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Nr. 529

 

Die letzten Tage der Amazonen

 

Die Saat der Eroberer geht auf – und das Ende eines Planeten naht

 

von ERNST VLCEK

 

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Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Mitte März des Jahres 3442. Seit dem Tag, als die Verdummungskatastrophe über fast alle Intelligenzwesen der Galaxis hereinbrach, sind somit rund 15 Monate vergangen.

Der mysteriöse Schwarm setzt seinen Flug durch die Milchstraße unbeirrt fort – ebenso unbeirrt, wie Perry Rhodan und seine immunen Gefährten in gefahrvoller Arbeit dem Sinn und Zweck der unheimlichen Invasoren auf die Spur zu kommen suchen.

Perry Rhodan und seine Helfer wissen inzwischen längst aus bitterer Erfahrung, dass die Emissäre des Schwarms Unheil über mehrere Welten gebracht haben. Sie wissen auch, dass der Schwarm für den Aufstieg des Homo superior und für »das große Sterben« verantwortlich ist, und sie ahnen, dass der Schwarm weitere Überraschungen in sich birgt, die für die Bevölkerung weiterer Planeten tödlich sein können.

Diese Ahnung wird zur Gewissheit, als Perry Rhodan und seine Leute mit der GOOD HOPE II und der INTERSOLAR einem aus etwa 7000 Raumschiffen der Gelben Eroberer bestehenden Konvoi folgen, der Diane, einen von Menschen – vornehmlich Frauen – bewohnten Planeten ansteuert, der von den Schwarminstallateuren bereits manipuliert wird.

Perry Rhodan greift die Flotte der Invasoren an. Er will verhindern, dass DIE LETZTEN TAGE DER AMAZONEN anbrechen ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Der MANN – Statt eines Namens trägt er eine Nummer.

Vanilla Dutch, Gaby Flint, Bolanda Trentis und Cynthia Larrimer – Vier Frauen von Diane.

Sandal Tolk – Der Rächer von Exota Alpha.

Tahonka-No – Sandals Freund und Mitstreiter.

Perry Rhodan – Der Großadministrator besucht eine sterbende Welt.

1. Buch: DIE AMAZONEN

 

1.

 

Dieses Buch wurde mit der Absicht geschrieben, die Sinnlosigkeit des Krieges aufzuzeigen, aber auch um die Gesellschaftsordnung anzuprangern. Unser Leben ist voller Lügen und Widersprüche. Wir verachten die Männer, versklaven sie – und vergöttern sie gleichzeitig. Wir aberkennen ihnen jegliche Existenzberechtigung – und doch schützen wir ihr Leben mit allen Mitteln. Ihre gesellschaftliche Stellung entspricht denen von Haustieren, wir verweigern ihnen jegliches Mitspracherecht und gestehen ihnen nicht zu, Namen zu tragen, wir geben ihnen nur Nummern – doch sind sie die Nummer eins in unserem Leben, weil wir sie für die Arterhaltung benötigen. Wir bezeichnen die Männer als das schwache Geschlecht – doch sie, die Schwachen, die Minderheit, sie waren das auslösende Moment für den achtzigjährigen Krieg. Warum kämpfen wir Virilistinnen gegen die Egotistinnen und die Neogolistinnen? Doch nur, um das Leben unserer wenigen Männer zu beschützen und neue Erhaltungsträger von den Feindinnen zu erobern. Welche Ironie – der minderwertige Mann beherrscht unser Denken und Handeln!

 

»Dieses Buch habe ich geschrieben«, sagte Vanilla Dutch zu dem eingeschüchterten MANN, der gerade unter stärkster Bewachung in den so genannten »Lebensbunker« gebracht worden war.

Vanilla Dutch stand im Rang eines Generals und war eine von vier Dianen, die für das Amt der Schmerzensreichen Mutter kandidierten. Vanilla fuhr fort: »Du wurdest von Geburt an für deine Aufgabe vorbereitet, hast eine gute Ausbildung genossen und darüber hinaus eine Menge Privilegien zugestanden bekommen, wie es nur wenigen deiner Art vergönnt ist. Zeige also, dass du etwas Besonderes bist, MANN. Du wirst von nun an mit Gaby, Bolanda, Cynthia und mir zusammenleben, bis es sich entscheidet, wer von uns die Nachfolge der Schmerzensreichen Mutter antritt. Du brauchst keine Angst zu haben, wir beißen nicht. Wir werden dich gut behandeln.«

Der MANN versuchte dem Blick der großen, blonden Generalin standzuhalten, aber es gelang ihm nicht. Er senkte den Kopf.

