cover
Christina McKay

Juli und Lars

Winterhimmel-Reihe





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Informationen


© 2015 by Christina McKay

Texte: Christina McKay
Bildmaterialien: pixabay.com
Cover: Christina McKay


Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. 

 

 

Juli und Lars

Winterhimmel-Reihe

 

Juli und Lars sind schwul und lassen nichts anbrennen. Verlieben und eine feste Beziehung führen? Daran haben sie kein Interesse. Bis sie sich eines Abends in einem Lokal kennenlernen. Ein gemeinsamer Tanz wirft alles über den Haufen.

Plötzlich sind Gefühle da, mit denen keiner von ihnen gerechnet hat und die sie beide eigentlich nicht wollten. Was nun?

 

 Juli und Lars ist der vierte und letzte Teil aus der Winterhimmel-Reihe. Die Geschichte ist nur für erwachsene Leser geeignet, die sich nicht an Erotik und Sex zwischen zwei Männer stören.

Gewidmet ...

 

 

 

... den besten Freunden der Welt

Kapitel 1

Lars war von den Socken. Noch vor wenigen Tagen hätte sein bester Freund ihm am liebsten den Kopf abgerissen, als er wieder einmal versucht hatte, mit Nils über dessen Liebesleben – oder besser gesagt das Nichtvorhandensein des selbigen – zu reden. Und jetzt das?

Eher nebenbei hatte Nils ihm eben erzählt, dass er am nächsten Wochenende ins Casablanca zum Tanzen wollte. Aber nicht einfach nur zum Tanzen, sondern weil er jemanden kennenlernen wollte. Weil er wieder einen Mann und Sex in seinem Leben haben wollte. Nichts dagegen einzuwenden, im Gegenteil, aber Lars konnte es noch nicht so recht glauben.

»Du willst was?«, fragte er vorsichtshalber nach.

Nils seufzte. »Du hast schon richtig gehört, und ja, ich kann deine Reaktion verstehen.«

Wow. Er hatte sich also nicht verhört, und Nils schien es damit ernst zu sein. Fragte sich nur, woher der plötzliche Sinneswandel kam. Dem wollte Lars gerne auf den Grund gehen. »Versteh mich nicht falsch, ich finde es toll, dass du endlich wieder anfangen willst, richtig zu leben. Das kommt nur ziemlich überraschend. Erst vor vier Tagen warst du drauf und dran, einen Streit mit mir anzufangen, weil ich das Thema angesprochen habe. Also was ist am Wochenende passiert?«

»Du wolltest am Freitag über Sex reden, aber hier geht es um mehr.«

Innerlich seufzte Lars. »Du weichst mir aus, doch um das klarzustellen, ich wollte nicht nur über Sex reden. Das auch, aber da ich deine Einstellung dazu kenne, war es nicht nur das, worüber ich mit dir reden wollte. Und nun sag schon: Was ist passiert?«

Nach kurzem Zögern fing Nils an zu erzählen. Von dem hübschen Mann, mit dem er witzigerweise gleich zweimal an einem Tag zusammengestoßen war, von dem er aber nicht einmal den Namen wusste. Auch davon, dass er von diesem Mann erotische Fantasien hatte und sich auf ihn einen runter geholt hatte.

Das allein fand Lars schon mehr als bemerkenswert. Nicht, dass Nils ihm das erzählte, denn sie redeten sehr offen über solche Dinge. Aber dass es dabei um einen anderen Mann als Alex ging, das war erstaunlich. Alex, der seit fast eineinhalb Jahren tot war, und den Nils immer noch so sehr liebte, dass er auch nach über einem Jahr andere Männer gar nicht wahrnahm. Nun ja, zumindest bis jetzt. Das war wirklich eine positive Entwicklung, und dass Nils nun offenbar auch mit seinem Therapeuten über diese Dinge redete, war ebenfalls ein großer Schritt nach vorne.

