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Nr. 280

 

Die Weltraumdetektive greifen ein

 

Sie reisen in geheimer Mission – und sie entdecken einen Stützpunkt der Verschwörer gegen das Solare Imperium

 

von H. G. EWERS

 

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Die Männer des Flottentenders DINO-3 drangen in die Vergangenheit ein, um Perry Rhodan Hilfe zu bringen.

Obwohl sie das Rendezvous mit der CREST verpassten, fanden die Männer des Tenders eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit Perry Rhodan. Memosender wurden an strategisch wichtigen Punkten postiert – und die Lebenden vernahmen die Botschaft der Toten.

Mit den im Tender aufgefundenen Triebwerken gelang es der CREST, auf Schleichwegen die Galaxis zu verlassen und den Andromeda-Nebel anzufliegen, von wo aus der Fünfzigtausendjahressprung eingeleitet wurde.

Wegbereiter dieses kühnen Unternehmens waren neun schmutzige »Weltraumtramps« und Mausbiber Gucky, die in geheimer Mission auf Neu-Lemuria landeten.

Die angeblichen Weltraumtramps bezwangen die Zeit – und die CREST konnte in das Jahr 2404 zurückkehren.

Die Zeitodyssee Perry Rhodans ist damit beendet. Nicht zu Ende ist jedoch die Auseinandersetzung zwischen dem Solaren Imperium und den Meistern der Insel. Diese beginnen sich neuer Mittel zu bedienen, um das Imperium der Menschheit in die Knie zu zwingen.

Neue Mittel erfordern eine neue Taktik – und DIE WELTRAUMDETEKTIVE GREIFEN EIN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Jean-Pierre Marat und Roger McKay – Die Weltraumdetektive werden mit einem lebensgefährlichen Auftrag betraut.

Dr. Jeremy Traver – Ein Mann, der gegen das Solare Imperium arbeitet.

Helen Ayara – Dr. Travers Privatsekretärin.

Perry Rhodan – Der Großadministrator kehrt in der Stunde der Krise zur Erde zurück.

Homer G. Adams – Ein Finanzminister mit großen Sorgen.

Reginald Bull – Der Staatsmarschall bringt zwei »Typen« mit.

Atlan – Lordadmiral und Chef der USO.

1.

 

Seit jenem Tage, an dem er das Agentennest der Antis auf Hrodgar ausgehoben und dabei seine Verwundung erhalten hatte, die ihn untauglich für den aktiven Dienst in der Galaktischen Abwehr machte, war Roger McKay nicht mehr im Rigel-Sektor gewesen.

Jetzt hatte er in einer schnellen Raumjacht rund achthundert Lichtjahre zurückgelegt, nur, um der trivialen Aufgabe nachzugehen, eine Filiale der Yale-Finanzierungsgesellschaft auf dem Planeten Ojun zu überprüfen. Das, was ihm der General-Manager der Gesellschaft in seinem Büro in Terrania berichtet hatte, klang wenig vielversprechend: Angeblich hatte die Filiale auf Ojun bereits zweimal Banknoten mit gleichen Seriennummern abgeliefert. Das sah nach einer Fälscherwerkstatt aus; nur gab es, objektiv betrachtet, keine Möglichkeit, Banknoten des Solaren Imperiums zu fälschen, ohne dass es sofort auffiel. Leider konnte der Manager keine gefälschten Noten vorweisen, sie waren von der Staatsbank des Imperiums sofort eingezogen worden.

Für Yale gab es eigentlich keinen Grund, die größte Detektivagentur des Solaren Imperiums anzuheuern, nur, um sofort erkennbaren Notenfälschungen nachzugehen. McKay war der Auffassung, dass der Fall von einem Inspektor der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Polizei auf Ojun ebenso schnell aufgeklärt werden konnte. Aber da Yale gut bezahlte – sehr gut sogar –, hatte er darüber geschwiegen. Außerdem war er auch gar nicht gefragt worden. Den Vertrag mit Yale hatte Jean-Pierre Marat abgeschlossen, sein Partner; und Jean ließ sich in die Angelegenheiten seiner Agentur nicht hineinreden – auch von seinem besten Freund nicht.

McKay gähnte herzhaft und lauschte geistesabwesend dem Summen des Navigationsroboters. Er musste an eine bezaubernde Blondine denken, die er vor einer Woche in Terrania kennengelernt hatte. Die zwischen ihnen liegende Entfernung trübte seine Freude auf das Wiedersehen mit Rigel. Er stieß eine halblaute Verwünschung aus, erhob sich zu seiner ganzen Größe von 1,97 Metern und schlenderte hinüber zum Getränkeautomaten.

