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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Kommentar

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Glossar

Risszeichnung HELLHÖRIG IST DAS OHR DER GERECHTIGKEIT

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2731

 

Gefängniswelten

 

Auf der Suche nach Perry Rhodan – die Dunkelplaneten im Fokus

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1516 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Milchstraße seit nunmehr zwei Jahren unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals, einer noch immer weitgehend rätselhaften Organisation, die vorgibt, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

Ihre Macht haben die Atopen mehrfach bewiesen, unter anderem, indem sie Perry Rhodan und Imperator Bostich zu einer 500-jährigen Isolationshaft verurteilten. Perry Rhodans Gefährten wollen es dabei nicht bewenden lassen und machen sich auf, den Freund zu befreien.

Gucky und Icho Tolot begeben sich auf DIE GEFÄNGNISWELTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Icho Tolot – Der Unsterbliche fungiert als Mentor.

Avan Tacrol – Der Junghaluter versucht sich zu beweisen.

Gucky – Der Mausbiber ist bereit, alles zu tun, um Perry Rhodan zu retten.

Toio Zindher – Die Tefroderin steht treu zu Vetris-Molaud.

Viccor Bughassidow – Der Eigner der KRUSENSTERN analysiert die Ereignisse.

Madame Ratgeber – Sie wird vom Grünen Heinerich heimgesucht.

1.

Icho Tolot

 

»Sieht aus wie ein intergalaktischer Backenzahn«, sagte Viccor Bughassidow.

Die in Icho Tolots Planhirn ablaufenden Denkprozesse konnten mit diesem bildlichen Vergleich nichts anfangen.

Der Haluter betrachtete das zentrale Holo und konzentrierte sich dabei auf die dreidimensionale Abbildung des Murloth-Nebels. Der in der galaktischen Southside gelegene Nebel war von der Bordpositronik falschfarben dargestellt, er leuchtete gelb, rot und grün. Das Sternengeflecht, von nebliger Substanz durchzogen, wirkte mit etwas Phantasie – also mit immateriellen Strukturauslegungen, die dem Planhirn nicht zur Verfügung standen – aus ihrem derzeitigen Blickwinkel wie ein terranischer Backenzahn.

Der Hauptkörper war kompakt, das Dahinter kaum zu erkennen. Die bunten Nebelwurzeln hingegen reichten tief in die Schwärze der Umgebung und dünnten in spitzen Wurmfortsätzen aus, die die galaktische Umgebung durchbohrten.

Icho Tolot blickte auf Holoanzeigen. Er merkte sich die Zahl 60.055,184453. Sie gab die Entfernung in Lichtjahren zu Terra an, zur Heimat der Menschen.

Sie hatten die Erde am 31. Dezember 1515 NGZ verlassen, mittlerweile schrieb man den 3. März 1516 NGZ.

Zahlen. Begriffe. Daten. Das Planhirn behielt alles. Je nach Bedarf würde Icho darauf zurückgreifen.

Gucky machte einen Scherz über ganze Generationen von Zahnärzten, die er angeblich in den Wahnsinn getrieben hatte. Die versammelten Besatzungsmitglieder lachten pflichtschuldig, Tolot und der Junghaluter Avan Tacrol hielten sich tunlichst zurück.

Die Stimmung war angespannt. Ein Einsatz stand bevor. Einer, bei dem viele Unbekannte beachtet werden mussten.

»Da ist unser Ziel. Gorgesd.« Farye Sepheroa deutete auf eine winzige Auslassung inmitten des Kunterbunts des Murloth-Nebels. Sie tat einige Handbewegungen. Den Sektor, auf den sie deutete, wurde aus der Simulation herausgezogen und vergrößert. Jener schwarze Punkt, der die Nebelschleier durchbrach, war ein Dunkelplanet. Eine Welt, die von keiner Sonne bestrahlt wurde und relativer Finsternis ausgesetzt war.

»Dann los!«, grollte Avan Tacrol. »Näher ran, die Antiortung hochgefahren, Rhodan und Bostich aus ihrem Gefängnis befreien und gleich wieder abhauen. Gibt's denn was Leichteres?«

Keiner der Anwesenden sagte ein Wort. Der junge Haluter vergriff sich im Ton. Der Abkömmling Luto Faonats hatte seine herausragenden Fähigkeiten bereits hinlänglich unter Beweis gestellt; doch auch er war nervös, wie sie alle.