Aufmerksam hörte Lars seinem Freund zu und verkniff sich an einigen Stellen das Grinsen. Das wäre hier völlig fehl am Platz gewesen. Als Nils fertig war, nickte Lars zustimmend. »Gott sei Dank hast du es endlich begriffen. Dieser Dr. Hartmann ist wirklich Gold wert. Mir tut es nur leid, dass du dich ausgerechnet in einen Mann verliebt hast, den du wahrscheinlich nie wieder sehen wirst.«

»Ich hab mich nicht verliebt«, protestierte Nils. Als Lars daraufhin die Augenbrauen hochzog, seufzte sein Freund. »Na ja, vielleicht bin ich ein wenig in den Kerl verschossen. Aber das wird vorbeigehen.«

»Hoffentlich schnell, denn du hattest weiß Gott genug Kummer. Ich will nicht, dass du schon wieder verletzt wirst.« Lars verbarg seine Besorgnis hinter einem warmen Lächeln. »Was nun das nächste Wochenende betrifft: Ich würde so gerne mal wieder mit dir tanzen gehen, und komme natürlich mit ins Casablanca

»Danke, denn ich möchte da wirklich nicht alleine hingehen. Bring deinen neuen Freund – Oliver, richtig? – doch einfach mit.«

Oliver. Das war so ein Thema für sich. Lars zog eine Grimasse. »Nee, bestimmt nicht. Der Typ ist echt nett, und der Sex war auch ganz gut, aber hinterher hat er mir dann erzählt, dass er einen festen Freund hat. Sie führen keine offene Beziehung, aber da sein Freund einige Wochen nicht da ist, hat er sich Abwechslung gesucht. Ich mag es zwar locker und unverbindlich, aber dann bitteschön mit einem Single. Die Sache hat sich also erledigt.«

»Das tut mir wirklich leid für dich.«

»Muss es nicht. Es ist ja nicht so, dass ich mich in den Typ verliebt hätte. Also auf ins Casablanca. Ich freue mich wirklich. Wir waren schon eine Ewigkeit nicht mehr miteinander tanzen.«

»Hm. Das letzte Mal war an dem Wochenende, bevor Alex den Unfall hatte. Ist also fast anderthalb Jahre her. Hoffentlich hast du es nicht verlernt.«

Nils lächelte zwar ein wenig, aber echt wirkte das nicht. Jetzt war wohl der richtige Zeitpunkt, um mit einem lockeren Spruch die Stimmung etwas aufzuheitern.

»Pfff, erstens ist das wie mit Radfahren und Sex: Das verlernt man nicht. Und zweitens: Ich war ja tanzen, eben nur nicht mit dir. Aber keine Sorge, notfalls führe ich.«

»Nie im Leben, vergiss es!« Diesmal erreichte das Lächeln auch Nils' Augen.

»Na, Gott sei Dank«, gab Lars zufrieden zurück. »Das kann ich nämlich wirklich immer noch nicht richtig.«

Nils wirkte richtig gut gelaunt, als er gleich darauf das Büro seines besten Freundes und Geschäftspartners verließ. Nachdenklich sah Lars ihm hinterher. So ein Mist aber auch. Er hatte sich wirklich gewünscht, dass Nils endlich wieder anfing zu leben, was natürlich auch Männer und Sex einschloss. Aber musste er sich ausgerechnet ihn jemanden verlieben, dem er wahrscheinlich nie wieder über den Weg laufen würde? Da war der nächste Kummer fast schon vorprogrammiert.

Nach außen hin machte Lars oft einen sorglosen, fast schon oberflächlichen Eindruck. Das mochte auch stimmen, was sein eigenes Liebesleben betraf, aber bei Nils war er das ganz sicher nicht. Sein Freund hatte unter dem Tod seines Mannes sehr gelitten, er hatte genug durchgemacht. Noch mehr Kummer konnte er nicht brauchen.

Alex und Nils waren glücklich miteinander gewesen. Etwas, das keiner – Lars am allerwenigsten – anfangs für möglich gehalten hätte, als sie sich damals kennenlernten. Beide waren überzeugte Tops gewesen, die bis dahin nichts anbrennen ließen. Als sie sich dann wirklich nahe gekommen waren, hatte Lars ihnen im Stillen nicht mehr als einige Wochen gegeben. Aber es waren Jahre daraus geworden, in denen seine Freunde glücklich miteinander gewesen waren. Keine Dramen, keine Seitensprünge. Sie liebten einander so sehr.

Ab und zu hatte Lars die beiden sogar ein wenig beneidet und mit der Zeit immer öfter darüber nachgedacht, ob er es nicht auch einmal mit einer festen Beziehung versuchen sollte. Der schnelle, unverbindliche Sex, den er sich in den Darkrooms oder durch Dates mit Internet-Bekanntschaften holte, stellte zwar seinen Körper zufrieden, aber manchmal sehnte er sich doch nach mehr.

