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Nr. 434

 

Das Erbe des Ertrusers

 

Wissenschaftler im Kampf gegen die Gehirnblockade – ein Ungeheuer soll leben

 

von H. G. EWERS

 

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Auf Terra und den anderen Planeten des Solaren Imperiums der Menschheit schreibt man Anfang Januar des Jahres 3434.

Atlan und sein Team haben es geschafft. Es gelang ihnen, den Supermutanten Ribald Corello zu überwinden und von seinem tausendfach gesicherten Zentralplaneten in den Weltraum zu entführen.

Corello, noch vor kurzem als Menschheitsfeind Nummer Eins auf vielen Welten gefürchtet und gehasst, stellt für den Augenblick keine Gefahr dar. Sein Geist ist verwirrt, und seine Kräfte sind durch das, was seiner Festnahme vorausging, erschöpft.

Corello scheint außerdem für seine früheren Untaten nicht verantwortlich zu sein – und wenn sich bei ihm ein innerer Wandel vollziehen kann, bestehen begründete Aussichten, seine Fähigkeiten zum Wohle des Solaren Imperiums einzusetzen.

Perry Rhodan hofft auf diese Möglichkeit, während viele seiner Freunde skeptisch sind. Der Aufenthalt Corellos in der Paraklinik auf dem Saturnmond Mimas soll Antwort auf drängende Fragen geben. Corello soll beweisen, wie er zu der Menschheit steht ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Großadministrator geht vor Gericht.

Ribald Corello – Der Menschheitsfeind Nummer Eins gelangt zu neuen Erkenntnissen.

Fellmer Lloyd und Gucky – Die Mutanten lassen ihr Unterbewusstsein blockieren.

Kiner Thwaites – Chef der Paraklinik auf Mimas.

Atlan – Lordadmiral der USO.

Toronar Kasom – Urenkel des berühmten Melbar Kasom.

Major Patulli Lokoshan – Ein Mann mit einem »Erbgott«.

1.

 

8. Januar 3434 – Erdzeit.

Der unregelmäßige Kugelsternhaufen, Lasztman-Ballung genannt, lag nach dem Passieren des staubfreien Durststrecken-Schlauches neunundvierzig Lichtjahre hinter den drei Kugelschiffen.

Sie durchquerten den intergalaktischen Raum: zwei Kugelschiffe mit einem Durchmesser von je 2500 Metern und ein Kugelschiff mit 800 Metern Durchmesser. Die beiden größten Schiffe waren Supergiganten der GALAXIS-Klasse, Ultraschlachtschiffe des Solaren Imperiums: die INTERSOLAR, das Flaggschiff Perry Rhodans – und Staatsmarschall Bulls Flaggschiff.

Das dritte Raumschiff gehörte nicht zur Flotte des Imperiums. Jeder Nichteingeweihte hätte es als infame Lüge bezeichnet, wäre ihm berichtet worden, dass dieses Schiff im Verband mit den wichtigsten Flaggschiffen der solaren Menschheit flöge.

Denn der Achthundert-Meter-Raumer gehörte Tipa Riordan, der Chefin der Galaktischen Piraten ...!

Und doch war es so.

Tipa Riordan, Perry Rhodan und Reginald Bull kehrten von einem Unternehmen zurück, das sie gemeinsam geplant und koordiniert ausgeführt hatten.

Ein Unternehmen, bei dem es darum gegangen war, einen Menschen zu rauben.

Ein Ungeheuer.

Ribald Corello – den Supermutanten! Jenes Monstrum, das mit seinen unvorstellbaren parapsychischen Mitteln sowohl der solaren als auch der extrasolaren Menschheit schon viel Schaden zugefügt hatte, das zahllose Lebewesen versklavt und nicht weniger gemordet hatte.

An diesem 8. Januar 3434 jedoch lag der Mensch mit dem Rumpf eines Kleinkindes und dem Schädel eines Giganten mit verkrampften Gliedmaßen in dem umgebauten Inkubator für Großtier-Frühgeburten an Bord des Ultraschlachtschiffes INTERSOLAR. Eine Unmenge von Geräten maß die physischen und psychischen Vorgänge, Aggregate sorgten für eine gleichbleibende Temperatur von 37 Grad Celsius, für Luftzufuhr, Luftumwälzung und Luftregenerierung sowie eine dem mutierten Metabolismus angepasste Zufuhr von Nährstoffen, Vitaminen, Spurenelementen und Flüssigkeit.

