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VERLAGSTEXT

Die Rottöne in Caravaggios «Orfeo» haben es Gertrude Stein angetan, und deshalb beschließt Alice B. Toklas, ihr einen Schal in dieser Farbe zu stricken. Um den Ton genau zu treffen, tritt sie nah an das Gemälde heran und stellt fest: die Farbe ist noch feucht. Als sie die Fälschung melden will, liegt im Büro des Museumsdirektors eine Leiche. So beginnt der zweite Krimi um Gertrude Stein und Alice B. Toklas, und er endet in einem dramatischen Showdown im Obergeschoss des Arc de Triomphe.

Wie schon in «Ein Mord ist ein Mord …» ist auch Johnny, der amerikanische Freund der beiden und Alter ego des Autors, mit dabei, und wieder erweisen sich seine speziellen Begabungen, hier seine Kontakte in die Pariser Schwulenszene, als wichtige Hilfe bei der Lösung des Falles. Empfindlichen Lesern wird sicher lange im Gedächtnis bleiben, was leidenschaftliche Franzosen so alles mit Korkenziehern anstellen …

«Eine zauberhafte Liebeserklärung an eines der bekanntesten und einflussreichsten Lesbenpaare des 20. Jahrhunderts.» (Stephanie Kuhnen in L. Mag über «Ein Mord ist ein Mord ist ein Mord».

ÜBER DEN AUTOR

Samuel M. Steward (1909-1993) unterrichtete an verschiedenen Universitäten der USA Literatur, doch 1952 Jahren begann er unter dem Pseudonym Phil Sparrow eine zweite Karriere als Tätowierer, 1958 als Ward Stames eine dritte Laufbahn als Autor erotischer Erzählungen, die er ab 1964 unter seinem wohl berühmtesten Pseudonym Phil Andros fortsetzte.

In seinen Memoiren «Chapters from an Autobiography» berichtet er von Freundschaften mit vielen Berühmtheiten des kulturellen Lebens, die von Lord Alfred Douglas über Thomas Mann und Jean Genet bis Alfred Kinsey reichen. Seine Korrespondenz mit Alice B. Toklas und Gertrude Stein wurde unter dem Titel «Dear Sammy» veröffentlicht.

Bei Männerschwarm ebenfalls lieferbar:

«EIN MORD IST EIN MORD IST EIN MORD»

1937 verbringen Gertrude Stein und Alice B. Toklas wie jedes Jahr den Sommer in ihrem kleinen Château in Südfrankreich. Während Gertrude schreibt und Alice kocht, kümmert sich ein junger Mann aus dem Dorf um den Garten. Pierre ist gehörlos und umwerfend schön. Als eines Tages sein Vater verschwindet, verrät Pierre den beiden Demoiselles ein dunkles Geheimnis. Gertrude Stein liebt Kriminalromane und beginnt zu ermitteln.

Samuel Steward war eng mit Stein und Toklas befreundet. Sein Alter Ego im Roman ist der schwule Amerikaner Johnny McAndrews, der für kurze Zeit zu Besuch kommt und sich sofort in den Sekretär des Polizeichefs verliebt. Mit diesem Buch setzt Steward den beiden alten Damen auf ungemein charmante Weise ein Denkmal; die Lösung des Kriminalfalls ist dabei nicht unbedingt die Hauptsache.

SAMUEL M. STEWARD

DER CARAVAGGIO-SCHAL

Aus dem amerikanischen Englisch von Kurt von Hammerstein

Edition Salzgeber im

Männerschwarm Verlag

Hamburg 2017

Für Miss Ruby Anne

1. DER NEUNUNDZWANZIGSTE APRIL

Alice stand vor dem Ostfenster und griff mit erhobener Hand sanft nach der Kante des schweren Damastvorhangs.

Plötzlich sagte sie in ihrem tiefen Alt, dieser Stimme, in der sich ein Anklang von Bass mit dem Raspeln einer fernen Holzfeile mischte, «Erhebe dich, Liebste!»

Die massige Gestalt auf dem Bett zuckte ein wenig und sagte: «Hmmpf.»

Alice zog eine Hälfte des Vorhangs zur Seite. «Erhebe dich, Schatz!», wiederholte sie. «Raus aus dem Bett, begrüße die rosenfingrige Morgenröte mit frohem Ruf!»

Gertrude öffnete ein Auge. «Sie ist nicht rosig, nicht die Spur, für mich sieht’s einfach nur grau und nass aus.»

«Na, wenn schon nicht rosig, immerhin ist es April in Paris», sagte Alice und öffnete auch die andere Hälfte. Sie schaute zur Decke. «Das dürfte unser dreißigster gemeinsamer April sein.»

Gertrude gähnte herzhaft und stützte sich auf den Ellbogen. «Genau genommen ist es erst der neunundzwanzigste», sagte sie.

«Dreißig», sagte Alice ruhig.

