines Begleiters, Bettina Maus, die er gutmütig bis liebevoll einfach nur ,Maus‘ nannte. War sie doch eine von ihm außerordentlich geschätzte Kollegin, mit der er beruflich schon so etwas führte, wie eine betagte Ehe.

Wenn man Bodo gegenüberstand, glaubte man nicht, dass er dem Rentenalter näherstand, als ihm lieb war. Seit drei Jahren dachte er immer wieder daran, dass die Jagd nach all den Flachpfeifen dieses Universums bald zu Ende sein würde. Aus heutiger Sicht war es nur noch ein knappes halbes Jahr. Dann würde es vorbei sein. Der Pensionär Bodewski würde mit seinem Enkel an der Hand durch den Zoo spazieren und einfach weitergehen, wenn er eine Polizeisirene hören sollte. Einerseits konnte er sich das noch nicht so richtig vorstellen, andererseits musste er zugeben, dass er sich darauf freute. Er war immer mehr zu der verblüffenden Erkenntnis gekommen, die es auf den einfachen Nenner brachte: Genug ist genug!

Die beiden Wanderer arbeiteten sich beständig in Richtung Starkenburger Hütte vor. Als sie eine Pause einlegten und sich auf einem vorstehenden Felsen niederließen, fragte Jürgen den Kripobeamten, was ihn in die Berge treibt.

„Manchmal denke ich, der Grund dafür liegt in meiner Kindheit“, antwortete Bodo. „Weißt du, ich bin in einem Stadtteil von Ludwigshafen am Rhein geboren. Eine typische Industriestadt. Vor dem morgendlichen Lüften warst du immer neugierig darauf, nach was es denn heute riecht. Je nach Windrichtung roch es nach BASF, Raschig oder Giulini. Meine Eltern machten sich oft einen Spaß daraus, zu deuten, wer heute am meisten stinkt. In den Fünfzigern war das mit den Filteranlagen noch nicht so wie heute. Heute riechst du in Ludwigshafen keine Industrie mehr.

Außerdem hatte unsere Familie über Jahre hinweg kein Auto. Ein Ausflug mit der Rhein-Haardt-Bahn nach Bad Dürkheim war damals für mich das höchste der Gefühle. Als ich dann mit zwölf Jahren in ein Erholungsheim ins Berchtesgadener Land verschickt wurde, entdeckte ich, dass es außer Häuserschluchten noch etwas anderes gab. Ich war so beeindruckt, dass ich den Bergen bis heute treu geblieben bin. Weißt du, die wohltuende körperliche Anstrengung beim Wandern ist ganz anders, als der Stress im Kopf.“ Bodo war von sich selbst überrascht. Er hatte schon lange nicht mehr so viele zusammenhängende Sätze gesprochen.

„Bettina sagt, du bist eher cool und nicht aus der Ruhe zu bringen.“

„Man muss ja nicht alles, was da oben drin ist, nach außen tragen.“ Dabei deutete Bodo mit dem Zeigefinger auf seine Stirn. „Es gibt Dinge da drinnen, die bleiben über Jahre gespeichert. Ich denke, ich muss noch eine Weile wandern, bis das alles draußen ist.“

„Warst du schon immer bei der Kripo?“

„Nach der Bundeswehr und nachdem meine Familie nach Kirchheimbolanden umgezogen war, habe ich dort im Öffentlichen Dienst angefangen. Im Ordnungsamt.“

„Stimmt. Bettina hat das einmal erwähnt. Hat sich darüber kaputtgelacht.“

„Wieso?“

„,Bodo und Ordnung‘, hat sie gesagt, ,die beiden Worte passen bei dir eigentlich nicht in den gleichen Satz.‘“

„Ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die kennt mich halt. Deshalb bin ich auch nicht lange dabeigeblieben und war nach einer Polizeiausbildung dann ein paar Jahre Schutzpolizist.“

