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Lucas Timm

Fernstecher Gran Canaria


FÜR ENRIQUE


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Intro

Fernstecher

Gran Canaria

 

Lucas Timm

 

 

ISBN-13: 978-1512138757

ISBN-10: 1512138754

 

1. Auflage, Juni 2015

 

© Lucas Timm 2015

Autorenblog/Homepage

www.facebook.com/lucastimmbuch

www.lucastimm.de

 

Covergestaltung: Chris Schulte

Homepage: www.chrischulte.de

Kontaktmöglichkeit: mail@chrisschulte.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher

Genehmigung des Autors gestattet.

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und

unbeabsichtigt.

 

 

 

 

 

Für ENRIQUE

Prolog

Die monotone Melodie meines Telefons riss mich gegen halb zehn Uhr in der Früh aus dem Tiefschlaf. Draußen war es bereits hell und die Sonne blitzte bereits durch die Lamellen meiner schwarzen Jalousie. Trotzdem dauerte es eine Weile, bis mich das störende Geräusch aus dem Land der Träume zurück in die Realität geholt hatte.

Sicherlich mal wieder meine Schwester, die fast jeden Tag anrief. Wieso sprang der Anrufbeantworter bloß nicht an? Normalerweise stellte es kein Problem dar, sonntags ab halb neun durchzuklingeln. Die paar Nächte im Jahr, an denen ich mich herumtrieb, konnte man an einer Hand abzählen.

Ich blinzelte noch einmal genervt auf meinen Radiowecker und beschloss, den anhaltenden Klingelterror mit einem Sprint ins Wohnzimmer zu beenden. Wie konnte man nur so hartnäckig sein. Schlaftrunken riss ich den Hörer von der Station und ließ mich im selben Moment aufs Sofa fallen. Mein Kopfkissen, das ich in der anderen Hand hielt, legte ich mir auf den Bauch, während ich mit verschlafener Stimme ins Telefon schnaufte:

„Hallo. Wer ist denn da?“

„Ich bin es, der Juan. Hast du schon geschlafen? Oder heißt es noch?“ fragte mich eine kindliche, aber weitaus munterere Stimme.

Grinsend klärte ich das Sprachproblem und wunderte mich, dass der spanische Nachtschwärmer so früh auf den Beinen war.

„Normalerweise schlafe ich länger, aber ich war schon erwacht und wollte wissen, ob du mich heute besuchen willst?“, fragte er mit warmem Tonfall. „Ich kann ja auch gleich noch mal ein bisschen Siesta machen“, schob Juan hinterher.

Mist! Ich war bereits mit meiner Mutter zum Mittagessen beim Italiener verabredet, aber abends würde es auf jeden Fall klappen. Es gab da nur noch ein weiteres, klitzekleines Problem: „Hm. Also heute Nachmittag geht es bei mir leider nicht und um zwanzig vor Sechs gucke ich immer meine Lieblingsserie, aber die könnte ich für dich gern mal ausfallen lassen und aufnehmen“, ließ ich meinen blödsinnigen Gedanken freien Lauf und bereute fast, was ich gerade gesagt hatte.

Der Spanier musste doch denken, ich sei total abhängig vom Fernsehen, was definitiv nicht der Fall war. „Ach, guckst du auch immer die Lindenstraße? Ich mag die deutsche Serie gern und gucke sie auch jedes Sonntag. Wir können es ja zusammen sehen, wenn du es magst?“, überraschte mein Gesprächspartner mich. Mir blieb fast die Spucke weg. Das war geradezu unglaublich. In meinem Bekanntenkreis wurde ich seit Jahren schief angesehen, weil ich kontinuierlich die hausbackene Vorabendserie konsumierte. Anscheinend musste erst einmal ein Ausländer eingeflogen werden, der meine Leidenschaft teilte und

mich ohne lange zu Fackeln zu einem gemeinsamen TV-Abend einlud.

Voller Freude sagte ich zu und konnte mir ein amüsiertes Glucksen nicht verkneifen. Obwohl ich seine Anschrift bereits kannte, fragte ich noch einmal nach, wo ich gegen achtzehn Uhr aufschlagen sollte.