«Nein», sagte Gertrude, «wie du dich entsinnen wirst, haben wir 1907 den ersten verpasst, denn wir lernten uns erst im September kennen, also macht das neunundzwanzig, wenn ich richtig gerechnet habe, und das habe ich dieses Mal bestimmt, auch wenn an mir kein Adam Riese verloren gegangen ist.»

«Du hast wie immer Recht», antwortete Alice und brachte Gertrude die Pantoffeln ans Bett.

«Was ich gerne wüsste», sagte Gertrude, während sie sich im Bett aufsetzte und kräftig den Kopf rieb, «ist, warum du mich so früh geweckt hast. Es kann doch höchstens acht Uhr sein.»

«Halb neun», sagte Alice. «Schatz, manchmal scheint es mir, als würde die Tafel deines Lebens jede Nacht, wenn du schläfst, ausgewischt werden, alles, was je darauf geschrieben wurde, nichts bliebe im Gedächtnis, und du müsstest jeden Tag von vorn anfangen, sie zu beschreiben.»

«Ich kümmere mich nur um die großen Details, nicht die kleinen», gab Gertrude schelmisch zurück.

«Na, dann rate mal, wer sich um die kleinen Dinge kümmert, die zusammengenommen wahrscheinlich größer sind als die großen, mit denen du dich befasst. Deine Vergesslichkeit macht dir so schnell keiner nach.»

«Nicht immer ein Nachteil», sagte Gertrude, hievte sich aus dem Bett und griff nach ihrem braunen Cord-Morgenmantel. «Denk mal darüber nach. Man kann diesen ganzen Müll, der sich im Gehirn ansammelt, loswerden, all die Telefonnummern, Adressen, Seitenzahlen, Jahrestage. Diese ganzen Belanglosigkeiten. Wenn ich ein unwichtiges Detail vergessen möchte, reicht es meistens, darüber zu schreiben oder es einfach zu Papier zu bringen, und husch, ist es weg, und so wird der alte Abfalleimer jeden Abend geleert und steht bereit, um am nächsten Tag wieder gefüllt zu werden. Und ich weiß immer noch nicht, warum du mich so früh geweckt hast.»

«Der Caravaggio», sagte Alice. «Daran wirst du dich wohl erinnern. Wir müssen um zehn Uhr für den Sondereinlass am Louvre sein. Du weißt sicher noch, dass Madeleines Mann uns Eintrittskarten für die Vorabenthüllung besorgt hat.»

«Ah, ja, der Caravaggio», sagte Gertrude. «Der neue, der in einem Kloster in der Nähe von Rom gefunden wurde. Also nicht wirklich neu. Ein alter wiederentdeckter. Orfeo.»

«Eigentlich Orpheus führt Eurydike aus dem Hades», sagte Alice, «auf Italienisch bekomme ich den Titel nicht richtig hin.»

«Ich frage mich, warum die italienische Regierung sich plötzlich so überaus warmherzig und großzügig zeigt und das Bild dem Louvre stiftet.»

«Hah!», machte Alice. «Angeblich ist es eine Geste des guten Willens, wegen der Weltausstellung. Sie haben geflissentlich vergessen zu erwähnen, dass Frankreich ein Abkommen unterzeichnen soll, das für die nächsten zehn Jahre den Export der essences absolues der Parfums regelt. Dadurch könnte Italien zum führenden Parfumeur der Welt werden, der große Exporteur. Weißt du noch, wie Grant Michaels letztes Jahr versucht hat, in Paris Schnurrbartwachs zu kaufen? Schließlich befindet sich Pinauds Fabrik hier, aber es gab in ganz Paris keine einzige Tube zu kaufen, weil alles für den Export bestimmt war, und er musste sich schließlich mit einem Augenbrauenstift behelfen.»

«Der auf jede Wange abfärbte, die er küsste», sagte Gertrude.

«Und der allen jungen Männern, die er kannte, einen neuen Schnurrbart verpasste», ergänzte Alice. «Auf jeden Fall ist Frankreich nun im Besitz eines neu entdeckten Caravaggios.»

«Ich frage mich, wann er gemalt wurde», sagte Gertrude.

«Wahrscheinlich um 1590», meinte Alice. «Vom zweiten Caravaggio, der sowohl Amerigi als auch Michelangelo hieß. Caravaggio war nur der Geburtstort. Es gab noch einen früheren Caravaggio mit Namen Polidori, aus dem gleichen Ort, ein ausschließlich religiöser Maler und Schüler von Raffael. Aber die frühen Arbeiten des zweiten Caravaggio waren klassisch oder heidnisch, und der Orfeo stammt aus dieser Periode.»

Gertrude stöhnte auf. «Davon bekomme ich Kopfschmerzen», sagte sie. «Du bist bis oben hin voll mit Informationen. Vielleicht mehr als nötig. Hast du all das tatsächlich schon vorher gewusst.»

