Richard Wagner: Tristan und Isolde

 

 

Richard Wagner

Tristan und Isolde

Oper in drei Aufzügen

Textbuch – Libretto

 

 

 

Richard Wagner: Tristan und Isolde. Oper in drei Aufzügen Textbuch – Libretto

 

Vollständige Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

John William Waterhouse, Tristan und Isolde, 1916

 

ISBN 978-3-8430-6020-2

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-4558-2 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-4561-2 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Entstanden 1854–1859. Erstdruck der Dichtung: Leipzig (Breitkopf und Härtel) 1859. Uraufführung am 10.06.1865, Königliches Hof- und Nationaltheater, München.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Richard Wagner: Die Musikdramen. Mit einem Vorwort von Joachim Kaiser, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1971.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

 

Tristan

 

König Marke

 

Isolde

 

Kurwenal

 

Melot

 

Brangäne

 

Ein Hirt

 

Ein Steuermann

 

Ein Seemann

 

Schiffsvolk

 

Ritter und Knappen

 

Schauplätze:

 

Erster Aufzug: Zur See auf dem Verdeck von Tristans Schiff während der Überfahrt von Irland nach Kornwall

Zweiter Aufzug: In der Königlichen Burg Markes in Kornwall

Dritter Aufzug: Tristans Burg in der Bretagne[320]

 

Erster Aufzug

Erste Szene

Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes reich mit Teppichen behangen, beim Beginn nach dem Hintergrunde zu gänzlich geschlossen; zur Seite führt eine schmale Treppe in den Schiffsraum hinab. Isolde auf einem Ruhebett, das Gesicht in die Kissen gedrückt. – Brangäne, einen Teppich zurückgeschlagen haltend, blickt zur Seite über Bord –.

 

STIMME EINES JUNGEN SEEMANNES aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar.

Westwärts

schweift der Blick;

ostwärts

streicht das Schiff.

Frisch weht der Wind

der Heimat zu:

mein irisch Kind,

wo weilest du?

Sind's deiner Seufzer Wehen,

die mir die Segel blähen?

Wehe, wehe, du Wind!

Weh, ach wehe, mein Kind!

Irische Maid,

du wilde, minnige Maid!

ISOLDE jäh auffahrend.

Wer wagt mich zu höhnen?

 

Sie blickt verstört um sich.

 

Brangäne, du?

Sag – wo sind wir?

BRANGÄNE an der Öffnung.

Blaue Streifen

stiegen im Westen auf;

sanft und schnell

segelt das Schiff:

auf ruhiger See vor Abend

erreichen wir sicher das Land.[321]

ISOLDE.

Welches Land?

BRANGÄNE.

Kornwalls grünen Strand.

ISOLDE.

Nimmermehr!

Nicht heut noch morgen!

BRANGÄNE läßt den Vorhang zufallen und eilt bestürzt zu Isolde.

Was hör ich! Herrin! Ha!

ISOLDE wild vor sich hin.

Entartet Geschlecht!

Unwert der Ahnen!

Wohin, Mutter,

vergabst du die Macht

über Meer und Sturm zu gebieten?

O zahme Kunst

der Zauberin,

die nur Balsamtränke noch braut!

Erwache mir wieder,

kühne Gewalt;

herauf aus dem Busen,

wo du dich bargst!

Hört meinen Willen,

zagende Winde!

Heran zu Kampf

und Wettergetös!

Zu tobender Stürme

wütendem Wirbel!

Treibt aus dem Schlaf

dies träumende Meer,

weckt aus dem Grund

seine grollende Gier!

Zeigt ihm die Beute,

die ich ihm biete!

Zerschlag es, dies trotzige Schiff,

des zerschellten Trümmer verschling's!

Und was auf ihm lebt,

den wehenden Atem,

den laß ich euch Winden zum Lohn!

BRANGÄNE im äußersten Schreck um Isolde sich bemühend.

O weh!

Ach! Ach

des Übels, das ich geahnt!

Isolde Herrin!

Teures Herz!

Was bargst du mir so lang?

Nicht eine Träne[322]

weintest du Vater und Mutter;

kaum einen Gruß

den Bleibenden botest du.