Tolot hatte keine Angst vor dem bevorstehenden Einsatz. Der Tod war nur ein abstraktes Konstrukt. Ein Nichtsein und ein Nichtfunktionieren. Wenn da jemals so etwas wie Furcht vor der endlosen Dunkelheit gewesen war, hatte er sie längst überwunden.

Es war die Besorgnis, die sie allesamt im Griff hielt. Rhodanos, Tolots Freund seit mehreren Jahrtausenden, befand sich im Gewahrsam des Atopischen Tribunals – und sie würden ihn befreien. Ihn und Imperator Bostich, für den Tolot zwar keine vergleichbare Sympathie hegte wie für den Terraner, der aber doch einen wichtigen Faktor im Machtgefüge der Milchstraße darstellte.

»Ich habe einen neuen Status«, meldete sich Jawna Togoya zu Wort. »Gorgesd wird von onryonischen Raumern gesichert. Das feindliche Flottenaufkommen ist groß.«

»Gibt es konkrete Zahlen?«, fragte Tolot.

»Noch nicht. Ich habe bereits jetzt mehr als zehntausend onryonische Kugelraumer in der Ortung. Sie sind in einem gewaltigen Cluster aneinandergekoppelt, der Gorgesd im Orbit umkreist. Noch einmal circa tausend Schiffe patrouillieren im näheren und weiteren Umfeld der Dunkelwelt.«

Die Posbi-Frau passte sich an die bunt gemischte Besatzung der Zentrale der KRUSENSTERN an. Ihre Meldung vermittelte Bughassidow, Gucky, Marian Yonder und Farye Sepheroa eine ungefähre Größenordnung jener Gefahr, der sie gegenüberstanden.

»Das sind verdammt viele«, sagte Gucky. Sein Nagezahn blieb im Mund verborgen, während er fortfuhr: »Ich hab zwar schon einige Universen gerettet, aber damals war ich jung und knackig.«

Zumal du nicht mehr teleportieren kannst, kleiner Freund, dachte Tolot. Zumindest so lange nicht, bis du diese Fähigkeit eines anderen Mutanten absorbiert und ihn dabei getötet hast.

»Sind wir unentdeckt geblieben?«, fragte Bughassidow.

»Ja. Der Sicherheitsabstand zum Cluster und zu den einzelnen Onryonen-Schiffen ist groß genug, die Laurin-Antiortung steht.« Jawna Togoya saß ruhig da, auf einem leicht erhöhten Stuhl im hinteren Drittel des Raums. Mit den Fingern klopfte sie unaufgeregt auf ein formenergetisches Bedienungsfeld und erteilte Befehle. Die KRUSENSTERN gehorchte, als hätte das Schiff niemals einer anderen Kommandantin unterstanden.

»Du achtest auf etwaige Verfolger?«, hakte Bughassidow nach.

»Selbstverständlich.« Togoya gab durch nichts zu erkennen, dass sie diese Frage irritierte. Sie hatte während der Anreise immer wieder Umwege in Kauf genommen, hatte Zwischenstopps veranlasst, hatte Wartezeiten angeordnet. Dies alles bloß, um mögliche Feinde abzuschütteln.

Tolot beobachtete Marian Yonder. Der bisherige Kommandant der KRUSENSTERN war auf Bughassidows Wunsch ins zweite Glied zurückgetreten und hatte Jawna Togoya die Führung überlassen. Zeigte er Eifersucht, war er mit der Anweisung des Raumschiffbesitzers einverstanden?

Ja. Er hing an den – künstlichen – Lippen des weiblichen Posbis, als wären sie die eines alleswissenden Gurus. Yonders Affinität zu künstlichem Leben war hinlänglich bekannt. Wenn Tolot richtig interpretierte, bedachte er Togoya mit den Blicken eines »verliebten Trottels«, wie Gucky es ausdrücken würde.

Nicht zum ersten Mal beschäftigte sich Tolot mit dem komplizierten und komplexen Gefüge an Bord des Schiffs. Risikoeinsätze warteten auf sie. Solche, die sie womöglich bis an die Grenze ihres Leistungsvermögens brachten. Sie mussten sich bedingungslos aufeinander verlassen können. Neid, Missgunst und Kabalen waren Faktoren, die gegebenenfalls erkannt und abgestellt werden mussten, und zwar umgehend.

