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Lithographie von Otto Speckter. In: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig Holstein und Lauenburg. Kiel 1845. (Frontispiz).

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EDITIONEN AUS DEM STORM-HAUS

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© eBook: Boyens Buchverlag GmbH & Co. KG, Heide 2013

© Printausgabe: Boyens Buchverlag GmbH & Co. KG, Heide 2012

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen oder fotomechanischen Nachdrucks, vorbehalten.

Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN eBook: 978-3-8042-3039-2

ISBN Printausgabe: 978-3-8042-1372-2

www.buecher-von-boyens.de

I.

Sagen

Eine Hand aus der Wand*

In dem Dorfe Rantrum brannte voriges Jahr ein Haus aus, wie man sagt durch Anzünden des Eigenthümers, er erbaute ein neues Haus auf der Stelle; das er an einen jungen Roßkamm verkaufte. Dieser nahm sich den letzten Herbst eine junge Frau; aber in der Hochzeitsnacht erkrankten beide, er starb nach 14 Tagen, sie liegt noch zu Bett und ist, obgleich die Aerzte es wollen, nicht zum Aufstehen zu bewegen; sie kann nicht vor Grauen aus dem Bett. In dem Pesel des Hauses ist plötzlich eine Hand aus der Wand gewachsen, vollkommen mit Gliedern und Gelenken; man hat sie abgeschnitten und sie in einer Schachtel bewahrt.

Die Abelssage

Mit König Erich’s Thronbesteigung hatte sein Bruder, Herzog Abel von Schleswig, durch Intriguen1 und offene Feindseligkeiten ihn zu stürzen und sich seines Thrones zu bemächtigen gesucht; doch da Erich ihn besiegte, hatte er sich unterwerfen müssen. Da bekam plötzlich der König Nachricht, daß ungeachtet des Friedens Graf Johann von Holstein mit Heeresmacht Rendsburg belagere, und Abel ihm wahrscheinlich hülfreiche Hand leiste. Sogleich brach der König gegen die Holsteiner auf; unterwegs aber kehrte er in Schleswig bei seinem Bruder ein, um diesen zur Eintracht zu gewinnen. Abel empfing ihn auf seinem Schlosse, das auf der jetzt sogenannten Möweninsel lag2, und bewirthete ihn freundlich. Aber während Erich nach der Tafel mit einem Ritter am Brettspiel saß, berieth Herzog Abel sich mit Lauge Gudmundsön und Tyge Pust, wie er den König aus dem Wege räumen möchte. Als sie sich einig waren, suchte der Herzog einen Zank mit dem König. Darum ging er auf ihn zu und schalt ihn wegen des Unheils, das er über sein Haus gebracht habe. „Denkst du noch daran“, sagte er, „wie du vor zwei Jahren diese Stadt verbranntest, und meine Tochter nackend und barfuß aus dem Thore gehen mußte?“ – Der König antwortete: „Ich glaube, lieber Bruder, daß ich noch Geld genug im Beutel habe, um deiner Tochter ein Paar neue Schuhe zu kaufen.“ Da ließ der Herzog ihn sogleich fesseln und in ein Boot werfen, das mit ihm die Schlei hinunterfuhr. Bei Brodersbye holte ein zweites Boot das des Königs ein; der König fragte, wer es leite. Als man ihm antwortete, es sey Lauge Gudmundsön, so wußte der König, daß er sterben müsse, und befahl, ihm einen Mönch von der Brodersbyer Kapelle zu holen, was auch geschah.3 Davon heißt der Ort noch jetzt Messunde.4 Als Erich gebeichtet hatte, schlug man ihm auf Lauge’s Befehl das Haupt herunter, und versenkte den Leichnam in die Schlei, beschwert mit Steinen und Ketten, von welchen noch heute einige Glieder in dem Schleswiger Dom gezeigt werden.

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Illustration zur „Abelssage“. Radierung von J. B. Sonderland. In: Volksbuch 1844.

Zur Nachtzeit aber sah man an der Stelle, wo der König versenkt war, blaue Flammen auf dem Wasser tanzen, und des Tages lagerten sich dort dichte Möwenschwärme und riefen unaufhörlich: Erich! Erich! – Das währte zwei Monate hindurch; da tauchte der Leichnam wieder auf und wurde von Fischern nach Schleswig gebracht, wo er heimlich im Dom bestattet ward.5 Seitdem verschwanden die Flammen; die Möwen aber flogen auf und lagerten sich um Abelsburg, wo sie ihre Nester bauten und sich auf keine Weise vertreiben ließen. Die Burg ist seitdem längst in Trümmer gesunken, die Möwen aber bewohnen noch immer und jetzt allein die Insel, und rufen: Erich! Erich!6