Gertrude verzichtete auf Fragezeichen, die ihrer Meinung nach nur in den Comics über die Katzenjammer Kids oder als Brandzeichen für Vieh taugten. Wenn sie eine Frage stellte, ging ihr Tonfall unweigerlich nach unten anstatt nach oben, was viele Leute verwirrte.

«Nein, Schatz», antwortete Alice. «Ich habe es nachgelesen. Deshalb geht man doch zur Schule – damit man sich nicht mit Informationen belastet, die man niemals braucht, sondern weiß, wo man sie nachschlagen kann.»

«In akademischen Kreisen wäre dein Name verflucht», sagte Gertrude und schnaufte kurz, als sie ihre Wollstrümpfe überzog.

«Da wir uns schon lange nicht mehr in solchen Kreisen bewegen», meinte Alice, «und da du ein wahrhaftiges Genie bist mit deinem eigenen erlauchten Zirkel, dürfte das kaum eine Rolle spielen.»

«Wer war das gleich, wer war dieser Kritiker, der mich die Mutter der modernen Literatur genannt hat», fragte Gertrude.

«Die Großmutter, Schatz, die Großmutter.»

«Verdammt», sagte Gertrude sichtlich verärgert, «wir werden wohl wirklich alt.»

«Nein», sagte Alice. «Wir sind alt. Es ist der 3. April 1937, und vor genau zwei Monaten bist du dreiundsechzig geworden, und ich werde Ende dieses Monats sechzig.»

«Sind wir dann erledigt», fragte Gertrude seufzend.

«An dieser Stelle», sagte Alice, «werde ich nicht schon wieder die Liste all der Künstler, Schriftsteller, Musiker, Bildhauer, Komponisten und Denker aller Gebiete von der Mathematik bis zur Physik und darüber hinaus aufzählen, die ihre besten und wunderbarsten Werke mit über sechzig geschaffen haben. Das habe ich schon viel zu oft getan.»

«Du spendest mir Trost, wenn ich ihn am meisten brauche», sagte Gertrude trocken. «Aber wer war denn nun dieser Kritiker, der mich Großmutter genannt hat, wer war das.»

«Das waren einige», sagte Alice. «Nach dem Frühstück schaue ich nach.»

Alle Welt kannte Gertrude Stein und Alice Toklas, zumindest jedoch die Künstler und Intellektuellen, seit Gertrude sich vor einigen Jahren einen literarischen Streich erlaubt hatte. Sie hatte eine äußerst lesenswerte Autobiografie ihrer Geliebten und Lebensgefährtin Alice verfasst und erst auf der letzten Seite ihre Urheberschaft preisgegeben. Ein Aufschrei des Entzückens, des Unglaubens und des Widerspruchs ging durch die literarische Welt. Die einen behaupteten, Alice sei ein reines Hirngespinst, die Krönung eines Scherzes; andere krähten glückselig vor Wonne über die Pikanterien, die Gertrude aus der Welt der Pariser Schriftsteller, Künstler und Exilanten lieferte; und wieder andere gerieten außer sich vor Freude, weil sie Hemingway, dessen verlogenen Schreibstil viele längst über hatten, einen Feigling nannte. All die Neider, die noch nicht «dazugehörten», empfanden diesen urmenschlichen Kitzel, der am besten mit dem deutschen Wort Schadenfreude beschrieben wird; immer wieder mischte sich dieses sündige Vergnügen unter die künstlerischen Informationen, die man den Seiten dieses Buches entnehmen konnte.

Auch Gertrude selbst war außergewöhnlich: ihre neue Art zu schreiben, ihre geheimnisvolle und hermetische Prosa und Poesie, ihr Salon und ihr Einfluss auf ein halbes Dutzend anderer Autoren, deren Arbeit nichts wäre, hätte Gertrude sie nicht die Geheimnisse von Rhythmus und Wiederholung gelehrt. Die Ströme der öffentlichen Aufmerksamkeit flossen um sie herum und über sie hinweg, ohne dass sie sich offensichtlich darum bemühte, vielleicht, weil sie nicht krampfhaft Werbung für sich selbst machte, sondern nur weise ein wenig Nebel um sich herum aufsteigen ließ, oder eine Menge Nebel. Die Eindringlichkeit eines kleinen Kreises wortgewandter Bewunderer hielt ihren Namen im Bewusstsein der Öffentlichkeit, und dadurch war sie bekannter als viele Filmstars.

Seit nunmehr fünf Jahren genoss sie, wonach sie heimlich immer gestrebt hatte: La gloire, den Ruhm – das Ansehen, die Aufmerksamkeit, das Ohr und Auge der Öffentlichkeit. Und Alice, die vor dem Erscheinen der «Autobiografie» ein Schattendasein der Liebe geführt hatte, Gertrude umsorgte, tippte, Besorgungen machte und kochte – diese schattenhafte Alice wurde ans Tageslicht gezerrt, um in bescheidenem Maße Anteil an den Wellen von Anerkennung und Ruhm zu nehmen.