»Die Onryonen bauen Gorgesd um«, interpretierte Togoya neues Datenmaterial. »Es herrscht rege Liefertätigkeit vom und zum Cluster, auf der Dunkelwelt gibt es Anzeichen für ungewöhnliche Strukturen und punktuell erheblichen Energieaufwand. Einige Raumer dienen darüber hinaus als Rohstofflieferanten.«

»Das bedeutet?«, fragte Gucky.

»Sollten Bostich und Rhodanos hier als Gefangene gehalten werden, mag uns das derzeitige Durcheinander entgegenkommen«, antwortete Tolot anstelle der Posbi-Kommandantin. »Es wäre Unsinn, auf eine Unaufmerksamkeit der Onryonen zu hoffen. Aber wir alle wissen, wie es auf Baustellen zugeht. Es gibt Kompetenzstreitigkeiten und Uneinigkeit. Manchmal weiß der Laufarm nicht, was der Handlungsarm tut.«

»Zehntausend Raumschiffe«, murmelte Marian Yonder, als begriffe er eben erst, was Jawna Togoya gesagt hatte. »Das sind ganz schön viele. Wo kommen diese Dinger bloß her? Es ist ja nicht so, dass das Galaktikum und alle assoziierten Völker schlafen und sich nicht für die Hinterhöfe der Milchstraße interessieren.«

»Du könntest genauso gut nach den Dunkelwelten unser Heimatgalaxis fragen und dich darüber wundern, warum sie da sind«, meldete sich Bughassidow zu Wort. »Niemand hat sich je für sie interessiert, auch wenn jedermann wusste, dass sie milliardenfach existieren.«

»Wie gehen wir es an?«, fragte Farye Sepheroa.

»Ich frühstücke zuallererst.« Gucky warf sich in Pose. »Und wenn ich satt bin, gehe ich mit meiner liebsten Feindin auf Erkundungstour. Universen werde ich heute zwar keine mehr retten – ich fühle mich, offen gesagt, ein wenig verspannt im Nacken –, aber für Perry reicht es vielleicht noch.«

Diesmal kam der Nagezahn in all seiner Pracht zum Vorschein.

2.

Gucky

 

Sie saß mit übereinandergekreuzten Beinen in einem Hängestuhl, schaukelte sachte hin und her und betrachtete ihn mit einer seltsamen Mischung aus Wut, Gier und Leidenschaft.

»Du möchtest mich sprechen?«, fragte Toio Zindher.

»Ich möchte dich bitten, mich bei einer Mission zu unterstützen.«

»Du kennst die Antwort.«

»Und du weißt, dass ich dich dazu zwingen kann, mir zu helfen.«

Sie war zornig, und beinahe hatte es den Anschein, als wollte sie sich auf ihn stürzen. Gucky kramte einen Geldchip aus der Hosentasche, beförderte ihn telekinetisch hoch in die Luft und ließ ihn in irrwitzigem Tempo kreisen, sekundenlang.

Toio Zindher folgte wie hypnotisiert den Bewegungen des Chips. Sie sah zu, wie das fingerkuppengroße Ding verschwand. Es bewegte sich so rasch, dass weder das iltische noch das tefrodische Auge folgen konnten. Etwa einen Meter vor ihrem Kopf tauchte es mit einem Mal wieder auf

»Telekinese«, sagte Gucky leise, »ist eine sonderbare Gabe. Eine, die ich perfekt beherrschen sollte, die mir aber doch immer wieder entgleitet.«

»Was willst du mir sagen? Möchtest du mir drohen?«

»Ich erkläre dir die Fakten, Toio. Ich bewundere dich, vielleicht mag ich dich sogar ein wenig. Du hast Meinungen und Standpunkte, du vertrittst sie aus tiefster Überzeugung. Wie lange sehen wir uns nun regelmäßig?«

»Ich befinde mich seit eineinhalb Jahren in terranischer Gefangenschaft. Einen Gutteil dieser Zeit belästigst du mich.«

»Ich weiß, dass du die Treffen mit mir nicht als Belästigung empfindest. Du vergisst wieder mal, dass ich deine Gedankenbilder empfange.«

Die Tefroderin presste die Lippen fest aufeinander, das Gesicht blass, die Hände zittrig.

