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Nr. 213

 

Giganten am Südpol

 

Sie erreichen das Zentrum des Schreckens, denn sie besitzen den Mut der Verzweiflung!

 

von H. G. EWERS

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Vom Zentrum der Galaxis aus geriet Perry Rhodan mit seinem Flaggschiff unvorbereitet in den Sog der Transmitterstraße nach Andromeda. Über die Station »Twin« wurde die CREST II durch den sterbenden Wächter weitergeschleudert – geradewegs in das Innere von Horror, der künstlichen Hohlwelt.

Von Etage zu Etage kämpften sie sich hinauf zur Oberfläche des Kunstplaneten, der von drei Sonnen umlaufen wird. Sie hatten bereits die Sicherheit des freien Weltraums erreicht, doch sie setzten diese Sicherheit aufs Spiel, indem sie sich wieder der Oberfläche von Horror näherten.

Dabei gerieten sie in den Wirkungsbereich der »Geheimwaffe Horror« – und unterlagen einem Verkleinerungsprozess, der sie und ihre Umwelt ums Tausendfache schrumpfen ließ.

Die Lage der Terraner ist verzweifelt, denn der Verkleinerungsprozess hat auch bewirkt, dass alle atomaren und hyperphysikalischen Anlagen an Bord der CREST versagen!

Die Mikromenschen geben jedoch den Kampf gegen das grausame Schicksal nicht auf. Trotz ihrer winzigen Aktionsmöglichkeiten stellen sie sich den GIGANTEN AM SÜDPOL!

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Großadministrator des Solaren Imperiums.

Atlan – Der Lordadmiral fühlt sich als Mikrobe.

Melbar Kasom – Der USO-Spezialist denkt an kulinarische Genüsse.

Icho Tolot – Selbst ein Haluter wird mitunter nervös.

Leutnant Finch Eyseman – Perry Rhodans Retter.

Leutnant Ray Burdick – Raumfahrer – und Bergsteiger.

Taka Hokkado – Ein Mann, der es mit Giganten aufnimmt.

1.

 

Die Menschen einer vergangenen Zeitepoche hätten ihn als Monster bezeichnet.

Der plump und schwerfällig wirkende, zweieinhalb Meter große Riese stand auf langen Säulenbeinen. Seine grünliche Schuppenhaut erinnerte an die Reptilienabkömmlinge von Topsid. Die beiden dicht auf den Schultern sitzenden Köpfe vervollständigten den Eindruck des Fremdartigen.

Dennoch war Iwan Iwanowitsch Goratschin weder ein Topsider noch irgendein Mitglied einer anderen nichthumanoiden Rasse.

Er war ein menschlicher Mutant.

Iwan Iwanowitsch Goratschin stand im Schatten eines Felsblocks und starrte mit seinen vier Augen in den schwarzblauen Himmel Horrors. Er trug die gleiche lindgrüne Uniform der terranischen Raumflotte wie der hagere Mann neben ihm, der leise auf ihn einsprach.

Goratschin hörte zwar die Worte, aber er verstand sie nicht. Sein Geist weilte woanders – in einer anderen Zeit, auf einer anderen Welt.

Ein kleines sibirisches Holzfällerdorf, die Bretterhütten hingeklebt an das erhöhte Ufer eines Flusses, die im Frühlingssturm rauschenden Wälder der endlosen Taiga, die knirschende Eisdecke auf dem Fluss, gurgelndes Wasser darunter.

1973.

Fünf Männer, vier von ihnen Soldaten, trieben den Dreiundzwanzigjährigen vor sich her. Sie führten ihn weg von der Gemeinschaft einfacher, unkomplizierter Menschen, bei denen er Geborgenheit und Anerkennung gefunden hatte, seitdem seine Eltern im freiwilligen Exil gestorben waren.

Es war Nacht gewesen, als Iwan ins Dorf zurückkehrte – allein und mit einer Kugel im Bein. Er hatte die Fragen der Holzfäller nicht beantwortet. Doch in seinen Augen war ein gefährliches Funkeln gewesen. In seiner naiven, großen russischen Seele war zum ersten Mal in seinem Leben des Gefühl des Hasses entstanden, und er konnte stark und wild hassen.

Iwan spürte, dass die Fremden zurückkehrten.