Die Menschen in ihrem Viertel erkannten die beiden, und sie zogen grüßend den Hut, wenn sie ihnen auf der Straße begegneten. Und Gertrude wurde warm ums Herz, sie freute sich heimlich über das Lächeln und die Grüße und die erfreuliche Ehrerbietung, die ihre Nachbarn und Bekannten ihnen zukommen ließen. Selbst die Hunde aus der Nachbarschaft wedelten fröhlich mit den Schwänzen, um Basket und Pepe zu begrüßen, wenn Gertrude sie mitnahm.

An diesem frühen Morgen, als Gertrude und Alice auf dem Weg zum Louvre die Rue Christine entlanggingen, war die Luft so dünn und golden wie ein junger Wein, in dem kleine Sonnenpartikel zu schweben schienen.

«Es ist ein zauberhafter April», sagte Alice. «Die Luft ist klar und prickelnd. Irgendwie macht es mir nichts aus, unsere Abfahrt nach Bilignin ein wenig hinauszuzögern, damit wir in die Ausstellung gehen und uns den Orfeo ansehen können.»

«Normalerweise, Muschi», sagte Gertrude und wich vorsichtig einer Schnecke aus, die quer über dem Gehweg eine silberne Spur hinterlassen hatte, «beschwerst du dich über die Abgase von Paris und behauptest, dass du davon Kopfschmerzen und tränende Augen bekommst.»

«Heute», antwortete Alice, «erscheinen mir wie durch ein Wunder sogar die Abgase angenehm und frisch.»

Sie schlenderten gemächlich auf der Rue Dauphine in Richtung Pont-Neuf, an den vielen kleinen Bücherkarren vorbei, die den Quai säumten. Alte Frauen und uralte Männer öffneten ihre Auslagen, und das Laubdach über ihnen mit den ersten Knospen des April schimmerte neblig grün. Auf geheimnisvolle Weise war das altbekannte Heer all derer erschienen, die die Schönheit der Stadt erhielten – Hausmeister in schäbiger blauer Arbeitskleidung, die den Unrat der Nacht mit langen Reisigbesen wegfegten. Der süße graue Geist der alten Stadt lag leicht auf Gertrudes und Alices Schultern, als sie am Ufer entlanggingen. Gertrude machte größere Schritte als Alice, sie hatte den schweren Gang einer Bäuerin, während Alice ganz elegant in einer Art von musikalischem Rhythmus drei Schritte machte, wo ihre Gefährtin nur zwei brauchte.

«Schade, dass wir Johnny Springteufel nicht erreichen konnten», sagte Gertrude. «Er wird sich ärgern, dass er nicht mitgekommen ist, um sich das Bild anzuschauen.»

«Wahrscheinlich hat er den Hörer neben das Telefon gelegt», meinte Alice, «und außerdem nimmt er vor zehn Uhr keine Anrufe entgegen.»

«Ich mache mir ein bisschen Sorgen um ihn», sagte Gertrude. «Seine Chicagoer Sitten muss man in Paris einfach missverstehen, das könnte ihm noch gefährlich werden.»

«Ach, der kommt schon klar», antwortete Alice. «Aber du hast Recht – seine Streifzüge führen ihn oft in dunkle Gassen, und die sind bestimmt nicht immer sicher.»

«Besonders in Montmartre», sagte Gertrude. «Er erzählte uns doch neulich von den Bistros dort oben.»

«Eins hatte so einen abwegigen Namen», sagte Alice. «Wie kommt ein Café Narcisse in diese Gegend!»

Plötzlich fragte Gertrude: «Wie spät ist es.»

Alice griff nach der winzigen goldenen Uhr, die an einem eleganten schwarzen Band an ihrem Hals hing. «Oh-oh», sagte sie. «Es ist zehn vor zehn. Wir sollten uns beeilen.»

Und um Punkt zehn Uhr stiegen sie die Stufen zu den massiven, dunklen Toren des Louvre hinauf, ein wenig außer Atem und von Wind zerzaust. Alice wühlte aus ihrem großen, perlenbesetzten Pompadour die Ehrenkarten hervor und reichte sie dem Türsteher.

Der Wärter, eine große Gestalt mit Schnurrbart und blauer Uniform, sagte: «Die brauchen Sie nicht, Mademoiselle.»

Alice sah ihn überrascht an. Es war Claude, der Mann ihres Dienstmädchens, der ihnen diese Karten verschafft hatte.

«Wie furchtbar liebenswürdig von Ihnen, Claude», sagte Alice. «Tausend Dank für die Karten.»

«Den ersten Gang rechts», lächelte er. «Ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen.»

Sie traten in das Dämmerlicht der Rotunde. Zu ihrer Linken sahen sie auf einem Treppenaufgang die große kopflose Statue der geflügelten Siegesgöttin Nike, die wie ein riesiges Phantom aus Marmor den gesamten Raum überragte.

