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Nr. 298

 

Amoklauf der Schläfer

 

Sie durchbrechen den Sperrriegel der Superfestung – und geraten in die Kammern des Grauens

 

von H. G. EWERS

 

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Auf Terra schreibt man Anfang Februar des Jahres 2406 christlicher Zeitrechnung. Nach einem gefährlichen Zwischenspiel, bei dem es um die Abwehr eines erneuten Anschlags gegen die Existenz der irdischen Menschheit geht, verlagert sich der Schwerpunkt des kosmopolitischen Geschehens wieder nach Andromeda.

Die »Superfestung Tamanium« wird berannt – das letzte und scheinbar uneinnehmbare Bollwerk der Meister der Insel!

Hätte Faktor I mit seinem Plan, das Rad der galaktischen Geschichte zurückzudrehen, Erfolg gehabt – der auf Luna notgelandete Forschungskreuzer der Arkonidin Thora sollte vernichtet werden, bevor Perry Rhodan ihn entdecken und die Keimzelle der Dritten Macht und des späteren Solaren Imperiums hätte bilden können –, gäbe es inzwischen keine Flotte mehr, die Tamanium bedrohen könnte.

So aber kämpft Trinar Molat, der eine der beiden letzten MdI, einen verzweifelten Kampf. Der Herr von Tamanium sieht seine letzte Chance im AMOKLAUF DER SCHLÄFER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Tengri Lethos – Ein »Hüter des Lichts«.

Gucky und Baar Lun – Sie wecken Tengri Lethos, den Mann von Hathor, aus jahrtausendelangem Schlaf.

Perry Rhodan und Atlan – Ihre Flotten belagern die uneinnehmbare Festung.

Omar Hawk und Melbar Kasom – Der Oxtorner und der Ertruser durchbrechen den Sperrriegel um die Zentralwelt der MdI.

Trinar Molat – Kommandant und Verteidiger von Tamanium.

1.

 

Baar Lun und Gucky spürten, wie etwas nach ihrem Geist griff. Unwillkürlich reagierten ihre paranormalen Gehirne mit Abblocken und Gegenstoß.

Sie stießen auf eine geistige Mauer.

Der Mausbiber sank in sich zusammen, ein wimmerndes Bündel Pelz in einem Raumanzug. Baar Lun dagegen stand einige Sekunden lang steif wie ein Stock, dann kippte er vornüber und schlug dumpf auf den Boden der Halle.

Die fremden Gedanken tasteten erneut vorwärts, dann zogen sie sich wie in Panik zurück.

Der transparente, bläulich schimmernde Zylinder, der bisher pulsierend im Mittelpunkt der Halle geschwebt hatte, glitt langsam zu Boden. Das Pulsieren nahm zu, so dass die von fremdartiger Energie eingehüllte Gestalt unsichtbar wurde.

Zugleich mit dem Rhythmus schwerer Schritte hallte ein Gong. Das Geräusch verstärkte sich und erweckte den Anschein, als näherte sich die Geräuschquelle unaufhaltsam dem Ort der rätselhaften Geschehnisse.

Plötzlich brachen die Gongschläge ab.

Die Wände der Halle leuchteten von innen heraus in smaragdgrünem Glanz.

Der schwebende Zylinder drehte sich, stand aufrecht. Das Pulsieren erlosch. Ein singender Laut ertönte; es hörte sich an, als wäre eine Harfensaite gerissen. Danach setzte verhaltene elektronische Musik ein, erfüllte den Raum mit schwingendem Rauschen, zirpenden Akkorden und tremolierendem Pfeifen ...

 

*

 

Als der Modul zu sich kam, starrte er in ein menschenähnlich geformtes und dennoch andersartiges Gesicht.

Smaragdgrüne Haut, von goldfarbenen, abstrakten Mustern durchsetzt, spannte sich über einem ovalen, langen Gesicht. Eine schmalrückige, leicht gebogene Nase teilte das Gesicht in deckungsgleiche Hälften. Schmale, dichte und silbrig schimmernde Brauen wölbten sich über bernsteingelben Augen, deren Iris grüne Punkte und Streifen aufwies. Unter dem vollen und doch beherrscht wirkenden Mund ragte das wuchtige Kinn wie ein Felsblock hervor. Das silberne Haupthaar schloss das Gesicht mähnengleich ein. Über der hohen Stirn wurde es von einem grünen Stirnband gehalten.

