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Nr. 23

 

Seuchenalarm auf Cronot

 

Sie züchten den Tod – und sie entfesseln das Grauen

 

von H. G. Ewers

 

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Ende Februar des Jahres 2408 Terra-Zeit ist die Mission der USO-Spezialisten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon alias Rabal Tradino noch schwieriger geworden als zuvor. Die beiden Asse der USO, die ihren großen Bluff mit dem so genannten »Halbraumspürer-Absorber« starteten und sich in die Gewalt der Condos Vasac begaben, um ihre Kollegen Monty Stuep und Kamla Romo zu retten, sind einer neuen »großen Sache« auf der Spur.

Nach erfolgreich durchgeführten Sabotageaktionen, die sich hauptsächlich gegen die mysteriösen Beherrscher der Condos Vasac richteten, erreichen Tekener und seine Kollegen den urweltlichen Planeten Cronot, dessen humanoide Eingeborene von Antis unterdrückt werden.

Die USO-Spezialisten nehmen heimlich Kontakt mit dem Anführer der rebellierenden Eingeborenen auf, und nach dem »Marsch durch die Unterwelt« wissen sie, was auf dem abgelegenen Planeten gespielt wird.

Sie erkennen die unheimliche Gefahr, die der Menschheit droht, und sie erkennen, dass sie die Pläne des galaktischen Syndikats nur durch rigoroses Vorgehen durchkreuzen können.

Und dieses Vorgehen führt zum SEUCHENALARM AUF CRONOT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ronald Tekener – Der USO-Spezialist wird »infiziert«.

Sinclair M. Kennon, Monty Stuep und Kamla Romo – Tekeners Freunde und Partner.

Atlan – Lordadmiral und Chef der USO.

Tarvu von Nyklat – Beauftragter der Condos Vasac.

Daynamar – Anführer der Rebellen von Cronot.

Yuycolo – Der Hohe Prampriester wird entlarvt.

1.

 

Kamla Romo wurde hellgrün, als sein Tragflügelaggregat plötzlich aussetzte und er taumelnd abstürzte. Das Monstrum auf dem Boden des Käfigs unter ihm konnte ihn wegen des aktivierten Deflektorschirms nicht sehen, aber es schien ihn zu wittern, denn es richtete sich halb auf.

Der Siganese überwand den Schock sehr schnell. Er widerstand der Versuchung, Antigrav und Hochenergieschirm einzuschalten, denn in diesem Raum befanden sich überall Aufnahmeoptiken und Mikrophone. Sie hätten zumindest den Sekundäreffekt registriert, der bei einer Berührung des Energieschirmes mit dem Monstrum oder einem Gegenstand aufgetreten wäre.

In Schweiß gebadet, blickte Kamla Romo dem Ungeheuer tapfer entgegen. Das Lebewesen sah aus wie eine unterarmlange Raupe mit zahlreichen fadenähnlichen Tentakeln und dem Kopf einer haarlosen Ratte.

Jetzt riss es den Rachen auf und entblößte die Riesenamöbe, einen Symbionten, der die Funktion der Zunge ersetzte, außerdem aber über viele zapfenartige Erhebungen verfügte, aus denen er ein Lähmungsgift sprühen konnte. Der Symbiont wälzte sich unruhig in der Rachenhöhle umher, formte sich zu einem fast runden Klumpen zusammen und bildete dann ein Gebilde, das entfernt an eine siganesische Riesenblume erinnerte.

Kamla Romo schaltete unterdessen verzweifelt an den Gürtelschnallenkontrollen. Er atmete auf, als sein Tragflügelaggregat mit weichem Ruck wieder ansprang und die kaum hörbar sirrenden Rotorflügel ihn schnell in die Höhe zogen.

Unter ihm, in der schwindelnden Tiefe von nahezu einem ganzen terranischen Meter, krümmte sich das Monstrum zusammen und versuchte einen Sprung. Es vermochte sich jedoch nicht vom Boden abzuheben und gab seine Bemühungen bald wieder auf.

Kamla entdeckte in einer der Metallplastikwände eine Nische. Dünne Drähte verrieten, dass hier früher einmal ein Gerät installiert gewesen war. Er steuerte darauf zu und landete. Da die Nische mindestens zwölf Zentimeter hoch war, konnte Kamla trotz der seinen Kopf überragenden Hubschraube bequem darin stehen.

