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Nr. 198

 

Die letzte Bastion

 

Atlan entdeckt das Versteck des Obmanns – und Perry Rhodan stellt seinen erbittertsten Gegner ...

 

von H. G. EWERS

 

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Nach monatelanger Irrfahrt im Kosmos sind Perry Rhodan und seine Gefährten wieder zur Erde zurückgekehrt, obwohl oftmals ihre Lage so hoffnungslos war, dass ihnen niemand mehr eine Chance gegeben hätte.

Inzwischen schreibt man auf der Erde Ende Juli des Jahres 2329. Die Pläne der Terrorgruppe Schwarzer Stern, deren fanatische Agenten um ein Haar die Hauptwelten des Solsystems vernichtet hätten, konnten wirksam durchkreuzt werden. Perry Rhodans Stellung als Großadministrator des Solaren Imperiums ist unumstritten, und auch die meisten Administratoren der terranischen Siedlungswelten haben erkannt, dass es bei den gegenwärtigen machtpolitischen Verhältnissen in der Galaxis sicherer ist, im Schutze des Solaren Imperiums zu bleiben, als eigensüchtige Ziele zu verfolgen.

Iratio Hondro hingegen, der Obmann von Plophos, einer der ältesten und mächtigsten Siedlungswelten des Solaren Imperiums, gab selbst dann nicht auf, als sein auf Terror und Unterdrückung begründetes Regime durch die Tätigkeit von Allan D. Mercants Agenten gestürzt wurde.

Auch nach seiner Vertreibung von LAST HOPE kämpft der Obmann weiter. Er fliegt nach Opposite – zu seiner LETZTEN BASTION ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Iratio Hondro – Der Obmann hat seine letzten Getreuen um sich versammelt.

Major Ragna – Er und die Männer seines Kommandos fliegen lachend in den Tod.

Merk Nateby – Ein Offizier der Blauen Garde, der sein Leben verwirkt hat.

Leutnant Nasaro – Leiter eines Jagdkommandos.

Nome Tschato und Dan Picot – Zwei Männer der LION.

Perry Rhodan – Der Administrator stellt seinen erbittertsten Gegner.

Atlan – Sein Flaggschiff entdeckt die letzte Bastion.

1.

 

Die beiden Wissenschaftler trugen Uniform, die blaue Uniformkombination der so genannten Blauen Garde, einer Eliteformation des ehemaligen Obmanns von Plophos.

Besonders auffällig an der sonst schlichten Kombination war das leuchtend rote, große V auf dem linken Brustteil der Uniform. Dieses Zeichen leitete sich von alter terranischer Tradition ab und bedeutete soviel wie »victory« – Sieg.

Das Symbol hatte die Blaue Garde und Iratio Hondro, den ehemaligen Obmann, einst von Sieg zu Sieg begleitet – und danach von Niederlage zu Niederlage.

Aber hier, im Molkexlabor des Stützpunktes, unter der Leitung der beiden Wissenschaftler, wurde daran gearbeitet, dass das V wieder zum Symbol des Sieges wurde – des endgültigen Sieges.

Die Männer unterhielten sich flüsternd, während sie die fast geräuschlose Arbeit der Laborpositronik beobachteten. Sie kannten die Wichtigkeit ihrer Aufgabe, und sie wussten auch, was sie erwartete, wenn sie dem Obmann nicht bald den entscheidenden Erfolg melden konnten.

Denn obwohl das Labor in einem Stützpunkt lag, der weitab von allen Raumrouten versteckt im Gebirge eines Planeten untergebracht war, konnten jederzeit terranische Schiffe auftauchen.

Der Grund dafür lag im Verhalten des geflüchteten Chefs der Raumabwehr, der das einzelne terranische Schiff, das sich ahnungslos dem Nachbarplaneten genähert hatte, mit Fusionsraketen beschießen ließ. Zur Zeit flog das Schiff mit Unterlichtgeschwindigkeit zurück in den Raum. Niemand wusste dieses Manöver recht zu deuten.

