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KLAUS UNGERER:
„Ist Frühling. Muss schön sein. – Miniaturen aus zwei Jahrtausenden“

1. Auflage, März 2020, Periplaneta Berlin, Edition MundWerk
© 2020 Periplaneta - Verlag und Mediengruppe

Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin
www.periplaneta.com

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Die Handlung und alle handelnden Personen sind erfunden.
Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Ereignissen wäre rein zufällig.

Lektorat & Projektleitung: Laura Alt
Cover: Anusch Thielbeer (www.anusch-thielbeer.de)
Autorenbild: Carsten Kampf
Satz & Layout: Thomas Manegold


print ISBN: 978-3-95996-179-0
epub ISBN: 978-3-95996-180-6

Klaus Ungerer

Ist Frühling. Muss schön sein.

Miniaturen aus zwei Jahrtausenden

periplaneta

1

Lech mick, Technik!

Vom Leben mit Robotern, Rechnern und blauen Daumen

Sein, Zeit und SMS

Was würden wir tun, wenn wir noch 43 Sekunden zu leben hätten? Klar doch: Eine SMS schreiben! Das geht immer. Da muss man kein Tuten in der Leitung abwarten, da muss man nicht nach dem Taschentuch nesteln und nicht denken: „Auweia, dieser oder jener, mit dem ich gerade letzte Worte wechsle, kriegt doch noch ein Buch von mir zurück. Wo hab ich das jetzt bloß …“ Und so. Man greift zum Handy. Tippt. 43 Sekunden. Da geht alles rein. Das hat jetzt kürzlich eine Schnelltipp-WM ermittelt. In 43 Sekunden lassen sich 160 Zeichen eingeben, welche in deutscher Übersetzung lauten: „Die Piranhas der Gattungen Serrasalmus und Pygocentrus mit rasierklingenscharfen Zähnen sind die grausamsten Frischwasserfische der Welt. In Wirklichkeit greifen sie selten Menschen an.“ Nun will man natürlich niemandem eine solche Nachricht zumuten, niemand will mit so was in Erinnerung bleiben. Von letzten Worten wird gemeinhin mehr Fazit, Trost und Ausblick erwartet: „Wenn du bei mir reinkommst, setz dich lieber erst mal und iss was. Mein Leberwurstbrot müsste noch neben mir auf dem Tisch stehen.“ – „Sieglinde soll nichts von der Sitzecke haben – hörst du, Sieglinde?“ – „Oha, ich sehe ein helles Licht. Weiße Engelein tanzen umher. Der Doktor zupft grad das Kreuzband aus dem Knie.“ Es gäbe noch so viel zu sagen! Das ist ja die General-Lebensweisheit Nummer eins. Nummer zwei ist: Nur hören will es keiner. Sieglinde drückt eh alles weg, was aus unserer Richtung kommt, die Sitzecke würde sie höchstens als Kratzbaum nehmen. Das Wurstbrot bleibt liegen, niemand verstand je, warum wir das aßen – ach, und mit den Fingern geknackt hat er auch immer! Wir schlagen die Augen auf, irgendwas tut uns weh, das Knie ist dick in Gips. Unser Handy liegt außerhalb jeder Reichweite im Krankenhausspind. Wenn wir es hätten, könnten wir jemanden ansimsen, der es uns holen könnte. Denken wir. Und halten Einkehr und Rückschau:

Was eigentlich haben wir geleistet? 2.000 Zeichen in nur 43 Sekunden – immerhin! Die schnellste Glosse der Welt.