«Wie kommt es nur, dass in Museen alle flüstern», fragte Gertrude leise.

«Pssst», machte Alice.

2. LEBEWOHL, EURYDIKE

In dem breiten, hoch gewölbten Korridor machten ihre Sandalen ein leise schlurfendes Geräusch. Ganz am Ende des Ganges sahen sie eine Menschenmenge in einem hell erleuchteten Saal. Die Hauptbeleuchtung des Museums war noch nicht angeschaltet, und so fühlten Gertrude und Alice all die Gemälde eher, als dass sie sie sahen – die Raffaels, Tintorettos, El Grecos und all die anderen, die in den Schatten zu ihren Seiten hingen.

«Sehe ich annehmbar aus», wisperte Gertrude, während sie weitergingen.

«Natürlich, Schatz», sagte Alice leise. «Wir könnten gar nicht besser aussehen. Wir tragen die neuen Sachen, die Pierre Balmain uns geschickt hat.»

Und tatsächlich sahen sie beide blendend aus. Über dem braunen Tweedrock, der ihre üppigen Hüften bedeckte, trug Gertrude eine gelbe Satinbluse unter einer reizenden Weste aus rosa und beigefarbenem Brokat mit filigranen Silberfäden, die Astwerken und Rebstockmustern nachempfunden waren. Alice, die kleiner war und ein wenig gebeugt ging, trug ein sehr schickes maßgeschneidertes graues Kostüm, das wie angegossen saß, mit einer weißen Hemdbluse und einer kleinen schwarzen Fliege, die sich wie ein dunkler Schmetterling auf ihrer Kehle niedergelassen hatte. Gertrude trug keine Kopfbedeckung, ihre kurzen Haare waren nach römischer Art nach vorne gebürstet, während Alice einen kleineren Hut trug als sonst. Es war fast eine Matrosenmütze mit einer nach unten gebogenen Krempe, aus glänzendem schwarzen Stroh und mit einigen zarten kleinen Maiglöckchen, die beim Gehen ein wenig hin-und herwippten.

Als sie sich der Menschenmenge näherten, stupste Alice Gertrude an: «Grundgütiger», sagte sie sotto voce. «Da ist Präsident LeBrun höchstpersönlich!»

Und er war es wirklich: ein mittelgroßer Mann mit sandfarbenem Schnurrbart. Am Rand der Menge standen ein paar Polizisten und auch zwei oder drei Personen – augenscheinlich von der Sûreté -, die sehr wehrhaft und grimmig aussahen und ihre Augen überall hatten.

«Der Allergrößte da drüben», sagte Alice, «das ist Charles de Gaulle. Und neben de Gaulle steht Janet Flanner und Coco Chanel, und …»

«Wer ist denn diese außergewöhnlich hübsche Frau, an die sich Coco anlehnt», fragte Gertrude.

Alice sah genauer hin. Eine große, frische junge Frau mit klar geschnittenem Profil und kurzem Pagenschnitt mit weißen Strähnen sah Coco zärtlich an. Sie trug ein strenges, schwarzes, männliches Jackett mit einer scharlachroten Fliege über dem weißen Hemd.

«Oh, das ist Mademoiselle Donna Denton», sagte Alice. «Coco hat sie aus San Francisco importiert, damit sie ihren großen weißen Rolls Royce chauffiert. Sie ist eine Sensation, alle sind hinter ihr her, Natalie, Marie, Renée, die ganzen Mädels.»

«Manche Leute habe einfach verdammt viel Glück», grummelte Gertrude.

«Oder Geld», sagte Alice. «Und da, schau nur, da ist Pierre Balmain! Bist du nicht auch froh, dass wir die Sachen tragen, die er uns geschickt hat? So viele Prominente! Meinst du, Presse und Fotografen stehen schon draußen und warten?»

Sie drangen in eine Wolke aus flüsternden Gesprächen ein, je mehr sie sich näherten. Niemand sprach in voller Lautstärke – alles klang gedämpft. All das Geflüster verschmolz zu einer Art seufzendem, sanftem Wind, der von nirgendwoher zu kommen schien und doch stärker und etwas lauter wurde, als sie an den Rand der Gruppe traten. Zwei Männer der Sûreté musterten sie knapp und blickten dann in eine andere Richtung; ganz offensichtlich stuften sie Gertrude und Alice als harmlos und nicht als Bedrohung ein.

Das Gemälde war recht niedrig gehängt und wurde hell angestrahlt. Bei dem Versuch, es anzuschauen, musste Alice sich auf die Zehenspitzen stellen, da sie so klein war.

«Wir müssen näher ran», sagte Gertrude und schob sich mit gelegentlichem «Pardonnez moi» und «Excusez moi» und einem breiten Lächeln nach vorne, bis sie und Alice beinahe die vorderste Reihe der Zuschauer erreicht hatten. De Gaulle sah sie mit einem etwas finsteren Blick von oben herab an, trat dann aber gnädig zur Seite.