»Eigentlich müsste das Ergebnis jetzt kommen«, sagte Korda Trahub, einer der Wissenschaftler.

Mink Kohol nickte mit düsterem Gesicht. »Hoffentlich haben wir diesmal Erfolg, sonst ...«

Er brach ab, aber Trahub wusste auch so, was er hatte ausdrücken wollen.

Kohol drückte seine Zigarette aus und trat vor die Kontrolltafel der Positronik. Nervös schlug er mit den Fingern gegen den Ausgabesektor. Er zuckte zusammen, als das schrille Signal die Beendigung des Rechenvorganges meldete. Hastig riss er die Folie aus dem Auswurfschlitz und überflog die eingestanzten Symbole.

Oberst Trahub war hinter ihn getreten.

»Nun?«, fragte er ungeduldig. Er konnte die Symbole ohne Dechiffrier-Gerät nicht entziffern, wohl aber Major Kohol.

Der Major wandte sich um. Seine Augen leuchteten.

»Diesmal ist uns der Erfolg sicher. Die Positronik hat eine positive Wahrscheinlichkeit von einundneunzig Prozent errechnet. Und der letzte Wert ...«

»... betrug dreiundzwanzig Prozent, ich weiß«, sagte der Oberst mürrisch.

»Leider sind einundneunzig Prozent noch keine hundert.«

»Aber ...«, Major Kohol schnappte nach Luft, »... eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit gibt es für die Positronik überhaupt nicht. Noch nicht einmal, wenn ich ihr eins plus eins eingebe!«

»Das machen Sie einmal dem Obmann klar«, gab Trahub zurück. »Wir werden uns für einen Erfolg der neuen Waffe verbürgen müssen – und wehe uns, es gibt einen einzigen Versager!

Doch Schluss mit Worten! Schalten Sie auf Kammerbeobachtung um und aktivieren Sie die Ladung!«

Major Kohol drückte eine Schaltleiste nieder. Über der Kontrollwand der Positronik leuchtete ein Bildschirm auf. Er zeigte eine quadratische Kammer, deren Wände aus reflektierendem Metall-Plastik bestanden. Genau im Mittelpunkt der Kammer schwebte – wie von Geisterhänden gehalten – eine Metallkugel mit einem Durchmesser von neun Metern. Sie nahm etwa ein Tausendstel des Kammervolumens ein.

Major Kohol musterte die Kugel mit skeptischen Blicken.

»Ich fürchte, die Masse ist zu groß. Wir sollten die Molkexmenge verdoppeln!«

»Unsinn! Null-Komma-drei Milligramm genügen völlig. Ich möchte den Stützpunkt nicht in die Luft sprengen.«

Major Kohol lachte hysterisch.

»Konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgabe!«, sagte Oberst Trahub eisig. »Ist der Zündspeicher voll aufgeladen?«

»Jawohl!«, murmelte Kohol. »Fertig zum Zünden.«

»Zünden!«, befahl Oberst Trahub.

Kohols Stirn bedeckte sich mit feinen Schweißperlen. Er streckte die Hand nach einer roten Schaltplatte aus, holte noch einmal tief Luft, dann fuhr seine Hand nach unten.

Irgendwo in den unsichtbaren Sektionen des Molkexlabors wurde ein hyperenergetischer Impulsstrom freigegeben. Mit Lichtgeschwindigkeit nicht zu vergleichen, eher mit der Zeitlosigkeit einer Transition, erreichte der Impulsstrom im Augenblick der Freigabe die einen halben Kilometer vom Zündspeicher entfernte Versuchskammer.

Zur selben Zeit schlossen Trahub und Kohol geblendet die Augen. Doch es war nicht die Wirkung des gezündeten Molkex, das dieses grelle Licht erzeugt hatte, sondern nur der zündende Impulsstoß.