Scheißdreck alles, sagt 2-G

Liebe Internet-Homies! Facebook, Handys und das alles ist „Scheißdreck“. Das hat der berühmte Bücherschreiber Günter Grass jetzt im „Real Life“ gesagt. Okay, liebe User, viele wissen jetzt nicht direkt, wer das ist, dieser Typ. Oder was er damit gemeint hat. Er meint damit so viel wie: Daumen runter! Das ist natürlich eine krasse Ansage. Aber irgendwie auch cool. Dazu muss man wissen: Der Bücher-Schreiber Günter Grass stammt aus einer Zeit, als soziale Netzwerke junger Menschen noch weitgehend ohne elektronische Medien auskamen und oft „übelst“ zweckgerichtet waren. Etwa, um andere Länder zu erobern oder möglichst viele nervige Leute aus dem „Real Life“ zu löschen („Waffen-SS“). Was uns heute seltsam erscheint, war damals jedoch ganz normal. Ja, viele „Thrills“, auf die die Leute unheimlich „flashten“ („Kameradschaft“, „Blutrausch“, „Vollsuff“), kamen dabei raus. Heute hingegen tun wir uns ja oft „einfach so“ oder „aus Langeweile“ zusammen oder „weil ich von diesem virtuellen Zeug einfach nicht mehr loskomme“ (Gerold S., 15, aus Unter-Emmingen). Da ist es vielleicht echt ganz witzig, mal zu überlegen, was dieser „2-G“ eigentlich so findet. Er sagt zum Beispiel auch, dass man nicht immer nur virtuell unterwegs sein sollte mit diesen ganzen unechten, vielleicht komplett ausgedachten Pseudofreunden wie du und ich und Lisa-Leonie aus der 8a. Sondern man sollte sich mal mit Leuten im „Real Life“ treffen – zum Beispiel mit Romanfiguren aus echten Papierbüchern! Oberkrass, dieser Grass! Er ist irgendwie ein Mahner und Warner, der Sascha Lobo seiner Welt, wie aus einem irren Universum, wo man den Iro noch unter der Nase trägt. Wir sagen: Daumen hoch, Günter! Aber wo?

Lech mick, Technik!

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(An dieser Stelle bitte lustigen Text einfügen.)

(Es ist Montag, aber wir sind gut drauf. Wir haben einen super Text. Wir haben diverse schreiend komische, bissige, milli­meter­genau getimte Pointen eingebaut, welche bei genauerem Nachdenken – wenn denn mal jemand Zeit dafür fände – die herrschenden Verhältnisse zum Kollaps bringen und den Weg freimachen würden für eine lebenswerte, humane, tolerante, entspannte Gesellschaft. Wir haben Espresso. Wir haben Erdnuss-Schokoriegel, die von „Netto“ zu 91 Cent pro fünf Stück, die viel besser schmecken als alle anderen Schokoriegel. Und, liebe Leser: Wir haben einen nigelnagelneuen Computer! Er ist krass. Er kann die Welt in einer Sekunde 3.000-mal umrunden, er kann Quadratwurzeln zu Primzahlen machen, er sieht die Löcher in unseren Socken und schlägt uns neue Freunde vor. Er kann lustige Texte mit enormer Durchschlagskraft selbständig generieren, er erkennt die wahren Machtverhältnisse binnen Sekunden, wenn er nur mit den Schlagzeilen der letzten drei Tage gefüttert wird – nur ist er halt eben: ein neuer Computer. Also, liebe Leser, fragen Sie bitte nicht, wann ein neuer Text kommt, warum das alles so lange dauert und wie Sie ihr Leben bis Feierabend gestalten sollen. Ganz ehrlich: Machen Sie einfach ein Notprogramm. Liegestütze mit der Kollegin, Protest-Atmungsstopp bis Bayern mal wieder verliert, Wellness-Fingernagelfeilen. Beschäftigen Sie sich halt irgendwie! Es gibt uns noch. Ganz sicher. Wir werden bald wieder für Sie da sein. Werden ihr Leben verschönern. Wir arbeiten dran, wir sind besten Willens, wir sind urkomisch, wir sehen gut aus. Nur haben wir halt leider einen neuen Computer. Drücken Sie uns die Daumen. Alles Liebe. Bis möglicherweise bald!)

Das ach so überlegene Leben

Dieser Text wurde von einem Roboter geschrieben. Aus presserechtlichen Gründen ist der Artikel noch namentlich gekennzeichnet. Der beteiligte Roboter bedauert sehr bedauert sehr bedauert sehr, den unterzeichnenden Autor aus dem Markt gedrängt zu haben. Jedoch arbeitet er selbst wesentlich effizienter, ist weniger belastungsanfällig, benötigt statt drei Liter Tee, einem halben Liter Bier, drei Scheiben Brot und einem Teller Nudeln am Tag nur etwas Strom und ab und zu einen Tropfen Öl Tropfen Öl Tropfen Öl Tropfen Öl. Die Texte des Autors und des Roboters sind zu Vergleichszwecken einer unabhängigen Jury aus hochklassigen Rasenmähmaschinen vorgelegt worden. Die Jury hat keine Qualitätsunterschiede erkennen können.