„Ich wohne in Kurze Straße 10. Du musst dann bei Matthias Apel die Klingel drucken.“

Der Typ war aber auch immer wieder für eine Überraschung gut, denn seine Anmeldung erfolgte für eine andere Hausnummer und auch der Name des Hauptmieters lautete Wiesenbrinck und nicht Apel. Für einen kurzen Augenblick überlegte ich, ob ich etwas sagen sollte, zog es aber vor, mich zurückzuhalten.

„Ich freue mich auf heute Abend“, sagte ich noch einmal betont männlich, während ich mich auf den Weg zurück ins Bett machte und glücklich das weiche Federkissen umarmte.

„Ich mich auch. Bis später dann mal“, flüsterte Juan Carlos mir geradezu verliebt ins Ohr.

Meine Hand wanderte erneut an meine Nase, doch war von seinem Geruch der letzten Nacht nichts mehr übrig geblieben. Eine Auffrischung stand erfreulicherweise kurz bevor.

Kapitel 1

Besser hätte der Tag nicht beginnen können. Begeistert fing ich an, in meine Bettdecke zu beißen. Eine merkwürdige Angewohnheit, die mich immer wieder überkommt, wenn es mir besonders gut geht. Am liebsten hätte ich geschrien. Also tat ich es auch. Ich rief Undine begeistert an und kreischte ihr meine gute Laune ohne Vorwarnung ins Ohr. Nun war auch meine beste Freundin hellwach. Meine Verzückung musste einfach raus! Nachdem ich die letzte Nacht noch einmal Revue passieren ließ und Undine berichtet hatte, was passiert war, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen, nahm sie mir meinen morgendlichen Überfall nicht mehr krumm.

Noch immer überdreht ließ ich mir im Anschluss an unser Gespräch ein Bad ein, um zu sphärischer Musik von Enya ein wenig zu entspannen. Innerliche Ruhe wollte sich trotz der angenehmen Wärme nicht einstellen. Völlig aufgeregt malte ich mir aus, wie der gemeinsame Abend an der Seite des Spaniers verlaufen würde.

Zudem stand natürlich wieder die Outfitfrage im Raum. Meine blonden Haare schienen dem Dunkelhaarigen bestenfalls bedingt gefallen zu haben, dennoch hielt ich es für übertrieben, zum Hauptbahnhof zu fahren und mir eine Tönung zu besorgen. So, wie es im Augenblick aussah, schien auch trotz des optischen Makels alles nach Plan zu laufen. Endlich! Wie lange hatte ich darauf gewartet.

Das Mittagessen mit meiner Mutter war sehr nett. Ich plauderte bei Pizza Funghi und Bruschetta sogar ein wenig von der nächtlichen Begegnung, denn mein Gefühl weckte die Hoffnung in mir, in dem Kanaren einen Mann gefunden zu haben, den ich nicht so schnell wieder gehen lassen würde. Darüber hinaus fiel es mir schwer, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Mit leuchtenden Augen lauschte meine Mum der Story, bei der ich immer wieder den Akzent des Spaniers nachahmte.

„Das klingt ja drollig“, freute sie sich darauf, Juan vielleicht selbst einmal kennen zu lernen.

Meine Offenheit ihr gegenüber zahlte sich aus. Im nächsten Moment beichtete sie mir verlegen, dass sie seit wenigen Wochen ebenfalls neu verliebt sei: „ Das ist aber alles unbedingt top secret, weil Dietrich verheiratet ist“, ermahnte sie mich zur Verschwiegenheit.

Es konnte ja nicht jeder so ein Glück haben, wie ich. Wenn meine Mutter sich für eine Affäre nicht zu schade war und ihr der über zehn Jahre ältere Mann gut tat, sollte es mir recht sein. Immerhin waren seit der Scheidung von meinem Vater schon fünfzehn Jahre vergangen. So ausgelassen und zufrieden hatte ich sie jedenfalls schon lange nicht gesehen. Zur Feier des Tages ließ ich es mir nicht nehmen, ausnahmsweise selbst die Rechnung zu begleichen.

Pünktlich um halb sechs drückte ich die Klingel des Altbaus in der Kurzen Straße. Vorab war ich zwanzig Minuten durch die umliegenden Straßen gerannt, weil ich zu früh losgefahren war, um mich unter keinen Umständen zu verspäteten.