Drei andere Lebewesen beobachteten den Supermutanten aufmerksam durch die transparenten Wände des Inkubators. Sie hielten ihre Impulsstrahler schussbereit, denn trotz seiner merkwürdigen Starre war Ribald Corello noch immer eine tödliche Gefahr für Rhodans Flaggschiff. Wenn er erwachte und es ihm gelang, sich zu konzentrieren, konnte er die Besatzung der INTERSOLAR innerhalb von Sekunden in seine geistige Gewalt bringen und sie veranlassen, Perry Rhodan, Atlan und die übrigen Unbeeinflussbaren zu töten.

Der Mausbiber Gucky saß in einem für Menschen gebauten Sessel, wodurch er beinahe verschwand. Ohne großen Appetit knabberte er an einer frischen Mohrrübe aus den hydroponischen Gärten des Schiffes. Auf der Lehne des Sessels lag die Energiewaffe.

Fellmer Lloyd, der Orter und Telepath, saß ebenfalls in einem Sessel. Die Füße hatte er auf den niedrigen Tisch vor sich gelegt. Seine Augen waren geschlossen, und es sah aus, als schliefe er. In Wirklichkeit aber kontrollierte er Corellos geistige Impulse.

Die dritte Person war der Teleporter Ras Tschubai. Der Afroterraner trank bereits die sechste Tasse Kaffee, um sich wach zu halten. Er konnte zwar Corellos Geist nicht kontrollieren, doch er war wie seine beiden Kollegen gefeit gegen psionische Angriffe des Supermutanten und würde beim ersten Anzeichen bedrohlicher Aktivität das Feuer eröffnen.

Ein Laut, hoch und unartikuliert wie das Weinen eines Säuglings, erscholl aus den Lautsprechern der Tonübertragung. Die drei Wächter beugten sich alarmiert vor.

Ribald Corello krümmte sich zusammen. Seine winzigen Hände fuchtelten ziellos herum. Der einundfünfzig Zentimeter durchmessende Schädel hob sich um einige Zentimeter. Die daumendicken bläulichen Adern schwollen unter der dünnen rotbraunen Kopfhaut gefährlich an. Dann fiel der monströse Kopf auf das Thermo-Polster zurück.

Ein Instrument summte warnend.

Tschubai stand auf und ging zu der Anzeigetafel am Sockel des Inkubators.

»Einundvierzig Grad überschritten«, murmelte er erschrocken. »Das ist schon zum dritten Mal an diesem Tag. Wenn das so weitergeht, stirbt Corello vor unseren Augen.«

»Was kein Verlust für die Menschheit wäre«, sagte Lloyd.

»Vielleicht doch!«, protestierte Gucky mit seiner schrillen Stimme. »Ohne seine Hilfe dauert es Jahre, bevor wir auf technischem Wege stabilisiertes Sextagonium für den Dakkar-Tastresonator herstellen können. Eine psionische Stabilisierung dagegen wäre eine Sache von höchstens wenigen Stunden.«

Das Panzerschott der Parapsychologischen Sektion öffnete sich summend. Durch die Öffnung eilten ein Mann und eine Frau: Professor Dr. Khomo Serenti, Chefinternist der INTERSOLAR und Professor für Vitalmechanik und Vitalkybernetik.

Vor den Kontrollen am Sockel blieben sie stehen, lasen die Werte ab, nahmen Schaltungen vor und unterhielten sich laut über die Möglichkeiten paramechanischer Beeinflussung des unter einem schweren seelischen Schock stehenden Organismus.

»Das wäre zu riskant«, sagte Amalie Katzenbach. »Der Patient ist hochgradig parapsychisch begabt; ein paramechanischer Einfluss könnte zu Reaktionen führen, die sich von uns nicht voraussehen lassen.«

»Aber irgend etwas müssen wir unternehmen!«, erklärte Khomo Serenti. Schweißtropfen standen auf seiner schwarzen Stirn. »Wenn es über eine Beeinflussung des Psyche des Patienten zu gefährlich ist, dann eben über eine Fremdsteuerung der Organe.«

»Vielleicht mechanische Reizung und dadurch eine Intensivierung der vitalkybernetischen Vorgänge, Kollege Serenti. Wenn Sie einverstanden sind, lasse ich die nötigen Apparaturen sofort anschließen.«

»Ich habe nichts dagegen, Kollegin Katzenbach«, erwiderte der Chefinternist. »Hm! Die Temperatur ist wieder unter einundvierzig gesunken. Aber die Krämpfe! Oberflächlich betrachtet, gleichen sie harmlosen Fieberkrämpfen eines Kindes. Leider ist in diesem Fall das Fieber genauso nur Wirkung einer unbekannten Ursache wie der Krampf. Ich werde dem Großadministrator berichten, während Sie mit Ihrem Versuch beginnen.«

Er hastete davon. Professor Dr. Katzenbach schaltete den Interkom ein und gab ihre Anweisungen durch.