„So mit Uniform?“

„Ja.“ Bodo musste lachen. „So mit Uniform. Irgendwann entschied ich, Sesselpupser wäre besser und habe die höhere Beamtenlaufbahn eingeschlagen. So bin ich dann nach den ersten Jahren in Mannheim, schließlich bei der Kripo Köln gelandet. Schöne Stadt. War dort Kriminalhauptkommissar in der Drogenfahndung und später in der Mordkommission.“

Die beiden Wanderer unterhielten sich noch eine ganze Weile. Schließlich brachen sie aber auf, ihrem heutigen Etappenziel entgegen. Und so stampften beide zufrieden und entspannt bergauf und bergab, um am Abend rechtschaffen müde im Bett selig wegzudämmern.

Bodo´s Körper genoss es. Tiefer erholsamer Schlaf, bei dem sich der Organismus wohltuend regenerieren konnte. Nie schlief er besser, als nach einer anstrengenden Wanderung. Ein Hochgenuss. Wie sollte er auch ahnen, dass demnächst an einen ruhigen entspannten Schlaf nicht mehr zu denken war.

*******

Die Kette von Ereignissen hatte ihren Ursprung bereits in der folgenden rabenschwarzen Nacht. Der Schatten der Gestalt unten am Eisbach am Grünstreifen war kaum zu erkennen, die durch einen Schalldämpfer verhaltenen Schüsse kaum zu hören. Wie ein schwarzes Nichts huschte etwas zwischen den stählernen Kunstfiguren auf dem Rasen umher. Der Schatten keuchte. So, wie man keucht, wenn man eine schwere Last anhebt. Lautes Platschen. Etwas war in den Eisbach gefallen.

7. September

Bodo war wieder auf dem Weg zur Arbeit, wie immer auf seinem schwarzen Trike, im schwarzen Lederdress mit den langen Fransen an den Ärmeln. Seine langen Haare, von denen er sich aus den guten alten Zeiten nicht trennen konnte, hingen, wenn auch zwischenzeitlich ergraut, als Pferdeschwanz unter dem Helm heraus. Den grauen Vollbart trug er kurz, und oben auf dem Kopf drückte sich, unter dem Helm versteckt, deutlich die ,Kniescheibe‘ durch, wie seine Kollegin Maus öfter respektlos feststellte. Damit war er weit davon entfernt, so auszusehen, wie sich Lieschen Müller einen seriösen Hauptkommissar vorstellt.

Am Ortseingang fuhr er auf Eisenbergs markanten Verkehrskreisel zu, auf dessen Hügel eine kleine Lorenbahn thronte. Die Bahn, bestehend aus drei renovierten Güterloren und einer kleinen Lok, erinnerte an das gute alte ,Isenburg‘ und an die Zeit, als es hier zur Eisengewinnung noch Bergwerke gab. Bis zum heutigen Tag wird in Eisenberg noch Ton abgebaut und Klebsand gewonnen.

Bodo fuhr gemächlich durch den Kreisel. Er hatte noch ca. 600 Meter bis zu seinem Schreibtisch, an den er mit Grausen dachte.

Als er das Büro betrat, hatte er den Lederdress bereits von sich geworfen und trug Jeans, kombiniert mit einem lässig über den Hosen getragenen weißen Hemd, die beiden oberen Knöpfe immer geöffnet.

Es war ein freundliches und helles Büro, schon deshalb, weil man das Kommissariat im neu gebauten Rathaus untergebracht hatte. Helle Möbel, große Fenster, ein angenehmer Arbeitsplatz. Vier Schreibtische standen im Büro. Zwei davon waren unbesetzt. Einer war der ehemalige Schreibtisch des jungen Thomas Schneider, der nach beendeter Ausbildung seine neue Stelle als Kriminalkommissar im Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen am Rhein angetreten hatte. Das in den vergangenen Jahren zunächst angespannte Verhältnis zwischen Bodo und Schneider hatte sich wesentlich gebessert, als sich der junge Mann im Laufe der Zeit als wirklich guter Polizist erwies. Er vermisste den jungen Kollegen sogar ein bisschen. Momentan teilte er sich das Büro nur noch mit Polizeioberkommissarin Bettina Maus, die von ihm schlicht, einfach und liebevoll nur ,Maus‘ genannt wurde. Als sich Bodo vor neun Jahren nach dem tragischen Unfalltod seiner Frau von Köln in die Nähe seiner Tochter nach Eisenberg versetzen ließ, war Maus dort schon im Dienst. Sie hatte sich vor zwölf Jahren, nachdem ihre beiden Kinder alt genug waren, im Alter von 41 für die Planstelle in Eisenberg erfolgreich beworben.