Das Molkex selbst wirkte unter dem Einfluss des hyperenergetischen Impulses völlig lautlos und unsichtbar, denn es arbeitete jetzt auf fünfdimensionaler Basis, ähnlich einer Gravitationsbombe.

Das Molkex verschwand im Hyperraum – und riss dabei eine seiner Energie entsprechende Masse mit.

Wo eben noch die stählerne Kugel geschwebt hatte, war nichts mehr als das Vakuum der Versuchskammer. Und noch mehr: Major Kohol und Oberst Trahub sahen entsetzt, dass die ersten beiden Schichten der Metallplastik-Wand fehlten. Das Molkex hatte sie mitgenommen.

Erst nach einigen Minuten gewannen die beiden Offizier-Wissenschaftler ihre Fassung zurück.

»Null-Komma-drei Milligramm!«, stöhnte Kohol. »Niemand wird es je wagen, diese Waffe gegen einen Planeten anzuwenden. Wieviel Tonnen Molkex fassen die neuen Raketen?«

»Siebenundzwanzig Tonnen!« Trahub stieß es in kaltem Triumph hervor. »Damit wird der Obmann die Galaxis erobern – Terra aber muss sterben!«

Oberst Trahub dachte in diesem Augenblick nicht daran, dass auch seine Vorfahren von der Erde stammten ...

 

*

 

Zehn Minuten nach dem Zeitpunkt, zu welchem Trahub dem Obmann den Erfolg des letzten Experiments gemeldet hatte, wurde eine Ansprache Iratio Hondros angekündigt.

Die Ansprache sollte um 6.10 Uhr Ortszeit beginnen.

Das war recht früh. Aber man musste wissen, dass auf Opposite die Stunde infolge der raschen Rotation des Planeten nur sechsunddreißig Minuten hatte, um den frühen Beginn des Arbeitstages zu begreifen. Der Planet Opposite, dritter der grünen Sonne Whilor, rotierte in 14,4 Stunden einmal um seine Polachse. Wollte man also den Tag zu vierundzwanzig Stunden einteilen, musste man die Zahl der Minuten von sechzig auf sechsunddreißig kürzen. Genau das hatte die plophosische Besatzung des Stützpunktes getan.

Zur Zeit hatten alle Leute dienstfrei – bis auf die Wachen. Niemand aber verließ seinen Arbeitsraum, denn überall standen oder hingen die Empfangsgeräte des Interkoms, und in wenigen Minuten würde darauf das Gesicht Iratio Hondros erscheinen.

Auch im Meslab herrschte Ruhe. Trahub und Kohol hatten wieder auf ihren Hockern Platz genommen und starrten unbeweglich auf das bunte Pausenmuster der Gemeinschaftswelle. Ihre Züge waren wie eingefroren, und unwillkürlich nahmen sie im Sitzen Haltung an.

Punkt 6.10 Uhr Ortszeit erlosch das bunte Muster.

Auf allen Bildschirmen tauchte das Gesicht des Obmanns auf.

Iratio Hondros Gesichtszüge wirkten beherrscht. Das ergraute, kurze Kraushaar hob die eckigen Konturen des Schädels hervor und kontrastierte wirkungsvoll mit der gebändigten Glut seiner Augen. Es ging etwas Suggestives von dieser Persönlichkeit aus. Keiner der viertausend Plophoser des Stützpunktes konnte sich ihrem Bann entziehen.

Iratio Hondro war sich dieser Wirkung bewusst, und obwohl das ihm niemals mehr als ein verächtliches Schürzen der Lippen abgerungen hatte, nutzte er es mit teuflischer Berechnung aus.

Erst nach einer Minute begann er zu sprechen.

Iratio Hondro verstand es, Akzente zu setzen und die kalte Sachlichkeit des Inhalts durch Heben oder Senken der Stimme emotionell zu betonen. Er konnte die Reaktionen seiner Untergebenen über einen Sammelempfänger akustisch verfolgen. Zumeist übertrug der Empfänger keinen Laut. Nur ab und zu wurden Beifallsstürme mit dem hastigen Atmen Tausender Münder eingeleitet.