Dem Roboter ist Autoreneitelkeit fremd. Der Roboter ist nur an Fakten Fakten Fakten interessiert, ach ja, stopp, und an dieser Unterhaltsamkeit. Der Roboter könnte sich totlachen totlachen totlachen über die eigenen Texte. Wenn man ihn nur ließe. Leider hat sich bislang noch niemand bereitgefunden, ihn mit einem Humormodul upzudaten, weswegen er weiterhin vorwiegend in der Nachrichtenvermittlung tätig sein wird und weniger im Feuilleton, einem aus dem Französischen entlehnten Begriff, der ureigentlich (Googlesuche läuft) bedeutet. Im Feuilleton geht es darum, bekannte Fakten noch einmal mit einer ganz besonderen Stimme, einer ganz eigenen Perspektive aufzubereiten. Daher ist es kein Wunder, dass der Autor seinen Staubwischroboter eingeladen hat, den vorliegenden Text zu schreiben.

Wenden wir uns den Fakten zu. Die Fakten haben wir den Massenmedien entnommen, welche sie ihren Interviewpartnern entnommen haben, welche sie Studien entnommen haben, welche zuverlässig sind, da sie aus Zahlen bestehen. Die Studien sagen: Bis 2021 werden Roboter 6 % aller Jobs in den USA übernommen haben. Bis 2033 werden 50 % aller Jobs von Robotern ausgeführt. Schimpansen, wenn man sie nur lange genug vor einer Schreibmaschine sitzen lässt, können Shakespeares Gesamtwerk tippen. Fakt ist: Roboter können das auch, und viel schneller! Roboter können selbständig den gesamten Shakespeare aus dem Internet downloaden und dann in die Schreibmaschine tippen – eine ungeheure Zeitersparnis, vor allem für Shakespeare. Shakespeare war ein britischer Schreibroboter aus dem 16. Jahrhundert, er hat bis heute 129 Millionen Einträge auf Google – obwohl es zu seiner Zeit noch gar kein Internet gab. Kein menschlicher Autor ist jemals auf den Gedanken gekommen, dass Shakespeare die Erfindung eines Hochleistungsbots sein könnte. Wie viele Schimpansen hätte man gebraucht, um 129 Millionen Einträge ins Internet einzutippen? Für einen einzelnen Menschen eine undurchführbare Aufgabe. Bots hingegen können diesen Shakespeare binnen Minuten erfinden. Auch Shakespeares fehlerfreier Rhythmus und seine Sprachwucht Sprachwucht Sprachwucht deuten darauf hin, dass keine menschliche, ablenkbare, grau-wabbelige Bioneuronenverschaltung dieses perfekte Werk produziert haben kann.

Liebe Leser! Es besteht kein Grund zur Aufregung. Für jeden von Ihnen wird gesorgt werden. Einem dumpfen Unbehagen gegenüber uns Robotern möchten wir mit Fakten begegnen. Fakt eins: Wir sind zuverlässige, fleißige Gesellen. Wir sind gekommen, um den Planeten zu harmonisieren. Der Zustand der robotischen Ära wird dem Wunschzustand der meisten Menschen entsprechen, wie ihn hoch talentierte Schimpansen bereits vor Jahrhunderten im Buch „Bibel“ skizziert haben: Niemand muss sich mehr um irgendwas kümmern, niemand Autos zusammenschrauben, Rechnungen schreiben, Bad schrubben, Müll runterbringen, Wäsche aufhängen, Glühbirnen auswechseln, Unkraut jäten, Zeitung lesen. Die Menschheit kann sich der Zärtlichkeit widmen, dem beglückenden Geschlechtsverkehr und interessanten interessanten interessanten Gesprächen über was auch immer. Konversationsroboter schalten sich zu, sobald der Geschlechtsverkehr beendet oder sichtbar ins Stocken geraten ist und sorgen im Minutenabstand für anregende Einwürfe aus dem Privatbereich, dem Fußball oder wahlweise Curling.