»Wie lautet deine Nummer?«, fragte Vanilla.

»12777-0181. Mit dem Zusatz NZ«, antwortete der MANN.

Vanilla lächelte amüsiert. »Wenn du nicht die Bezeichnung Naturzucht trügest, wärest du kein Erhaltungsträger und zweifellos nicht hier. Ich werde dir jetzt die anderen drei Dianen vorstellen.«

Gaby Flint war Künstlerin, eine sehr vielseitige Künstlerin. Sie malte, dichtete und komponierte. Sie war etwas kleiner als der MANN und schien auch zarter und feingliedriger zu sein.

Sie blickte den MANN aus verschleierten Augen an und sagte mit rauchiger Stimme: »Du wirst einen angenehmen Aufenthalt bei uns haben. Vielleicht werde ich dich malen.«

Bolanda Trentis war fast um einen Kopf größer als der MANN, fast so groß wie Vanilla, grobknochig und trug das lange, schwarze Haar im Nacken zu einem Knoten. Ihr Fachgebiet war Chemobiologie, und sie leitete das »Ministerium für Retortengeburten und künstliche Befruchtung«.

»Wenn du Vanillas Buch liest, so nimm dich in acht«, sagte sie scherzhaft. »Lasse dich nicht von seinem ketzerischen Inhalt anstecken.«

Cynthia Larrimer, die letzte der vier Kandidatinnen, war nur wenige Zentimeter größer als der MANN, übergewichtig und hatte einen rosigen Teint. Das brandrote Haar hatte sie bürstenkurz geschnitten. Sie war Genetikerin, ihr Ressort war die Geburtenkontrolle. Sie bestimmte, wie viele Kinder männlichen Geschlechts geboren werden durften. Doch war sie praktisch ein Minister ohne Portefeuille, denn seit achtzig Jahren schon wurden weit weniger Knaben geboren, als gesetzlich zugelassen gewesen wären. Diesem Missstand, den man auf eine Degenerationserscheinung zurückführte, war weder in der Retorte noch durch künstliche Befruchtung und »Naturzucht« beizukommen.

»Du bist ein stattliches Exemplar, MANN«, sagte Cynthia schmeichelnd. »Du wirst eine von uns zur Schmerzensreichen Mutter machen.«

Danach führten die vier Dianen den MANN durch die Räumlichkeiten des Bunkers. Obwohl das Betongebäude, das von einer meterdicken Betonmauer umgeben und durch MG-Stellungen und Minenfelder gesichert war, von außen einen unfreundlichen Eindruck machte, war es in seinem Innern warm und behaglich.

»Ein Nest zum Kuscheln«, sagte der MANN.

Die vier Dianen waren ob des Lobes erfreut.

Die Räume im Erdgeschoss waren ausschließlich der Freizeitgestaltung vorbehalten – selbstverständlich gab es dort auch sanitäre Anlagen, eine kleine Küche und eine Waffenkammer. Im ersten Stock waren der Wohnraum, die Bibliothek, ein Salon, ein riesiges Bad und die obligate Waffenkammer untergebracht. Die Schlafräume lagen im Dachgeschoss.

»Ich bin entzückt«, stellte der MANN nach dem Rundgang fest.

Die vier Dianen zogen sich mit ihm in die Bibliothek zurück, wo sie ihn in ein Gespräch verwickelten, um das Eis zu brechen.

Zuerst sprachen sie über alltägliche Dinge, über Banalitäten, die dem geistigen Horizont eines Mannes entsprachen. Doch es zeigte sich, dass 12777-0181-NZ überdurchschnittlich intelligent war und ein recht beachtliches Allgemeinwissen besaß. Daraufhin gestalteten die Dianen ihre Konversation etwas anspruchsvoller, wagten sich sogar auf das Glatteis der Politik vor.