Abel war nun König, aber Ruhe fand er nicht mehr und fiel zwei Jahre später in einem Kampfe gegen die Friesen; der Rademacher Wessel Hummer aus Pellworm erschlug ihn auf dem Milderdamm bei Stapelholm. Auch ihn bestattete man wie seinen Bruder im Dome zu Schleswig; aber es duldete ihn nicht im Grabe. Nachts, wenn die Mönche ihr Gebet absangen, erhub sich Gepolter und Stöhnen und störte sie in ihrem heiligen Amte. Nachdem sie vergebens versucht hatten, den ruhelosen Geist zu bannen, ließen sie die Leiche ausgraben und in einen Sumpf im Pöhlerwald7 versenken und einen Pfahl durch den Sarg und den Körper in die Erde treiben, damit er sich nicht wieder erheben könne. Noch jetzt zeigt der Bauer der dortigen Gegend die Stelle. – Allein es ist Alles vergebens gewesen. In der Nacht steigt der todte König aus seinem Sumpfgrabe und schwingt sich auf ein kleines feuriges Roß; zwei feurige Hunde begleiten ihn. So unter Pfeifen und Hörnerschall braus’t die wilde Jagd hoch durch die Luft hin, über das Gehölz, über die Domkirche dem Möwenberge zu; um diesen wird die Runde gemacht; dann geht es weiter bis nach Missunde hin zu der Stätte des Brudermordes, dann wieder zurück in das Grab im Pöhlersumpf: Das ist König Abel’s wilde Jagd, die manchen noch Lebenden erschreckt hat. In der Sommernacht aber des zehnten August, am Todestage König Erich’s, jagt er wilder als sonst, und Hörnerruf, Gestöhn und Rüdengebell schallen laut durch die Nacht.

Die schwarze Greth

Auf dem Holm, wo die Schleswiger Fischer wohnen, erzählte man vor funfzig Jahren, und erzählt man vielleicht noch, folgende Sage. – Zwei arme Fischer hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet, und zogen zum letzten Mal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die schwarze Greth, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Dannewirke in der Nähe von Haddebye von ihr Margrethenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer im schwarzen Gewande – ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß im sogenannten Margrethensaal im Bilde zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: Legt eure Netze noch einmal aus, so werdet ihr einen reichen Fang thun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder in’s Wasser werfen. – Sie versprachen’s und thaten, wie die Greth gesagt; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Goldmünzen statt der Schuppen, smaragdene Flossen und Perlen auf der Nase.1 Das ist der beste Fisch, sprach der Eine, und wollte ihn wieder in’s Wasser setzen. Aber der Andre wehrte ihm und versteckte den Fisch in den übrigen Haufen, daß die Greth ihn nicht sähe; dann ruderte er hastig zu, denn ihm war doch bange. Ungern folgte ihm sein Gefährte. Aber wie sie so hinfuhren, fingen die Fische im Boote allmählig an zu blinken, wie Gold, denn der Goldfisch machte die übrigen auch golden. Und der Nachen wurde immer schwerer und schwerer, und versank endlich in die Tiefe, in die er den bösen Gesellen mit hinabzog. Mit Noth entkam der Andere und erzählte die Geschichte den Holmer Fischern.

Das Glück der Grafen Rantzau

Eine mildthätige Gräfin auf Breitenburg, die oft den Kranken selbst die Hausmittel hintrug, wurde eines Abends, während eines wilden Wetters, zu einer alten kranken Frau gebeten, die am andern Ende des Dorfes wohnte. Sie war auch bereit, aber ihr Gemahl verbot es. Als sie nun allein in der Dämmerung saß, hörte sie ein Geräusch, und vor ihr stand der Hauskobold mit Kräutern und Tränken; die hieß er sie nehmen und der Kranken hintragen, und der Stimme ihres eignen Herzens mehr folgen, als dem Gebote ihres Eheherrn. Die Gräfin folgte dem Geheiß des Kobolds, und durch ihre Pflege und die Tränke erholte die Kranke sich sichtlich. Als nun am andern Abend die Gräfin wieder im Dämmern allein saß, sah sie den Kobold am Kamin stehen und die Kohlen schüren. Als das Feuer hell aufloderte, warf er eine Schürze voll Hobelspäne hinein und sprach zu der Gräfin: Wenn das Feuer verglommen ist, so suche in der Asche; was du darin findest, das hebe sorgsam auf. So lange die Dinge in deinem Geschlecht sind, wird das Glück den Grafen Rantzau treu seyn. – Als die Gluth verloschen war, sah die Gräfin in der Asche nach, und fand darin eine goldene Spindel, einen goldenen Becher und noch ein Drittes. Dieß Letzte ist an einen jüngeren Zweig gekommen, der es verloren hat und jetzt güterlos ist. Die Spindel aber – so behauptet die Sage – ist noch auf Breitenburg, der Becher auf Rastorff.

Schacken-Sage

Man hat viele Sagen von dem alten gräflichen Geschlecht Schack, von denen wir jetzt nur Eine mittheilen wollen. – Des Grafen Schack auf Gramm Sohn liebte die schöne Tochter des Müllers im Dorfe und wollte sie heirathen; aber so lange der Vater lebte, wußte er, daß an die Ehe nicht zu denken war, und der Vater wollte nicht sterben. Da wurde ihm erzählt, wer die Mitternacht zwischen dem alten und dem neuen Jahre betend in der Stammgruft verharre, der werde in die Gruft versinken sehen, wer das Jahr über von der Familie sterben werde; und so beschloß er zu thun. In der nächsten Neujahrsnacht ging er in die Kirche hinein und stieg in das Grabgewölbe, wo er eifrig betete, in der Hoffnung, wenn es Mitternacht schlüge, seinen Vater einsinken zu sehen. Aber als es zwölf geschlagen, hört er draußen auf dem Kirchhofe ein Geräusch und sieht seine Braut, die Müllerstochter, im Sterbekittel sich in ein Grab legen. Da wurde er tiefsinnig; seine Braut aber starb im neuen Jahr.