Als sich der Trinkbecher mit goldgelbem Scotch füllte, wandte Jean-Pierre Marat, der vor dem Pilotenpult saß, den Kopf.

»Kannst du nicht versuchen, wenigstens ein einziges Mal nüchtern zu bleiben, McKay ...?«

Roger McKay goss sich den Whisky durch die Kehle, als wäre es pures Wasser. Er schnalzte genießerisch und kratzte sich andächtig die behaarte Brust.

»Du solltest eigentlich wissen, dass ich noch nie betrunken war, Alter!« Seine Stimme klang vorwurfsvoll. Er goss sich ein zweites Glas ein und trank es diesmal in zwei bedächtigen Schlucken. »Ah, das tut gut!«

Marat schüttelte sich. Er stand auf und nahm McKay den Becher weg.

Der baumlange Kanadier sah ihn aus seinen grünen Augen vorwurfsvoll an. Er musste dabei den Kopf neigen. Marat wirkte klein neben ihm, obwohl das nur relativ war. Immerhin maß der gut aussehende Frankoterraner 1,84 Meter. Die scharfgeschnittenen Züge, die leicht gebogene Nase, die starken schwarzen Brauen und das dichte schwarze Haar gaben Marat etwas Satanisches; die dunklen, funkelnden Augen, das kräftige Kinn und der pantherhafte Gang unterstrichen diesen Eindruck noch. Dazu trug Marat einen eleganten Anzug aus dem teuersten Plastikspun, Halbschuhe aus echtem Büffelkalbleder, ein blauweiß fluoreszierendes Hemd und eine handgemalte Seidenkrawatte.

Jean-Pierre Marat war der vollendete Gentleman, der Geld genug besaß, um sein Leben nach seiner eigenen Auffassung gestalten zu können. Dabei brauchte er das von seinem Vater geerbte Vermögen nicht einmal anzugreifen; als Chef der »Agentur für Interstellare Ermittlungen« – der erfolgreichsten und angesehensten Detektivagentur des Solaren Imperiums – verdiente er selbst so viel Geld, dass er sich in keiner Weise einzuschränken brauchte. Und das hatte er bisher auch nie getan.

Roger McKay war der lebendige Beweis für die Behauptung, dass Gegensätze sich anziehen. Seine äußere Erscheinung stach krass gegen Marats raubtierhafte Eleganz ab. Er war nicht nur groß, sondern auch breit und derbknochig. Er konnte mit einer Hand den dreißig Zentimeter durchmessenden Interkombildschirm zudecken, und seine Füße und Ohren waren ebenfalls von beachtlichen Dimensionen. Nichtsdestoweniger hatte Roger Erfolg bei den Frauen. Vielleicht lag es daran, dass sie von seiner Erscheinung hypnotisiert wurden; Marat vertrat allerdings die Auffassung, McKays unbekümmert freches Auftreten und seine Trinkfestigkeit wären daran schuld.

Die beiden Männer hatten sich vor fünfzehn Jahren kennengelernt. Damals waren sie nach Abschluss ihres Studiums freiwillig zur Raumpatrouille gegangen, wo Marat es bis zum Oberleutnant und McKay bis zum Leutnant gebracht hatte. Ebenso freiwillig meldeten sie sich nach vier Dienstjahren zur Galaktischen Abwehr. Wegen einer schweren Verletzung schied McKay im Alter von dreiunddreißig Jahren im Range eines GA-Captains aus; zwei Strahlschüsse hatten ihm das rechte Schlüsselbein, drei Rippen und das Schulterblatt sowie das rechte Jochbein verbrannt. Marat hielt es ein Jahr länger aus; dann verlor er bei einem Einsatz am Rande der kleinen Magellanwolke seinen linken Unterarm und erhielt eine Schusswunde an der rechten Hüfte. Damals war er bereits Major.

Terranische Mikrochirurgie und Bio-Orthopädie hatten die Folgen der Verwundungen auf ein Minimum reduziert. Für den aktiven Agentendienst waren sie dennoch nicht mehr angenommen worden; und beide Männer verabscheuten es, ihr Leben in Büros zu verbringen. McKay hatte sich ein Jahr lang als Industrie-Kybernetiker betätigt, danach gründete Marat die AIE und nahm seinen Freund als Partner in die Firma auf.