Baar Lun spürte, wie ihn die Panik übermannen wollte. Doch plötzlich waren wieder die fremden Gedanken in seinem Gehirn, strahlten Beruhigung und Güte aus. Die Spannung wich.

Und damit wich die geistige Verkrampfung, die das Bewusstsein bis dahin gegen die Gedankenimpulse des anderen Geistes gesperrt hatte.

Wer bist du?

Die Frage stand klar und überdeutlich in Luns Geist.

»Mein Name ist Baar Lun«, sagte der Modul laut. »Und das andere Wesen heißt Gucky. Wir kamen in friedlicher Absicht. Warum hast du uns angegriffen?«

Das Gesicht des Fremden verzog sich zu einem schmerzlichen Lächeln.

Er streckte plötzlich zwei lange, grünhäutige Hände aus, und der Modul ergriff sie ohne Zögern. Er wurde emporgezogen und auf die Füße gestellt.

Man nannte mich Tengri Lethos.

Wieder erfolgte die Information auf geistigem Wege.

Es tut mir leid, dass ich euch Gewalt antat. Aber zu dieser Zeit war mein Geist noch nicht vollkommen erwacht. Ich reagierte auf etwas, das ich für einen paranormalen Überfall hielt.

Lun senkte den Kopf.

»Es war ein Überfall gewesen«, murmelte er. »Wir glaubten an einen psychischen Angriff und reagierten, ohne zu erkennen, dass es sich nur um telepathische Tastversuche handelte.«

Er blickte sich um und sah den Mausbiber auf dem Boden sitzen. Die runden Augen Guckys funkelten völlig klar; er musste sein Bewusstsein schon vor einiger Zeit wiedererlangt haben.

Der Grünhäutige, der sich Tengri Lethos genannt hatte, folgte Baar Luns Blickrichtung mit den Augen. Der Modul bemerkte, wie er aufatmete, als er Gucky unversehrt sah.

Er tat zwei rasche Schritte.

Lun bewunderte die Geschmeidigkeit der Bewegungen. Lethos trug eine eng anliegende, bernsteingelbe Plastikkombination, über der gleich einer transparenten Haut ein hauchdünner, nebulöser Film flimmerte. Fuß- und Wadenteile waren unlösbare Bestandteile der Kombination; sie hoben sich lediglich durch ihre smaragdgrüne Färbung ab.

Ein furchtbarer Verdacht durchzuckte des Moduls Hirn.

Gucky musste ihn im selben Augenblick gehabt haben, denn er wich vor den behutsam zugreifenden grünen Händen zurück und zog seinen Impulsstrahler aus dem Gürtelhalfter.

»Keinen Schritt weiter, Meister der Insel!«, schrillte die etwas piepsige Stimme. »Auf deine Tricks fällt Gucky nicht herein.«

Tengri Lethos blieb ruckartig stehen. Er unternahm nicht den geringsten Versuch, sich zu verteidigen oder aus der Schusslinie zu gelangen. Doch das verstärkte den Verdacht Luns nur noch. Auch er griff nach seiner Impulswaffe, mit dem festen Vorsatz, sie zu benutzen, falls der Fremde wieder einmal seine paranormalen Kräfte einsetzen sollte.

Ich weiß nicht, wer oder was ein ›Meister der Insel‹ ist, drangen die Gedankenimpulse erneut in Baar Luns Gehirn. Aber ich glaube, ihr verwechselt mich mit einem anderen Wesen. Und ich glaube außerdem, der Wächter hat sich in euch getäuscht, als er die Sperre aufhob und das Signal ausstrahlte. Diese Vorgänge sollten durch die Nähe paranormaler Gehirne mit positiver Denkrichtung ausgelöst werden. Eure Energiewaffen aber sprechen für das Überwiegen des Negativen.

Gucky ließ plötzlich seinen einzigen Nagezahn in voller Größe erscheinen.

»Wenn es sich tatsächlich so verhält, warum lässt du mich dann nicht Einblick nehmen in deinen Geist, ›Unbezwingbarer‹? Dein Gedankeninhalt könnte meinen Verdacht beseitigen ...!«

Lethos machte eine Gebärde des Abscheus.

Gedankenkontrolle! Niemals! Ein psychischer Angriff ist nicht besser als ein physischer. Ich lese schließlich auch nicht in euren Gedanken. Ihr müsst mir entweder vertrauen oder meine Station verlassen!

Der Mausbiber wiegte zweifelnd den Kopf.