Bredstedter Sage

In den beiden Dörfern Viöl und Drelstorp in der Landschaft Bredstedt wohnten in alten Zeiten zwei große Riesen, die eines Tages mit einander Streit bekamen und sich heftig erzürnten. Zuletzt nahm der Drelstorper Riese einen großen Stein; den schleuderte er mit aller Macht und warf damit den Viöler Kirchthurm um. Der Riese von Viöl ergrimmte, daß man ihm seinen Kirchthurm umgeworfen, und er nahm einen noch viel größern Stein, um damit den Drelstorper Kirchthurm zu zerschmettern. In der Hitze aber muß er nicht recht gezielt haben, denn er warf vorbei – noch heute zeigt man den großen Felsblock eine gute Strecke hinter Drelstorp in einem Moore. Aber warf er auch den Thurm nicht um, so flog doch der Stein so hart daran vorbei, daß der Thurm davon ganz krumm wurde, und daher hat noch bis auf den heutigen Tag Viöl gar keinen Kirchthurm und Drelstorp einen schiefen.

Zwischen Drelstorp und Bredstedt liegen zwei Hünengräber neben einander, davon das eine ungewöhnlich lang ist; darin soll ein Riese begraben liegen. Das mag vielleicht der Drelstorper Riese seyn.

Friesische Sage

Die Brokenkoogswisch in der Tonderschen Marsch bei dem Kanzleihof Iresmade hat ihren Namen von einem reichen Bauer, Namens Brok, der vor seinem Tode all sein Vermögen unter seine drei Söhne theilte bis auf diese schöne Wiese, über welche sie sich brüderlich vereinbaren sollten. Als nun der Vater gestorben war, machten die Drei unter sich aus, daß dem die Wiese gehören solle, der bei der ersten Math auf ihr die meisten Schwaden schlüge. Beim Mähen aber in die Wette wurden sie eifersüchtig auf einander, und erschlugen sich zuletzt Einer den Andern mit den Sensen.

Seit der Zeit tanzen auf der Brokenkoogswisch allnächtlich drei Irrlichter herum, die das Wettmähen und den Bruderzwist nachmachen, und eins nach dem andern verlöschen.

Das liebe Brodt

Von einer tiefen Wiese bei Galhus im Gute Schackenburg geht folgende Sage. – Ein Mädchen hatte aus der Stadt (Mögeltondern) für ihre Mutter Brodt vom Bäcker geholt. Der Rückweg aber war sehr tief, und das Mädchen war geputzt und hatte die neuen Tanzschuhe an, denn es war Sonntag. Wie sie nun an einen Pfuhl kam und ihre schönen Schuhe nicht verderben wollte, legte sie die Brödte hinein und trat darauf, um so trockenen Fußes hinüber zu kommen; aber die Brödte trugen sie nicht, sie wichen unter ihren Füßen und sie versank vor den Augen der Leute, die sie zu retten herbeigekommen waren, indem sie sie vor dem Hochmuth warnte und vor der Verachtung des lieben Brodtes.

Der Tisch der Unterirdischen*

Auf einem Berge in der Nähe von Kiel haftete einst ein besonderer Segen. Wenn der Bauer dort vom Morgen an gepflügt hatte und nun endlich die Ruhezeit am Mittag da war, so brauchte er nicht nach Hause zu gehen um Mittag zu essen; denn um diese Stunde stand da ein Tisch vor ihm, sobald er sich umkehrte, gedeckt mit feinem Tafelgeräth und beladen mit trefflichen Speisen. Wie gut es gewesen sey dort zu pflügen, das wußte der Bauer wohl, der uns dies erzählt hat, denn manches Mal hatte er mitgegessen am Tische der Unterirdischen. Aber Vorwitz und Uebermuth machten der Herrlichkeit ein Ende. Einst war auch ein Junge mit bei dem Essen, der wohl noch, wie man sagt, in seinen Flegeljahren seyn mochte. Der wollte die unsichtbaren Wirthe narren und nahm ihnen darum beim Aufstehen eine Gabel mit. Niemand hatte es gemerkt; aber als den andern Tag der Tisch wegblieb und die Bauern nach Hause gehen mußten, wo für sie nicht zugekocht war, da erschrak er und gestand sein Vergehen. Die Leute aber hießen ihn hingehen und die Gabel wieder zurückbringen. Das that er denn auch, und wie er auf’s Feld kam mit der Gabel, da stieg der Tisch vor ihm auf mit allem Geräthe, und es fehlte nur die Gabel. Die legte er darauf an ihren Platz, da versank der Tisch und ist seitdem nicht wieder gesehen. So müssen auch dorthin die Bauern sich ihr Essen weit her bringen lassen um den fürwitzigen Jungen.