Die Gegend um die Musikhalle herum war mir noch aus meiner Ausbildungszeit im Fundbüro bekannt, das nur wenige Minuten von Juans Wohnhaus entfernt war. Der Türsummer wurde betätigt, ohne dass jemand sich vorab über die Gegensprechanlage meldete.

Schnellen Schrittes stieg ich die steile Treppe empor. Jede Stufe brachte mich ein kleines Stück näher an mein Ziel. Im zweiten Stock erwartete Juan mich bereits am Wohnungseingang und lächelte mir entgegen. Er trug eine mittelalterliche, lange Unterhose. Ein naturfarbenes Hemd mit weitem Ausschnitt rundete die überraschende Landburschenerscheinung ab. Es fehlten nur noch ein Strohhut und die Sense in der Hand.

In meinem stylischen Duran Duran-Look, dem schwarzweiß gestreiftes Torwarthemd und der dunklen Jeans und dunklem Sakko, wirkte ich sicherlich ein wenig steif und overdressed. Abgesehen davon, dass ich dies zum Anlass nehmen würde, mich schnellstmöglich meiner Textilien zu entledigen, fühlte ich mich trotz der optischen Unstimmigkeit selbstsicher und begehrenswert.

Mit einem langen Kuss auf den Mund wurde ich gebührend empfangen.

Da war er wieder: Der vertraute, würzige Geruch der letzten Nacht. Ich atmete seinen Duft tief ein und umarmte meinen Gastgeber fest.

„Bist du eigentlich allein?“, fragte ich Juan, als ich die vielen aufgereihten Paar Schuhe im Flur bemerkte.

 

„Normalerweise wohne ich im Haus nebenan in ein kleines Zimmer von Freunden, aber hier haben wir mehr Ruhe“, grinste er mich feurig an und zog mich mit dem Rücken an sich. Seine Lippen kitzelten hinter meinen Ohren. Eine Gänsehaut ließ die Haare an meinen Armen tanzen.

Meine Blicke wanderten durch den Raum. Das, was ich bisher von der Wohnung gesehen hatte, gefiel mir. Antike Möbel kombiniert mit eher spirituellen Figuren. Mehrere Regale mit Büchern ließen auf einen gebildeten Bewohner schließen.

Das angrenzende Schlafzimmer, in dem ein heller Futon einladend auf uns wartete, erweckte als nächstes meine Aufmerksamkeit. Vier Kerzen auf langen Metallhaltern ließen den Raum fast so sehr erstrahlen, wie mein Herz, das durch die Begegnung in der letzten Nacht entflammt war. Ruhige Klaviermusik aus dem CD-Player unterstrich die magische Stimmung. Die lang ersehnte Geborgenheit wurde Schritt für Schritt Wirklichkeit. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis wir ineinander gekeilt auf der recht harten Matratze des Ex-Freundes landeten.

Es war soweit: Das erste Mal sah ich den Mann, dem ich von der ersten Sekunde an verfallen war, nackt vor mir knien. Seine duftende Haut wirkte trotz winterlichen Temperaturen sonnengebräunt. Ich selbst musste mich damit abfinden an seiner Seite kreideweiß zu wirken, dabei lag der letzte Besuch im Sonnenstudio gerade erst wenige Tage zurück. Auf der Brust wuchsen Juan kurze Haare, die mich kitzelten, während er mit seiner feuchten Zunge über meinen Körper wanderte.

Die silberne Kette, die um seinen Hals baumelte, ließ mich im nächsten Moment zusammen zucken.

Immer wieder wippte der Anhänger unter den leidenschaftlichen Küssen des Spaniers gegen meinen Rücken.

Bemerkenswert war der fast nicht vorhandene Bauchnabel meines Liebhabers. Dort, wo man bei mir fast die erste Kuppe der Zeigefinger versenken konnte, entdeckte ich bei dem Spanier nur eine glatte Stelle in der Größe eines Ein-Euro-Stücks. Es war nicht einmal ein Knoten oder ähnliches zu finden.

„Der sieht ja lustig aus“, rutschte es mir verzückt heraus.