»Selbst jetzt, da du dir den Anschein gibst, dich zu ärgern, empfange ich Eindrücke von ... Belustigung. Rotgelb gefärbte Eindrücke, an den Rändern unscharf, und das Bild, das du dir von mir in deinem Kopf machst, zeigt einen leicht grinsenden Mausbiber.«

Gucky empfing lodernd rotes Feuer. Sein Antlitz in den Gedanken der Frau begann zu kokeln und ging schließlich in einer Stichflamme auf. Nun hatte er sie wirklich verärgert. Toio hasste es, wenn tief liegende Empfindungen aus den Abgründen ihrer Gedanken emporgeholt wurden. – Aber wer mochte es schon, völlig entblättert und all seiner Geheimnisse beraubt zu werden?

»Sag endlich, was du von mir willst!« Die Tefroderin drehte sich beiseite, sodass sie weder ihn noch den nach wie vor ruhig dahinschwebenden Chip ansehen musste.

»Wir haben einen Onryonen-Stützpunkt ausfindig gemacht. Es besteht die Möglichkeit, dass Perry Rhodan und Bostich auf diesem Dunkelplaneten gefangen gehalten werden.«

»Du möchtest, dass ich die beiden für dich suche.«

»Ganz richtig. Du spürst Vitalimpulse wie die meinen über Lichtminuten hinweg, manchmal sogar über Lichtjahre?«

»Die Reichweite meiner Gabe lässt sich nicht genau eingrenzen. Sie ist von den Umweltbedingungen abhängig und von Faktoren, die ich selbst nicht vollständig begreife. Innerhalb von Planetenhüllen greift sie definitiv kürzer.«

Das alles war mittlerweile hinlänglich bekannt. Gucky nickte. »Ich werde in einem Beiboot so nahe wie möglich an die Onryonen-Welt heranfliegen. Ich bitte dich, mich zu begleiten und nach Vitalimpulsen zu forschen.«

Toio Zindher rührte sich nicht, tat nichts. Sie starrte gegen eine Projektionswand. Die Aufnahmen zeigten eine aufgewühlte See, die wütend gegen Kreidefelsen brandete. Gucky verzichtete darauf, in die Gedanken der Tefroderin einzutauchen.

»Nein«, sagte sie schließlich.

»Du bist den Onryonen zu nichts verpflichtet. Was die Liga Freier Terraner mit ihnen zu schaffen hat, hat für dich keinerlei Bedeutung.«

»Vetris-Molaud und damit alle Tefroder des Neuen Tamaniums sind ein Bündnis mit den Onryonen eingegangen. Der Tamaron hat dieser Zusammenarbeit aus guten Gründen zugestimmt. Was er entscheidet, ist für mich bindend.«

Nun war es an Gucky, sich zu ärgern. Sie hatten Toio Zindher während ihrer Gefangenschaft über die tagespolitischen Vorgänge in der Milchstraße auf dem Laufenden gehalten. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie vom Informationsfluss fernzuhalten. Wäre sie zugänglicher geworden, hätte sie ausschließlich die terranische Sicht der Dinge vermittelt bekommen.

»Womit wir wieder am Anfang der Unterhaltung wären.« Gucky ließ den Geldchip frei, er fiel zu Boden, Toio zuckte zusammen. »Ich kann dich zwingen, mir zu helfen. Ich möchte es nicht, aber ...«

»Tu, was du nicht lassen kannst.«

Gucky drang vorsichtig in die Gedanken der Tefroderin ein. Er erblickte Dunkelheit, die von roten Wolken voll Wut durchbrochen wurde. Und irgendwo, ganz klein im Hintergrund, sah er sich selbst. Als Mausbiber mit überdimensioniertem Schweif, der ihr Angst und Schrecken bereitete.

Es war ein furchtbares Bild. Ein Pandämonium mit vielen winzigen Nebenfiguren.

Toio Zindher fühlte sich, als würde sie vergewaltigt werden. Von ihm.

 

*

 

Die Vorgehensweise war schnell abgeklärt. Einige Posbis aus der Alten Oblast erklärten sich einverstanden, Gucky und Toio Zindher an Bord des Beiboots BRUSSILOW II zu begleiten.