»Ha!«, machte Gucky. »Ärzte! Sie haben uns so wenig beachtet, als wären wir Luft. Nicht einmal um Rat gefragt haben sie uns.«

Amalie Katzenbach beendete ihr Interkomgespräch und wandte sich um.

»Ah, Gucky! Welchen Rat wolltest du mir denn geben?«

»Rat ...?«, fragte der Ilt scheinheilig.

»Genau, Gucky. Eben hast du dich noch darüber empört, dass wir dich nicht um deinen Rat gefragt haben. Also ...?«

Der Ilt rutschte verlegen auf seinem Sessel hin und her, kratzte sich hinter den großen Ohren und meinte dann: »Nun, heiße und kalte Duschen helfen immer, außerdem soll Wassertreten sehr gesund sein.«

»Und wie bringe ich einen in Krampfstarre liegenden Patienten zum Wassertreten, Gucky?«

Der Mausbiber machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Das ist dein Problem, nicht meines, Amalie. Schließlich kann ich euch Badern nicht jede Arbeit abnehmen.«

Die Vitalmechanikerin errötete.

»Badern! Mit dir rede ich kein Wort mehr, Guck!«

Sie warf noch einen Blick auf die Kontrollen, dann rauschte sie verärgert hinaus.

»Bei Dr. Katzenbach hast du es bis zur nächsten Eiszeit verdorben«, meinte Tschubai. »Wie konntest du auch eine Fachärztin mit mittelalterlichen Heilgehilfen auf eine Stufe stellen!«

Gucky machte einen zerknirschten Eindruck.

»Das wusste ich nicht, Ras. Ich habe das Wort neulich bei der Lektüre eines Romans entdeckt. Da hat ein Bader einen Universitätsprofessor mit Blutegeln vor einem Herzinfarkt bewahrt. Einen Universitätsprofessor! So ein Mann geht doch nicht zu einem Arzt von zweifelhaftem Ruf.«

Fellmer Lloyd lachte leise.

»Nein, Gucky, die Bader waren schon tüchtige Leute – zu ihrer Zeit. Aber sie hatten nicht studiert. Sie praktizierten nur nach Methoden, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Deshalb lässt sich ein Wissenschaftler nicht mit ihnen auf die gleiche Stufe stellen.«

»Standesdünkel ...«, murmelte der Ilt.

Vor weiteren abfälligen Bemerkungen hielt ihn Ribald Corello ab. Der Supermutant lachte plötzlich hysterisch. Dann murmelte er einige unverständliche Worte vor sich hin. Speichel trat ihm vor den Mund.

Gucky watschelte besorgt zum Inkubator.

Corello öffnete die Augen, blickte mit dem irrlichternden Blick eines Wahnsinnigen um sich und schrie: »Mutter!«

Dann verfiel er wieder in seine eigentümliche Starre.

Der Ilt seufzte. Sein Blick fiel auf den Impulsstrahler, den er in der Hand trug. Schweigend, mit hängenden Schultern, kehrte Gucky an seinen Platz zurück und verfiel in dumpfes Brüten.

Ras Tschubai schnäuzte sich laut. Er zog die Beine an und starrte zwischen den Knien hindurch auf den Boden.

Auch Lloyd fühlte sich seltsam berührt. Wie die beiden anderen Mutanten musste er an die Szene denken, die ihm geschildert worden war: die rätselhafte Belebung der toten und energetisch konservierten Mutter Ribalds durch Alaska Saedelaeres Cappin – und ihr jäher Tod und Zerfall. Ribald Corello war seiner Meinung nach noch immer ein Ungeheuer – doch die Reaktion auf den Tod – den endgültigen Tod – seiner Mutter war die eines Menschen gewesen ...

 

*

 

Ein anderer Raum in der INTERSOLAR.

Die Kommandozentrale mit ihren vielfältigen gedämpften Geräuschen, den huschenden Lichtern zahlloser Kontrollen, dem Raunen aus den Interkomlautsprechern und dem Wispern des Bordgehirns, das durch eine Sonderverbindung indirekt an der Besprechung teilnahm.