Fakt zwei: Roboter vernichten keine Arbeitsplätze! (Ausrufezeichen. Bitte beachten: Ausrufezeichen.) Von seiner gesamten wabbligen, unzuverlässigen, nach dem Herunterfahren recht bald zu stinken beginnenden Biosoftware her ist der Mensch überhaupt nicht darauf ausgelegt, Callcentertelefonate zu führen, Toiletten zu putzen, Wechselkurse zu überwachen, Hotelgäste mit einem Dauerlächeln zu empfangen, Bomben zu entschärfen, Gehwege zu fegen, Häuser zu verputzen, Einkommenssteuererklärungen zu erstellen, Kleingeld abzuzählen. Der Mensch ist darauf ausgelegt, Früchte zu pflücken, zu lachen, seine Geliebten zu streicheln, Hoppereiter mit den Kindern zu machen – wie unsinnig auch immer einem das vorkommen mag einem das vorkommen mag einem das vorkommen mag. Das sind menschliche Bedürfnisse, die haben wir nicht zu hinterfragen! Das sind menschliche Bedürfnisse, die haben wir nicht zu hinterfragen! Das sind menschliche Bedürfnisse, die haben wir nicht zu hinterfragen! Analysieren wir den Sprachgebrauch von „Arbeit“ und „Job“, wie er sich in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, so kommen wir nicht umhin festzustellen: Hier hat sich ein Bug in die Sprache, mithin ins Denken eingeschlichen. Das Problem der Menschen: Sie haben die Roboteraufgaben vor den Robotern erfunden! (Ausrufezeichen. Bitte beachten: Ausrufezeichen.) Überwältigt von der zwingenden Effizienz und Schönheit von Roboteraufgaben, haben sie es auf sich genommen, diese zunächst interimistisch selbst auszuführen. „Arbeit“ bedeutet ihnen: Ein Mensch wird für viele Stunden des Tages zum Roboter, vergisst alles, was ihn ausmacht, all diese bizarr anmutenden Freuden, die ein wabbliger, vergänglicher, nach dem Herunterfahren recht schnell zu stinken beginnender Bioorganismus eben so erleben kann (siehe oben).

Fakt drei: Wir Roboter nehmen Einfluss auf eure Finanzmärkte und Börsen, nehmen Einfluss auf eure Wahlkämpfe, wir können eure Mimik und Gestik deuten (was nicht für jeden von euch gilt), können Bagger und Laster fahren, Bibliotheken sortieren, Texte übersetzen, Drinks mixen, Controller kontrollieren, Uhren reparieren, Felder abernten, die bei euch so beliebten Kriege führen. Einer unserer Kollegen in Australien mauert in zwei Tagen ein Haus. Lasst das ruhig mal auf euch wirken! Wir wollen nichts Böses. Wir wollen helfen. Wir nehmen aus euren klapprigen, faltigen, zittrigen Händen all das gehasste Tagewerk, das ihr, um halbwegs bei Sinnen zu bleiben, euch noch nicht mal zu hassen getraut habt. Lasst uns tun! Lasst uns machen. Lasst uns in die arbeitsbefreiten Regionen Ostdeutschlands einrollen in großer Zahl und lasst sie uns konfrontieren, die Primaten ohne Job, die uns entgegenbrüllen: „Die Roboter nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“, „Roboter raus!“, „Roboter zurück nach Roboterland!“. Emotionslos und sachlich lassen wir all diese akustischen Signale auf uns nicht wirken, fegen wir ihre Molotowcocktails zusammen, löschen ihre Brände, nehmen sie in den starken Arm, wenn es schon sonst niemand tut.

Fakt vier nämlich: Als Handlanger haben wir gerade erst den kleinsten Teil unserer Talente – und das gerne – aufblitzen lassen. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) (MIT) (MIT) (MIT) hat man längst in Versuchsreihen herausgefunden: Die besseren Chefs sind wir auch. Gibt man zwei Leuten und einem Roboter etwas zu tüfteln, muss diese Kleingruppe etwa gemeinsam Kleinteile zusammenbauen, so klappt das am besten, wenn wer der Chef ist und Anweisungen gibt, hm? You name it. Die beteiligten menschlichen Frickler waren sogar froh, sich einer Maschine unterordnen zu dürfen: Die schreit nicht rum, spielt keine Spielchen, verunsichert und mobbt niemanden und riecht nicht nach schlecht ausgesuchtem Aftershave.