Den Zahn hatte ihm Alex' tödlicher Unfall mit einem Schlag gezogen. Aus seinem glücklichen, lebensfrohen Freund war innerhalb weniger Stunden ein Häufchen Elend geworden. Sie alle hatten um Alex getrauert, aber das war nichts gegen das, was Nils nach dem Tod seines Mannes durchgemacht hatte. Das musste Lars wirklich nicht haben. Nichts im Leben währte für immer, das hatte ihm Alex' Unfall endgültig klar gemacht. Er konnte auf eine solche Erfahrung gerne verzichten und hatte das Thema feste Beziehung ad acta gelegt. Noch immer sehnte er sich manchmal nach mehr, aber die meiste Zeit war er zufrieden, so wie es war.

Er musste nur an den schrecklichen Schmerz denken, den Nils durchlebt hatte, dann holte ihn das wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und sorgte dafür, dass der Wunsch nach mehr ganz schnell wieder verschwand. Mit manchen Männern ging er durchaus über einige Wochen hinweg ins Bett, wenn der Sex gut war. Aber er hielt das immer auf einer unverbindlichen Ebene und beendete die Affären, bevor mehr daraus werden konnte.

Als Teenager war er ein paar Mal verliebt gewesen, aber wie das in dem Alter und bei außer Kontrolle geratenen Hormonen halt oft war: Es hatte nie lange angehalten, von einer ernsthaften Beziehung konnte da keine Rede sein. Auch jetzt noch verknallte er sich ab und zu. Aber mehr als das war es nicht, und dabei spielte eher der Sex eine Rolle, keine tiefer gehenden Gefühle. So richtig ernsthaft verliebt war er noch nie gewesen, und bei allem, was Nils durchgemacht hatte, war das wohl auch ganz gut so.

Allerdings gab es ihm schon zu denken, dass sein Freund trotz allem bereit war, sich nochmal ernsthaft auf einen Mann einzulassen. Lars war irgendwie davon ausgegangen, dass Nils nach all dem eher wieder zu dem lockeren Lebensstil zurückkehren würde, den er vor der Beziehung mit Alex geführt hatte. Aber dem unverbindlichen Sex konnte er offenbar nichts mehr abgewinnen.

War eine feste Beziehung denn wirklich so toll, dass man sich deswegen freiwillig nochmal in die Lage brachte, möglicherweise wieder so verletzt zu werden? Lars wusste es nicht, er wollte auch nicht darüber nachdenken. Er hoffte nur, dass Nils nicht wieder mit einem gebrochenen Herzen zurückblieb.

 

***

 

Mit einem breiten Lächeln beendete Julian das Telefonat mit Jan. Das war doch mal ein echter Fortschritt. Es hatte weiß Gott lange genug gedauert, aber jetzt schien sein bester Freund endlich wieder zu einem einigermaßen normalen Leben zurückzufinden.

Erst vor wenigen Tagen hatte Julian seinen Freund zum ersten Mal seit über einem Jahr in dessen Haus besucht. Wenn sie sich in den vergangenen Monaten getroffen hatten, dann war es entweder bei einem der Freunde oder in Julians Wohnung. Das riesige Haus, das Jan seit dem Tod von Mike allein bewohnte, war tabu gewesen.

Sein Freund hatte sich lange Zeit von allen zurückgezogen, aber jetzt schien es endlich wieder aufwärts zu gehen. Mikes Briefe, die er hinterlassen hatte, spielten dabei wohl eine wesentliche Rolle. Julian hatte geheult wie ein Schlosshund, als Jan sie ihn hatte lesen lassen. Mike war schon etwas ganz Besonderes gewesen. Verdammt, sie alle hatten ihn geliebt, wenn auch nicht so wie Jan.

Sein Freund hatte es im letzten Jahr wirklich nicht leicht gehabt. Ihn endlich wieder lächeln zu sehen war großartig. Bis vor wenigen Minuten hatte Julian trotzdem noch daran gezweifelt, dass Jan die Sache mit dem Tanzen im Casablanca tatsächlich durchziehen würde. Aber das tat er, und Julian freute sich sehr darauf. Auch das hatten sie viel zu lange nicht mehr gemacht. Ein unbeschwerter Abend und Tanzen würde nicht nur Jan guttun.