»Du bist Madame Ratgeber?« Gucky betrachtete den Posbi von oben bis unten. »Ich hörte, dass du bereits einmal mit Perry Rhodan im Einsatz warst.«

Der massig wirkende Körper bewegte sich ein wenig, gruppierte sich um. Madame Ratgeber war in der Lage, sich in Dutzende, ja in Hunderte autark funktionierende Roboteinheiten aufzuteilen, während der Plasmaanteil in einem schüsselförmigen Gebilde zurückblieb.

»Ja. Si. Dac. Marm. Rrro. Psai.« Ein Scheppern erklang. »Verzeih mir, Gucky. Meine Sprachroutinen wurden unlängst vom Grünen Heinerich sabotiert. Ich benötige eine Weile, bis ich wieder göss stie glll gampunti kommunizieren kann.«

»Der Grüne Heinerich?«, hakte Gucky nach.

»Ein Kollege aus der Alten Oblast. Er ist ein grässlicher schleppekring und macht mir das Leben schwer, seitdem er mich besiedelt.«

Madame Ratgebers Körper zuckte. Teile des Unterbaus verdrehten sich gegeneinander. Andere, die bislang im Inneren gelegen hatten, stülpten sich nach außen.

»Was meinst du mit besiedelt?«, hakte Gucky nach.

»Der Grüne Heinerich ist ein Symbionten-Posbi. Er nimmt meine Innereien für eine Weile in Beschlag, treibt Schabernack und löst sich irgendwann wieder, um ein neues Opfer zu suchen.«

»Hat er denn auch einen Nutzen?«

»Selbstverständlich habe ich den!« Ein metallener Wurmkopf lugte aus dem Körper Madame Ratgebers hervor, wo bei einem Menschen der Bauchnabel säße. »Ich nehme und ich gebe. Ich vermittle neue Fähigkeiten, die ich mir woanders angeeignet habe, ich analysiere, ich kritisiere, ich verändere ...«

»Er ist ein schrecklicher Salm und Putz«, unterbrach Madame Ratgeber ihren Symbiosepartner und schob ihn mit einer Hand in den Körper zurück. »Der Grüne Heinerich hat zweifelsohne seine Qualitäten. Aber in erster Linie ist er ein lästiger Genosse. Zumal seine Untersuchungen immer auch mit Störungen Hand in Hand gehen.«

»Unter diesen Voraussetzungen wäre es besser, wenn du hierbliebst, Madame Ratgeber. Auf unserer Erkundungsmission können wir keinen fehleranfälligen Posbi benötigen.«

»Ich garantiere, dass die Madame innerhalb der nächsten Stunde wieder hundertprozentig einsatzfähig ist!«, meldete sich der Grüne Heinerich zu Wort. Der spitze Wurmkopf reckte sich unter einer Achsel des Posbis hervor. »Es gibt nur noch einige Abstimmungsschwierigkeiten zu beheben.«

»Kannst du für deine Einsatzbereitschaft garantieren, Madame?« Gucky ignorierte den Wurm-Posbi.

»Ja. Der Grüne Heinerich hat mich vollständig untersucht und baut nun die Rechnerroutinen neu auf. Dieser Vorgang dürfte in etwa zwanzig Minuten abgeschlossen sein. M'urau!«

»Na schön.« Gucky winkte Toio Zindher. Sie folgte ihm. Gemeinsam betraten sie das würfelförmige Beiboot.

Zwei Kampfroboter erwarteten sie, ebenso zwei Terraner, die sich augenblicklich der Tefroderin annahmen und mit ihr in einem Nebenraum verschwanden. Toio nahm es kommentarlos zur Kenntnis, doch in ihrem Kopf sah Gucky Bilder voll Bitterkeit.

 

*

 

Die letzte schockgedämpfte Transition brachte sie bis auf drei Lichtminuten an die Dunkelwelt Gorgesd heran. Das Konglomerat der Onryonen-Raumer wirkte aus der Nähe noch bedrohlicher. Dort war ein Gefahrenpotenzial vorhanden, das Teile der Milchstraße in Angst und Schrecken versetzen konnte.

Taststrahlen trafen augenblicklich auf die Hülle der BRUSSILOW II, ein Alarm tönte durch den zentralen Raum.