Kriminalhauptkommissarin Claudia Bienroth, die von Bodo und Maus nur „die Chefin“ genannt wurde, hatte ihr eigenes Büro nebenan. Sie wurde nach Jahren erfolgreicher Tätigkeit in Ludwigshafen als Revierleiterin nach Eisenberg versetzt. Das geschah nicht ohne Grund. Ihre Vorgesetzten waren der Meinung, sie solle sich in der Kleinstadt ein bisschen abkühlen. Bienroth war eine herausragende Polizistin, jedoch im Umgang mit Gesetzesbrechern nicht gerade zimperlich. Man wollte sie aus der Schusslinie nehmen, denn sie hatte sich in den letzten Jahren durch hartes Durchgreifen nicht überall Freunde gemacht. So war ihre Versetzung durchaus positiv zu sehen und erfolgte letztendlich zu ihrem Besten. Dumm gelaufen für Maus, die sich Chancen auf den Stuhl der Revierleiterin ausgerechnet hatte. Schwupp, hatte man ihr die Bienroth vor die Nase gesetzt. Doch Maus war zu charakterstark, um damit nicht zurechtzukommen.

Und da waren neben Jan und Mirco, den Uniformierten der Verkehrspolizei, noch die beiden Schutzpolizisten, nämlich Polizeimeister Bernhard Wissel und Polizeiobermeister Manfred Streb, ein sich ähnlich wie Maus und Bodo ergänzendes Team. Unterschiedliche Charaktereigenschaften scheinen nicht nur in der Ehe, sondern auch am Arbeitsplatz zu funktionieren.

Der redselige Manfred, selten zur Ruhe kommend, war der zielstrebige Analytiker, der gerne auch mal ausgiebig Erfolgsstorys aus seiner Polizeivergangenheit zum Besten gab. Bernhard dagegen, war der zuverlässige ruhende Pol, der sich durch nichts, aber auch gar nichts, aus der Ruhe bringen ließ. Er brachte es bei einer Einsatzübung zusammen mit dem SEK schon einmal fertig, in voller Montur unter dem geöffneten Rolltor des SEK-Gebäudes zu stehen und verdutzt auf die Rücklichter der davonbrausenden Einsatzfahrzeuge zu schauen. „Dann eben nicht“, pflegte er in solchen Situationen zu sagen und ging gewöhnlich zur Tagesordnung über. Manfred pflegte ihm nach einem ruhigen Arbeitstag gewöhnlich die Frage zu stellen: „Bernhard, lebst du noch?“

Der Tag war noch jung und Bodo noch gut gelaunt. Entsprechend fröhlich begrüßte er Maus, die schon bei der Arbeit war. Maus, von kleiner knackiger Statur, kurze blonde Haare mit leichter Dauerwelle und einem fröhlichen frechen Gesicht, antwortete nicht weniger gut aufgelegt. Sie trug eine schicke rote Brille und ihre schmalen Lippen zeigten meist ein verschmitztes Lächeln.