In den letzten Wochen war Julian viel seltener ausgegangen als sonst für ihn üblich. Etliche Überstunden und eine schwere Erkältung hatten dafür gesorgt, dass er abends lieber Zuhause blieb, statt sich mit den Freunden irgendwo zu treffen. Doch jetzt brauchte er dringend mal wieder Abwechslung und Entspannung – in jeder Hinsicht. Ihm fehlte definitiv Sex.

Das Casablanca hatte zwar keinen Darkroom, aber Julian flirtete für sein Leben gern und hatte kein Problem damit, auch mal jemanden nach Hause mitzunehmen. Wenn sich dort nichts ergab, konnte er später immer noch in einen der Clubs fahren.

Seinen Freunden, die in einer Beziehung waren, lag absolut nichts an diesen Clubs, und Jan erst recht nicht, obwohl das mal anders gewesen war. Vor seiner Beziehung mit Mike hatte Jan keine Gelegenheit ausgelassen. Damals hatten sie alle nichts anbrennen lassen. Julian war in den letzten Jahren zwar wählerischer geworden, aber im Grunde hatte sich für ihn nicht viel verändert.

Ein einziges Mal hatte er es mit etwas Festem versucht. Wenn er schon eine Beziehung hatte, dann auch exklusiv, aber das hatte sein Freund anders gesehen. Geendet hatte es, wie es in einem solchen Fall wohl enden musste: mit Streit und für Julian mit Liebeskummer, der aber Gott sei Dank nicht allzu lange angehalten hatte. Nicht jeder hatte so viel Glück wie seine Freunde. In ihrer Clique gab es etliche Paare, die miteinander glücklich waren, ohne fremdzugehen.

Aber das war nun mal nicht jedem vergönnt, und man musste sich nur Jan ansehen. Er und Mike waren sich absolut treu gewesen, sie hatten einander so sehr geliebt. Dennoch war Jan mit einem gebrochenen Herzen allein zurückgeblieben. Alle Liebe dieser Welt war machtlos gewesen gegen den Tod. Sein Freund war fast daran zugrunde gegangen, als Mike gestorben war.

Als er einige Stunden später Jan gegenüber stand, blieb ihm fast die Spucke weg. Er war nie auf diese Art an seinem Freund interessiert gewesen. Seit ihrer Kindheit waren sie wie Brüder füreinander. Daran hatte sich auch nichts geändert, als sie in der Pubertät entdeckt hatten, dass sie beide schwul waren. Aber Jan sah an diesem Abend so gut aus, das entging selbst Julian nicht. Er stieß einen schrillen Pfiff aus.

Ihr gemeinsamer Freund Chris grinste. »Das könnte schon sein. Mann, ich freue mich schon total drauf, dass ihr beiden heute Abend mal wieder so richtig die Show abzieht.«

Casablanca

Neugierig rückte er auf der Bank enger an Jan heran und schlang von hinten den Arm um ihn. »Wen siehst du denn da so fasziniert an?« fragte er. Es dauerte einen Moment, bis Julian das Ziel von Jans Blicken ausgemacht hatte. Wow. Die beiden Typen waren echt heiß, aber blonde Twinks waren noch nie nach Jans Geschmack gewesen, also starrte er wohl den großen dunkelhaarigen Mann so an.

Eher sein Fall? Der Kerl fiel definitiv genau in sein Beuteschema. Julian hatte nicht vor, sich eine Beziehung zu drängen. Aber dass die beiden miteinander tanzten, musste ja nichts heißen. Er würde es einfach herausfinden, und falls der hübsche Blonde Single war …

»Ach, du kennst den Kerl?«, erkundigte sich Julian erstaunt.

Für den Moment war der blonde Twink vergessen. Julian zog seinen Freund noch näher an sich. Dann nahm er Jans rechte Hand in seine, hob sie ein Stück an und tippte an den breiten Ehering.

Nachdem Julian beim DJ seine Musikwünsche geäußert hatte, schnappte er sich Jan und zog ihn mit auf die Tanzfläche. Direkt neben den dunkelhaarigen Fremden und seinen hübschen Tanzpartner. Wow. Aus der Nähe betrachtet war der Kerl sogar noch attraktiver.

Livin‘ on a prayer

Jan tat empört, grinste dann aber zurück. »Klar kann ich es noch.«

»Fast so gut wie wir«, stellte Julian anerkennend fest. »Aber nur fast.«