Innerhalb von fünf Jahren war aus der Zwei-Mann-Firma ein Betrieb mit rund vierhundertsechzig festen Angestellten und Agenturen auf über dreihundert Planeten geworden ...

Der Navigationsroboter beendete sein Summen und warf mit misstönendem Rattern eine Stanzfolie aus.

McKay griff mit einem seiner langen Arme zu dem Ausgabeschalter des Gerätes und holte die Symbolfolie zu sich heran. Sein Gesicht verzog sich zu einem befriedigten Grinsen.

»Wir sind auf den Punkt genau aus dem Linearraum gekommen, Alter. Die Sonne Kepha steht noch dreieinhalb Lichtmonate von uns entfernt. Das N-Gehirn hat unser nächstes Linearmanöver berechnet. In einer Viertelstunde können wir im System sein.«

Marat nahm ihm die Folie aus der Hand und vertiefte sich in die Navigationsberechnungen. Roger McKay nutzte die Gelegenheit und füllte sich einen dritten Becher mit Whisky. Danach zündete er zwei Zigaretten an und steckte eine davon seinem Partner zwischen die Lippen.

Marat dankte und legte die Folie beiseite.

»Die Sache geht klar, Großer. Im Grunde genommen ist es doch langweilig, mit eingeschalteter Vollautomatik zu fliegen; vor allem dann, wenn man nicht mit den kleinen Zwischenfällen rechnen kann, die das Leben bei der Raumpatrouille so angenehm machten.«

Er setzte sich wieder vor das Pilotenpult und legte den Freigabeschalter für den Autopiloten nieder. Im Innern der kleinen Raumjacht begannen die Energieerzeuger zu tosen. Wabernde Glutwellen lösten sich vom Heck des diskusförmigen Fahrzeuges. Auf der vierdimensionalen Kartenprojektion wanderten Zahlen und Symbole in immer schnellerem Wirbel. Nur das Sternenmeer im Panoramabildschirm blieb scheinbar unverändert; im Vergleich zu den ungeheuren kosmischen Entfernungen waren selbst 0,5 LG so gut wie nichts. Erst nach fünf Minuten wanderte Rigel aus dem Zentrum des Frontschirm-Zielkreuzes. Ein wenig schneller schob sich eine andere Sonne heran: Kepha, ein Überriese vom A-2-Typ.

McKay ließ seinen Körper in den Navigatorsitz fallen und vertiefte sich in die Handbuchprojektion.

Kepha besaß achtzehn Planeten. Die inneren sechs waren zu heiß und unwirtlich für menschliche Besiedlung. Nummer sieben existierte nur noch als Trümmerring; eine stellare Katastrophe hatte ihn vor etwa zehn Millionen Erdjahren zerstört. Der achte Planet dagegen war geradezu ideal für eine Kolonisierung. Die ersten Siedler landeten vor zweihundertdreißig Jahren; es waren insgesamt hundertfünfzigtausend Männer und Frauen. Heute, im Jahre 2404 Erdzeit, lebten 1,2 Millionen Menschen dort. Der Planet Ojun besaß vier Großstädte, vier Raumhäfen – und die Niederlassungen von insgesamt hundertvierzig Handelskompanien aus dem Bereich der gesamten bekannten Galaxis. Dazu kamen Bankfilialen, Großhotels und Reparaturwerften. Die Landwirtschaft hatte sich auf Ojun nur in den ersten zwanzig Jahren entwickelt; danach gewann der Planet immer mehr Bedeutung als Umschlagplatz des intergalaktischen Handels, und etwa neunzig Prozent der Bevölkerung lebten davon.

Wie so viele andere ehemalige Kolonialplaneten war auch Ojun im Laufe der Zeit autark geworden. Der Administrator wurde alle vier Jahre von der Bevölkerung neu gewählt und war in erster Linie dem Abgeordnetenkongress Ojuns Rechenschaft schuldig. Aber in der Praxis sah es anders aus. Kein Planet konnte es sich leisten, wirtschaftlich und außenpolitisch eigene Wege zu gehen, dazu war die ökonomische Verflechtung mit den anderen autarken Siedlerwelten und der Erde viel zu eng. Völlige Loslösung hätte ein Wirtschaftschaos und eine rasch verlaufende rückläufige Entwicklung zur Folge gehabt. Diese Tatsachen garantierten den Zusammenhalt der Menschheit mehr noch als die Persönlichkeit des Großadministrators Perry Rhodan. Andererseits wiederum garantierte die wirtschaftliche Macht, welche die Imperiumswelten darstellten, die Wahrung ihrer Rechte gegenüber den solaren Mutterwelten. So, wie die Administratoren der Planetenregierungen ihrem Parlament gegenüber Rechenschaft schuldig waren, so verlangte ihre Hauptversammlung Rechenschaft vom Großadministrator. Dass die gesellschaftliche Entwicklung diesen Weg eingeschlagen hatte, verdankte die Menschheit in erster Linie einem Mann, der im Hintergrund zu wirken pflegte: dem Halbmutanten Homer G. Adams, Chef der gigantischen General Cosmic Company und größtes Finanzgenie des Imperiums ...