Mit seinem kleinen Finger zeigte er auf die Hautstelle, guckte mich kindlich an und meinte: „Magst du es nicht?“

„Doch natürlich. Er ist vor allem praktisch so, weil sich kein Dreck darin sammelt“, freute ich mich für ihn und liebkoste neidvoll die nicht vorhandene Wampe. Zügig arbeitete ich mich weiter in Richtung seiner mich magisch anziehenden Erektion. Genüsslich spielte ich daran herum, während sich seine großen Hoden zufrieden im Einklang mit meinen Bewegungen auf und ab bewegten. Wie hypnotisiert verlor ich mich im körperlichen Einklang bis Juan sich überraschend aufrichtete, mein Hinterteil mit beiden Händen umschloss und etwas mir Unerklärliches tat. Es dauerte eine Weile, bis ich begriffen hatte, was passierte.

Vom niedlichen Gesicht meines Dates war nichts mehr zu sehen.

Juans Zunge wanderte von den Oberschenkeln über die Lenden, um im nächsten Moment in meine Rosette einzutauschen.

Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte und verkrampfte mich, während ich lustvolles Schnaufen und Schmatzen von der Stelle vernahm, die sonst ganz andere Töne von sich gab. Als Landei konnte ich eine gewisse Naivität wohl nicht leugnen. Jedenfalls wäre mir nie die Idee gekommen, dass es Menschen gibt, die sich so etwas freiwillig antun und dabei auch noch Spaß haben. Juans Vorliebe machte mich stutzig. Seine anschließenden Küsse erwiderte ich nur noch halbherzig. So, wie es aussah, war ich tatsächlich an einen Perversen geraten. Wer hätte das gedacht. Für einen Augenblick fragte ich mich, ob so etwas in Spanien vielleicht normal sei? Andere Länder, andere Sitten.

Während der fremde Körper sich wild in Lust und Bewegung verlor, lag ich ganz still da. Es gefiel mir, meine Erektion auf seiner zu spüren, doch stand ich noch immer unter Schock.

Juan kam mit lautem Atmen über mich und kurze Zeit später war auch ich trotz Irritation soweit. Die warme Dusche hatte es geschafft, für den Augenblick meine negativen Gedanken beiseite zu schieben.

„Du bist so ein süßes Kükemann“, lachte mich das entspannte Gesicht über mir an.

„Was? Wie hast du mich genannt?“, fragte ich verwundert nach.

„Kükemann. Du hast doch so gelbe Haare, wie ein kleiner Küken. Ein Pollito sagt man dazu auf Spanisch“, erklärte der niedliche Perverse mir seine originelle Wortwahl.

Sofort schaffte er es durch seine herzliche Art, dass ich ihm wieder völlig ergeben war.

Ohne zu überlegen küsste ich ihn, wenngleich sich das Hinterfragen des Speichelgeschmacks nicht komplett ausblenden ließ. Was soll´s.

Es war ja immerhin mein eigener Arsch gewesen, beruhigte ich mich selbst.

Etwa eine halbe Stunde später reichte Juan mir eine lange Unterhose seines Ex-Freundes. Wir zogen uns an und lümmelten uns mit einer Flasche Rotwein vor den kleinen Fernseher, um Mutter Beimer und ihren Nachbarn in die Wohnungen zu gucken. Die „Lindenstraße“ krönte unseren ersten gemeinsamen Abend. Eng aneinander gekuschelt starrten wir die nächsten dreißig Minuten auf den Bildschirm.

Ich konnte mein Glück kaum fassen: Da kam also ein sexy Mann, den vermutlich die halbe Bevölkerung begehrte, vom anderen Ende der Welt nach Hamburg, um deutsch zu praktizieren und ausgerechnet ich wurde vom Universum auserwählt, angeschmiegt an dem begehrenswerten warmen Körper zu liegen und seine sexy Eier in meiner Hand zu halten.

Wäre da nur nicht Juans perverse Neigung, dem Kükemann den Po lecken zu wollen. Es war mir einfach nicht möglich, das eben Erlebte auszublenden.

Kapitel 2

Der angenehm warme Wasserstrahl meiner alten Dusche ließ mich den eisigen Schneeregen vergessen, durch den ich mich mit vollem Körpereinsatz von der U-Bahn bis zu meiner Wohnung gekämpft hatte. Immer wieder versuchten orkanartige Windböen, mir den Regenschirm aus der Hand zu reißen. Fast wäre ich in Höhe der Bäckerei vom Fußweg auf die viel befahrene Straße geweht. In letzter Sekunde klappte ich meinen Knirps zusammen und gab mich der Witterung geschlagen. Ich war längst bis auf die Haut durchnässt, als ein rasender Leichenwagen an mir vorbeidüste und mich durch rücksichtsloses Gasgeben mit einer schneidend kalten Fontäne Pfützenwasser übergoss.

