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Markus Hohenauer

Der Zauber von Eos





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Der Zauber von Eos

 

Homer nannte sie die Morgenröte. Menschen unserer Zeit, die nur ein wenig romantisch veranlagt sind, sehen es als ein wunderschönes Schauspiel der Natur an. Die meisten jedoch in unserer „leider“ viel zu technisierten Welt, nehmen ihn gar nicht mehr wahr. Den Sonnenaufgang!

Ist das nicht traurig?

Mit Sicherheit! Denn so eine Explosion von Farben könnte nicht einmal der beste Maler auf eine Leinwand pinseln. Es würde nur ein billig, kitschig angehauchter Abklatsch dessen, was er mit seinen Augen zu sehen imstande ist. Selbst Musiker, kamen oder kommen sie aus der Klassik, Pop, oder sonst einer Stilrichtung, versuchten diese Stimmung in Noten und Worte umzuwandeln. Allerdings wie ich meine, mit mäßigem Erfolg.

Der wohl bekannteste Song unserer Zeit zu diesem Thema ist von Cat Stevens. Nämlich, Morning has broken! Einer der besseren Versuche dieses Motiv zu beschreiben, wie ich finde. Aber selbst er, einer der meistgeachteten Lyriker dieses und des letzten Jahrhunderts, ist daran kläglich gescheitert.

Die Melodie dieses Werkes finde ich sehr gut. Den Text aber, speziell wenn man ihn ins Deutsche übersetzt, ist gelinde ausgedrückt, ein Witz! Der einzige Bezug in diesem Lied zu unserem lebensspendenden Licht ist ihm gerade mal drei Zeilen wert. Nämlich: Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen, geboren vom Licht, dass auch Eden erhellt. Und so weiter, und so fort.

So schön ich dieses Lied auch finde. Einen beginnenden Sonnenaufgang mit seinem schier unerschöpflichen Farbenspiel kann ich mir bei Leibe nicht darunter vorstellen.

 

 

 

Muss ich zum Glück auch nicht. Da all meine Sinne noch vorhanden sind, genieße ich ihn lieber in Natura. Und das so oft ich nur kann.

Wenn ich in unserem Revier bei meinem Wild bin, und das geschieht sehr oft. Genieße ich jede einzelne Sekunde, die ich am frühen Morgen am Hochstand oder auf der Pirsch verbringen kann. Nichts wird mir mehr geben als zu sehen und zu fühlen, wie ein neuer Tag anbricht. Alles Geld dieser Welt könnte nicht ausreichen um das zu bezahlen, was man in diesen wenigen Minuten empfinden kann. Es ist wie ein Orgasmus aus Bildern, Geräuschen, Gerüchen und Farben die über einen hereinbrechen.

Ja selbst eine heilende Wirkung aus medizinischer, genauer gesagt psychosomatischer Sicht können wir Menschen durch die aufgehende Sonne erfahren. Voraussetzung dafür ist aber, dass man ihn bewusst erlebt und auch genießt. Nur dann ist es möglich, dass unser Körper Endorphine ausschüttet. Dies ist vereinfacht ausgedrückt ein Hormon, welches die Wirkungsweise von diversen Opiaten wiederspiegelt. Im speziellen: Morphium, Heroin und Opium!

 