Ein Unnereerschen gefangen*

Einmal beschlossen einige junge Bauern, ein Unnereerschen einzufangen. Obgleich Manche von diesem Unternehmen abriethen, so konnten doch die Uebrigen der Lust zu diesem Abenteuer nicht widerstehen. Indeß diese Wesen kommen bei Tage nie und zur Nachtzeit nur selten zum Vorschein; es war die Sache auch keineswegs leicht. Sie ließen es bis zur Johannisnacht; da stellten mehrere von den Beherztesten sich auf die Lauer, um ein Unnereerschen zu erwischen. Doch das Völklein ist flüchtig und ihre Schlupflöcher klein; fast wären sie alle entkommen, wenn nicht der Behendeste der jungen Burschen noch so eben ein kleines Mädchen von den Unnereerschen bei der Schürze gehascht hätte. In vollem Jubel wurde das widerstrebende Kind zu der jungen Frau eines der Räuber in’s Haus getragen. Die rügte den Frevel, und nahm die Kleine freundlich auf den Schooß und schmeichelte ihr; sie gab ihr Zucker und Leckerbissen und fragte sie darauf wie sie hieße, wie alt sie sey, was sie gelernt habe und solche Fragen mehr. Die Kleine weinte nicht und lachte nicht und sprach und sprach nicht. So blieb es einen Tag wie alle; kein Laut war aus ihr durch Versprechungen oder Drohungen herauszubringen. Da kam einmal ein altes Mütterchen gegangen; die fragten sie um Rath. Das ist leicht, sagte die Alte, ihr dürft nur Alles verkehrt anfangen, das können die Unnereerschen nicht vertragen und so ist ihnen die Zunge gelös’t. – Die junge Frau merkte sich den Rath, und nahm die Kleine mit in die Küche; da befahl sie ihr, den Torf zur Suppe sauber abzuwaschen, während sie das Fleisch zerhacke, um Feuer damit anzulegen. Die Kleine rührte sich nicht. Da nahm die Frau selbst den Torf und wusch ihn dreimal sauber ab. Die Kleine staunte, aber sie rührte sich nicht. Als die Frau nun aber auch das Fleisch zerhackt hatte und Feuer damit anlegen wollte, da sagte sie: „Frau, ihr werdet euch doch nicht an Gott versündigen wollen?“ – „Nein“, versetzte die Frau, „wenn du sprechen willst, will ich recht thun, sonst aber verkehrt.“

Seit der Zeit sprach die Kleine; bald aber fand sie Gelegenheit zu entwischen. Als kurz darauf die Frau ein Töchterlein geboren hatte, lag am andern Morgen ein Wechselbalg in der Wiege. Die Unnereerschen hatten das Kind geholt.

Ganz ähnlich wird in einem Bretagner Liede ein Wechselbalg zum Sprechen gezwungen. Die Jungfrau Maria spricht hier:

Wer kocht zum Schein in einem Ei

Für zehen Knecht’ der Meierei,

Zum Sprechen zwingt den Sohn der Fei.

Und als die Frau dieß thut, ruft der Wechselbalg:

Mutter, in einem Ei für zehn? –

Ich hab’ das Ei vor’m Huhn gesehn,

Die Eichel, eh’ der Baum mocht’ stehn;

Die Eichel und das Reis zumal,

Die Eich’ im Forste von Bregal,

Doch Solches sah’ ich noch niemal!

Der Schatzgräber und die Unterirdischen*

Ein Bauer war so gewaltig auf das Schatzgraben versessen, daß er fast von nichts Anderem mehr dachte und redete. Ein Nachbar aber, mit dem er einmal im Kruge in Streit gerathen war und der dabei bedeutend den Kürzeren gezogen hatte, entdeckte zufällig eine Höhle der Unnereerschen und suchte sich durch diese an dem Schatzgräber zu rächen. „Höre“, sagte er ihm den andern Tag, „ich will dir nur sagen, daß ich längst die Stelle gewußt habe, wo ein Schatz verborgen liegt; aber ich habe nicht den Muth, ihn zu heben. Gehe du hin und hole ihn, so wollen wir ihn theilen.“ – Das nahm der Andre bereitwillig an. Da beschrieb ihm denn sein Nachbar genau die Stelle, nämlich da, wo die Höhle der Unnereerschen war; dort müsse er hinter dem Hügel mäuschenstille stehen bleiben, bis sich etwas rege: dann solle er mit seinem Spaten darauf losstoßen, denn das sey der Drache, der den Schatz hüte. Der Bauer that wie ihm gesagt war; er begab sich zur gehörigen Zeit an die Stelle, und als er ein Rascheln merkte, stieß er darauf los. Plötzlich erscholl ein feiner durchdringender Schrei; im Augenblick war er von den Unnereerschen umzingelt, von denen er eins mit seinem Spaten tödtlich verwundet hatte. Zwei von den Kleinen trugen den Verwundeten hinweg, die Uebrigen fielen über den unglücklichen Schatzgräber her, kletterten an ihm hinauf, hackten und kratzten ihm Nase und Augen aus, und bissen ihm die Ohren ab. Der Bauer rief die Formel, die er wußte: „Alle guten Geister loben Gott den Herrn!“ Aber die Kleinen riefen: „Wir loben ihn wohl mehr, als du, du Mörder!“ – Da fuhr zum Glück ein Priester vorüber, der einem Sterbenden das Sakrament gereicht hatte. Dieser hörte den Hülferuf aus der Höhle und trat hinein; er hielt das Kruzifix in die Höhe und rief: „Weichet Diesem!“ Da waren die Unnereerschen im Nu verschwunden. „Se gloovten wol an Gott“, setzte der Erzähler hinzu, „aber se harrn doch keen Christendom!“ Dem Bauer aber ward es nie wieder wohl in dieser Gegend: seine Felder wurden ihm zertreten und Gänse und Lämmer starben auf dem Felde. Daher verließ er das Dorf und siedelte sich in einer andern Heimath an.