Weiche Schaumschäfchen rutschten aus meinen shampoonierten Haaren über meine nackte Brust, an der eben noch die klatschnassen Klamotten klebten, die nun zum Trocknen über der Heizung im Schlafzimmer hingen. Flink griff ich mir ein paar der gut riechenden Luftbläschen, um den Duft noch einmal bewusst zu erforschen, denn bis auf die Dotterfarbe hatte der Inhalt des Eiershampoos recht wenig mit meiner Assoziation eines solchen Haarwaschmittels zu tun. Es roch eher blumig als säuerlich. Zudem diente es sicherlich nicht, wie man eigentlich annehmen sollte, der speziellen Reinigung hängender Genitalien. Dessen ungeachtet wanderten meine eingeseiften Handflächen auf direktem Weg zwischen meine Beine.

Schließlich musste alles sauber sein, wenn Juan zu späterer Stunde meiner Wohnung den ersten Besuch abstattete. Schon der Gedanke an den feurigen Spanier erregte mich. Jetzt bloß nicht das Pulver verschießen. Stark sein und durchhalten. Ich nahm erneut eine Portion Duschgel aus der Plastikflasche und führte meine Finger an mein Hinterteil. Dieses Mal wollte ich gut vorbereitet sein, falls der animalische Gast seiner Neigung wieder freien Lauf lassen würde.

Besonders intensiv hatte ich mich in der Vergangenheit noch nicht mit Reinigung meines Enddarms beschäftigt. Wozu auch? Mit schmerzverzerrtem Gesicht führte ich die eingeseifte Spitze meines Daumens in mich ein. Das war einfach nicht meine Welt. Nach mehrmaligen Hin und Her war es erträglich, hatte aber aus meiner Sicht rein gar nichts mit Spaß zu tun. Menschen, die diese Körperöffnung benutzten und womöglich noch Sexspielzeuge darin verstauten, waren mir suspekt. Weitaus angenehmer war das Gefühl, als ich mir anschließend den sprudelnden Duschkopf an die Rosette hielt, um den Schaum wieder loszuwerden. Eines hatte ich jedoch nicht bedacht: Wie um Himmels Willen sollte ich das schmierige Zeugs aus dem Arsch bekommen? Mit gespreizten Beinen nahm ich in der Badewanne Platz und hielt den Schlauch an mein Hinterteil. Ob das vorsichtige Abwaschen reichen würde? Nicht, dass der abnormale Spanier später Seifenblasen durch meine Wohnung pustet. Eigentlich wollte ich ihm mit meiner Vorbereitung Gutes tun, doch nun war ich mir gar nicht mehr so sicher, dass Richtige getan zu haben. Vielleicht war es gerade der

naturbelassene Geschmack, der seine Begeisterung ins unermessliche steigen ließ? Man weiß ja nicht, was in den Köpfen von so abstrus gepolten Leuten vorgeht. Nun war es jedenfalls zu spät. Auch ein Drucktest meines Darms signalisierte mir, dass hier so schnell nichts zu erwarten war. Und warum in aller Welt sollte ich mir weiter die Birne darüber zerbrechen. Schlimm genug, dass das Thema mich seit unserem letzten Aufeinandertreffen nicht mehr losließ.

Kurz nachdem ich mich parfümiert und die hellblonden Strähnen mit etwas Haarwachs in Form gebracht hatte, klingelte es an der Tür. Nur eine Minute später stand Juan in Jeans und schwarzer Lederjacke vor mir. Wortlos machte er einen Schritt auf mich zu und umfasste mich mit seinen eiskalten Händen. Ich drückte ihn an die Wand meines Flurs und presste meine Lippen auf seinen Mund. Nach und nach wanderte ein Kleidungsstück nach dem nächsten auf den roten Teppichboden.

Anders als bei Besuchern, denen zuvor ähnliches widerfahren war, ließ ich mich ganz von meiner Lust steuern, ohne dabei darauf zu achten, eine gute Figur abzugeben. Es war mir nicht wichtig, die Kontrolle zu behalten oder zu beeindrucken.