Er wusste den Augenblick, in dem sie über den Hügel kamen, einen Hügel, den man in der Nacht der Taiga nicht sehen konnte, denn er war zehn Kilometer entfernt. Aber Iwan wusste, wo der Hügel lag. Vornübergebeugt saß er auf einem ungeschälten Baumstamm, die vier Augen geschlossen, den Oberkörper leicht in Richtung des Zieles gebeugt.

Und plötzlich war drüben hinter dem Wald eine grelle Explosion aufgeflammt, hatte sich zu einem glühenden Feuerball geformt, der langsam in die Höhe kletterte und sich zu einer mattleuchtenden pilzförmigen Wolke verbreiterte.

Die heiße Druckwelle, die kurz danach über das Dorf raste, ließ die Hütten wanken; der letzte Schnee schmolz, und das Eis des Flusses bedeckte sich unter Knallen und Kreischen mit breiten Rissen.

Eine Ewigkeit schien zwischen jenem unvergessenen Ereignis seiner Jugend und dem Heute zu liegen – 428 Jahre und ein Abgrund von 900.000 Lichtjahren.

2401.

Iwan Iwanowitsch Goratschin gehörte zu den wenigen Auserwählten der Menschheit, die im Besitz eines Zellaktivators waren, die ein unbegreifliches Wesen zurückgelassen hatte, als es sich aus dem bekannten Universum zurückzog. Goratschin war ein Unsterblicher geworden.

Er verfügte über die Unsterblichkeit, weil er eine Fähigkeit besaß, die der durch radioaktive Strahlung veränderte Erbkode seiner Eltern ihm ebenso verliehen hatte wie sein unmenschliches Aussehen. Iwan Iwanowitsch Goratschin war ein so genannter »Zünder«. Wenn er die Gedankenströme seiner beiden Hirne auf ein bestimmtes Ziel konzentrierte und den entsprechenden Befehl dachte, wurde ein paraphysikalischer Impuls frei, der auf Kalzium- und Kohlenstoffatome sowie deren Verbindungen wirkte wie ein Zünder auf eine Katalyse-Fusionsbombe. Und Kohlenstoffatome beispielsweise kamen in fast allen Stoffen des Universums vor ...

Und nun stand er im Schatten eines Felsblocks auf Horror, ein Gefangener der Schreckenswelt wie die anderen zweitausend Besatzungsmitglieder der CREST II, des Flottenflaggschiffes des Solaren Imperiums.

»Sie hören ja gar nicht zu, Iwan!« Die Stimme klang vorwurfsvoll.

Goratschin wandte seine beiden Köpfe dem Mann neben ihm zu. Er musste dabei nach unten sehen, und doch fühlte er sich dem anderen nicht überlegen. Es waren nicht nur die alles durchdringenden Augen Perry Rhodans, die Autorität ausstrahlten; es waren gleichermaßen Stimme, Haltung, Mienenspiel und die Bewegungen. Die Rangabzeichen des Großadministrators dagegen waren nur Äußerlichkeiten. Goratschin achtete Perry Rhodan nicht nur; er liebte ihn auch, denn Rhodan war derjenige Mensch gewesen, der ihn zu einer Zeit, da andere in ihm noch das Monster sahen, als gleichwertigen Menschen behandelt hatte. Seit dieser Zeit gehörte Goratschin zu Rhodans Mutantenkorps.

»Verzeihung, Sir. Ich dachte an Sibirien ...«

Ein wehmütiges Lächeln zog über Rhodans Gesicht.

»An die alten Zeiten ...« Er seufzte. »Wünschen Sie sich dorthin zurück, Iwan?«

»Nein, Sir!« Goratschins Stimme klang plötzlich schroff und abweisend. »Nichts in mir sehnt sich nach den alten Zeiten zurück. Aber die Erde, so wie sie heute ist, wäre mir lieber als Horror.«

Rhodans Züge verhärteten sich.