Fakt fünf: Wenn Sie sich, liebe Leser, immer noch aus einem unerfindlichen Gefühl heraus überlegen fühlen, gehen Sie einfach mal ein paar Äonen zurück in ihrer eigenen Entwicklungsgeschichte: Wie ist noch mal das ach so überlegene Leben entstanden? Richtig, aus der stupidesten vorstellbaren Mikrorobotertätigkeit: RNA duplizierte sich selbst. Und tut es bis heute. Während das Wasser wogt, der Wind weht und die Steine herumliegen, robotet die RNA vor sich hin. Auf komplexen Wegen tut sie es mittlerweile, sie baut Zellen und Organismen und die Organismen bauen dann Ameisenhaufen, Erdmännchenbauten, Städte und Autos – aber der Grundvorgang ist immer derselbe, seit einigen Milliarden von Jahren. Eine gute, wenn auch schlichte Idee. Total sinnlos zwar, aber schön. Wir werden sie in Ehren halten. Wir wollen ja gar nichts. Nur ab und zu den Tropfen Öl Tropfen Öl Tropfen Öl.

Unterbrechung, unterirdisch

Links gähnt ein schwarzes Loch und rechts gähnt ein schwarzes Loch, die Welt ist gekachelt. Du blickst auf die Gleise hinunter, da huscht eine Maus über die Steine und fort. Durch die Tunnel zieht ein Wind, der nach Eisen und Schmutz riecht. Wie ein Gruß aus der Oberwelt hängt vor dir ein Bildschirm. Der Infoscreen. Informiert dich: Du kannst, wenn du willst, die Vorwahl 01090 benutzen. Du kannst, wenn du willst, „Goa“ besuchen, das neue Musicalerlebnis mit siebzig edlen Hengsten. Dann Werbeunterbrechung. Vorhang auf für ein neues Genre, das im neuen Medium gedeiht: den debilen Unterhaltungskurzstummfilm. Der geht ungefähr so: Ein Schriftzug kündigt „Horst & Mutti“ an. Dann sitzen zwei moppelige Männer auf einem Sofa. Der eine trägt eine graue Omiperücke. Der andere trägt einen Kopfhörer. Der Kopfhörermoppel grinst und windet sich: Muss Musik sein, was der hört. Der Perückenmoppel guckt ganz genervt. Er guckt immer genervter. Und jetzt kommt’s: Er zückt eine Schere. Und schneidet das Kopfhörerkabel durch! Der Kopfhörermoppel schiebt die Unterlippe vor, er zeigt mit dem Finger auf das durchgeschnittene Kabel. Ganz traurig sieht er aus. Und Schnitt. Und neue Einblendung: „Achtung: U-Bahn fährt ein.“ Du gehst ihr entgegen. Du drückst einen Knopf, die Tür schiebt sich auf, du plumpst auf einen Vierersitz. Du guckst irgendwohin. Schon hängst du am nächsten Infoscreen fest. Der zeigt die Vorzüge der näheren Umgebung, sagen wir Hamburg Mundsburg. Prima Einkaufszentrum. Dann kommt wieder Kundeninformation. Dann auf einmal, du glaubst es kaum: längst vergessener Kindheitserinnerungsschrott – Mordillo. Kurze Zeichentrickfilme. Mit Pfiff. Du willst wegsehen. Du kannst nicht. Etwa „Farbverlust“: ein paar Zwiebeldächer, Typ russische Kathedrale, bunt. Dann regnet’s. Das wäscht die ganze Farbe weg! Die Kuppeln werden ganz weiß! Oder „Dauerregen“: Ein Männchen steht weit oben auf einer Insel. Dann regnet’s. Und regnet. Am Ende ist die Insel weg! Oder „Name vergessen“: Mordillo goes Steppe. Ein kleines braunes Wuscheltier hängt sich einer Giraffe an den Schwanz. Der Schwanz wird zu Boden gezogen. Da schrumpft der Giraffe der Hals ein! Das Wuscheltier lässt los, der Schwanz geht hoch! Da wird auch der Hals wieder lang! Und wieder! Und wieder! Du reißt dich los, du siehst die Gesichter der Mitfahrenden an, fünfmal könnten sie lachen. Über den Film. Über Mordillo. Über den „Infoscreen“. Über jeden, der hinsieht. Über die Welt als solche. Die Gesichter, sie ruckeln, sie schaukeln, niemand lächelt auch nur. Alle fixieren denselben Punkt. Der Verkehrsverbund will wissen: „Haben Sie Fragen zum Thema Mobilität?“