»Du weißt, was zu tun ist?«, fragte Gucky ein letztes Mal.

»Selbstverständlich.« Madame Ratgeber warf sich in Pose. Sie zog eine Kamera heran und aktivierte das Akustikfeld. Von ihrem Symbionten, dem Grünen Heinerich, war nichts zu sehen. Neben ihr stand ein weiterer Posbi, der vor Jahren mit Perry Rhodan in den Einsatz gegangen war: der Getupfte Fernand. Einige der an seinen Körper angeflanschten Waffen waren aktiviert, als wollte er jeden Augenblick in einen Rausch verfallen und alles Leben an Bord des kleinen Schiffs vernichten.

Gucky zog sich zurück. Er durfte von keiner Kamera erfasst werden. Auch seine Vitalwerte mussten abgeschirmt werden wie die aller anderen Lebewesen an Bord der BRUSSILOW II. Es war ihm unbehaglich zumute. Einerseits fürchtete er ein Fehlverhalten Madame Ratgebers, andererseits war ihm der Getupfte Fernand nicht geheuer.

Er erreichte Toio Zindhers Quartier, nickte den beiden Bewachern zu und stellte sich neben die Tefroderin. Allesamt trugen sie Kampfanzüge. Der Bordtransmitter nebenan war aktiviert, eine Flucht jederzeit möglich. Trotz aller Vorkehrungen, die sie getroffen hatten, fühlte Gucky ein unangenehmes Ziehen im Nacken.

»PT8300-732 ruft Kommandanten des fremden Flottenverbandes«, hörte er Madame Ratgeber ruhig und fehlerfrei sagen. »Hier spricht die Kommandantin des Posbi-Raumers NOX935402.«

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis eine Verbindung zustande kam. Das Gesicht eines Onryonen tauchte im Holo auf.

»Ich bin Nussem Molloyc, Kommandant der DACCUM WASZ und Befehlshaber des onryonischen Flottenverbands von Gorgesd«, sagte er. Das Emot auf seiner Stirn verfärbte sich. »Wie schön! Ich hatte noch nie das Vergnügen, mich mit einem Posbi zu unterhalten.«

»Auch ich jubiliere.«

Madame Ratgeber senkte ihren würfelförmigen Kopf. Gucky, der bloß einen Teil ihres Körpers im Holo sehen konnte, ahnte, dass sie sich mit dem Grünen Heinerich beschäftigte, der sich eben zwischen einzelnen Körperkomponenten hervorwühlte. Gewiss hatte er ihr diese Worte eingegeben.

»Wir interessieren uns für die Welt 1717-1113«, fuhr Madame Ratgeber nach längerer Pause fort. »Wir ersuchen darum, sie inspizieren zu dürfen.«

Der Onryone beugte sich vor. »Wie bitte?«

»Wir Posbis siedeln bevorzugt auf Dunkelwelten wie jene, die du Gorgesd nennst. Sie scheint für unsere Bedürfnisse ausgezeichnet geeignet zu sein.«

»Oh.« Der Onryone verstand. »Ich befürchte, ich muss euch eine weitere Annäherung verbieten. Gorgesd ist gesperrtes Gebiet, wir benötigen den Planeten für unsere eigenen Zwecke.«

»Mir ist nichts von einer völkerrechtlichen Vereinbarung bekannt, die die Welt 1717-1113 einschließt.«

»Das bisherige Rechtsgefüge in der Milchstraße wird bald von besseren Normen abgelöst.«

»Von solchen, die das Volk der Onryonen diktiert?«

»Von solchen, die allen Milchstraßenvölkern guttun – und nicht nur einigen wenigen.«

»Wir akzeptieren ausschließlich die derzeit gültige Rechtslage und fordern euch auf, uns die Landung auf 1717-1113 zu gestatten. Alles andere wäre ein Bruch verbindlicher Konventionen ...«

Die Unterhaltung fand auf Interkosmo statt, Madame Ratgeber machte ihre Arbeit ausgezeichnet. Sie verwickelte den Onryonen in eine Diskussion, verwirrte ihn und argumentierte mit robotischer Sturheit.

Gut so. Sie gewann Zeit, während sich die BRUSSILOW II Gorgesd weiter annäherte.