Glocken im See

1.

Eine Kapelle bei Neukirchen in der Wiedingharde – da wo es noch jetzt heißt „up de Kapell“ – wurde von Seeräubern geplündert, und selbst die Glocke mitgenommen. Ihr Fahrzeug lag bei Hornburg an einem Arme der Wiedau (Siel); dorthin mußten sie ihren Raub bringen. Es war aber die Nacht auf Ostern, und wie sie gegen Hornburg kamen, graute der Morgen des ersten Ostertags. Da der Kapellan in Neukirchen das heilige Osterfest nicht mehr einläuten konnte, so betete er es ein, und betete so inbrünstig, daß die Glocke den Händen der Räuber entfiel, wie sie dieselbe eben in’s Schiff bringen wollten, und in dem Siel versank. Noch klingt jeden Ostermorgen ihr Geläute aus der Tiefe herauf, und da unsre Väter noch Knaben waren, gingen die Kinder an dem Tage hin, das Läuten zu hören, und vernahmen wirklich die Glocke in der Tiefe.

2.

Im Flemhuder See liegt eine Glocke versunken, die vor vielen Jahren von Feindeshand aus der Kirche geraubt ist. Es war Winter und der See fest zugefroren; da wollten sie mit der geraubten Glocke über’s Eis ziehen, aber es brach in der Mitte des Sees, und die Glocke versank mit den Räubern. Da liegt sie noch jetzt; der Fischer hackt beim Fischen noch oft fest in dem Knebel mit seinem Netz, und an einem bestimmten Tage im Jahr um Mitternacht läutet die Glocke im See. Das haben Manche gehört, die noch am Leben sind.

Die Sage kehrt zu euch zurück,

Wie klingeln ihre Glöcklein!

Es gilt der Grafen Rantzau Glück,

Den Niß im grauen Röcklein!

Doch seyd ihr worden gar zu alt,

So wird sie euch nicht suchen;

Es ist noch Platz genug im Wald,

Unter den alten Buchen.

Hartwig Reventlow

Bertha Reventlow gebar dem Grafen Alf einen Sohn, aber obwohl ihm ihre Brüder ernstliche Vorstellungen machten, ließ er das Mädchen in Schande und heiratete sie nicht. Dieser Schimpf ihres Geschlechtes trieb die Brüder zu Drohungen; aber der Graf ward nur dadurch erbittert. Unter dem Scheine der Freundschaft und Versöhnlichkeit lud er sie zu einem Gastmahl ein, ließ vorher das Kind töten und es dann den Oheimen vorsetzen, darauf aber unter einer verdeckten Schüssel den blutigen Kopf auftragen.

Hartwig Reventlow war einer der Brüder Berthas und Oheim des gemordeten Kindes; er beschloß Rache zu nehmen. Nachdem er einem Jäger des Grafen im Walde seine Kleider genommen und sich angethan hatte, ließ er ihn an einen Baum gebunden zurück und kam so, da es noch frühe vor Tage war, unerkannt auf die Burg bis an des Grafen Schlafkammer. Der Knabe öffnete ihm die Thür; – es soll sein eigner Sohn gewesen sein, andre sagen aber des Grafen; – er stach ihn nieder, damit kein Lärm entstünde, und durchbohrte darauf den Grafen, der noch schlafend im Bette lag, mit seinem Hirschfänger. Zur Sühne des Mordes haben Hartwig Reventlow und seine Brüder eine Kapelle bei Segeberg errichtet, wo lange am stillen Freitage den Armen Speise und Trank gereicht ward; sie soll die Berthakapelle geheißen haben.

Die beiden Brüder auf Pellworm

Die adlichen Güter Seegaard und Gurde auf Pellworm waren vor Zeiten im Besitze zweier Brüder, von denen der älteste als erstgeborner jenes bekommen hatte. Sie lebten friedlich und glücklich mit einander, wie es Brüdern geziemt, und so wäre es auch wohl geblieben, wenn sie nicht beide auf ein Mädchen ihr Auge geworfen hätten. Man überließ ihr endlich die Wahl, und da sie sich für den älteren, den Erbherrn auf Seegaard, entschied, so erbitterte das den jüngeren Bruder so, daß er sich auf seine Burg zurückzog und sie so befestigte, daß er eine lange Belagerung aushalten konnte. Als nun die Hochzeit auf Seegaard gefeiert ward, erschien er plötzlich, wie alle bei Tisch saßen. Sein Bruder, meinend, er wolle ihn begrüßen, eilte ihm erfreut entgegen; er aber stieß ihn vor aller Augen nieder. Nach der That eilte er auf seine Burg. Aber die Freunde und Diener des Ermordeten belagerten ihn bald und erstürmten das Schloß. Er erlitt seine Strafe; die Burg ward geschleift und verlor ihre adlichen Rechte. Aber noch heute sieht man ihre Spuren.

Die Gräfin Schack

1.