»Wir werden sie nur dann wiedersehen, wenn es uns gelingt, diese Falle auf dem Weg nach Andromeda zu überwinden!«

»Sie haben recht, Sir. Würden Sie bitte noch einmal wiederholen, was ich ...«

»Ja. Passen Sie gut auf, Iwan! Sehen Sie den einzelnen Baum dort auf der Felsklippe?«

»Ich sehe ihn, Sir.« Goratschin zögerte einige Sekunden, bevor er fortfuhr: »Kohlenstoffatome bleiben Kohlenstoffatome, Sir. Was mir vorhin bei dem Grasbüschel nicht gelang, das dürfte mir auch bei dem Baum nicht gelingen.«

»Oh!«, sagte Rhodan enttäuscht. »Sie haben demnach überhaupt nichts von dem verstanden, was ich Ihnen erklärt habe! Naja, ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Iwan. Bitte, versuchen Sie diesmal, nicht nur einzelne Kohlenstoffatome zu zünden, sondern alle zur gleichen Zeit. Vielleicht sind Sie bei einer großen Masse zündfähiger Atome erfolgreicher als bei nur einigen wenigen.«

Goratschins Köpfe wandten sich beide Rhodan zu, aber nur der, der sich Iwanowitsch der Ältere nannte, sprach.

»Wenn ich sämtliche in dem Holz vorhandenen Kohlenstoffatome zünde, erleben wir einen Weltuntergang, Sir. Bedenken Sie bitte, dass der Baum höchstens fünf Kilometer entfernt ist.«

»Fünf Meter, Iwan, Meter ...!« Ein graubepelztes, bis zur Hüfte Rhodans reichendes Wesen, halb Biber, halb Riesenmaus, watschelte aufrecht heran und stemmte provozierend die Fäuste in die Seiten. »Vergiss nicht, dass du alles mit den Augen eines nur zweieinhalb Millimeter großen Wesens siehst, Iwan. Das, was du für fünf Kilometer hältst, sind in Wirklichkeit nur fünf Meter.«

»Guck!« Rhodans Stimme klang verweisend. Allein schon, dass er den Mausbiber nicht, wie üblich, Gucky nannte, zeugte von seinem Unmut.

Der Mausbiber zuckte zusammen und blinzelte Rhodan schuldbewusst an. Unter den Leuten der CREST galt es als ungeschriebenes Gesetz, die von der Südpolstation auf Horror bewirkte Verkleinerung nur in zwingenden Fällen zu erwähnen. Es war eine Art psychologische Notwehr, denn nicht jedermann vertrug es, daran erinnert zu werden, dass er nur noch etwa zwei Millimeter groß war.

Goratschin lachte rau.

»Brüderchen, wenn es für dich nur fünf Meter sind, warum teleportierst du nicht einmal dorthin? Ich hatte immer geglaubt, du seiest ein halbwegs guter Teleporter ...«

»Halbwegs guter ...?« Gucky piepste schrill. »Ich bin der beste Teleporter, Telepath und Telekinet des ganzen Universums. Und ... und ...«

»Nun, was ist, Brüderchen?«

»Und ich hätte dich längst auf dem höchsten Ast des morschen Baumes abgesetzt, wenn ich es könnte. Es ist zum Heulen! Großer, wenn du den Baum zünden kannst, dann zünde ihn mit einem Schlag. Was liegt schon an so nutzlosen Zwergen wie uns, die das Räuspern eines richtigen Menschen über alle Berge wehen könnte!«

»Soll ich ihn übers Knie legen, Sir?« Ralf Marten, der Teleoptiker, bog um die Ecke des Felsens und blieb neben Gucky stehen. »Zum ersten Mal in seinem Leben könnte diese Mickymaus mich dafür nicht in der Luft hängen lassen.«

Rhodan winkte ab.

»Keine Sorge«, bemerkte Goratschin. »Ich habe den Kleinen nicht ernst genommen. Und selbst, wenn ich es getan hätte ...« Die Stimme brach, sich überschlagend, ab.

»Also ... nichts?«, fragte Rhodan.

»Nicht die minimalste Reaktion, Sir. Ich habe bei einzelnen Atomen angefangen und mich nach und nach auf immer mehr konzentriert – immer mit dem gleichen Misserfolg. Der Potenzialverdichter hat uns nicht nur in winzige Insekten verwandelt, er hat auch alle paraphysikalischen Fähigkeiten neutralisiert.«

Perry Rhodan senkte den Kopf. Als er ihn wieder hob, verbargen sich seine Gefühle hinter einer starren, undurchdringlichen Maske.

»Sie haben mir sicher nichts anderes zu berichten?«, wandte er sich an Ralf Marten.

Der Teleoptiker nickte.

»Vollständiger versagen kann ich überhaupt nicht, Sir.«

»Ich habe es erwartet. Aus diesem Grunde blieben unsere Versuche auch geheim. Wir dürfen dem psychischen Belastungsvermögen der Mannschaft nicht zuviel zumuten, das ist Ihnen doch klar.«

»Wo steckt eigentlich Wuriu?«, fragte Gucky kläglich.