»Ich bin überzeugt, dass der Virilismus die einzig realisierbare Form des Matriarchats ist«, sagte 12777-0181-NZ während des Gesprächs. »In unserem Staat haben wir Männer den uns zustehenden Platz. Ich jedenfalls bin zufrieden. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich den Anforderungen gewachsen wäre, wie sie die Neogolistinnen an ihre Männer stellen. Wir sind dazu geschaffen, den Dianen das Leben zu verschönern, ihnen in schweren Zeiten seelische Stützen zu sein und für die Arterhaltung zu sorgen. Was darüber hinausgeht, das übersteigt unsere Kräfte. Wir können keine Entscheidungen treffen, wir können keine Verantwortung tragen. Aber ich verdamme auch die Einstellung der Egotistinnen, deren einzige Weisheit darin besteht, sich als Übermenschen zu bezeichnen, mit dem Endziel vor Augen, das männliche Geschlecht auszuradieren.«

Als er geendet hatte, herrschte eine Weile Schweigen. Von draußen drang nur das leiser werdende Brummen schwerer Flugzeugmotoren in die Bibliothek: ein Bombengeschwader, das vom nahen Flugplatz gestartet war und einen Einsatz gegen das Reich der Neo-Dianen flog.

Schließlich sagte Vanilla: »Du sprichst recht klug, doch zeigt sich in jedem deiner Worte, dass du irregeleitet bist. Du hast keine eigene Meinung. Lies mein Buch, dann reden wir weiter. Ich habe Möglichkeiten aufgezeigt, wonach Männer und Frauen als gleichberechtigte Partner nebeneinander leben könnten.«

Der MANN war irritiert. Er blickte hilfesuchend zu den anderen Dianen und meinte dann zögernd: »Das ist für mich unvorstellbar. Ich meine, uns Männern fehlen doch alle Voraussetzungen für ein Leben an der Seite der Frauen.«

Vanilla sagte: »Was glaubst du, würde geschehen, wenn du plötzlich auf dich allein gestellt wärst. Wenn man dich auf einen fremden Ort versetzte und du ohne die Hilfe von Frauen auskommen müsstest.«

Der MANN wurde blass. »Ich ... ich würde zugrunde gehen.«

»Nein«, widersprach Vanilla, »du würdest dich anpassen ... Du ...«

Plötzlich ging mit den Dianen eine Veränderung vor. Der Mann registrierte mit steigendem Entsetzen, dass zuerst ihre Gesichter erschlafften, dann wurde der Blick ihrer Augen stumpf. Ihre Körper zuckten, die Arme machten seltsame, gespenstisch anmutende Abwehrbewegungen, so als ob sie sich gegen etwas wehren wollten, das in ihnen vorging.

»Was ist?«, fragte der MANN mit brüchiger Stimme. »So sagt doch etwas!«

Er kniete vor Vanilla nieder, ergriff ihre Hände und presste sie an sein Gesicht. Er schloss die Augen und spürte, wie ihre Finger zuerst seinen Mund, dann die Nase und seine Ohren betasteten.

Vanilla kicherte und sagte dann mit vollkommen veränderter Stimme: »Ist das spaßig. Habe noch nie meine Finger in einem Gesicht spazieren lassen. Bleibe so, MANN. Meine Finger wollen über dein Gesicht wandern. Das ist ein Spaß!«

Sie kicherte wieder.

Der MANN schluchzte. Er fühlte instinktiv, dass jene schreckliche Vision Wirklichkeit wurde, von der vor wenigen Minuten Vanilla gesprochen hatte.

Er war auf sich allein gestellt.

Mit den Frauen ging eine unfassbare Verwandlung vor, sie wurden von einem Augenblick zum anderen zu lallenden Idioten. Sie verdummten und sanken auf ein geistiges Niveau, das tief unter dem des MANNES lag.

Er, ein schwacher, hilfloser MANN, war das einzige Geschöpf auf dem Planeten Diane, das immun gegen die Verdummung war.

Dies trug sich am 29. November 3440 Standardzeit auf dem dritten Planeten der Sonne Emanzopa zu, als eine ganze Galaxis von geistiger Umnachtung erfasst wurde.

2.

 

Wir rühmen uns mit Recht unseres schnellen Fortschritts. Unsere Wissenschaft hat in den letzten achtzig Jahren einen unglaublichen Aufschwung genommen, besonders auf dem Gebiet der Biologie und der Chemie. Noch schneller, in einem geradezu erschreckenden Maß, hat der achtzigjährige Krieg unsere Technik gefördert. Und gerade hier liegt das Verhängnis für uns. Denn während unsere technische Entwicklung mit Riesenschritten voranschreitet, stagniert unsere Kultur. So kann man unsere Zivilisation letztlich doch nur als barbarisch und rückständig bezeichnen. Unsere Gesellschaft, unsere soziologische Struktur, hat sich seit tausend Jahren nicht verändert – heute wie im Jahre Null Alma dolorosa sehen wir im anderen Geschlecht nur den minderwertigen Teil der Menschheit. Am Anfang unserer Zeitrechnung war diese Philosophie gewiss brauchbar, doch heute, am Beginn des Atomzeitalters, sollten wir erkennen, dass unsere Norm des Matriarchats veraltet ist. Ich möchte damit keineswegs sagen, dass die Egotistinnen oder die Neogolistinnen fortschrittlichere Dianen sind als wir Virilistinnen. Auch sie treten trotz ihrer modifizierten Lebensauffassung auf der Stelle. Deshalb verlange ich generell die Abbauung aller veralteten Tabus. Ich verlange die stufenweise Emanzipation der Männer!