Perry Rhodan sprach leise mit dem Chef der Ortungszentrale, Major Kusumi. Die Auskunft schien ihn zu erfreuen, denn er beendete das Gespräch mit zufriedenem Lächeln.

Dann wandte er sich seinen Gesprächspartnern am Kartentisch zu. Atlan, mit vor der Brust verschränkten Armen und ausdruckslosem Gesicht. Reginald Bull, mit dem scheinbar jungenhaften Gesichtsausdruck – und Tipa Riordan, die lederhäutige klapperdürre Chefin der Galaktischen Piraten.

Tinas Blicke tasteten das Gesicht des Großadministrators ab.

»Nun, mein Junge, gute Nachrichten?«

Rhodan nickte.

»Wir treffen in anderthalb Stunden mit der 196. Abwehrflotte zusammen. Fünfhundert Großkampfschiffe und zehn große Lazarettschiffe unter dem Kommando von General Tentasy. – Bully, ich habe eine Bitte an dich. Würdest du den Oberbefehl über die Hundertsechsundneunzigste übernehmen und sie sicher durch die Durststrecke der Lasztman-Ballung führen?«

»Papperlapapp!«, fuhr die Piratin dazwischen. »Seit wann fragt der Großadministrator des Solaren Imperiums, anstatt zu befehlen?«

Atlan musterte Tipa unter halbgesenkten Lidern. In seinem Gesicht zeigte sich Verachtung.

»Mische dich nicht in unsere Angelegenheiten, Giftnatter!«, fuhr er sie gedämpft an.

»Maul halten, Beuteterraner!«, zischte die Piratin. »Wenn ich mich nicht in ›eure‹ Angelegenheiten gemischt hätte, liefe Corello immer noch frei herum.«

Sie drohte dem Arkoniden mit ihrem hydraulisch gefederten Spezialstock. Zwischen ihr und Atlan herrschte noch immer die alte Hassfreundschaft, die seit über fünfhundert Jahren bestand.

»Bitte!«, sagte Perry Rhodan. »Bleiben wir sachlich. Auf dumme Fragen antworte ich allerdings nicht. – Also, Bully?«

»Einverstanden, Perry.« Rhodans Freund und Stellvertreter nickte und zwinkerte der alten Piratin heimlich zu. »Ich nehme an, dir liegt das Schicksal der Menschen des Targo-Systems am Herzen?«

»So ist es. Diese bedauernswerten Marionetten sind subjektiv völlig unschuldig an den Verbrechen, die ihr Meister begangen hat oder zu denen er sie zwang. Als wir ihnen Corello wegnahmen, verurteilten wir sie zur Hilflosigkeit. Folglich sind wir moralisch verpflichtet, sie zu beschützen, vor allem aber dafür zu sorgen, dass sie medizinisch und psychologisch behandelt werden.«

»So ist es recht, mein lieber Junge«, fiel Tipa ein. Sie massierte sich den schmalen Rücken ihrer Geiernase. »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.«

»Schrumpfnudel!«, murrte Atlan.

»Mistkerl!«, gab die Piratin zurück.

»Was sich liebt, das neckt sich«, warf eine unmodulierte Stimme ein. »Terranisches Sprichwort.«

Fassungslos starrten der Arkonide und Tipa Riordan das Kommunikationselement des Bordgehirns an.

Perry lachte schallend.

»Vielen Dank, Gehirn«, sagte er dann. »Das war treffend.«

Die Piratin errötete etwas, das ihre Gesprächspartner bei ihr bislang für unmöglich gehalten hatten. Bully kicherte unterdrückt.

»Soweit wäre alles klar«, fuhr Rhodan fort. »Ich werde mit der INTERSOLAR Kurs auf Last Hope nehmen. Dort wird sich herausstellen, inwieweit der Supermutant uns helfen kann. – Und du, ›Tante‹ Tipa?«

Tipa Riordan stemmte sich mit Hilfe ihres Stockes hoch.

»Ich werde euch verlassen. Eine Menge Arbeit wartet auf mich.« Sie blickte den Großadministrator mit der Zärtlichkeit einer Mutter an, die stolz auf ihren Sohn ist. »Und du, mein lieber Junge, sei vorsichtig. Corello wird immer eine Gefahr für die Menschheit darstellen. Er ist wie eine Bombe, die bei der geringsten Unvorsichtigkeit hochgehen kann.«

»Ich werde aufpassen, Tante Tipa«, erwiderte Perry.