„Was hast du mit meinem Mann gemacht“, fragte sie. „Der schleppt sich auf allen Vieren die Treppe hoch, sagt aber im gleichen Atemzug, dass er nächstes Jahr wieder mitkommen will.“

„Maus, das Bergwandern wird durch die Existenz von Bergen erheblich erschwert. Das konnte keiner wissen.“

„Sprüche klopfen hast du im Urlaub nicht verlernt.“

„Der war ausnahmsweise nicht von mir. Hat Jan Rys gesagt, ein österreichischer Schriftsteller.“

„Bodo, du überraschst mich“, stellte Maus fest. „Du liest? So richtig mit Buchstaben…?“

Die Tür ging auf, und zwar mit flottem Schwung. Die Tür ging immer mit flottem Schwung auf, wenn es die Chefin war. Claudia Bienroth betrat nie nur einfach den Raum. Nein, sie war präsent. Sie trug einen dunklen Hosenanzug und ihre kastanienbraune Bob-Frisur, die mit einem frechen Pony über den grünen Augen endeten, wippte bei jedem energischen Schritt.

„Hallo Frau Maus, hallo Bodo, na, wieder zurück vom kraxeln? Und dazu noch pünktlich.“ Dabei sah Sie kurz auf die Uhr und verschwand in ihrem Büro.

Maus und Bodo sahen sich an. Ja, so war sie halt, die Bienroth.

„Die hat heute wieder einen Turbolader gefrühstückt“, bemerkte Bodo, als im gleichen Moment das Telefon klingelte. Maus nahm den Hörer ab. Bodo runzelte die Stirn. Anrufe zu dieser frühen Uhrzeit machten ihn immer etwas unwirsch.

Während Maus dem Anrufer aufmerksam zuhörte und ein paar kurze Zwischenfragen stellte, nahm Bodo an seinem Schreibtisch Platz. Er hielt mürrisch danach Ausschau, was ihm da in Papierform eventuell den Tag verderben könnte.

Als er von Maus den berühmten Satz vernahm: „Fassen Sie nichts an. Wir kommen gleich“, ahnte er es schon. Es wurde zur Gewissheit, als sie mit den Worten: „Bodo, wir haben einen Mord“, den Hörer scheppernd auf das Telefon warf. Ihm wäre lieber gewesen, dieser Satz wäre heute früh nicht gefallen.

„Maus, das ist jetzt aber nicht dein Ernst. Ich komme gerade aus dem Urlaub.“

„Schau mich nicht an wie ein verwundeter Cockerspaniel. Es gibt Arbeit. Beschwer dich beim Täter.“

„Höre ich da einen leichten Unterton von Sarkasmus?“ Bodos Frage blieb unbeantwortet. Maus war schon auf dem Weg zur Chefin.

Der im Geiste noch in den Bergen weilende Bodo hatte keine Lust und blieb noch für einen Moment sitzen. Als Maus wieder erschien, zogen sie los. Bodo streifte die für ihn typische schwarze Fleecejacke über, wegen der sich die Chefin am Anfang ihrer Eisenberger Dienstzeit zu der Bemerkung hinreißen ließ: „Das ist hier nicht Freizeit, Herr Bodewski.“ Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig.

*******

Kein schöner Anblick. Aber das war es ja nie. Die auf dem Bauch ruhende männliche Leiche lag mit dem Oberkörper im Eisbach. Nur Hüfte und Beine ragten aus dem Wasser und bedeckten das feuchte Gras. Erst nachdem die Spurensicherung sie geborgen hatte, konnte man die zwei Einschusslöcher in der Stirn des Mannes sehen.

„Saubere Arbeit“, brummelte Bodo. Maus war zwar der Meinung, so ein Satz gehöre sich nicht an einem Tatort, aber so war er halt, der Bodo.

Der am Ort des Geschehens liegende Fußweg, ein Ruhepol mitten in der kleinen Stadt, zog sich von der Tiefenthaler Straße zur Bahnhofstraße am Bach entlang. Den zwischen Bach und Weg angelegten Grünstreifen verschönerten ein paar stählerne Kunstobjekte. Bodo´s Blick fiel auf den verrosteten Leib eines in die Grasnarbe eintauchenden Pottwals, dessen Hinterleib dekorativ aus dem satten Grün herausragte.