Wie wirken Endorphine nun auf unseren Organismus? Durch die Ausschüttung dieses Hormons in „E xtremsituationen“, können wir vor allem eine wohlig-glückliche Stimmung bis hin zur Ekstase erfahren. Auch erhöht sie die Wahrnehmung! Aus medizinischer Sicht sieht das so aus: Endorphine wirken schmerzhemmend, beruhigend und angstlösend. So lässt sich auch weitgehend erklären, und das ist wissenschaftlich belegbar, warum gefühlsorientierte Menschen weit weniger Medikamente zu sich nehmen müssen als jene, die nur ihr „Hirn“ benutzen. Und ganz darauf vergessen, dass auch sie ein Herz haben. Ein leider schon zu weit verbreiteter Fehler der Evolution! Nobody is perfect!!!Kommen wir aber jetzt wieder zurück in die „einzig wahre“, die Gefühlswelt.Halb vier Uhr morgens im Revier. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir recht deutlich, dass es nun Zeit wird um aufzubrechen. Da ich noch vor Beginn der Dämmerung an Ort und Stelle sein wollte. Mein Weg führte mich zu dieser noch sehr frühen Stunde, erst einmal weg von der Forststraße mitten ins Holz. Die ersten 70-80 Meter relativ steil nach oben, um dann auf ebener Fläche noch etwa 200 Meter zu pirschen um an mein Ziel zu gelangen. Dort am Rande des Hochwaldes stand eine kleine Ansitzleiter, die den Blick auf eine durch Windwurf freigelegte Fläche eröffnete. Um aber dorthin zu gelangen, muss man äußerst vorsichtig agieren. Wie man sich wohl vorstellen kann. Da in stockdunkler Nacht mitten im Wald nicht wirklich gute Fernsicht herrscht, sollte man jedes Geräusch tunlichst vermeiden. Und vor allem den Weg in und auswendig kennen. Das wichtigste aber, wie auf rohen Eiern gehen! Hat das geklappt, kann man sich darauf vorbereiten eines der schönsten Schauspiele die Mutter Natur zu bieten hat, erleben zu dürfen. Ganz langsam zeigte sich am Horizont der erste, mehr zu erahnende graue Schleier. Dies ist auch das Zeichen für Drossel und Amsel, mit ihrem Konzert den ersten Akt dieses Schauspiels zu eröffnen. Für den „Romantiker“ in mir heißt das, das die wohl schönste Stunde des Tages beginnt. Der Jäger in mir jedoch, schärft ab diesem Zeitpunkt all seine Sinne bis zum äußersten. Um ja kein Geräusch zu überhören, oder etwaige Bewegungen zu übersehen. Eigentlich ein Widerspruch in sich. Wenn man es aber genau betrachtet erkennt man sehr wohl, dass sich diese beiden Gefühlszustände ganz und gar nicht ausschließen. Sondern sie ergänzen sich ganz wunderbar. Man könnte fast sagen, sie bilden eine Symbiose. Einer kann nicht ohne den anderen. Und genau so ist es auch! Erst wenn alle Sinne geschärft sind, sind Geist und Herz vollends dazu bereit alles in sich aufzunehmen.

Merklich begann nun die Morgendämmerung um sich zu greifen, um mir den Blick bis zum gegenüberliegenden Waldrand zu ermöglichen. Ein leicht rosa schimmernder Film legte sich nunmehr über die freie Fläche. Lange wird es wohl nicht mehr dauern, bis alles rings um mich herum in hell bis dunkelrot zu flimmern beginnt. Ich kann es kaum mehr erwarten, bis der „brennende Ball“ sich hinter den hohen Fichten und Tannen emporhebt. Welch ein Anblick, wenn die ersten Strahlen den scheinbar undurchdringbaren Wall aus Bäumen zu brechen beginnen. Jeden einzelnen Strahl der Sonne ist man nun im Stande mit freiem Auge zu erkennen. Erst jetzt beginnt die Zeit wo uns Mutter Natur spuren lässt, welch kräftiges Farbenspiel sie im Stande ist, auf die Erde zu „malen“! Jede Fichte, jede Tanne die den vor mir stehenden Jungwald bilden, zeigen ein Farbspektrum das man eigentlich nicht für möglich hält. Der Stamm und die Nadeln erstrahlen in einem wunderschönen bordeauxrot. Nur die jungen Triebe am Ende der Äste zeigen einem das kräftigste Grün, dass man sich vorstellen kann. Welch ein Kontrast, der doch, oder genau deswegen eine Einheit zu bilden im Stande ist. Nie wird das menschliche Auge etwas Schöneres und Intensiveres zu sehen bekommen. Genau das ist der Zauber von Eos!