McKay grunzte abfällig, als er diese hochtrabende Definition las. Er mochte es nicht, wenn man die Bedeutung eines einzelnen Menschen derartig herausstellte – es sei denn, seine eigene Person war damit gemeint.

Er schaltete die Projektion aus, warf seine Zigarette in den Abfallschlucker, und lehnte sich seufzend zurück.

Ein Glockenzeichen kündigte den Linearraumeintritt an. Die Sternbilder auf den Schirmen der Panoramagalerie verschwanden und machten den charakteristischen feurigen Streifen Platz. Nur im Elektronenkreuz des Reliefschirmes hielt sich ein einziger weißgelber Stern: Kepha!

Drei Minuten später stürzte die Raumjacht ZERBERUS lautlos in das vierdimensionale Einstein-Kontinuum zurück. Die Sonne Kepha war vom glitzernden Punkt zur stecknadelkopfgroßen Scheibe geworden. Ohne Verzögerung nahmen die Korpuskulartriebwerke im Ringwulst ihre Arbeit wieder auf und schoben das Schiff mit annähernd Lichtgeschwindigkeit vorwärts.

Im Konstruktionsprinzip glich die ZERBERUS einer Space-Jet der Imperiumsflotte. Statt der starken Bewaffnung der militärischen Version verfügte sie jedoch nur über ein einziges Impulsgeschütz; dafür enthielt sie ein zusätzliches Kraftwerk und stärkere Triebwerksaggregate, so dass sie den Flottenfahrzeugen an Beschleunigungswerten um rund zehn Prozent überlegen war. Diese Verbesserung gehörte allerdings nicht zur normalen Zivilversion; Jean-Pierre Marat hatte vierhunderttausend Solar zusätzlich zum Kaufpreis investiert. Er liebte schnelle Raumfahrzeuge.

Jetzt wandte er sich um und blickte seinen Partner auffordernd an.

McKay verstand. In der nächsten Minute würde die ZERBERUS in den Systembereich einfliegen. Bis dahin musste ihre Ankunft über Hyperkom gemeldet worden sein, sonst gab es Schwierigkeiten mit der Systempatrouille.

Der riesenhafte Kanadier erhob sich und schlenderte zum Hyperkomaggregat. Seine Finger rasten über die Tastatur. Der Kontrollbildschirm leuchtete auf. Störgeräusche krachten aus dem Lautsprecher und wurden von der Klarautomatik ausgefiltert. Ein kurzer Meldeimpuls jagte aus der Antenne. Er enthielt – wie es vorgeschrieben war – neben dem Schiffstyp und Schiffsnamen den Namen des Eigners, des Heimat- und des Zielhafens.

Sekunden darauf füllte sich der Hyperkombildschirm mit dem Brustbild eines massigen Captains der Systempatrouille. Das Gesicht blickte ziemlich grimmig drein.

»Hier Patrouillenkreuzer LEVIATHAN, Captain Jegorow. Können Sie mich verstehen, ZERBERUS?«

»Ausgezeichnet!«, erwiderte McKay. Er hatte mit der für ihn normalen Lautstärke gesprochen; dennoch verzog der Captain sein Gesicht zu einer Grimasse physischen Schmerzes.

Doch dann grinste er hinterhältig.

»Freut mich, ZERBERUS; dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Ihre Anwesenheit im Kepha-System unerwünscht ist. Laut administrativem Befehl haben Sie sofort zu verzögern und das System wieder zu verlassen.« Offenkundig empfand er Genugtuung bei dieser Mitteilung.

Während McKay noch nach Luft schnappte ob des unerwarteten Empfanges, war Marat schon von seinem Sitz aufgesprungen und vor den Bildschirm des Hyperkoms getreten.