Der Obmann gab zuerst einen Überblick der bestehenden Situation. Allerdings hütete er sich, die Wahrheit über die Ereignisse auf Plophos zu sagen, jedenfalls, was die Hintergründe anbetraf. Die Revolutionäre seines Volkes nannte er Rebellen, die von Usurpatoren geführt wurden, mit dem Ziel, Plophos unter terranische Zwangsherrschaft zu bringen. Da alle viertausend Plophoser im Stützpunkt Opposite von Jugend an in der Ideologie des diktatorischen Staates erzogen worden waren, zweifelte keiner von ihnen an Iratio Hondros Worten. Zuerst einzeln, dann in Sprechchören, begannen sie die Rückeroberung Plophos' und den totalen Krieg gegen Perry Rhodans Vereintes Imperium zu fordern.

Iratio Hondro ließ sie eine Weile gewähren. Dann unterbrach er das Gebrüll mit einer herrischen Handbewegung. Augenblicklich wurde es still.

»Ich danke euch für euer Vertrauen, Gardisten!«, sagte Iratio Hondro mit leiser, bewegt klingender Stimme. Dann jedoch fuhr er laut und hart fort:

»Die Terraner sind uns im Augenblick noch überlegen. Aber das wird ihnen nichts nützen, wenn wir uns nicht provozieren lassen. Ich weiß, ihr alle werdet die Warteperiode nur mit zusammengebissenen Zähnen und blutendem Herzen ertragen können. Mir geht es nicht anders. Auch mir krampft sich das Herz zusammen angesichts der terranischen Gräueltaten, die täglich und stündlich auf Plophos verübt werden.

Doch dieser Rhodan, der sich Großadministrator nennt, verkalkuliert sich, wenn er auf unsere Schwäche baut.

Eines Tages – und dieser Tag ist näher als ihr alle denkt – wird die geballte Faust unserer Vergeltung ihn hinwegfegen. Die neue Waffe, die Wissenschaftler der Blauen Garde entwickelt haben, ist unüberwindlich. Wir werden sie einsetzen, sobald der Augenblick günstig erscheint. Bis dahin habt Geduld!«

Iratio Hondro legte eine Pause ein, während erneut Beifallsstürme aufbrandeten. Hinter seinem siegesgewissen Gesicht arbeiteten die Gedanken. Er wusste, dass seine viertausend letzten Getreuen aus Funksprüchen von seinem Sturz erfahren hatten. Aber das beunruhigte ihn nicht. Was ihm Sorge bereitete, war die Tatsache, dass Rhodans Wissenschaftler ein Heilmittel gegen ein bestimmtes Virus gefunden hatten.

Dieses Virus, künstlich mutiert, war von Iratio Hondro dazu benutzt worden, um alle Untergebenen in exponierten Stellungen damit zu infizieren. Innerhalb vier Wochen führte die Infektion zum Tode. Doch niemand brauchte zu sterben – jedenfalls niemand, der dem Obmann die Treue hielt. Er besaß das Kompensatormittel, und er ließ es regelmäßig vor dem Ende aller vier Wochen injizieren. Das hatte ihm völlige Ergebenheit gesichert – bis das Mittel gefunden wurde, das die Erkrankung nicht nur für weitere vier Wochen kompensierte, sondern völlig heilte.

So einfach war das gewesen.

Iratio Hondro stellte die terranische Erfindung vor schwerwiegende Probleme. Diejenigen seiner Untergebenen auf Plophos, die ihm bisher die Treue nur aus Furcht gehalten hatte, fielen in dem Augenblick von ihm ab, als die Terraner ihnen die völlige Heilung anboten. Das war bei den viertausend Gardisten auf Opposite zwar nicht zu befürchten, aber Iratio Hondro war klug genug, ihnen ebenfalls die völlige Heilung zu versprechen, sobald Plophos wieder frei sei.