»Wenn du deine wirklichen Gedanken ausgesprochen hast, so bist du ganz schön weltfremd, Lethos. In Andromeda herrscht Krieg, und er wird mit allen physischen und psychischen Mitteln geführt, die den Kontrahenten zur Verfügung stehen. Allzu große moralische Bedenken würden für den Betreffenden den Untergang bedeuten.«

Und das soll ich dir glauben?, fragte der Fremde.

»Etwas Vertrauen musst du schon aufbringen ...«, begann Gucky. Dann stockte er. Der Nagezahn verschwand. »Du hast gesiegt, Tengri Lethos. Jeder von uns muss seinen guten Willen zeigen, sonst gibt es keine Lösung. Außerdem siehst du tatsächlich ganz anders aus als alle bisherigen MdI, die wir kennenlernten.«

»Faktor I«, warf Baar Lun ein. »Niemand weiß etwas über den Meister der Insel, der an der Spitze der Renegaten steht. Selbst die MdI, die wir bisher ausschalteten, kannten ihn nicht. Vielleicht ...«

Der Mausbiber winkte ab.

»Natürlich werden wir wachsam bleiben, Lun, zumindest solange, bis wir unseren ›Gastgeber‹ genau kennen. Aber andererseits glaube ich nicht daran, dass der Chef aller Meister ausgerechnet in dem Augenblick geschlafen hat, in dem seine Zentralwelt erobert wurde ...«

Er musterte Lethos sehr aufmerksam. Irgendeine Regung sollte sich in diesem grünhäutigen Gesicht mit den goldfarbenen Mustern zeigen: entweder Erschrecken oder Verachtung. Denn handelte es sich tatsächlich um einen MdI, dann wusste er entweder, dass Guckys Mitteilung ein Bluff war – oder er glaubte an den Verlust von Tamanium.

Aber Tengri Lethos' Miene blieb unbewegt. Nur über der Nasenwurzel bildeten sich zwei tiefe Falten; der Mann versuchte anscheinend, die Bedeutung von Guckys Worten zu ergründen.

Das gab den Ausschlag.

Wenige Minuten später saßen der Mausbiber, Baar Lun und Lethos in einem kuppelförmigen Raum, von dem aus der Blick weit über die Sternenballungen Andromedas reichte.

Und Tengri Lethos erzählte ...

 

*

 

Vor langer, langer Zeit – umgerechnet waren es 2,5 Millionen Erdjahre gewesen – hatte die Rasse der Hathor die Sauerstoffwelten der Andromedagalaxis besiedelt.

Von der Hauptwelt Hathora waren gigantische, silberne Kugeln aufgestiegen, waren in alle Richtungen davongeeilt, um Siedler auf jene Planeten zu bringen, die von den Forschungsschiffen erkundet worden waren.

Im Verlauf einer Million Jahre blühten Hunderttausende neuer Zivilisationen auf ebenso vielen Planeten auf, supermoderne Städte schossen aus den Böden der Siedlungswelten, Netze von Robotanlagen spannten sich spinnwebengleich über Planeten, ihre metallischen Fühler krochen durch die feste Oberfläche, spürten Metalle und andere lebensnotwendige Elemente und Verbindungen auf, förderten sie und schafften sie zu den Verarbeitungsanlagen. Unter der Oberfläche der Meere entstanden andere Netze, gigantische Filteranlagen und katalytisch arbeitende Scheidekessel entzogen den Ozeanen das, was die Zivilisationen benötigten.

Bis der absolute Überfluss an allen denkbaren Dingen eine Mutation der Entwicklung hervorrief.

Einflüsse der jeweiligen Siedlungswelten, geistiger Austausch mit fremden vernunftbegabten Rassen und gleichzeitige Isolierung gegeneinander summierten sich mit anderen Veränderungen der Mentalität.

Das Erste Reich der Hathor brach auseinander. Es gab keine umfassende kriegerische Auseinandersetzung, dazu war der Reifeprozess der Hathor schon zu weit fortgeschritten. Der Zusammenbruch der galaktischen Gesellschaftsordnung vollzog sich auf friedliche Weise. Die Bewohner der meisten Welten wollten ganz einfach mit den Bewohnern anderer Welten keinen Kontakt mehr haben. Sie kapselten sich ab und wandten sich der unermesslich schweren Aufgabe zu, sich selbst zu erkennen.