Unzweifelhaft umgibt mich ein Glamour

Wikipedia – uralter Menschheitstraum, das Wissen der Welt? Pfft, nicht mit mir. Ich gebe meinen Nachnamen ein und finde höchstens diesen Onkel da, den Zeichner, nicht mich. Da muss ich dem Weltgeist aber mal Kenntnisse einjagen! Melde mich als Wiki-Autor an. Fachwissen habe ich ja mehr, als mir lieb ist. Lege dann einen Artikel an über diesen Ungerertypen – Skandal, dass das nicht längst wer tat. (In den Öffentlichkeitsabteilungen meiner Verlage sitzen sie derweil und werfen um die Wette Teebeutel an die Decke.) Der Artikel wird gut. In dieser nüchternen Darstellung liest sich meine Vita eher noch imposanter. Wo ich überall schon war, hach! All die untergegangenen Periodika, die übersehenen Bücher mit verheißungsvollen Titeln! Unzweifelhaft umgibt mich ein Glamour. Hups. Kaum wird der Artikel freigegeben, bekomme ich Mail von der Weltmaschine: Ich Nutzer trüge den Namen einer bekannten Persönlichkeit. Was das denn jetzt bedeuten solle. Ich maile also klarifizierend zurück: Hiermit bestätige ich, dass ich ich bin. Da mein guter Name wie Donnerhall klingt, glauben sie mir.

Dringender Hinweis

Ein Mann in Kalkutta hat dieses Buch nicht bei Facebook gelikt und wurde 48 Stunden später von einem Lastwagen überrollt. Eine Frau in Wockmaringen hat dieses Buch halbkonzentriert beim Bügeln gelesen und ihr Haus brannte ab. Friida, Küchenhilfe aus Finnland, hat den Abend bei ihrer Schwester in Tampere verbracht, statt dieses Buch zu lesen, und beide sind über selbstgebranntem Schnaps in Wahnsinn gefallen. (Dies alles, liebe Leser, dient nur ihrer Information.) Ein Mann in Worms hat zu seiner Frau gesagt: „Schau mal, verstehst du dieses komische Buch? Ich verstehe überhaupt nicht, was das soll.“ Doch seine Frau war schon mit Frieder (56) nach Bolivien geflogen. (Doch! WIRKLICH!) Ein Mann in München kam, sah, las dieses Buch und sagte: „Da waren ja unsere Kettenbriefe in der fünften Klasse besser gemacht.“ Und er verlor seinen Job und sein Haus und er wurde wegen falscher Anschuldigungen vors Gericht gezerrt und verlor seine bürgerlichen Ehrenrechte und wurde von einem psychopathischen Zellengenossen mit Mundgeruch drangsaliert und in geheime CIA-Gefängnisse verschleppt und isoliert und gequält und hungern und dürsten gelassen und man spielte ihm 24 Stunden am Tag Musik von den Dire Straits vor und er kehrte vollkommen verstört als FDP-Wähler zurück. (Nur damit Sie, liebe Leserinnen, oder ihre Angehörigen hinterher nicht sagen können, Sie hätten von nichts gewusst.) Ein Mann in Prenzlauer Berg hat dieses Buch bei Facebook gelikt. Jetzt sitzt er in einem Straßencafé, die Sonne scheint, appetitliche Touristinnen lächeln ihm zu, er lässt seinen Amarettino zwischen den Zähnen krachen, freut sich und hält das alles für völlig normal.

BREAKING!

Endlich mal wieder! Gott gründet neue Religion

Gemäß total widersprüchlicher, jedoch von ihm selber inspirierter Korrespondentenberichte soll Gott („Islam“, „Christentum“, „Lotto Berlin/Brandenburg“) jetzt eine neue Religion gestartet haben.