 

Er blickte von dem Buch auf und sagte zu der Frau, die mit dem Rücken zu ihm an der Hausbar stand: »Warum bist du für die Gleichberechtigung der Männer eingetreten, Vanilla?«

»Was redest du da?« Sie drehte sich um und kam zu der Couch, auf der er ausgestreckt lag. Wie meist, hielt sie wieder in einer Hand die Flasche, in der anderen das Glas. Sie kam ohne Alkohol nicht mehr aus.

Vielleicht hätte er ihr das Trinken abgewöhnen können, wenn er energischer wäre. Aber er war nur ein schwacher MANN, er resignierte. Vielleicht hätte er Gaby dazu bringen können, wieder zu malen oder Verse zu schreiben. Vielleicht wäre es ihm möglich gewesen, Bolanda und Cynthia dazu zu überreden, ihre Forschungsarbeit fortzuführen ... wenn sie ihre Intelligenz nicht verloren hätten.

Er konnte ihnen nicht helfen, denn er wurde nicht einmal mit seinen eigenen Problemen fertig. Manchmal, so wie jetzt, versuchte er die vier Dianen zum Nachdenken anzuregen. Er stellte ihnen Aufgaben, die leicht genug waren, dass sie ein durchschnittlich intelligentes Kind hätte lösen können. Aber er erzielte keinen Erfolg damit.

Während sich Vanilla ihm schleppenden Schrittes näherte, wiederholte er geduldig: »Was hat dich dazu bewogen, für die Gleichberechtigung der Männer einzutreten?«

Sie blieb abrupt stehen, schwankte und starrte ihn aus glasigen Augen an.

»Das habe ich getan?«, wunderte sie sich.

Er nickte nachdrücklich, damit sie die Kopfbewegung sehen konnte. »Das hast du geschrieben.« Er hob das Buch. »Es ist eine Abhandlung über den achtzigjährigen Krieg.«

»Zeig her.« Sie torkelte auf ihn zu.

Er betrachtete sie missbilligend. Sie trug immer noch die Uniform, doch war diese so zerknittert, als hätte sie wochenlang darin geschlafen. Der oberste Knopf ihres Hemdes stand offen, und der Kragen war über den Rockaufschlag gerutscht. Ihr blondes Haar, sonst von einem exakten Mittelscheitel geteilt, war zerzaust, das herbe Gesicht vom Alkohol aufgedunsen.

Sie riss das Buch an sich und starrte auf den Umschlag. »Das soll ich geschrieben haben? Aber – ich kann doch gar nicht schreiben.«

Er lächelte. »Vor zwei Jahren konntest du noch schreiben. Damals, im Jahre 1006 Alma dolorosa, hast du dieses Buch verfasst.«

Sie starrte immer noch auf den Buchumschlag. Plötzlich bewegten sich ihre Lippen, und sie buchstabierte den Titel: »Der achtzigjährige Krieg. Von Vanilla Dutch. Vor zwei Jahren war das, sagst du? Dann ist der Krieg inzwischen ins zweiundachtzigste Jahr getreten. Das stimmt doch?«

»Ja, das stimmt«, bestätigte er, und in seine Augen trat ein seltsamer Glanz. Er sprang auf. »Du kannst wieder rechnen und lesen, Vanilla! Du hast eben ganz richtig gesagt, dass achtzig und zwei zweiundachtzig sind.«

»Wirklich?«

»Aber ja!« Sein Gesicht rötete sich vor Erregung. Er drückte sie kurz an sich und küsste sie flüchtig auf die Stirn. »Das muss ich sofort den anderen erzählen. Gaby! Bolanda! Cynthia!«

Er rannte aus dem Zimmer, über die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und hinaus in den Garten.