Die Gräfin Anna Sophia Schack, Besitzerin der Güter Schackenburg und Gramm, war eine sehr hoffärtige, alte Dame. Sie war kurze Zeit mit einem Grafen Ranzau verheiratet, und lebte auf ihrem Gute Gramm. Ihren einzigen Sohn, Graf Otto Ranzau, ließ sie heimlich enthaupten, als sie einmal mit ihm in Streit gerieth. Da erschien ihr die Ahnfrau des Hauses und verkündigte ihr, daß sie keine Ruhe im Grabe finden, sondern unsichtbar neben ihrem kopflosen Sohn umgehen solle. Von Stund an ward die Gräfin bigott und wollte mit Beten und Fasten ihre Sünden abbüßen. Aber bis auf den heutigen Tag erfüllt sich die Verkündigung. Der junge Graf soll wirklich kopflos in seinem Sarge liegen.

2.

Dieselbe Gräfin Schack ließ sich einmal, als sie einen Jagdzug zurückerwartete, von ihrer Kammerjungfer zum Empfang der Gäste putzen. Da dies nicht recht vorwärts gehen wollte, ward sie ungeduldig und schleuderte das Mädchen gegen das Kamingesimse, daß sie für tot da lag. Gleich nach der That hörte sie den Zug unten im Hofe ankommen, und um das Geschehene zu verbergen, schiebt sie die Ohnmächtige in den Kamin, legt ein großes Feuer an, setzt die Thür vor und verbrennt sie. Die Bluttropfen am Gesimse blieben, bis man es in neuester Zeit ganz umgelegt hat.

Die Wogenmänner

Die Wogenmänner hatten sich an der Westerhever eine große Burg gebaut, die hieß die Wogenmannsburg. Sie hatten kleine und große Schiffe und raubten damit binnen und außer Landes, und hatten die ganze Westerhever wüste gemacht. Das Gut führten sie alles auf die Burg und nahmen die schönsten Mädchen mit Gewalt mit hinauf und behielten sie da und gaben sie ihren Knechten. So hatten sie schon vierzehn ehrliche Bauerntöchter genommen und das ganze Land betrübte sich sehr darüber. Da versammelte der Staller Owe Hering aus den Landen Ewerschop und Utholm das Volk am Margarethen-Tage und zog zu Schiffe und zu Fuß vor die Burg. Eine Jungfrau, die sie zuletzt hinaufgeholt hatten, hatte sich mit so schlauen Worten verteidigt, daß sie noch Jungfrau geblieben war; denn sie hielt sich so tapfer, als ob sie im Harnisch von der Burg stürmen wollte. Als nun die Lande mächtig und kühn davor zogen und stürmten, und die auf der Burg in großer Wehre stunden, schlich sie zu der Brücke und ehe sie davon wusten, ließ sie die Brücke fallen und sprang damit hinunter und hielt sie also lange mit wehrender Hand, daß die Lande hinaufdrängeten und die Burg gewannen, was sonst ihnen nimmer gelungen wäre. Da hielt der Staller Owe Hering ein Ding vor der Brücke mit den zween Landen und der zween Lande Rathleute über alles Volk, das man in der Burg gefangen hatte. Und es geschah ihnen, wie nach dem Rechte Räubern und Jungfrauenschändern geschieht. Alle Frauen und alles Gut, das auf der Burg war, nahmen sie und zerstörten dieselbige. Etliche Frauen versenkten sie ins Wasser; allem Mannsvolk aber schlug man die Köpfe ab und warf die Leichen in die See; es waren ihrer sechzig, ohne ihre Frauen. Die Frauen aber, die sie geraubt hatten, standen dabei und sahen wie ihr Leid gerochen ward.

Aus den Baumaterialien der Burg erbaute man die Kirche und das Pastorat zu Westerhever, die jetzt auf dem Burgplatze stehen.

Die Pfenningwiese

Einst war ein Graf Ranzau von Breitenberg eine starke Meile östlich vom Schlosse auf der Jagd. Ueberall war damals noch tiefes Moor oder öde Heide, wo jetzt Weiden und Aecker sich ausbreiten. Der edle Graf, allein wie er war, und zu hitzig in der Verfolgung eines Wildes, nahm sich nicht in Acht und gerieth in ein bodenloses Moorloch und versank immer tiefer, jemehr er sich abmühte herauszukommen. Glücklicher Weise hörte ein in der Nähe arbeitender Bauer seinen Hilferuf; vorsichtig näherte er sich ihm, der dem Untergange nahe war, reichte ihm seine sichere Hand und brachte ihn auf festen Boden. „Habe Dank, guter Freund,“ rief der Graf, als er sich gerettet sah, „womit kann ich dir lohnen?“ Aber der Bauer meinte, er habe nur seine Pflicht gethan und seinem edlen Herrn geholfen; des Lohns bedürfe er nicht. Doch der Graf bestand auf seinem Willen, der Bauer solle nur bitten. „Nun, gnädiger Herr, so gebt mir das Land, wo Euch das Unglück getroffen,“ sagte der Bauer, „und etwa noch so und so viel von dem umherliegenden dazu; und laßt es mich abgabenfrei besitzen.“ Der Graf gab gerne das Geschenk, nur bestimmte er, daß der Bauer und seine Nachkommen von dem Lande jährlich einen Pfenning Steuer erlegen sollten.