Diejenigen, die es nicht schafften, degenerierten geistig und körperlich. Innerhalb weniger Generationen starben sie aus. Rund achtzig Prozent der Hathor verschwanden auf diese Art und Weise aus dem Lauf der Zeit. Sie starben friedlich aus, umgeben von einer vollendeten Robotautomatik, die alle ihre geistigen und körperlichen Bedürfnisse erfüllte, ihre Triebe erstickte und dadurch die Fortpflanzung verhinderte.

Die überlebenden zwanzig Prozent schwebten eine Generation lang in der gleichen Gefahr. Aber sie hatten es geschafft, sich selbst zu erkennen, die Bestimmung jedes vernunftbegabten Wesens zu erahnen – und die grenzenlose Enttäuschung zu überwinden, die jeden packt, der die Nichtigkeit seiner selbst erkennt und mit der Tatsache konfrontiert wird, dass sein Schicksal keinerlei Bedeutung für die Entwicklung des Universums besitzt.

Aus den zwanzig Prozent wurden während dieser Krise fünf Prozent der ursprünglichen Bevölkerungszahl. Ein erbarmungsloser und zugleich gnädiger Ausleseprozess hatte nur denen Nachkommen geschenkt, die den höchsten Grad der Reife erreichten: denjenigen, die erkannten, dass alle Prognosen über die Bestimmung vernünftiger Wesen bisher stets die Passivität dieser Wesen als unveränderliche Größe einkalkuliert hatten, die Passivität dem großen Ablauf des Universums gegenüber!

Von nun an arbeiteten sie auf das ferne Ziel hin, das Schicksal des Universums aktiv mit ihrem eigenen Schicksal zu verketten.

700.000 Jahre verstrichen.

Am Ende dieser Zeit waren die Neuen Hathor in der Lage, aktiv an der Verwirklichung des universellen Plans zu arbeiten. Sie teilten sich in kleine Gruppen, die sich allein mit den Mitteln des Geistes in fremde Galaxien begaben. Das »Sanskari« stärkte ihre geistigen Kräfte mehr und mehr, setzte jeden einzelnen Hathor in die Lage, über das Schicksal Tausender von vernunftbegabten Rassen zu wachen, Beschützer der Schwachen zu sein, Wächter über die Starken und Mentoren des Guten.

Sie nannten sich »Hüter des Lichts«.

Das Licht stand symbolisch für das Ziel: Alle intelligenten Wesen auf den Stand der höchsten geistigen Reife zu bringen und durch die Beherrschung von Materie und Energie das Schicksal des Universums nach dem eigenen Willen zu lenken.

Bis vor 800.000 Jahren Erdzeit gab es in Andromeda zwölf Hüter des Lichts. Alle anderen hatten sich auf die große Reise begeben; die Verbindungen waren bis auf die mit den Nachbargalaxien abgerissen, denn selbst die Kraft des Sanskari vermochte die Entwicklung des Geistes nicht zu überspringen, sondern nur zu beschleunigen.

Die Invasion von Wesen aus einem anderen Kontinuum begann etwa in diesem Stadium der Entwicklung. Die Gefahr für die vernunftbegabten Rassen Andromedas nahm so große Ausmaße an, dass die zwölf Hüter des Lichts alle physische und psychische Macht einsetzten, um die Bedrohung abzuwenden.

Sie schafften es – aber nur zwei von ihnen überlebten die grausame Auseinandersetzung:

Yuga und Marduk!

Yuga und Marduk waren Frau und Mann. Sie vereinigten sich, und nach einigen Jahrhunderten wurde ein Kind geboren, dem sie den Namen Tengri gaben, und den Namen ihres Klans: Lethos.

Tengri Lethos wuchs auf. Sein Geist wurde geschult, sein Charakter gefestigt. Er lernte die Anwendung des Sanskari und steigerte seine geistigen Fähigkeiten, während er mit Yuga und Marduk von Stern zu Stern reiste, um die Wunden heilen zu helfen, die der Angriff der Fremden geschlagen hatte.

Es gab nur ein Problem.

Wie sollte die Erhaltung des Klans gesichert werden, da doch nur ein einziges männliches Wesen vorhanden war – und niemals ein anderes gezeugt werden würde, das nicht blutsverwandt mit ihm war ...?

Yuga und Marduk bereiteten den Austausch ihres Sohnes vor. Ein Klan aus der Nachbargalaxis würde seinen Sohn schicken und dafür Tengri aufnehmen. Dieser Klan besaß eine Tochter, und Yuga und Marduk würden ebenfalls eine Tochter haben.

Doch es kam niemals zur Lösung dieses Problems.