Goratschin streckte die Hand aus.

»Dort vorn kommt er. Gecko ist bei ihm.«

Gucky rutschte in sich zusammen. Wie ein zusammengeknülltes Bündel schmutziggrauen Fells sah er aus. Rhodan blickte ihn mitleidig an. Er konnte den Mausbiber verstehen. Ein so vorzüglicher Telepath, wie er im Normalzustand gewesen war – und nun hatte er nicht einmal Gecko, einen anderen Mausbiber, espern können.

Schweigend kam Wuriu Sengu näher. Er hielt den Kopf gesenkt, denn dort, wo er lief, lagen eine Menge loser Geröllbrocken umher. Ein Fehltritt konnte leicht zu schmerzhaften Verzerrungen führen. Hinter dem Spähermutanten trippelte Gecko, der zweite Mausbiber der Expedition und Guckys erfolgreichster Schüler. Gecko war für seine Wichtigtuerei bekannt. Im Augenblick jedoch schlich er trübsinnig hinter Sengu her. Der breite, löffelartige Schwanz schleifte über die Steine.

Drei Schritte vor Rhodan hielt Sengu an. Als er den Kopf hob, wurde Rhodan aufmerksam. Die Augen des Mutanten glühten in dunklem Feuer, und er entblößte zwei schneeweiße Zahnreihen, ein faszinierender Kontrast zu seinem ebenholzschwarzen Gesicht.

»Sonderoffizier Sengu meldet sich von Experimentaleinsatz zurück, Sir! Versuch verlief teilweise erfolgreich.«

In Rhodans Gesicht leuchtete die Freude.

»Erfolgreich? Berichten Sie, Sengu!«

»Verzeihung, Sir: teilweise erfolgreich, hatte ich gesagt. Ich kann zwar noch durch jede feste Materie hindurchsehen, aber dazu muss ich ganz dicht mit den Augen heran. Außerdem ist natürlich mein Gesichtskreis entsprechend der Verkleinerung eingeengt, und leider brauche ich bedeutend länger als sonst, um mich konzentrieren zu können.«

»Für unsere Verhältnisse ist das schon sehr viel, Sengu!« Rhodan lachte erleichtert. Dann trat ein nachdenklicher Zug in seine Augen. »Ich denke, es ließe sich etwas damit anfangen ...«

»Um Himmels willen, Perry!«, piepste Gucky. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«

Rhodan fuhr, wie vom Blitz getroffen, herum.

»Was kann nicht mein Ernst sein, Gucky?«

»Die Kuppeln! Was sollen wir gegen die Kuppeln aus ...? Oh ...!«

»Gucky!« Rhodans Stimme klang froh. »Du hast meine Gedanken lesen können?«

»Ein ... ein wenig, glaube ich, Perry.« Der Mausbiber verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber jetzt ist es schon wieder vorbei. Ich spüre zwar, dass du etwas Erfreuliches denkst, aber ich kann keine Einzelimpulse isolieren.«

»Also kannst du nur besonders starke, gefühlsmäßig betonte Gedankengänge erfassen. Das ist jedenfalls besser als nichts, Gucky. Vielleicht kommen wir doch noch einmal aus dieser Falle heraus. Jetzt habe ich schon etwas mehr Hoffnung.«

»Aber auf diese Art und Weise, Perry ...?«

»Wir müssen es versuchen.«

Gucky seufzte.

»Wenn wir das überleben, werde ich Pensionär ...«

 

*

 

Dr. Spencer Holfing zog die Arme aus dem Staubschutz des Master-Slave-Manipulators.

»Zur Hölle mit der primitiven Bastelei!« Er ballte die Fäuste und schüttelte sie drohend in Richtung der Bleisiegelwand. Auf seiner Stirn traten zwei Adern dick und violett hervor.

Dr. Reinhard Anficht schob den Feststellhebel des Kugelmanipulators vor. Mit fast liebevollem Blick durch die Bleiglaswand betrachtete er den zylindrischen Körper innerhalb der hermetisch abgeschlossenen Arbeitskammer. Danach streifte er den Chefphysiker mit einem vorwurfsvollen Blick.