Auf der anderen Seite des Weges hinter dichtem Gebüsch befanden sich zwei Wohnhäuser und hundert Meter weiter nach einer kleinen Wegkehre sah man auf die Hinterfront des Altersheims.

Am Tatort war jetzt das übliche Szenario. Auf dem mit feinem Split bedeckten Fußweg parkten die Einsatzwagen. Die Blaulichter kreisten hektisch vor den Absperrbändern, die in einem weiten Viereck den Tatort abriegelten. Innerhalb der Absperrung gingen die Techniker ihrer Arbeit nach. Ebenso Inge, die Pathologin, die selbst ein bisschen so aussah, als wollte sie den Dahingeschiedenen alsbald nacheifern. Alle waren in die typischen weißen Overalls gehüllt, so, als wäre die Malerinnung auf Betriebsausflug.

Dazwischen die beiden Schutzpolizisten Manfred und Bernhard. Es sind immer erst die Uniformierten, die zum Tatort kommen, ganz gleich, um was es sich handelt. Ihr ureigenes und zweifelhaftes Vergnügen ist es, sich als Erste die ganze Sauerei ansehen zu müssen.

Bodo wandte sich an Manfred: „Habt ihr da hinten in den Häusern und im Altersheim schon nachgefragt, ob jemand Schüsse gehört hat?“

„Im Altersheim sind wir noch nicht ganz durch, aber alle, die wir bisher befragt haben, wollen nichts gehört haben“.

„Warum habe ich das gewusst“, brummte Bodo.

Eine außerhalb der Absperrung geführte Unterhaltung zwischen Bernhard und einer Dame weckte Bodos Interesse. Der feine Splitt knirschte angenehm unter seinen Füssen, als er hinüberging.

„Das ist Frau Krüger“, stellte Bernhard die Frau vor. „Ihr Hund hat die Leiche entdeckt. Frau Krüger hat uns auch angerufen.“ Der kleine West Highland Terrier schnüffelte nicht weit davon im Gras.

„Ah, Sie sind der Herr Inspektor“, sagte die Frau sehr wichtig, ,ja, mein kleiner Monty hat den Mann gleich entdeckt. Er ist ein ausgesprochen kluger Hund. Ein echter Pfadfinder.“

Nun ja, 80 Kilo Frischfleisch, die am Bach rumliegen, riecht eigentlich jeder Hund, dachte sich Bodo.

Die Dame schwärmte weiter von ihrem Prachtexemplar: „Ach, er ist ja so schlau. Manchmal wüsste ich so gerne, was in dem kleinen Köpfchen vorgeht. Vor zwei Wochen war ich mit ihm beim Tierarzt, weil er vom Stuhl gefallen war. Als sein Köpfchen geröntgt wurde; wissen Sie, was der Doktor da gesagt hat?“

„Lassen Sie mich raten. Hinter der Schädeldecke kullert eine Erbse hin und her?“

„Also, von einem intelligenten Polizisten hätte ich eine andere Antwort erwartet.“ Die Dame war beleidigt.

„Wer sagt, dass ich intelligent bin?“

„Ich nicht“, sagte Maus beiläufig, die gerade hinter ihm vorbeilief.

Während dieses Satzes schaute Bodo dem Hund hinterher, wie er schnüffelnd unter der Polizeiabsperrung hindurch spazierte. Im Tatbereich nahm er eine eindeutige Position ein und alle schauten gebannt zu, wie der Hund sein kleines Werk vollbrachte.

Bodo dachte, er könne ja jetzt etwas Nettes sagen. Also nickte er anerkennend und bemerkte trocken: „Aber mit der Verdauung klappt es doch ganz gut.“

„Himmel, Gesäß und Nähgarn“, maulte Christian, der Leiter der Spurensicherung, der sich gerade umgedreht hatte und das Malheur zufällig sah. „Nimm doch einer mal den Hund weg!“

„Entschuldige, wird nicht wieder vorkommen“, rief Bodo hinüber.