Nur die beiden Jahrlinge die mein jagdliches Ziel an diesem Morgen waren, ließen sich natürlich nicht blicken. Wie sollte es auch anders sein. Wenige Tage vor Beginn der Schusszeit kamen mir bei einem Abendansitz die beiden schwachen Knöpfler. Völlig vertraut ästen sie mit Sicherheit eine Stunde lang keine 30 Meter von mir entfernt herum. Doch an diesem wunderschönen Frühsommer-Morgen hatten sie wohl andere Pläne.

 

 

 

Noch einige Stunden widmete ich den Beiden an den darauffolgenden Tagen. Jedoch sie blieben für immer verschwunden. Wahrscheinlich so meine Vermutung, hatte der Nachbar die Ehre sie erlegen zu können. Denn das war aufgrund ihrer gesamten Konstitution leider erforderlich. Ich selbst konnte im sogenannten Wonnemonat Mai keinen Jahrling zur Strecke bringen. Was nicht weiter schlimm war. Denn, wenn man keine „Schwachen“ zu sehen bekommt, heißt das zwar nicht, dass keine da sind. Allerdings ist es sehr wohl ein Anzeichen dafür, dass nicht viele dieser Kategorie bei uns ihre Kreise ziehen. Was sich nachfolgend nur positiv auf den gesamten Bestand auswirken kann. Und so kam es in weiterer Folge auch.

Von Jahr zu Jahr erlegen wir weniger Knöpfler. Was sich auch, wie schon erwähnt, auf die älteren Jahrgänge auswirkt. Die Trophäen werden im Durchschnitt stärker und besser. Auch das Durchschnittsgewicht steigt. Was ja auch das Ziel jeder guten Hege sein sollte.

Selbst bei der Abschusserfüllung des weiblichen Wildes, insbesondere bei den Schmalgaissen, wird es immer schwerer, nur ganz schwache Stücke zu erlegen. Da auch sie ihr Gewicht im Durchschnitt steigerten. Bei der Erfüllung des vorgeschriebenen Plansolls, wird es natürlich nicht leichter diesen zu erfüllen. Hierbei kann ich nur zwei vernünftige Möglichkeiten erkennen.

Als erstes, die Abschussplanerstellung: Sollte es der Bestand zulassen, die Anzahl der zu erlegenden Stücke verringern. Was wie jeder weiß, aus bekannten Gründen nicht gerade leicht sein dürfte. Hierbei gibt es zu viele Parteien, die aus ihrer Sicht das bestmöglichste heraus hohlen wollen. Was auch in gewisser Weise verständlich ist. Trotzdem darf auf keinen Fall auf das Wild vergessen werden

 

 

 

Und zweitens: Wir Jäger müssen uns darauf einstellen, vermehrt augenscheinlich stärkeres Wild zu erlegen, um den Plan erfüllen zu können. Was sehr viel Sensibilität von uns verlangt. Denn man sollte sein Wild schon genauestens kennen, um zu unterscheiden was erlegt werden kann, und was nicht. Aber genau darauf wird es hinaus laufen, wenn unsere Hegebemühungen weiter so fruchten. Und das bedeutet doch Jagd im eigentlichen Sinne. Einen artenreichen, gesunden Wildbestand erhalten!

Wenn diese Bemühungen revierübergreifend funktionieren, dann sehe ich keine größeren Probleme auf uns zukommen. Zumindest nicht in dieser Beziehung. Und wir können weiter unserer Leidenschaft, oder besser gesagt Berufung nachgehen. Unser Wild, aber auch unserer wunderschöne Landschaft genießen zu dürfen, ist noch immer das schönste was ich mir vorstellen kann. Wer das nicht verstehen kann, ist einfach gesagt gefühlstot.

 

 

 

 

Zwergenaufstand