Seit der Zeit sind Jahrhunderte verflossen. Aber am Tage Martin Bischof (11. Nov.) Mittags 12 Uhr, kommt noch alljährlich der Besitzer der Pfenningwiese auf das Schloß und bringt die Steuer. Die Nachkommen des geretteten Grafen halten treu das Gelöbnis ihres Ahnen: der Bauer wird jedesmal festlich von den gräflichen Dienern empfangen, erhält einen Platz an der gräflichen Tafel, unter deren Gerichten niemals dann die Martinsgans fehlt, und wird nach der Tafel vom Grafen freundlich entlassen.

Mettenwarf

Zur Zeit des ditmarschen Krieges befand der König Johann sich in einem Hause, wo er von allen Seiten umringt war. Eine kluge Magd, Metta, diente da und rettete den König dadurch, daß sie einen ihrer Röcke zerschnitt und seinem Pferde um die Hufen band. In der Nacht führte sie es am Zügel auf einen sichern Weg und der König entkam. Andre sagen sie habe ihn mit einem Knappen über die Eider gesetzt; und noch andre, daß sie ihn aus dem Wasser rettete, als er mit seinem Schiffe in einer Sturmfluth in der Wiedingharde strandete. Aus Dankbarkeit ließ der König sie erst an seinen Hof kommen und gab ihr dann viel Land im Bordelumer Koege, wo er ihr ein großes Haus bauen ließ, dessen Stelle noch Mettenwarf heißt. Darauf bat Metta auch um etwas Geestland und der König erlaubte ihr sich so viel zu zueignen als sie an einem Tage umpflügen könne. Die kluge Frau nahm den König beim Worte und zog in weitem Kreise bis ganz nach Lütjenholm eine Furche und bekam so an einem Tage ein gutes Stück, das bis auf diesen Tag Fru Metten Land heißt.

Der Brunnen am Segeberger Kalkberg

An der einen Seite des Segeberger Kalkbergs ist ein tiefer, tiefer Brunnen, aus dem die Bewohner und die Besatzung der ehemaligen Burg ihr Wasser schöpften. Der Brunnen steht mit dem nahe gelegenen See in Verbindung. Einmal hat man eine Ente hinabgelassen und die ist im See wieder zum Vorschein gekommen. Zwei gefangene Grafen, oder wie Andre sagen, zwei Sklaven, oder noch Andre, eilftausend Sklaven haben den Brunnen um den Preis der Freilassung ausgehauen und sieben Jahr lang Tag und Nacht abwechselnd dran gearbeitet.

Rinder weisen die heilige Stätte

Auf einem hohen Marschgrund unweit Brecklum hatten einst drei adliche Jungfrauen ihre Wohnung. Sie entschlossen sich eine Kirche auf einer südlichen Anhöhe, dem Steenbarg, zu erbauen; allein was an einem Tage aufgeführt ward, war am andern verschwunden. Da ließen die frommen Jungfern einen Wagen beladen, spannten zwei säugende Kühe davor und ließen diese gehen, wohin sie wollten. Sie standen zuletzt still, wo jetzt die Kirche von Brecklum steht. – Auf dem Kirchthurm stehen noch drei sehr alte, aus Holz geschnitzte Bilder. Das sollen die drei Jungfern sein. Als eine von ihnen einmal wegen einer natürlichen Begebenheit verlacht und verspottet ward, zogen alle drei fort nach dem nahen Drelsdrup, als noch kaum die Kirche aus der Erde herausgebaut war. Wie sie fertig geworden ist, weiß Niemand zu sagen.

In Schwesing, im Amte Husum, koppelte man zwei junge Stiere zusammen und erbaute die Kirche wo diese ihr Nachtlager hielten. Sie hatten sich an einem sehr morastigen Orte niedergelegt und dieser muste erst ausgefüllt werden, ehe der Bau beginnen konnte.

Auch in Stintebüll erbaute man nach einhelliger Beliebung die Kirche an dem Orte, wo man am Morgen die beiden Ochsen fand, die man Abends zusammengejocht hatte gehen lassen. Auch von der Haddebyer Kirche erzählt man dasselbe; man wollte jenseit des Selker Noors bauen.

Als man die Sonderburg auf Alsen bauen wollte, stritt man sich auch lange, und nachher, als man sich für einen Ort beim Dorfe Broe entschied, ward Nachts das am Tage Gebaute immer zerstört. Man band endlich einem schwarzen Stier einen Balken an den Hals und fand ihn am andern Morgen am Sunde, wo jetzt das Schloß steht. Andre sagen, man habe zwei Stieren die Augen verbunden und noch andre, daß die Ochsen, die die Baumaterialien herbei fahren sollten, nicht zu bändigen waren und durchaus nach dem Alsinger Sund wollten.

Böse Herrinnen

So erzählt man auch von Fru Id Rumohr auf Röest in Angeln, daß wenn die Mägde das Garn nicht gut gesponnen hatten, sie es ihnen um die Finger wickeln ließ und dann abbrannte. Eine Kammermagd ließ sie an den Ofen binden und stark einheizen, während sie im Schlitten zur Kirche fuhr. Als sie zurückkehrte, war das arme Mädchen verbrannt und die Lippen waren verdorrt, daß die Zähne fletschend hervorragten. „Weisest du mir noch die Zähne?“ rief hereintretend die Herrin und gab der Leiche einen Schlag, daß sie in Staub zusammenfiel. Dies soll auf Oehe, nach andern in Ohrfeld geschehn sein.