»Hier Jean-Pierre Marat von der AIE. Laut Paragraph siebzehn A des Gesetzes über die Freiheit des Weltraums und des Verkehrs zwischen den Imperiumswelten dürfen Sie mich nicht an der Landung auf Ojun hindern. Es sei denn, dort wäre der planetare Notstand ausgerufen worden, und das wüsste ich. Ich bestehe auf freier Passage, Captain. Sie wissen, was geschieht, wenn ich mich in Terrania über Sie beschwere!«

Die Miene des Offiziers zeigte deutlich, dass er sich auskannte. Offensichtlich kämpfte er mit sich selbst, dann sagte er resignierend: »Ich kann Sie nicht mit Gewalt hindern, Mister Marat. Aber Sie sollten sich denken können, dass die Schwierigkeiten für Sie erst nach der Landung beginnen werden ...«

»Danke für die Warnung, Captain. Ende!« Marat lächelte freudlos.

Er schaltete sich ab und wandte sich zu seinem Partner um.

McKay stand schon wieder am Getränkeautomaten.

»Das fängt ja gut an«, murmelte er ahnungsvoll.

 

*

 

Mit heulenden Triebwerken setzte die ZERBERUS auf dem Jachthafen von Nelson-City auf. Die benachbarten, durch Energiezäune voneinander getrennten Start- und Landefelder waren zu etwa sechzig Prozent belegt. Die unterschiedlichsten Schiffstypen lagen dort, angefangen von aerodynamisch geformten Jachten arkonidischer Playboys über grazil wirkende akonische Konstruktionen bis zu den flachen Fahrzeugen terranischer Geschäftsleute und Weltenbummler.

Vor dem nachtdunklen Horizont wölbte sich eine gigantische Lichtglocke: die Stadt Nelson-City, benannt nach dem entfernten Nachkommen eines Raumkapitäns von legendärem Ruf. Vaughan-Horatio Nelson hatte diese Großstadt nicht nur auf dem Reißbrett und mit dem Modell-Videoprojektor geschaffen, sondern auch ihre Gestaltwerdung in der Wirklichkeit. Sein Name war nicht in die gesamte Menschheitsgeschichte eingegangen wie der seines abenteuernden Vorfahren, des Raumkapitäns Guy Nelson und auch nicht wie der des noch älteren Ahnen Viscount Horatio Nelson – aber die Bürger der Stadt hatten ihn noch nicht vergessen.

McKay schaute über die beleuchteten Landefelder hinweg zur Lichtsilhouette der Stadt. Er seufzte.

Jean-Pierre Marat bemerkte den Blick und deutete den Gesichtsausdruck seines Partners richtig.

»Steh nicht nur herum und denke nicht nur an den Whisky, den man dort ausschenkt, McKay! Der Maschinenraum muss noch kontrolliert werden. Anschließend könntest du dich wieder einmal rasieren; du hast einen Bartwuchs wie ein Drahlianischer Stelzaffe.«

»Drahlianische Stelzaffen haben überhaupt keinen Bart«, protestierte Roger McKay. Dennoch verschwand er durch das Panzerschott der Zentrale, wobei er wie üblich mit der Stirn an die Oberkante stieß.

»Heh! Lass das Schiff ganz!«, rief Marat spöttisch.

McKay stieß eine Verwünschung aus und zwängte sich in die Liftöffnung.

Marat lachte leise. Er ging die Kontrollen des Hauptschaltpultes mit pedantischer Genauigkeit durch. Dabei summte er eine Melodie vor sich hin, die er vor kurzem irgendwo gehört hatte, wahrscheinlich beim letzten Konzert in der Music-Hall von Terrania-West. Genau wusste er es nicht mehr. Sein Beruf ließ ihm zu seinem Leidwesen viel zuwenig Zeit für die geliebte Musik. Statt dessen musste er sich mit Industriespionen, Gangstersyndikaten, Großbetrügereien und familiären Konkurrenzkämpfen befassen. Gewiss, es war ein einträgliches Geschäft und ein interessantes obendrein, aber es ließ kaum Spielraum für private Ambitionen.

Die Zeit verging, ohne dass er es bemerkte. Erst als Roger McKay wieder auftauchte, frisch rasiert und in seinem besten Anzug, wurde er stutzig. Er sah auf die Uhr, die er kurz vor der Landung auf Planetenzeit gestellt hatte.

Kurz vor Mitternacht!

Marat runzelte die Stirn.

Sein ojunianischer Agent hätte längst erscheinen müssen, um sie abzuholen.