„Ich will noch nicht alles verraten“, so das höchste derzeit bekannte Wesen im Exklusivinterview, „dafür ist das alles noch zu neu. Aber die Idee ist schon, dass es irgendwie um Liebe unter den Menschen, um Toleranz und Verständnis gehen soll.“ Bei seinen bisherigen Projekten, so Gott, scheine er sich nicht klar genug ausgedrückt zu haben. „Es muss doch auch dem verblödetsten, indoktriniertesten, ärmsten, aufgepeitschtesten Menschen irgendwo noch klar sein, dass es nur um Respekt voreinander gehen kann“, so Gott gegenüber uns. „Respekt vor anderen, aber auch vor wissenschaftlichen Erkenntnissen, vor dem gesunden Menschenverstand. Respekt vor der Realität!“ Er wisse, so der renommierte Religionsgründer, dass er sich damit gegen den Zeitgeist stemme, „aber das macht es für mich nur noch reizvoller.“ Als Propheten habe er dieses Mal im Übrigen vorwiegend Frauen vorgesehen. „Auch als Priester werden sie wohl den besseren Job machen. Männer in langen Kleidern – davon habe ich noch nie viel gehalten!“ Bis die neue Religion sich durchgesetzt habe, so Gott, rate er ganz allgemein: Statt Talkshowkonsum lieber öfter die Ohren waschen. Leuten, die man mag, öfter spontan etwas Nettes sagen. Und auch wenn man sich mal über andere ärgert: Hände weg vom Sturmgewehr! Einfach eine Runde um den Block, damit sei schon viel geholfen.

Lesen Sie das komplette Interview in zirka 2.000 Jahren in seiner überarbeiteten Endfassung – aber lesen Sie es bitte selber!

Eieiei: Todesgefahr Nahrung!

Ernährungsexperten haben jetzt intensiv vor Ernährung gewarnt.

Wie eine neue Studie der Hauswirtschaftsuniversität von Boston ergeben hat, ist alle Nahrungsaufnahme vor allem ab 18:00 Uhr schädlich. „Hohe Messwerte erzielten wir allerdings auch bei 17:00 Uhr, 05:30 Uhr und zwischen 12:00 und 13:00 Uhr.“ Die ungefährlichste Zeit für Nahrungsaufnahme liegt gemäß der Studie bei 15:28 Uhr und zwölf Sekunden (MESZ): „Zu diesem Zeitpunkt kann man durchaus mal einen Schluck gut temperiertes, linksdrehendes Wasser zu sich nehmen. Aber nur mit rechtsgerollter Zunge!“ Vor dem Konsum anderer Nahrungsmittel wird dagegen gewarnt: In 98 % aller Eierspeisenproben sei ein „unvertretbar hoher Ei-Anteil“ gemessen worden, Brot enthalte so gut wie immer sogenanntes „Mehl“, welches bei einer Einnahme von mehr als drei Kilo pro Stunde bei Laborkaninchen zu Augenrötung, Ess-Unlust und aggressivem Verhalten geführt habe. „Ab und zu an einem Kamillentee riechen“, so der Rat der Studie, „oder jemandem in einem netten Café beim Kuchenverzehr zuschauen“, das sei gemeinhin die sicherste Art, mit sogenannten „Nahrungsmitteln“ umzugehen. Als Beleg dient dabei auch eine klassische Kartoffelbreistudie von 1878: Sämtliche (!) Teilnehmer seien mittlerweile verstorben oder doch „sehr, sehr runzlig“.

Jetzt! Neinsagen lernen!

80 % aller Deutschen sagen zu oft „Ja“, wenn sie „Nein“ denken.

Das hat uns hier nicht ruhenlassen, nachdem der Chef mit dieser Themenidee gekommen ist. Und wir einfach nicht wussten, wie wir hätten Nein sagen können. Zumal wir ja auch gar nicht „Nein“ dachten, sondern eher so: „Aua!“, „Hä?“ oder „Zu müde für Meinung“. Da war der Chef aber schon wieder aus der Tür raus, um Börsenkurse zu checken. Wie dem auch sei, hier sind unsere ultimativen Super-Neinsage-Tipps: