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Nr. 303

 

Im Labyrinth des Todes

 

Das eroberte Robotschiff bringt sie ans Ziel – zu einem Rendezvous mit dem Tod

 

von H. G. EWERS

 

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Auf der Erde schreibt man den Monat September des Jahres 2435. Seit dem gewaltsamen Ende der MdI, der Herren Andromedas, war es den Menschen des Solaren Imperiums vergönnt, rund dreißig Jahre friedlicher Aufbauarbeit und innerer Konsolidierung zu erleben.

Doch diese ruhige Ära in der galaktischen Geschichte der Menschheit erfährt mit dem Tage ein jähes Ende, als der Robotgigant OLD MAN erscheint, seine Flotte von Ultraschlachtschiffen losschickt und mit dem Vernichtungsfeldzug gegen alle terranischen Einheiten beginnt, die sich ihm in den Weg zu stellen wagen.

Die Gefahr, die der Riesenrobot OLD MAN für alle Völker der Galaxis darstellt, wird von den Verantwortlichen des Solaren Imperiums schnell genug richtig erkannt. Kein Wunder daher, daß Gucky, das fähigste Mitglied des legendären Mutantenkorps, aus seinem »Spionageurlaub« auf Plophos zurückbeordert wird, damit er Perry Rhodan in der Krise zur Seite stehe.

Gucky und »Söhnchen« führen dann auch den ersten erfolgreichen Schlag gegen eine Einheit OLD MANs. Sie bringen den Robotraumer VIII-696 unter ihre Kontrolle und übergeben das Schiff dem Großadministrator des Solaren Imperiums.

Nach eingehender Untersuchung auf einer terranischen Werft nimmt die erbeutete VIII-696 wieder Kurs auf OLD MAN. Sie bringt 22 Männer und eine Frau in das LABYRINTH DES TODES ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Roi Danton – König der Freihändler.

Oro Masut – Dantons Leibwächter von Ertrus.

Orbiter Kaiman und Janine Goya – Zwei mysteriöse Oxtorner.

Perry Rhodan – Großadministrator des Solaren Imperiums.

Atlan, John Marshall, Tako Kakuta, Iwan Iwanowitsch Goratschin und Gucky – Einige von Perry Rhodans Begleitern beim »Unternehmen Old Man«.

1.

 

»Was tun Sie hier, Oro?«

Der hünenhafte Ertruser wandte den Kopf und grinste. Er wirkte in diesem Augenblick wie ein nichtmenschliches Ungeheuer. Die wulstigen Brandnarben entstellten sein Gesicht zur grausigen Fratze, zum teuflischen Zerrbild eines menschlichen Antlitzes.

Michael Reginald Rhodan – alias Roi Danton – nahm es gar nicht wahr. Er kannte Oro Masut schon zu lange und zu gut, um etwas Außergewöhnliches an seinem Aussehen zu finden. Zudem hatte er ihn selbst aus jenem atomaren Feuerherd gerettet, in dem der Ertruser damals fast verbrannt wäre. Seitdem war Oro Masut nicht nur sein Diener und Leibwächter, sondern auch sein treuester Freund und Vertrauter.

»Da war etwas, Sir!« flüsterte Oro.

Es erschien Michael Rhodan immer wieder wie ein Wunder, wenn er den Riesen von Ertrus flüstern hörte; für gewöhnlich besaß seine Stimme die Lautstärke eines zornigen Elefantenbullen.

Unwillkürlich griff Michael zur Waffe.

Oro Masut schüttelte beruhigend den Kopf.

»Es ist wahrscheinlich nur ein Tier, Sir.«

Er griff nach rückwärts, faßte behutsam die Hand seines Herrn, die in seiner großen Pranke verschwand, und zog Michael Rhodan neben sich. Dann deutete er nach vorn, wo zwischen einer Gruppe blühender Sträucher ein frisch aufgeworfener Erdhügel zu sehen war.

»Natürlich ist das ein Tier gewe...«, begann Rhodan.

»Da!« rief Oro.

Die beiden Männer starrten wie hypnotisiert auf den Erdhügel. Frische, feuchte Erdschollen kullerten an seinen Flanken herab, zerplatzten auf der harten Grasnarbe und gaben ihre lehmig-sandige Beschaffenheit preis.

Eine Art Maulwurf! durchzuckte es Michael. Aber ein überdimensionierter Maulwurf! Der Erdhügel war mindestens vier Meter hoch – und er wuchs noch immer.

Plötzlich tauchte an seiner Spitze etwas metallisch Blinkendes auf. Die Erdmassen wurden wie von einer Titanenfaust zur Seite geschoben ... Gleichzeitig lagen Oro Masut und Mike Rhodan auf dem Boden, in der kümmerlichen Deckung kniehohen Grases. Ihre Augen funkelten erregt.

Das metallische Gebilde vollführte einen Satz, kippte nach vorn – und befreite sich jäh von den Erdmassen, die es vorher umklammert gehalten hatten.

Tatsächlich ein Maulwurf! dachte Mike verblüfft. Ein mechanischer »Maulwurf«, wie er zu Forschungen in planetaren Krusten verwendet wurde.

»Wie kommt so ein Ding nach Dahomey?« fragte Oro Masut.

»Hm!« machte Mike Rhodan.

Der Ertruser hatte recht. Dahomey gehörte zum plophosischen und damit zum menschlichen Einflußgebiet, aber der Planet selbst galt als unbesiedelt; aus diesem Grunde war Michael Rhodan mit seinem Freihändlerschiff FRANCIS DRAKE hier gelandet.

Und nun tauchte ein Maulwurf auf, dessen Konstruktionsmerkmale nach terranischer Produktion aussahen.

Der Maulwurf rollte noch etwa zwanzig Meter auf seinen acht unteren Gleiskettenpaaren, dann hielt er an. Die oberen Gleiskettenpaare verschwanden in der verschmutzten und verschrammten Hülle. Das Heck hing noch halb über dem Loch, aus dem er hervorgekommen war. Insgesamt maß die Maschine etwa zwanzig Meter in der Länge; ihr zylindrischer, an Bug und Heck verjüngter Körper mochte einen mittleren Durchmesser von fünf Metern besitzen.

Mit dumpfem Knall flog eine Luke an der Seitenwand des Gebildes auf. Unter Überdruck stehende Luft entwich minutenlang mit schrillem Pfeifen. Dann flammte die Innenbeleuchtung der Schleuse auf, und das innere Schott schob sich summend zur Seite.

Mike sah, wie sich Masuts Muskeln unter der Kombination spannten. Er legte dem Ertruser beschwichtigend die Hand auf den Unterarm.

Danach erhob er sich.

Stimmen, noch unverständlich, erschollen aus dem Innern des Maulwurfs. Dann tauchte eine Gestalt in eng anliegender, schwarzer Kombination auf. Das rotblonde Haar fiel bis auf die Schultern, und es umrahmte ein ovales, sonnengebräuntes Gesicht mit spöttisch blickenden graugrünen Augen.

Eine Frau!

Sie sprang mit einem Satz ins Gras.

Erst dann entdeckte sie den Mann, der aufrecht in ungefähr fünfzig Metern Entfernung dastand und sie anstarrte.

»Mein Gott! Ein Primitiver!« entfuhr es ihr in Interkosmo.

Rhodans Unterkiefer sank in maßloser Verblüffung herab.

So hatte ihn noch niemand definiert.

Dann fiel ihm ein, in welcher Kleidung er auf dem Boden Dahomeys stand, und er lächelte.

Affektiert tänzelte er auf die fremde Frau zu, die linke Hand an seinem herrlich gearbeiteten Kavaliersdegen, die rechte geckenhaft abgespreizt.

Fünf Schritte vor ihr riß er seinen Dreispitz vom Kopf und schwenkte ihn in der typischen Art des Kavaliers aus dem ausgehenden 18. irdischen Jahrhundert.

»Bonjour, Mademoiselle! Permettez-vous que je me présente?« Er verbeugte sich. »Roi Danton, chère amie!«

Eine zweite Gestalt tauchte plötzlich in der Schleuse auf. Mit einem Satz landete sie neben der Frau, sie um mindestens eine Kopflänge überragend.

Es war ein Mann in metallisch bläulichem Kombi-Anzug, mit zwei schweren Gürtelwaffen und einem halbkugelförmigen Gebilde auf der linken Schulter.

Argwöhnisch musterte er Rhodans Sohn. Dann wandte er sich zu der Frau und fragte leichthin:

»Wußtest du, Janine, daß der Karneval auf Dahomey am 18. September beginnt?«

Mike Rhodan preßte den Dreispitz gegen seine Brust und verbeugte sich leicht.

»Bonjour, Monsieur!«

»Was hat er vorhin zu dir gesagt?« fragte der Mann, so, als ob Mike überhaupt nicht existierte.

»›Guten Tag, gnädiges Fräulein. Darf ich mich vorstellen?‹« antwortete Janine lächelnd. »Und ›Roi Danton, liebe Freundin‹.«

»Wahrhaftig, ein komischer Vogel!« rief der Mann voller Sarkasmus aus.

»Und einer mit ziemlich bekanntem Namen«, fügte sie hinzu.

Er lachte.

»König Danton! Die rechte Hand von Kaiser Lovely Boscyk!«

Roi wedelte mit einem feinen Spitzentuch vor seinem Gesicht herum. Blasiert sagte er:

»Darf ich fragen, mit wem ich die Ehre habe?«

»Eine Tracht Prügel würde seinen verklemmten Sexualtrieb vermutlich normalisieren«, murmelte der Fremde.

Aus dem Gras ertönte ein zorniger Ausruf.

Oro Masut erhob sich und näherte sich in drohender Haltung der Gruppe.

»Was fällt Ihnen ein, meinen Herrn zu beleidigen?« schrie er.

Über das Gesicht des Fremden glitt ein Schimmer von Interesse.

»Sie sind vermutlich sein ertrusischer Muskelmann, wie? – Hoffentlich passen Sie immer gut auf das Baby auf.«

Das war zuviel für Masut. Er stürmte mit gesenktem Schädel vor. Seine Pranken griffen nach dem Fremden – und fuhren ins Leere.

»Ich vergaß, mich vorzustellen«, sagte der Fremde von der Seite her, »mein Name ist Orbiter Kaiman, und die Dame heißt Janine Goya.«

Er wich fast spielerisch dem nächsten Angriff Masuts aus. Keinen Augenblick schwand das spöttische Lächeln von seinem Gesicht.

Roi Danton sagte nichts. Er zog nur interessiert die Brauen hoch. Immerhin galt Oro Masut als stärkster Mann von Ertrus ...

Ein Fausthieb, der einen terranischen Elefantenbullen gefällt hätte, pfiff haarscharf an Kaimans kahlem Schädel vorbei. Aber der Fremde hatte diesmal darauf verzichtet, beiseite zu springen, sondern nur den Kopf um wenige Zentimeter bewegt.

Im nächsten Augenblick krachte seine Faust gegen Masuts Kinn.

Der Ertruser wurde einige Meter zurückgeschleudert und schlug lang hin. Der Boden dröhnte.

»Ce fut pour moi un plaisir«, murmelte Roi Danton.

»Was sagte der König der Freihändler?« fragte Kaiman.

Janine lachte silberhell.

»Er meint, es wäre ihm ein Vergnügen gewesen.«

Orbiter Kaiman grinste. Er tat einen langen Schritt auf Roi zu und winkte beschwichtigend ab, als dieser zu einer seiner beiden doppelläufigen Perkussionspistolen griff, die in dem schmalen, reichbesteckten Gürtel steckten.

»Es tut mir leid, wenn ich Sie verwirrt haben sollte, Mr. Danton. Aber es schien mir so, als hätten Sie viel für einen netten Spaß übrig. Falls eine meiner Bemerkungen Sie beleidigt haben sollte ...«

Rhodans Sohn bewies, daß er sich schnell auf eine andere Lage einstellen konnte.

»Bitte, keine Entschuldigung, Mr. Kaiman. Es war mir wirklich ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.« Er lächelte galant. »Vor allem freue ich mich natürlich, die Bekanntschaft von Miß Goya machen zu dürfen. Sie ahnen nicht, wie sehr wir armen Raumfahrer derartig verzaubernde Anblicke vermissen.«

Hinter ihm erhob sich Oro Masut mit grimmigem Stöhnen.

Roi blinzelte ihm belustigt zu.

»Gehen Sie und entschuldigen Sie sich bei Mr. Kaiman, Oro. Sie haben angefangen, nicht er.«

»Wenn Sie meinen, Sir!« knurrte der Ertruser.

Er ging auf Orbiter zu und streckte die Hand aus.

Kaiman schlug herzhaft ein, und Oros Mund entfloh ein weiteres Stöhnen.