Frau Krüger begriff. „Du lieber Gott, daran habe ich gar nicht gedacht. Ich mache das gleich weg!“

Als sie hinübergehen wollte, stoppte sie Bodo: „Nein, nein. Das ist Tatortbereich. Da dürfen Sie nicht hin. Unsere Leute von der Spurensicherung erledigen das schon.“ Dabei konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen.

Christian warf Bodo mit geöffnetem Mund einen langen, verständnislosen Blick hinüber.

Bodo tat, als wäre nichts gewesen und wandte sich Manfred zu.

„Geldbeutel, Ausweis und Smartphone haben wir sichergestellt“, berichtete Manfred, „Das Smartphone trug er in der Jacke bei sich. Lag leider im Wasser. Aber ich denke, die KT kriegt das wieder hin. Das Portemonnaie lag neben der Leiche im Gras. Geld, EC-Karte und so weiter, ist noch alles drin.“

„Wurde er hier erschossen?“

„Christian sagt, er wurde auf dem Gehweg erschossen und dann die paar Meter zum Bach geschleift und einfach hineingeschmissen.“

Maus, die gerade hinzukam, griff sich den Ausweis: „Dirk Oswalt,“ las sie langsam vor. „Lass´ mich nachrechnen. 39 Jahre alt.“ Sie sah Bodo dabei an. Der nahm den Ausweis an sich und schaute nachdenklich auf das Foto.

„Weißt du Maus, zwei präzise Einschüsse aus nächster Nähe. Keiner hat Schüsse gehört. Würde mich nicht wundern, wenn ein Schalldämpfer benutzt wurde. Papiere, Geld, alles da. Könnte die Tat eines Killers sein. Wir lassen Fingerabdrücke von der Leiche nehmen und jagen sie durch den Computer. Lass uns doch mal prüfen, ob der Kerl in unserer Flachpfeifensammlung irgendwo auftaucht.“

Ein kurzer Freudenschrei aus Richtung Spurensicherung. Man hatte eines der beiden Projektile in der gegenüberliegenden Uferböschung gefunden.

Auch Inge, die Rechtsmedizinerin, wurde fündig: „Maus, Bodo, kommt doch mal her.“

„Muss das sein? Du weißt doch, ich hab´s nicht so mit Leichen“, nörgelte Bodo.

„Wissen wir alle. Ist aber dein Job. Komm her.“ Inge ließ nicht locker.

Die beiden Angesprochenen traten dicht an die Leiche.

„Schaut mal“, bemerkte Inge. Und da sahen beide, dass etwas nasses Dreieckiges aus dem Mund des Toten heraushing. Inge stemmte mit einem ihrer schönen Werkzeuge mit einem knackenden Geräusch den Kiefer auseinander und zog mit einer großen Pinzette den Gegenstand vorsichtig heraus. Es war ein nasser Fünfzig-Euro-Schein, dessen Ecke aus dem Mundwinkel der Leiche herausgehangen hatte. Maus verzog angeekelt das Gesicht. Die Rechtsmedizinerin hielt ihr den nassen Lappen direkt vor die Nase.

„Nicht so nah“, maulte Maus und trat einen Schritt zurück.

Bodo grinste. „Heb´ ihn gut auf“, bemerkte er, „Den brauchen wir noch. Wir wollen nachher noch was essen gehen.“ Inge kannte seinen Humor, verzog aber keine Miene.

Nachdem die Jungs von der Spurensicherung fertig waren und Inge die Tatzeit auf zirka 0: 00 bis 1: 00 Uhr nachts datiert hatte, rührte sich Bodo´s Magen.

„So, und jetzt brauch´ ich was zu essen. Ich hab´ Hunger wie ein Bär.“

Maus verdrehte die Augen. Sie kannte das schon. Und Bodo fügte hinzu: „Immer, wenn ich eine Leiche sehe, bekomme ich Hunger. Habe mir schon Gedanken darüber gemacht. Ist ja auch nicht normal, oder?“

„Bodo, was ist an dir schon normal. Komm, wir holen uns was zu essen.“