Von der Heimat scheidend

kalt und stumm,

bleich und schweigend

auf der Fahrt;

ohne Nahrung,

ohne Schlaf;

starr und elend,

wild verstört:

wie ertrug ich,

so dich sehend,

nichts dir mehr zu sein,

fremd vor dir zu stehn?

O, nun melde,

was dich müht!

Sage, künde,

was dich quält!

Herrin Isolde!

trauteste Holde!

Soll sie wert sich dir wähnen,

vertraue nun Brangänen!

ISOLDE.

Luft! Luft!

Mir erstickt das Herz!

Öffne! Öffne dort weit!

 

Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte auseinander.[323]

 

Zweite Szene

Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont. Um den Hauptmast in der Mitte ist Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Knappen, ebenfalls gelagert, von ihnen etwas entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend und sinnend in das Meer blickend; zu Füßen ihm, nachlässig gelagert, Kurwenal. Vom Maste her, aus der Höhe, vernimmt man wieder die Stimme des jungen Seemanns.

 

DER JUNGE SEEMANN auf dem Maste, unsichtbar.

Frisch weht der Wind[323]

der Heimat zu: –

Mein irisch Kind,

wo weilest du?

Sind's deiner Seufzer Wehen,

die mir die Segel blähen?

Wehe, wehe du Wind!

Weh, ach wehe, mein Kind!

ISOLDE deren Blick sogleich Tristan fand und starr auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich.

Mir erkoren, –

mir verloren, –

hehr und heil –

kühn und feig!

Tod geweihtes Haupt!

Tod geweihtes Herz! –

 

Zu Brangäne, unheimlich lachend.

 

Was hältst du von dem Knechte?

BRANGÄNE ihrem Blicke folgend.

Wen meinst du?

ISOLDE.

Dort den Helden,

der meinem Blick

den seinen birgt,

in Scham und Scheue

abwärts schaut?

Sag, wie dünkt er dich?

BRANGÄNE.

Frägst du nach Tristan,

teure Frau?

Dem Wunder aller Reiche,

dem hochgepries'nen Mann?

Dem Helden ohne Gleiche,

des Ruhmes Hort und Bann?

ISOLDE sie verhöhnend.

Der zagend vor dem Streiche

sich flüchtet, wo er kann,

weil eine Braut er als Leiche

für seinen Herrn gewann!

Dünkt es dich dunkel,

mein Gedicht?

Frag ihn denn selbst,

den freien Mann,

ob mir zu nah'n er wagt?

Der Ehren Gruß

und zücht'ge Acht

vergißt der Herrin

der zage Held,[324]

daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche,

den Helden ohne Gleiche!

Oh, er weiß

wohl, warum!

Zu dem Stolzen geh,

meld ihm der Herrin Wort!

Meinem Dienst bereit,

schleunig soll er mir nah'n.

BRANGÄNE.

Soll ich ihn bitten,

dich zu grüßen?

ISOLDE.

Befehlen ließ

dem Eigenholde

Furcht der Herrin

ich, Isolde!

 

Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich Brangäne und schreitet verschämt dem Deck entlang dem Steuerbord zu, an den arbeitenden Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett zurück, wo sie sitzend während des Folgenden bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord gerichtet.

 

KURWENAL der Brangäne kommen sieht, zupft, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande.

Hab acht, Tristan!

Botschaft von Isolde.

TRISTAN auffahrend.

Was ist? – Isolde? –

 

Er faßt sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt und sich verneigt.

 

Von meiner Herrin? –

Ihr gehorsam

was zu hören

meldet höfisch

mir die traute Magd?

BRANGÄNE.

Mein Herre Tristan,

dich zu sehen

wünscht Isolde,

meine Frau.

TRISTAN.

Grämt sie die lange Fahrt –,

die geht zu End;

eh noch die Sonne sinkt,

sind wir am Land.

Was meine Frau mir befehle,

treulich sei's erfüllt.

BRANGÄNE.

So mög' Herr Tristan[325]

zu ihr gehn:

das ist der Herrin Will'.

TRISTAN.

Wo dort die grünen Fluren

dem Blick noch blau sich färben,

harrt mein König

meiner Frau:

zu ihm sie zu geleiten,

bald nah ich mich der Lichten;

keinem gönnt ich