Erneut drang eine fremde Rasse in diese Galaxis. Sie bedrohte eine Rasse Wasserstoff atmender Wesen, die sich in Andromeda ihr eigenes Reich aufgebaut hatten. Ein kriegerischer Zusammenprall beider Rassen stand bevor.

Yuga und Marduk waren verpflichtet, den Frieden zu erhalten.

Aber sie erinnerten sich noch zu gut des Todes ihrer zehn Artgenossen, um ihren eigenen Tod auszuschließen. Sie wussten allerdings auch, dass wenigstens einer überleben musste, der ihr Werk weiterführen konnte.

Sie schufen eine kugelförmige Kapsel und brachten Tengri in ihr Zentrum, wo eine Automatik ihn in den Zellerstarrungsschlaf versetzte.

Das war vor etwa 50.000 Jahren.

Sie rechneten mit ihrer Niederlage und ihrem Tod. Darum machten sie Tengris Wiedererweckung davon abhängig, dass in unmittelbarer Nähe der Kapsel vernunftbegabte Wesen mit paranormalen geistigen Fähigkeiten erschienen, Wesen, deren Denkrichtung auf einer positiven Ebene lag.

Es dauerte 50.000 Jahre, bis dieser Fall eintrat ...

 

*

 

Luns Blick kehrte aus der Ferne des Alls zurück und wandte sich dem Hathor zu.

Lange musterte er das fremdartige und dennoch so sehr menschliche Gesicht. Das Feuer in den bernsteingelben Augen zog ihn ganz in seinen Bann drohte ihn in den bodenlosen Abgrund der Aufgabe des eigenen Ichs versinken zu lassen.

Er empfand plötzlich, wie sehr sich die Mentalität dieses Wesens von derjenigen der Terraner unterschied. Gewiss, auch Tengri Lethos war voller Vitalität und Energie, aber er hatte nichts von der erbarmungslosen Härte und Kompromisslosigkeit an sich, die den Menschen im allgemeinen auszeichnete. Lethos strahlte Vertrauen aus – und das Verlangen nach ebensolchem Vertrauen.

Und sein Vertrauen anderen gegenüber beruhte auf dem Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten, seine eigene Weisheit – und auf dem Glauben an das Gute in jedem vernunftbegabten Wesen, das Gute, das nur allzuoft verborgen war unter der verhärteten Kruste schlechter Erfahrungen und das trotz allem nur darauf wartete, zutage treten zu können ...

Ein Gedanke glomm im Gehirn des Moduls auf, gewann feste Umrisse und ließ das Blut rascher als gewöhnlich durch seine Muskelarterien und -venen pulsen.

Vielleicht war Tengri Lethos derjenige ...

Er konnte den Gedankengang nicht bis zum Ende verfolgen, da der Mausbiber in diesem Augenblick seine dünne Stimme erhob.

»Ich glaube dir, Lethos«, sagte er, und sein Nagezahn wurde in seiner ganzen Größe sichtbar. »Aber ich weiß nicht, ob irgend jemand im Universum irgendeinen Nutzen aus unserer Begegnung zu ziehen vermag. Du unterscheidest dich zu sehr von allen bekannten Individuen intelligenter Rassen, so sehr, dass ich sagen möchte, du seiest eine Million Erdenjahre zu früh erwacht. In Andromeda – ich erwähnte es bereits – tobt die gewaltigste militärische Auseinandersetzung der kosmischen Geschichte. Terraner kämpfen gegen ihre Verwandten, die Tefroder. Gleichzeitig kämpfen sie gegen die Meister der Insel, Renegaten, die sich ganz Andromeda unterworfen haben und über unheimliche Machtmittel verfügen. Außerdem besteht zwischen den Terranern und den wasserstoffatmenden Maahks ein Bündnis. Beide Rassen bekämpfen sowohl die MdI als auch die Tefroder, und die Terraner werden nach dem Sieg tatenlos zusehen müssen, wie die Maahks ihre Rachegelüste an den Nachkommen der Urbewohner Terras kühlen.«

Er holte tief Luft.

»So ist die Lage, und weder du noch ich können etwas daran ändern – es sei denn, wir wollten einen unerbittlichen Kampf zwischen zwei Galaxien provozieren!«

Baar Lun starrte Gucky mit brennenden Augen an. Die letzte Bemerkung des Mausbibers hatte ihn enttäuscht, nachdem ihm die ersten Worte Hoffnung gemacht hatten. Er spürte, dass er in Gucky keinen Verbündeten für seinen Plan finden würde.