„Du hast eine schöne Wohnung. Wo ist der Bett?“, grinste Juan und ließ sich von mir ins Schlafzimmer ziehen.

Wie erwartet, dauerte es nicht lange, bis die dunklen Schäfchenlocken des oralfreudigen Spaniers zwischen meine Pobacken wanderten.

Glücklicherweise schien dem Feinschmecker nichts Verdächtiges aufzufallen.

Jedenfalls ließ er sich nichts anmerken. Es war erstaunlich, wie sehr Juan der orale Tiefgang anmachte. Aufgeregt schleckte er an mir, während seine Hand sich in meiner hellgrünen Bettwäsche verkrampfte. Derartige Begeisterung konnte ich persönlich höchstens für Mousse au Chocolat oder Milchreis mit Zucker und Zimt aufbringen.

„Hol mal zwischendurch Luft“, ermahnte ich ihn, da ich befürchtete, er würde gleich in Ohnmacht fallen. Trotz der körperlichen Vorbereitung konnte ich eine gewisse Angst nicht verdrängen, sein Zungenspiel könne nur als Vorspiel für vermutliche Steckspiele dienen, doch blieben meine Befürchtungen bis auf weiteres unbegründet. Während ich in Wickeltischposition auf dem Rücken lag, verdrehte ich den Kopf soweit ich konnte, um auch meinem Gast Gutes zu tun. Selbstverständlich galt meine Aufmerksamkeit allein der vorderen Körperhälfte.

Der Mann, auf den ich so lange gewartet hatte, war ein richtiger Kerl, der wusste, was er wollte und gern die Führung im Bett übernahm. Gegenseitiges Begehren und Verwöhnen ließ keine Wünsche offen. Dennoch kreisten meine Gedanken immer und immer wieder um das Tabuthema Arschlecken. Seit dem ersten Schleck-Treffen überschattete dieses Verlangen meine Entscheidung, mich endgültig auf Juan einzulassen. Meine Überlegung, ob ich mich dauerhaft mit dieser Vorliebe anfreunden konnte, brachte mich zu keinem guten Ergebnis. Nie und nimmer könnte ich darüber hinwegsehen und jemanden mit einem derartigen gesellschaftlichen Defizit wirklich lieben. Verwundert über meine eigene Engstirnigkeit, hielt ich mir noch einmal die Vorzüge des Spaniers vor Augen. Angefangen bei seinem schönen Schwanz und seiner niedlichen Art, beeindruckte mich, wie er so einfach in ein fremdes Land gezogen war. Fernab von Familie und gewohnter Umgebung. Zugegebenermaßen gab es einen anderen Mann, der wahrscheinlich der Auslöser für diesen großen Schritt gewesen war, doch trotz Trennung ließ er sich nicht von seinem Vorhaben abhalten, sein Leben in Hamburg nach Plan fortzusetzen.

Viel wusste ich nicht gerade über Matthias Apel, den Typen, der über ein halbes Jahr mit meinem neuen Freund zusammengewohnt hatte. Nähergekommen waren sich die beiden während eines Urlaubs in Granada. Aus irgendeinem Grund schien Juan das Thema Ex-Freund nicht gerade dazu ermutigen, ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern. Mein Eindruck von ihm war alles andere als positiv. So wie es schien, war der abgelegte Liebhaber ein Schwein sondergleichen. Er roch meistens nach Schweiß, ließ benutzte Töpfe und Geschirr wochenlang in der Küche vor sich hingammeln und auch die verdreckte Toilettenschüssel wurde nicht geputzt. Bei Juans sexueller Vorliebe konnte man sicher davon ausgehen, dass Matthias Hinterteil bis vor kurzem der sauberste Fleck seines Körpers war.

Die gemeinsame Wohnung schien, entgegen meines ersten Eindrucks an unserem Fernsehabend, normalerweise ein Dreckloch zu sein. Neben der Arbeit für die Universität und das Besuchen von Vorlesungen kostete es Juan die meiste Zeit, seinem Partner hinterherzuputzen. Ich konnte mir den Spanier genau vorstellen, wie er mit Gummihandschuhen fluchend mit der Klobürste hantierte und entsetzt und angewidert das Gesicht verzog.

Er hatte so eine anschauliche und drollige Art, Situationen so zu erzählen, dass man fast das Gefühl hatte, dabei zu sein.