»Mann! Wo haben Sie die Kraft her, einen Ertruser zu besiegen?« fragte er verwundert.

»Er ist Oxtorner«, warf Danton mit gerunzelter Stirn ein. »Wußtest du das nicht?« Wie so oft verfiel er Masut gegenüber ins vertrauliche »Du«.

Oro schüttelte den Kopf. Dann blickte er Kaiman prüfend an.

»Jetzt freilich sehe ich es«, meinte er zerknirscht.

»Fein!« erwiderte Rhodans Sohn ironisch. »Nun können wir vielleicht zur Kardinalfrage vorstoßen. – Was tun Sie hier auf Dahomey, Mr. Kaiman?«

 

*

 

Orbiter Kaiman verbeugte sich ironisch.

»Ich bin Anthropologe, Mr. Danton – und Miß Goya ist meine Assistentin und außerdem eine bekannte Kosmobiologin. Darf ich nunmehr den Grund Ihres Hierseins erfahren?«

Dantons Miene umwölkte sich.

»Vermutlich wissen Sie, daß Dahomey eine plophosische Welt ist. Ich hoffe, Sie führen eine Genehmigung bei sich, Untersuchungen auf diesem Planeten durchzuführen ...!«

Kaiman wölbte die buschigen Brauen.

»Ihre Bemerkung befremdet mich, offen gestanden, Mr. Danton. Sie sind ebensowenig Plophoser wie wir. Und ich könnte Sie mit dem gleichen Recht fragen, ob Sie eine Genehmigung zur Landung auf Dahomey besitzen.«

Roi lächelte undefinierbar.

»Wie treffend Sie das ausgedrückt haben! Aber es gibt einen kleinen, Unterschied, mein Freund: Im Verlauf der nächsten halben Stunde wird ein plophosisches Raumschiff hier landen – und der Kommandant ist über meine Anwesenheit unterrichtet, was für Sie kaum zutreffen dürfte.«

Der Oxtorner zuckte unbehaglich die Schultern. Danach rückte er die seltsame Halbkugel auf der linken Schulter zurecht; das metallisch glänzende Gebilde war etwa faustgroß und paßte sich mit der Unterseite den Körperformen Kaimans ausgezeichnet an. »Könnten Sie nicht einfach sagen, wir gehörten zu Ihnen, Mr. Danton?«

Oro Masut lachte brüllend.

Janine Goya hielt sich mit schmerzlich verzogenem Gesicht die Ohren zu.

»Hört euch das an!« rief der Ertruser erheitert. »Er scheint es für selbstverständlich zu halten, daß wir für ihn lügen!«

»Der Vorschlag ist gar nicht einmal so schlecht«, sagte Roi Danton nachdenklich. »Mr. Kaiman, eine Frage: Suchen Sie etwas Bestimmtes auf Dahomey?«

»Das, was ich überall suche«, entgegnete der Anthropologe seufzend. »Die Überreste von Bauwerken intelligenter Wesen. Eigentlich trifft meine Berufsbezeichnung nicht ganz zu, aber einen anderen Namen hat man leider noch nicht erfunden. Ich suche nicht nur nach Zeugen für die Entstehung und Entwicklung des Menschen und seiner Kulturen, sondern aller intelligenter Rassen der Galaxis. Einige kleinere Funde habe ich bereits gemacht. Ich weiß nicht, ob Sie das Buch ›Das endlose Ziel‹ kennen, Mr. Danton ...«

»Soviel ich weiß, heißt der Verfasser John Grissom Avery und nicht Orbiter Kaiman!«

»Ein Pseudonym von mir, wenn Sie gestatten. Es gibt viele Menschen, die unter der Geborgenheit eines Pseudonyms arbeiten ...!«

Mike Rhodan zuckte kaum merklich zusammen.

Wußte der Oxtorner etwa von seiner wirklichen Herkunft?

Doch Kaiman sprach weiter, als wäre seine letzte Bemerkung völlig bedeutungslos gewesen.

»Aber was sind schon Namen! Ob man mich Avery nennt oder Kaiman oder Hawk oder sonstwie, mir ist es gleichgültig. Wollen Sie mir die kleine Gefälligkeit erweisen, Mr. Danton? Vielleicht kann ich mich einmal dafür revanchieren.«

Roi schluckte.