Die MG-Stellungen an der Betonmauer standen leer. Die ehemals dort postierten Dianen hatten gleich nach Eintritt der allgemeinen Verdummung ihre Plätze verlassen und waren einfach ziellos davongegangen. Damals war der Krieg beendet worden, weil die Dianen nicht mehr in der Lage waren, die Gewehre, Panzer und Flugzeuge zu bedienen. Außerdem hatten sie einfach vergessen, warum sie überhaupt kämpften. Aber das war die einzige positive Auswirkung der Verdummung gewesen.

»Gaby! Bolanda! Cynthia!«

Die drei Frauen waren in ihre Gartenarbeit vertieft. Als sie sein Rufen hörten, legten sie Rechen, Rasenmäher und Wasserschlauch weg und blickten ihm entgegen.

Zuerst schienen sie nicht begreifen zu können, was er ihnen mitteilen wollte, denn er sprach unzusammenhängend und mit sich überschlagender Stimme. Aber auch als sie verstanden, blieben sie unbeeindruckt.

»Deshalb schlägst du solchen Krach?«, sagte Gaby. »Ich kann auch zählen und rechnen. Als ich gestern nicht einschlafen konnte, habe ich Schäfchen gezählt. Ich glaube, ich kam bis einhundertvierundzwanzig.«

»Und das sagst du, als sei es überhaupt nichts!«, rief er glückstrahlend.

»Mach doch kein Theater«, meinte Bolanda ärgerlich. Sie strich sich eine Strähne fettigen Haares aus dem Gesicht. »Ich war gestern in der Geburtsklinik und habe ein wenig an der Retorte hantiert. Ich glaube, mit ein wenig Übung könnte ich mich dort wieder nützlich machen.«

»Das ... das ist ...« Ihm versagte es die Stimme. Er blickte zu der dritten Diane und räusperte sich. »Und was ist mit dir, Cynthia? Ist dir auch so, als würdest du deine frühere Intelligenz zurückgewinnen?«

Cynthia lachte glucksend. »Ich war zusammen mit Bolanda in der Retorte. Außer uns waren noch gut zwei Dutzend Dianen dort. Sie scheinen eine ähnliche Verwandlung durchzumachen wie wir.«

Gaby schloss die Augen und flüsterte: »Es ist, als hätten wir nach einer Ewigkeit im Dunkeln wieder einen Weg ans Licht gefunden.«

Ihm kamen vor Rührung die Tränen. Er konnte nun wieder hoffen, dass ihm die Dianen die Last der Verantwortung von den Schultern nehmen würden. Von nun an konnte er wieder sein, was er war: ein MANN.

Er konnte wieder sein Leben in die Obhut der Dianen legen. Er schwamm wieder auf den Wellen der Geborgenheit ... Die Welt war wieder in Ordnung.

Er wollte seine Gefühle und Gedanken gerade in Worte kleiden, als von jenseits der Betonmauer das Rattern eines Maschinengewehrs ertönte. Gleich darauf war die Explosion einer Granate zu hören. Schreie erklangen, vermischt mit vereinzelten Schüssen.

Die ersten schweren Geschütze traten in Aktion ...

Panzer rollten an ...

Irgendwo heulte eine Sirene: Fliegeralarm.

Die Stille, die etwas mehr als ein Jahr gedauert hatte, war wieder dem Kampflärm gewichen. Der Krieg zwischen den Virilistinnen, den Ego-Dianen und den Neo-Dianen ging weiter.

Vanilla kam aus dem Haus gestürzt, gleich, nachdem die ersten Schüsse ertönten. Plötzlich wirkte sie wieder vollkommen nüchtern.

»Besetzt die MG-Stellungen!«, ordnete Vanilla an. »In der Stadt treiben sich überall Egos und Neos herum. Bisher haben sie sich still verhalten. Aber wenn auch bei ihnen die Erinnerung wieder eingesetzt hat – was ziemlich wahrscheinlich ist – können sie uns gefährlich werden. Wir müssen versuchen, den Bunker so lange zu halten, bis Verstärkung eingetroffen ist. Hoffentlich formiert sich unsere Armee bald.«

Außerhalb der Betonmauer kam es zu einer gewaltigen Explosion, als ein Panzerfahrzeug auf das Minenfeld rollte ...

Der MANN wurde ins Haus geschickt. Vanilla, Gaby, Bolanda und Cynthia besetzten die MG-Stellungen und begannen auf jeden zu feuern, der sich dem »Lebensbunker« näherte. Sie schossen auf Freund und Feind, weil sie sie voneinander nicht unterscheiden konnten. Denn nach der über ein Jahr dauernden Verdummung sahen alle Dianen einander gleich.