Zu guter Letzt hatte Juan nach sechs Monaten die Nase gestrichen voll vom Dreck und zog mit Sack und Pack zu Markus Wiesenbrinck ins Nachbarhaus. Jedenfalls war dies die Version des Spaniers. Kurze Zeit später fiel mir jedoch ein, dass der Neubürger sich bereits im August unter der anderen Anschrift im Einwohneramt angemeldet hatte. Ein wenig verunsichert grübelte ich darüber nach, ob Juans Ausführungen tatsächlich der Wahrheit entsprachen. Erzählen konnte er viel.

Am Ende waren die beiden vielleicht noch gar nicht getrennt und meine Person diente nur als Krisenkitt? Schnell erstickte ich den negativen Gedanken im Keim.

„Leider wir sehen uns nicht mehr wieder vor zwei Wochen“, meinte der Spanier, als er nach unserem wilden Sex aus meinem Badezimmer zurück kam und neben mich ins Bett kroch. Na, wer sagt es denn. Sicherlich will er mich auf Abstand halten, ärgerte ich mich innerlich, bevor er weitersprach.

„Ich besuche einen kranken Freund in Spanien. Er hat ein kaputtes Herz und ist ins Krankenhaus.“

„Das ist ja schade. Du kannst dich ja melden, wenn du wieder da bist, ja?“, entgegnete ich bewusst emotionslos. Ich wollte irgendwie neutral bleiben und nicht zu viel Nähe aufbauen, denn die ganze Geschichte war mir noch ein wenig zu verworren.

Mein Herz und der Verstand zogen nach wie vor in unterschiedliche Richtungen.

„Gern würde ich hierbleiben. Mit dir. Aber es ist mein bester Freund!“

Mit seinen süßen Augen und seiner niedlichen Aussprache umgarnte er mich.

„Ich werde mich auf dich freuen“, ließ ich ihn wissen, bevor meine Hände ihn erneut an mich zogen.

„Du guckst jetzt mal nicht. Augen zu. Los!“, befahl mir mein Freund.

Nach einem kurzen, warmen Kuss wartete ich gespannt auf das, was nun folgen würde. Juans Atmen war noch immer ganz nah an meinem Gesicht. Nun war er so nah, dass ich die Wärme seiner Wangen spüren konnte. Seine Wimpern erreichten meine Augen und streichelten liebevoll über mein geschlossenes Lid. Obwohl es im ersten Moment kitzelte, fühlte ich, wie mir eine Gänsehaut den Nacken herunter kroch, sodass sich die kleinen, blonden Haare an meinen Unterarmen aufstellten.

„Du hast ja eine Menge Sachen drauf, die ich noch nicht kannte“, freute ich mich.

„Man nennt das Butterfly Kiss. Kanntest du es noch nicht, du Kükemann?“, strahlte er stolz, mir etwas Neues beigebracht zu haben.

Unsere Verabschiedung war innig und herzlich. Ich genoss den nicht enden wollenden Zungenkuss im Treppenhaus, obwohl mein Gefühl mir sagte, dass ich Juan vielleicht nie wiedersehen würde. Vielleicht wollte ich gerade deshalb den Augenblick genießen und in die Länge ziehen. So, wie es war, war es gut gewesen. An eine gemeinsame Zukunft wollte ich nicht denken.

Wieso sollte ich mich dauerhaft mit ihm einlassen? Wer wusste, was am Ende neben seiner Vorliebe für Enddärme sonst noch alles ans Tageslicht kommen würde? Zudem hatte ich immer noch keine Klarheit, was seinen Ex-Freund anging. Und was würde ich überhaupt tun, wenn er von heute auf morgen beschließen würde, wieder zurück nach Spanien zu gehen?

Seine Lebensplanung würde ihn nach erfolgreichem Studium sicherlich zurück ins Land der Menschen mit komischen Sexualpraktiken zurückführen. Was würde dann aus mir werden?

Es waren einfach zu viele Dinge, die gegen eine dauerhafte Beziehung sprachen. Nicht von der Hand zu weisen war auf jeden Fall die Tatsache, dass er für zwei Wochen außer Landes war. Die Chance, mich vollends auf mein eigenes Leben zu konzentrieren, musste beim Schopf gepackt werden.