»Aber, aber, Herr Kollege! Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie die obere Plutoniumladung nicht ausreichend verklemmt haben! Wenn jemand an dem Ding wackelt, springt die Feder heraus und jagt die Ladung in den Plutoniumkern hinein. Da dürfte auch der Zeitschalter nichts mehr nützen.«

Mit einem gemurmelten Fluch fuhren Dr. Holfings Hände in die Öffnungen der beiden Staubschutzmanschetten hinein. Als er sie wieder herauszog, standen dicke Schweißtropfen auf seiner Stirn.

»Sie hatten tatsächlich recht, Dr. Anficht. Dennoch bin ich der Meinung, dass unsere Arbeit für die Katz ist. Wenn weder die Plasmareaktoren noch die Fusionsbomben funktionieren, gebe ich dieser Kernspaltungsbombe gleich gar keine Chancen!«

»Warum dann der Angstschweiß, Doktor?«, spottete eine raue Stimme. Major Dr.-Ing. Bert Hefrich, der erst 33 Jahre alte Leitende Ingenieur der CREST II, klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Bleisiegelwand. »Wenn Sie Ihres Misserfolges so sicher sind, warum zünden Sie dann Ihr ›Meisterwerk‹ nicht sofort? Oder fürchten Sie den Donner einer Spaltreaktion? Dann darf ich Sie beruhigen. Sie würden nichts davon hören.«

»Ekel!«, fauchte Dr. Holfing den LI an.

Der zuckte mit den Schultern.

»Werden Sie wieder sachlich, Doktor!« Er blickte auf seine Uhr. »Der Chef hat den Versuch für 13.15 Uhr festgesetzt. Wir haben eine halbe Stunde Zeit, die Bombe in die Raketenspitze zu montieren und abzuschießen.«

Dr. Holfing holte tief Luft. Dann winkte er resignierend ab.

»Okay! Die Luft in der Arbeitskammer ist inzwischen gereinigt. Wo sind die Schutzanzüge?«

Major Hefrich warf ihm und Dr. Anficht je einen der schweren Strahlenschutzanzüge zu. Er selbst zog sich den dritten an. Danach kurbelte er die Bleiglaswand herab.

Die unverkennbare Form einer primitiven Kernspaltungsbombe wurde sichtbar. Die Hülle bestand aus Wismut. In ihrem Innern befand sich die unterkritische Hohlladung aus Plutonium, umgeben vom Berylliumreflektor. In einem Rohr, unterhalb einer gespannten starken Stahlfeder, klemmte die so genannte Zündladung, ebenfalls aus Plutonium bestehend. Sie wurde nur durch einen Riegel gehalten. War die in der Zeituhr eingestellte Zeit abgelaufen, aktivierte der Zeitschalter die Entriegelungsvorrichtung, die Zündladung wurde von der Feder in die Hohlladung gepresst – und die spontan ablaufende Kettenreaktion begann. Man hatte sich zur Herstellung dieser primitiven Vernichtungswaffe entschlossen, da die weitaus komplizierteren Vorgänge in den modernen nuklearen Waffen infolge der hemmenden Wirkung des über der südlichen Halbkugel Horrors liegenden Verkleinerungsfeldes nicht mehr abliefen.

Mit einem auf Handbetrieb umgestellten kleinen Flaschenzug hievten die drei Männer die Bombe auf einen Transportkarren. Sie schoben den Karren an und steuerten ihn auf den breiten Flur hinaus.

Die Transportbänder standen still. Es war ruhig. Das Halbdunkel der Notbeleuchtung wirkte nahezu gespenstisch, und bis auf das Rumpeln des Karrens und die Schritte der Männer herrschte beklemmende Stille innerhalb des Gangsystems der CREST II.

Die Panzertür zum Feuerstand RKIV würde von zwei schwitzenden Sergeanten aufgekurbelt, nachdem der Karren mit der Atombombe dröhnend gegen die Panzerung geprallt war.

»Ts, ts, ts!«, machte Major Hefrich. »Wir transportieren die Bombe, als wäre es eine Kiste Kartoffeln. Etwas mehr Vorsicht, meine Herren!«

»Bitte, unterbrechen Sie Ihre Konversation für einige Minuten!«, sagte eine schneidende Stimme aus dem Innern des matt erhellten Feuerstandes. Es war Lordadmiral Atlan, der dem Versuch beiwohnen wollte und nun neben den ebenfalls im Feuerstand wartenden Feuerleitoffizier, Major Cero Wiffert, trat.

»Welche Lafette nehmen wir, Wiffert?«, fragte Major Hefrich.