Dasselbe erzählt man in Angeln auch von der Frau von Zago, die einst auf Satrupholm wohnte. Auch die böse Margreth Ranzau auf Ahrensburg machte es ebenso; ihr Sarg ist mit sieben Schlössern verwahrt, damit sie nicht heraus kann. Auch auf dem Gute Pronstorf hat einmal eine Gräfin eine Magd zu Tode geheizt, weil sie klagte, sie hätte vor Kälte nicht abspinnen können. Dafür hat auch sie keine Ruhe im Grabe.

Die Frau Metta, die vor Zeiten ein Edelgut bei Bordelum besaß, hatte ihre Magd auch so umgebracht. In der Nacht darauf erschien aber die Tote, wimmerte und ächzte, und rief die Frau bei ihrem Namen und verfolgte sie überall hin. Das wiederholte sich lange Zeit, so daß die Edelfrau nirgend mehr Ruhe fand, und zuletzt in Verzweiflung vom Schlosse rannte und sich in die See stürzte. Da haben in der Nacht Vorübergehende noch oft bald eine klägliche Stimme gehört, bald ein Fluchen und Schwören. Das Gespenst der Magd aber hat sich darauf nicht wieder blicken lassen. Das Schloß ward abgebrochen und daraus die Kirche zu Ockholm gebaut.

Die Bridfearhoger auf Silt

Ein Mädchen in Eidum hatte sich mit einem jungen Manne verlobt und ihm geschworen, sie wolle eher zu Stein als die Frau eines andern werden. In dem Glauben an ihre Treue gieng der junge Mann zur See. Doch das Mädchen vergaß ihn bald, nahm Nachts Besuche anderer Freier an und verlobte sich endlich mit einem Schlachter aus Keitum. Der Hochzeitstag ward bestimmt und der Brautzug mit einem Vormann an der Spitze ordnete sich nach alter Weise und gieng von Eidum auf Keitum zu. Da begegnete ihnen auf der Mitte des Weges ein altes Weib, und wenn das schon immer ein böses Zeichen für eine Braut ist, so rief dieses sogar: „Eidemböör, Keidemböör, jun Brid es en Hex!“* Aergerlich und erzürnt antwortete der Vormann: „Es üüs Brid en Hex, do wild ik, dat wü jir altimaal dealsonk, en wedder apwugset üs grä Stiin!“** Kaum waren die Worte gesprochen, so versank die ganze Gesellschaft sammt der Braut und dem Bräutigam in die Erde, und alle wuchsen als graue Steine wieder zur Hälfte empor. Man hat diese fünf großen Steine, zwei und zwei neben einander mit dem Vormann an der Spitze, bis vor wenigen Jahren noch gezeigt. Sie standen nördlich von Tinnum nicht weit vom ehemaligen Dinghügel, und dabei waren zur Erinnerung an jene Begebenheit zwei kleinere runde Hügel aufgeworfen, die man die Bridfearhoger d. i. die Hügel der Hochzeitsgesellschaft nannte. Sie sind auch jetzt abgetragen.

Der Brutsee

Ganz nahe bei Schleswig neben dem Wege nach Moldenit liegt ein kleiner schöner See, der Brutsee. In alten Zeiten war er ganz von Wald umgeben und ein Dorf lag daran, das zu St. Jürgen in Schleswig eingepfarrt war. Hier wohnte einmal ein reicher Bauer, dessen schöne Tochter einen armen Knecht liebte und ihm Treue gelobt hatte. Aber der Vater wollte sie einem reichen Hufner geben, und die Hochzeit ward auf den Pfingsttag angesetzt. Zum letzten Male sahen sich am Abende vorher die Liebenden an dem großen Steine, der noch am Ufer des Sees liegt. Als nun am andern Morgen Braut und Bräutigam mit ihren Verwandten über den See zur Stadt fuhren, ertönte plötzlich die Totenglocke, wie es bei uns Sitte ist, wenn einer gestorben ist. Und in demselben Augenblick erhub sich ein gewaltiger Wirbelwind, das Boot schlug um und alle ertranken. Die Leichen fand man bis auf die der Braut; sonst hätte man sie mit ihrem alten Liebsten begraben, dem das Läuten gegolten hatte. Aber in der Pfingstnacht steigt ein wunderschönes Mädchen in prächtigen Kleidern aus dem See, setzt sich auf jenen Stein und kämmt singend ihr langes goldnes Haar, bis der Morgen graut. Dann verschwindet sie wieder im See, der nach ihr der Brutsee heißt.

Auch bei Husum und andern Städten gibt es solche Brutlöcher oder Seen, die alle unergründlich sind.

Stawedder bei Segeberg

Feinde beraubten einst die Segeberger Kirche und luden das schwere schöngeschnitzte Altarblatt auf einen Wagen, um damit davonzuziehen. Aber das Altarblatt ward immer schwerer und schwerer und man muste ein Pferd nach dem andern vorspannen, um es nur von der Stelle zu bringen. Aber als der Wagen eben aus Segeberg hinaus war, wurde es rein unmöglich und kein Vorspannen half mehr. Da musten sie das Heiligthum lassen, wo es bisher gewesen war. An dem Orte aber, wo man umkehren muste, steht heutzutage das Haus Stawedder.

Hans Brüggemann