Das Gemälde in all seiner Fülle und Pracht hing nun vor ihnen. Alice schnappte kurz nach Luft und Gertrude räusperte sich.

Vor einem düsteren, grünschwarzen Hintergrund aus gespenstisch verwobenem Geäst und mitternachtsschwarzen Felsen trat Orpheus’ Gestalt bestürzend lebendig hervor. Er stand in der rechten Bildhälfte, und seine in Siena, Elfenbein und Blassrosa gemalten Muskeln waren weitaus kräftiger als sonst bei Caravaggios Männern üblich. In der linken Armbeuge trug er eine goldene Lyra, die seine Schulter ein wenig überragte, und von seiner linken Hand wehte ein Hauch Gaze hinab, der seine Genitalien kaum bedeckte. Davon abgesehen war er vollkommen nackt. Sein rechtes Bein war ausgestreckt, als stünde er auf einem schräg abfallenden Granitfelsen, und sein linkes Bein war mit leicht gebeugtem Knie ein wenig nach außen gedreht. Über dem Knie ragte der angespannte Schenkel zu einem Waschbrettbauch empor und weiter zu einem kräftigen Brustkorb. Er sah auf seine ausgestreckte rechte Hand hinunter, mit der er das Handgelenk einer schattenhaften und vage weiblichen Gestalt berührte, die beinahe bis zur Hüfte in einem entsetzlichen Tümpel der Verwesung stand – eine fast durchsichtige Gestalt, die bereits zu entschwinden schien. Neben dem widerwärtigen Tümpel, in dem sich die Frau befand, krümmte sich das Skelett eines flachköpfigen grünlichen Untiers, dessen bloße Knochen in bösartigem Glanz zu phosphoreszieren schienen, und an der Stelle, an der Orpheus’ Hand das Handgelenk Eurydikes berührte, sah man einen weißen Funken aufblitzen.

Aber es war Orpheus’ Gesichtsausdruck, der in seiner dunkel-sinnlichen Erscheinung am fesselndsten war – ein Ausdruck, so rätselhaft wie der der Mona Lisa, eine Art grausam sexualisierten Halblächelns, das andeutete, wie sehr er sich freute, die Frau loszuwerden, der er aus Liebe bis in die Unterwelt gefolgt war.

Alice sog scharf die Luft ein. «Es ist also wahr, was man sagt», flüsterte sie.

Gertrude stand mit leicht geöffneten Lippen da. «Was denn», fragte sie halblaut.

«Dass Orpheus die homosexuelle Liebe nach Griechenland gebracht hat», flüsterte Alice ihr ins Ohr. «Und dass er sich absichtlich von Eurydike befreit hat, um zu seinen Kameraden zurückkehren zu können, zu seinen Freunden und Argonauten, mit denen er auf der Suche nach dem goldenen Vlies über die Meere segelte.»

«Das ist nun wirklich ein neuer Zugang», murmelte Gertrude. «Ich wusste gar nicht, dass Orpheus Jude war», sagte sie, nachdem sie konzentriert den hauchdünnen Stoff, der von seiner linken Hand hing, betrachtet hatte.

«Der Brauch war im Nahen Osten weit verbreitet», flüsterte Alice, «aber ich glaube, die Haut ist nur ein wenig über die Eichel zurückgezogen.»

«Warum sagst du nicht Vorhaut», sagte Gertrude kaum wahrnehmbar.

«Weil ich zartbesaitet bin», sagte Alice.

«Ein kleines altes Dämchen bist du, nichts anderes», verkündete Gertrude mit leiser Stimme. «Ich für meinen Teil nenne die Dinge beim Namen und rede nicht drum herum.»

Ihre gedämpften Stimmen gingen im allgemeinen Geflüster um sie herum unter. «Das tust du tatsächlich», sagte Alice und ihre Lippen berührten fast Gertrudes Ohr, «aber ich kann mich an einige deiner Gedichte erinnern, in denen du ganz anders davon sprichst.»

«Sei nicht vulgär», sagte Gertrude sanft.

«Lass uns gehen», sagte Alice. Über die Menge hinweg nickte sie Balmain zu, der freundlich zurücklächelte und sich kurz an die Stirn tippte. «Dann müssen wir uns auch nicht mit Kahnweiler da drüben unterhalten.»

«Gut», sagte Gertrude, und langsam und unauffällig zogen sie sich aus der Menschenmenge zurück.

Draußen auf dem Gang sagte Gertrude: «Das war zweifellos der ungewöhnlichste Caravaggio, den ich je gesehen habe. Er malt doch sonst immer androgyne junge Männer, bei denen alle Teile ganz hinter undurchsichtigen Vorhangstoffen verschwinden.»

«Durch diesen Hauch von nichts, das vor ihm hängt, konnte man doch kaum etwas erkennen», sagte Alice.