Tipa verzog ihr runzeliges Gesicht.

»Auf Wiedersehen, mein Junge. Auf Wiedersehen, Dicker ...«, sie sah Bully an, »... und auf Wiedersehen, Beuteterraner.«

»Ab durch den Schornstein, Kräuterhexe!«, sagte Atlan.

Die Piratin erstarrte.

»Schornstein ...?«

Sie drohte dem Lordadmiral wütend mit dem Stock, dann durchquerte sie mit seiner Hilfe die geräumige Kommandozentrale mit drei großen Sprüngen. Zwei sehr höfliche und sehr wachsame Sicherheitsoffiziere begleiteten Tipa Riordan zum Haupttransmitter, mit dem sie zu ihrem Flaggschiff, der nur vierhundert Kilometer entfernten DREADFUL, zurückkehrte.

Reginald Bull erhob sich.

»Tja, Perry, dann werde ich in die Funkzentrale gehen und Oberst Bhaleme anrufen, damit er über den neuen Auftrag informiert ist.«

Als er gegangen war, lehnte Perry Rhodan sich zurück und schloss die Augen.

Er grübelte darüber nach, was geschähe, wenn der die Sonne umkreisende Todessatellit erneut mit der Anheizung eines Nova-Prozesses beginnen würde. Ihm war völlig klar, dass die solare Menschheit nur eine Atempause erhalten hatte. Doch die Ferntötung der Cappins hatte gezeigt, dass der Satellit trotz aller Zerstörungen durch die Cappins noch funktionsfähig war. Sobald die Reparaturen beendet waren, würde er getreu seiner Programmierung seine tödliche Tätigkeit wieder aufnehmen.

Und die technische Herstellung stabilen Sextagonismus war ein völliger Fehlschlag gewesen. Eines Tages würde man es auf technischem Wege herstellen können, aber nicht einmal NATHAN, die lunare Positronik, vermochte den ungefähren Zeitpunkt vorauszusagen. Corellos Psi-Fähigkeiten stellten die letzte Hoffnung dar. Ohne ihn würde es keinen funktionsfähigen Dakkar-Tastresonator geben, ohne den Tastresonator keine Zeitreise um zweihunderttausend Jahre zurück – und ohne die Überwindung dieser Zeitspanne keine Möglichkeit, die Installierung des Todessatelliten zu verhindern.

Ein teuflischer Kreis.

Er schrak auf, als der Summer des Interkommelders ertönte. Major Donald Freyer, Chef der Funkzentrale, meldete sich.

»Soeben ging ein Hypergramm aus dem Ghost-System über Relais Olymp ein, Sir. Soll ich es Ihnen vorlesen?«

Rhodans Haltung versteifte sich. Aus den Augenwinkeln sah er, dass auch Atlan von banger Erwartung ergriffen worden war.

Mit belegter Stimme erwiderte er: »Lesen Sie vor, Major Freyer!«

Der Cheffunker nickte und blickte nach unten.

»Solarmarschall Deighton an Großadministrator. Terrania, am 8. 1. 3434 Standardzeit. Über Hauptrelais Olymp und Permanet-Relaiskette zur INTERSOLAR.

Gestern, 18.30 Uhr StZ und heute, 5.21 StZ ungewöhnlich heftige Ausbrüche auf Sonne beobachtet. Astrophysiker und Astronomen sind sich nicht einig, ob natürlichen oder künstlichen Ursprungs. Moral der solaren Bevölkerung unverändert gut, aber Ansteigen von Erkrankungen mit psychischen Ursachen. Belastung wächst. Empfehle dringend Vorverlegung des psionischen Experiments ...«

Freyer räusperte sich.

»Soll ich Ihre Antwort aufnehmen, Sir?«

»Nein, danke«, antwortete Perry müde. »Noch gibt es keine Antwort. Danke, Major.«

Er schaltete den Interkom ab und drehte sich mitsamt seinem Kontursessel um, als er Schritte hinter sich hörte.

Professor Dr. Serenti.

Der Großadministrator wurde blass, als er das ernste Gesicht des Chefinternisten sah. Aus ihm ließ sich unschwer erkennen, dass Serenti keine gute Nachrichten brachte.

»Nehmen Sie bitte Platz, Professor!«, sagte Rhodan.

Khomo Serenti deutete eine Verbeugung an und setzte sich zwischen Atlan und den Großadministrator.