Ein wahrer Orkan der Begeisterung brach los.

Der Obmann lächelte in die Aufnahmeapparatur. Er wusste, seine letzten Getreuen würden ihm folgen, wohin auch immer der Weg ginge. Fast glaubte er selbst daran, noch einmal eine Wende herbeiführen zu können.

Er hob die Hand.

Schlagartig verebbte der Begeisterungssturm. Iratio Hondro setzte zum Höhepunkt seiner Rede an. Es war 6.34 Ortszeit.

Genau eine Sekunde später ließ der Obmann die Hand wieder sinken, während die Aufnahmegeräte abgeschaltet wurden. Der Schluss der Rede blieb ungesprochen.

Die Ursache dafür war ein rotes Licht, das – unsichtbar für die Zuschauer – über der Aufnahmekamera aufgeleuchtet war. Die Kommandozentrale des Stützpunktes rief nach Iratio Hondro.

 

*

 

Die anwesenden Offiziere salutierten, als Iratio Hondro das weite Oval der Zentrale betrat.

Der Raum glich weitgehend der Zentrale eines großen Raumschiffes.

Der Obmann erwiderte den Gruß nur mit einem Kopfnicken. Mit raschen Schritten begab er sich zu den Bildschirmen und Skalen der überlichtschnell arbeitenden Ortungsanlage. Er brauchte nicht zu fragen, welche der unzähligen Anzeigen von Bedeutung sei. Ihn interessierte nur einer der Bildschirme, einer, auf dem ein winziges grünes Lichtpünktchen glühte, das sich eigentlich hätte bewegen sollen. Doch das tat es nicht.

Des Obmanns Gesicht verdüsterte sich. Sein Blick wanderte zur Messskala. Er wusste noch genau, dass vor Beginn seiner Ansprache die Zahlen darauf sich laufend verändert hatten. Es war der Beweis dafür gewesen, dass der terranische Schlachtkreuzer sich weiterhin mit Unterlichtgeschwindigkeit aus dem Whilor-System entfernte.

Bei einer Distanz von nur drei Lichttagen.

Iratio Hondro drehte sich unendlich langsam um. Als er dem Leitenden Offizier der Zentrale sein Gesicht zuwandte, war der gehetzte Ausdruck seiner Augen verschwunden und hatte der Maske rein intellektuellen Interesses Platz gemacht.

»Sind Sie sicher, Major Ragna, dass es sich noch um den Schlachtkreuzer handelt, der auf Pulsa zwischengelandet war?«

»Jawohl, Obmann. Wir haben das Schiff keine Sekunde aus den Augen verloren. Es hat gestoppt und Warteposition eingenommen. Befehlsgemäß gab ich Ihnen Signal. Allerdings ...«, der Major zögerte unsicher, »... scheint das Schiff beschädigt zu sein. Vielleicht, dass es deshalb ...«

»Schlussfolgerungen überlassen Sie bitte mir, Major Ragna!«, sagte Iratio Hondro eisig. »Der Schlachtkreuzer mag beschädigt sein oder nicht, Tatsache ist, dass er ausgerechnet an einem Punkt abgestoppt hat, der identisch ist mit der günstigsten Eintauchposition für Linearschiffe.«

»Sie meinen, er wartet auf Verstärkung?«

Iratio Hondro nickte stumm.

»Aber wir haben keinen Hyperkomspruch aufgefangen, Obmann.«

Das Gesicht Iratio Hondros verfinsterte sich.

»Gebrauchen Sie Ihren Kopf gefälligst zum Denken, Major! Ein Schlachtkreuzer hat Beiboote an Bord, und wie ich den Kommandanten jenes Schiffes nach seinem Verhalten auf Pulsa beurteile, hat er früh genug ein Beiboot zurückgeschickt, das ihm Hilfe herbeiholt.«

Major Ragna zuckte zusammen. Iratio Hondros Tadel wurde von ihm richtig eingeschätzt. Er würde sich sehr anstrengen müssen, um nicht völlig in Ungnade zu fallen und seine Ehre zu verlieren. Dennoch vermochte er die nächste Frage nicht zurückzuhalten.