«Er sah aus wie ein Mann von heute», sagte Gertrude. «All diese Muskeln. Ein Mann der Körperkultur.»

«In Amerika nennt man sie Gewichtheber.»

«Das weiß ich auch», sagte Gertrude spitz. «Ich bin immer noch auf dem Laufenden.» Und dann etwas weicher: «Ich wette, Johnny McAndrews wird stinkwütend sein, dass er nicht dabei war.»

«Er wird wahrscheinlich als Erster hier stehen, wenn das Gemälde ab morgen für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Wir werden ihm alles ganz genau beschreiben müssen.»

«Ist dir diese kleine rosafarbene Stelle aufgefallen, neben Orpheus’ linker Ferse», fragte Gertrude.

«Ja», sagte Alice. «Es war die reinste Farbe in dem ganzen Bild. Die Körperfarbe war intensiv und sehr schön, aber diese kleine Stelle schien irgendwie nicht hineinzupassen, wie eine Art optimistischer Farbe gegen all die wilde Düsterkeit und Bedrohlichkeit des gesamten Werkes.»

«Ich liebe diesen besonderen Farbton», sagte Gertrude. «Wäre es nicht wunderbar, einen Schal oder ein Tuch in dieser Farbe zu haben.»

Alice machte sich in Gedanken eine Notiz. Der Geburtstag war im Februar, aber es gab keinen Grund, auf eine besondere Gelegenheit zu warten, um Gertrude einen Schal zu schenken. Die Winter in Paris waren manchmal sehr streng, und auch in Bilignin im Südosten Frankreichs waren die Sommerabende oft recht frisch.

«Ich wette, dieses Bild wird einen scandale provozieren», fuhr Gertrude fort. «Ich frage mich, was dahintersteckt, warum hat die italienische Regierung das Bild abgetreten, hat es den Papst beleidigt, oder was war.»

«Das glaube ich kaum», sagte Alice. «Das neue Mussolini-Stadion in Rom hat all diese heroischen Männerfiguren auf dem Dach, und die sind vollkommen nackt.»

«Auch wenn man munkelt, dass sie bald mit Feigenblättern versehen werden sollen», sagte Gertrude.

«Wer sagt das?»

«Francis Rose», sagte Gertrude. «Und falls es irgendjemanden gibt, der sich besser mit italienischen Genitalien auskennt als Francis, dann weiß ich nicht, wer das sein soll.»

«Und wer ist jetzt vulgär?», sagte Alice.

3. EIN STICH IN DER DUNKELHEIT

Ein strahlend heller Vollmond schwebte hoch über der Place de la Concorde am wolkenlosen Himmel und versilberte die Flanken des Obelisken aus Luxor, der groß und phallisch auf seiner kleinen Verkehrsinsel inmitten des brausenden Verkehrs aufragte. John McAndrews – den Gertrude und Alice Johnny Springteufel nannten, da er immerzu aufsprang, um Alice die Zigarette anzuzünden oder Gertrudes Fußschemel näher an ihren Sessel zu rücken – stand an der Ecke des großen quadratischen Platzes und fragte sich betrunken, ob er es schaffen würde, seinen schwankenden Körper durch den Verkehr hindurch auf die Verkehrsinsel zu navigieren.

Denn Johnny war ungebührlich alkoholisiert. «Ich sollte es eigentlich besser wissen und keinen Pernod nach dem Abendessen trinken», murmelte er vor sich hin. «Es ist verderblich und verwerflich und ich muss verdammt viel davon pinkeln.» Eine Luftblase stieg aus seinem gequälten Magen empor, und er rülpste mit Bedauern – denn er hasste diese körperliche Reaktion fast so sehr wie den Ausdruck dafür. «A-aber wenn ich … es zu den Büschen auf der Insel schaffe, dann … dann kann ich mich etwas erleichtern.»

Er sah zum Mond auf, der über dem Obelisken zu hängen schien wie der leuchtende Punkt eines umgedrehten Ausrufezeichens, auch wenn die unzähligen Straßenlaternen und die Scheinwerfer, die die steingrauen Gebäude anstrahlten, die sich um den Platz herum drängten, seinem Licht Konkurrenz machten.

Für einen kurzen Moment verlor er sich in Romantik, und er entsann sich des Bannes, mit dem er seine Literaturstudenten in Chicago zu belegen pflegte: «Wann immer Sie fortan in einer wolkenlosen Nacht den Vollmond sehen, werden Sie an den alten Wordsworth denken, der schrieb: ‹Der Mond schaut voll Entzücken um sich, ist der Himmel klar.›»

Eine weitere Luftblase entfuhr seiner Kehle. «Herrje», sagte er zu der Nacht im Allgemeinen. «Excusez moi.»