Hawk? Wie kam Kaiman dazu, den Namen Hawk zu erwähnen, den Namen eines Mannes, der vor rund dreißig Jahren aus der Andromeda-Flotte seines Vaters desertiert war und von dem man in den kleinen Kreisen angeblich Eingeweihter die unglaublichsten Geschichten erzählte?

Der junge Rhodan bewies, daß er neben anderen Eigenschaften auch die unbezähmbare Wißbegier seines Erzeugers geerbt hatte.

Dieser Orbiter Kaiman interessierte ihn plötzlich über alle Maßen – weil er den Namen »Hawk« ausgesprochen hatte. Vielleicht konnte man von ihm einiges über diesen legendären Mann erfahren.

»Einverstanden, Mr. Kaiman. Unter einer Bedingung allerdings: Sie müssen mitsamt Ihrem Maulwurf an Bord der FRANCIS DRAKE kommen.«

Er deutete auf die riesige Silhouette des Kugelschiffes, die sich scharf gegen den blutroten Schein der Abendröte abhob.

Orbiter Kaiman neigte lächelnd den Kopf.

»Vielen Dank, Mr. Danton.«

Er nahm Janines Arm, und gemeinsam stiegen sie in ihr walzenförmiges Gefährt.

»Komische Leute!« murrte Oro Masut.

»Hm!« machte Roi nur, mehr nicht.

 

*

 

»Bonjour, Mademoiselle Rhodan!«

Suzan Rhodan-Waringer lächelte amüsiert.

Das Männergesicht auf dem Bildschirm des Bordtelekoms glich dem berühmten Selbstbildnis des jungen Albrecht Dürer – jedenfalls, was die Haartracht und die selbstbewußten Gesichtszüge anging. Ansonsten wirkte Michael Rhodan männlicher, kühner – und ein wenig arrogant. Außerdem war die Farbe seines langen Lockenhaares tiefschwarz, und die Kleidung entsprach nicht dem Zeitalter des Kaisers Maximilian, sondern zum Teil dem des französischen Königs Ludwig XVI., jenes unglückseligen Monarchen, der durch die Französische Revolution abgesetzt und 1793 hingerichtet worden war.

Es war bezeichnend für den jungen Rhodan, daß er als Pseudonym den Namen jenes französischen Advokaten gewählt hatte, der der gefährlichste Gegenspieler Ludwigs des Sechzehnten gewesen war und den man nur zwei Jahre nach der Hinrichtung des Königs wegen des Verdachts des Verrats an der Revolution selbst guillotiniert hatte – und daß seine Kleidung sich stark an die des nächsten französischen Monarchen anlehnte, an die Ludwigs des Siebzehnten ...

»Comment allez-vous?«

Suzan entdeckte den Schalk im Hintergrund der nachtblauen Augen. Mit gut gespieltem Bedauern seufzte sie und sagte:

»Armes Brüderchen! Ich muß dir doch einmal einen Scheck ausschreiben, damit du endlich Unterricht in Interkosmo nehmen kannst!«

Roi Danton verdrehte die Augen, führte ein Riechfläschchen an die Nase, zog den Duft tief ein und tupfte danach einen Tropfen von der kostbaren, bestickten Seidenweste.

»Mein Fräulein Schwester geruht wieder einmal, ihre grausamen Späße mit ihrem bedauernswerten Bruder zu treiben.« Er sprach ein akzentfreies Interkosmo, was Suzan selbstverständlich: gewußt hatte. »Mit Finanzhyänen soll man sich nicht einlassen.«

Er streckte den linken Arm aus und klopfte auf etwas, das sie nicht sehen konnte, weil es außerhalb des Aufnahmewinkels lag.

»Vers la gauche, ma chèrie! – Nach links, mein Herzblatt! Will sagen: nach Backbord, und zwar genau um dreieinviertel Grad, sonst findest du mich nicht!«

»Dein Freibeuterschiff ist überhaupt nicht zu übersehen!«

»Freihändlerschiff, Goldkind!«

»Ich sehe da keinen wesentlichen Unterschied. – Hoffentlich hast du dafür gesorgt, daß man unser Gespräch nicht abhören kann, sonst ist es aus mit deiner Anonymität. Ich möchte bloß wissen, was Vati sagen würde, wenn er erführe, daß der König der Freibeuter ...«

»Freihändler!«

»... Freifahrer sein kleiner Mike ist.«

Roi Danton grinste matt.