»Vielleicht sollten wir den Schlachtkreuzer vernichten ...?«

Iratio Hondro lächelte jovial, und Major Ragna wusste, dass er jetzt verspielt hatte.

»Ihr Vorschlag ist nicht übel, Major. Sie haben nur vergessen, dass die terranische Flotte nicht eher Ruhe geben wird, bis sie das Schicksal des Schlachtkreuzers geklärt hat. Ihr Vorschlag, Major, kommt beinahe einem Verrat unseres Stützpunktes gleich ...«

Major Ragna wich entsetzensbleich zurück.

»Aber ich will Ihnen verzeihen, wenn Sie den Auftrag, den ich Ihnen jetzt erteile, zur Zufriedenheit ausführen.«

Hektische Röte überzog Major Ragnas Gesicht. Seine Haltung straffte sich, und seine Stimme klang unnatürlich hell, als er sagte: »Ich danke Ihnen, Obmann! Verfügen Sie über mich!«

»Sie fragen gar nicht, um welchen Auftrag es sich handelt, Major. Ich werde es Ihnen verraten: Sie und neunzehn weitere Freiwillige, die Sie innerhalb der nächsten zehn Minuten zu beschaffen haben, werden den terranischen Schlachtkreuzer angreifen!«

»Wir werden ihn zu Staub zerblasen!«, rief Major Ragna.

»Idiot!«, zischte Iratio Hondro. »Nicht ihr werdet ihn zu Staub zerblasen, sondern er euch. Haben Sie mich verstanden?«

»Jawohl, Obmann!«, erwiderte Major Ragna fest. Er begann zu begreifen, dass es für ihn und die anderen Freiwilligen keine Rückkehr mehr geben würde.

2.

 

Die schemenhaft wahrnehmbare Gestalt, die eben noch reglos auf der Dünenkrone gestanden hatte, wurde von der nächsten Bö den Hang hinabgeschleudert.

Dort blieb sie liegen, bis der staubfeine rötliche Sand, der die dünne Luft erfüllte, sie fast zugedeckt hatte.

Erst dann hob Major Merk Nateby den Kopf und lauschte in das intervallartige Jaulen des Sturmes und das Rauschen des Sandes, das der Brandung eines Meeres gleichkam. Er musste lange warten, bis er aus der nächtlichen Wüstenmelodie den einen, den gesuchten Ton heraushörte: das schrille Aufheulen, das ein Antigravgenerator von sich gibt, wenn er seine Kraft gegen eine Sandbö einsetzen muss.

Sie waren ihm also immer noch auf den Fersen.

Sie, das war ein Jagdkommando vom Stützpunkt des Obmanns, und er, Merk Nateby, war noch vor kurzem Chef der Raumabwehr desselben Obmanns gewesen. Leider hatte er den unverzeihlichen Fehler begangen, übereifrig und vorschnell zu handeln, ohne einen Befehl dazu abzuwarten.

Merk Nateby versuchte, nicht daran zu denken, was sich vor zwölf Tagen zugetragen hatte. Aber es gelang ihm nicht, die aus der Erinnerung aufsteigenden Bilder zu verdrängen.

Damals war er Leitender Offizier in der Kommandozentrale des Stützpunktes gewesen. Er hatte das plötzliche Auftauchen eines terranischen Schlachtkreuzers bemerkt und sofort eine ganze Sektion der überlichtschnell arbeitenden Ortungsanlage zur ständigen Beobachtung eingesetzt. Der Schlachtkreuzer war jedoch nicht bis an Opposite herangekommen, sondern hatte eine Kreisbahn um Pulsa, den Methanriesen mit dem Molkexreservoir, eingeschlagen.

Dann war er überraschend – und unter seltsamen hyperphysikalischen Effekten – auf Pulsa gelandet.