Ihm war in dieser Nacht nach Wordsworth. Die sanfte Aprilbrise strich durch sein feines kastanienbraunes Haar, fuhr unter die Ärmel seiner leichten Jacke und kitzelte seine Achseln mit zarter Kühle; sie blies durch die engen Maschen seiner Hose und streichelte das Haar auf seinen Schenkeln. Es war Nacht, es war April, die Jugend pulsierte in seinen Adern, und er wollte lieben oder geliebt werden, erobern oder erobert werden.

Seine größte Sorge betraf jedoch die Bürde der Flüssigkeit in seinem Körper – der niederträchtige Anisette, dieses grünlich gelbe Gift, das früher Absinth hieß, bevor der Gesetzgeber den tödlichen Wermut darin verboten hatte*. Einfallsreichen Menschen gelang es zwar, ihn wieder hinzuzufügen, indem sie bei einem Kräutersammler ein kleines Päckchen … aber trotzdem …

Sehnsüchtig schaute er zu den kleinen Büschen auf der Verkehrsinsel. «Dort wird der Schmerz von meinem Körper lassen», dachte er betrunken, «und unter dem schützenden Buschwerk finde ich selige Erleichterung.» Und langsam verließ seine Stimmung Wordsworth, den Puritaner (so pur dann allerdings auch nicht – hatte er nicht mit Annette Vallon ein uneheliches Kind in ebendieser Stadt gezeugt? Oder war es in Orleans gewesen?), und wandte sich den sinnlichen Freuden der Gedichte aus Tausendundeiner Nacht zu. «Meine Seele ist mit Wein und Gold gefüllt», dachte er, «aber ich will sie bewahren für den, der die schwarzen Skorpione seiner Haare auf meinem Herzen weiden ließ.»

Ein weiterer kleiner Rülpser. «Hoppla!», sagte er und trat in den Verkehr. Er schaffte zwei Fahrspuren, hielt inne, stolperte und überquerte die restlichen drei in einem waghalsigen Spurt. Schwer atmend stand er auf dem steinernen Fundament des Obelisken.

«Mein weißer Flügel fächert ohne Ruh dem jungen Burschen edle Düfte zu», murmelte er, «damit er seufzend schon im Paradies sich wähnt, bevor er es erreicht.»

Um ihn herum tobte der Verkehr, doch seine Gedanken flüchteten sich in gregorianischen Gesängen der weltlichen Art immer tiefer hinein in das Land von Scheherazade und Abu Nowas, und er dichtete «von seiner Wangen rotem Wein berauscht, sing auf der Straße ich der Liebe Weisen, gehüllt in –», aber er konnte sich nicht erinnern, worin, also wechselte er zu «wer trinkt von seinem Mund, vergisst die vollen roten Kelche, wer trinkt von seinen Augen, vergisst den Purpurduft der Reben, wer trinkt von seinen Wangen, vergisst die kristallene Süße der Rosen, wer trinkt von seinem Herzen … vergisst alles.»

«Ich muss damit aufhören», murmelte er, «oje, dieser Rausch …», und dies brachte ihn auf einen weiteren, letzten Vers: «Von all den Reizen untenrum, wie lieb’ ich, was die kleinen Hügel seidengrün verhüllt – oje, der Rausch – die Hosen.»

Er schaute zu dem riesigen Monolithen auf, der sich über ihm erhob. Bei dem Versuch, die Spitze zu erkennen, wurde ihm ein wenig schummerig und er schwankte leicht. Auf dieser Seite des Sockels war das Gebüsch nicht hoch genug, um ihn zu verdecken. Man durfte ihn nicht erwischen – Gott behüte! Das stolze Monument zu entweihen, Geschenk des Khediven von Ägypten, Prunkstück der gesamten Place de la Concorde, zur Erinnerung an die Stelle, an der die Guillotine stand!

Er wandte sich der Ecke des Sockels zu, und dort, auf der unteren Stufe, saß, eine Zigarette rauchend, ein Polizist. Sein kurzes Cape hing nachlässig von seinen Schultern und die schwarze, rot gebänderte Kappe lag auf seinem Knie. Ein Bulle! Ein flic! Und, so dachte Johnny erstaunt und verzückt, ein verdammt hübscher dazu! Sein lockiges schwarzes Haar schimmerte im Schein des Mondes und der Straßenlaternen mit Hunderten winziger Reflexionen, seine Nase war gerade und seine Lippen wirkten im Mondlicht dunkler als rot, beinahe schwarz. Der flic streckte ein Bein, nahm die Zigarette aus dem Mund und stand auf. Sein Cape fiel mit perfektem Faltenwurf hinab bis zur Hüfte. Er setzte seine Schirmkappe wieder auf.

«Was genau meint Monsieur hier zu machen?», fragte er streng. «Dieser Ort ist für Fußgänger nicht freigegeben.»

«Ich – ich –», stotterte Johnny, der, von seiner Trunkenheit plötzlich übermannt, ins Englische verfiel, dann aber wieder ins Französische wechselte. «Monsieur»,je vous en prie,