In aller Eile schnallte der Siganese sein Tragflügelaggregat ab, stellte es neben sich auf den Boden und untersuchte es gründlich. Bald hatte er die abgerissene Kontaktstelle für die Energiezufuhr gefunden, die für den Ausfall verantwortlich gewesen war. Glücklicherweise hatte sie sich an den blanken Leiter geschoben, so dass das Aggregat gerade noch rechtzeitig angesprungen war. Schaudernd dachte Kamla Romo an das gigantische Monstrum, dann zog er seine winzige Kassette mit den noch winzigeren Spezialwerkzeugen hervor und machte sich daran, den Schaden zu beheben.

Er war gerade damit fertig geworden, als ein durchdringendes Pfeifsignal ertönte. Der Siganese wandte den Kopf und sah, dass an der Decke des Käfigraumes drei Leuchtplatten flackerten.

Hastig schnallte er sich das Tragflügelaggregat wieder an, denn er ahnte, was die Signale zu bedeuten hatten. Danach flog er zwischen den Gittern der Luftabsauganlage hindurch und folgte der Krümmung des Rohres, das in die Luftaufbereitungsanlage führte.

Gerade noch rechtzeitig.

Hinter ihm schloss sich die Absaugöffnung mit metallischem Knirschen.

Kamla Romo hatte wieder Glück, als er in den weiten Räumlichkeiten der Luftaufbereitungsanlage ankam. Die Anlage war unterdessen abgeschaltet worden, so dass er nicht mit den verschiedenen orkanartigen Luftströmungen kämpfen musste, die ihn bei seinem ersten Durchqueren beinahe gezwungen hätten, den Hochenergieschirm einzuschalten und eine energetische Anmessung zu riskieren.

Auch diesmal wählte er den Weg durch ein Beobachtungsluk, dessen Durchmesser nicht viel größer war als seine Körperhöhe. Anschließend flog er dicht unter der Decke bis zur Tür eines Raumes, in der sich seines Wissens eine Beobachtungszentrale der Antis befand.

Dort musste er allerdings warten, bis jemand die Tür öffnete. Es dauerte jedoch nur knapp zwei Minuten, dann kam ein hochgewachsener Mann im Schutzanzug den Korridor entlang. Er legte eine Hand mit der Fläche gegen die Stelle der Tür, hinter der sich ein Thermoschloss befand.

Die Tür glitt zur Seite.

Kamla sirrte von seinem Beobachtungspunkt herab und schwebte dicht hinter dem Rücken des Antis in die Beobachtungszentrale. Auch hier benutzte er, wie überall, wo er mit fremden Augen oder Optiken rechnen musste, seinen Deflektorschirm, der ihn unsichtbar machte.

Kamla Romo wartete, bis er sich in dem halbrunden Raum befand, dann flog er auf das schrankähnliche Gebilde einer Auswertungspositronik. Er schaltete die Hubschraube ab und aktivierte einen Geräuschumsetzer, der es ihm erlaubte, die Sprache der Riesenmenschen zu verstehen, ohne dass ihm dabei die Trommelfelle platzten.

»... werden wir gleich beobachten können, wie die Ussuahrs auf das Metamorphose-Virus der Gruppe Gellan-18 reagieren«, hörte der Siganese.

Er versuchte, den Sprecher ausfindig zu machen und identifizierte ihn als einen leicht korpulenten mittelgroßen Mann mit gelblich-bleichem Gesicht und stechenden schwarzen Augen, der an der Wand neben einem Schaltpult lehnte und die anderen Antis musterte.

Ein anderer Anti antwortete:

»Gellan-18 ist der wirksamste Krankheitserreger, den wir bisher heranzüchten konnten. Warum also sollte er nicht wirken?«

Der erste Sprecher lachte kalt.

»Denken Sie an die Inkubationszeit. Es dauert noch viel zu lange, bis die Viren sich gegen die natürlichen Abwehrmechanismen von Lebewesen durchgesetzt haben. Was wir brauchen, sind Erreger, die nicht aufgehalten werden können und fast sofort die Umwandlung der Zellkerne hervorrufen.«

»Außerdem«, fiel ein dritter Sprecher ein, »ist es falsch, von Krankheitserregern zu sprechen. Eine Metamorphose ist schließlich keine Krankheit.«

Zynisches Gelächter antwortete ihm.

Der Siganese zitterte vor Wut. Wie konnten sich Wissenschaftler, und diese Angehörigen des Báalol-Kultes waren zweifellos Wissenschaftler, für ein solches Verbrechen hergeben und sich dabei noch amüsieren!

Der zweite Sprecher löste sich von der Wand und nahm vor einem Schaltpult Platz. Bildschirme erhellten sich. Kamla erkannte auf ihnen den Raum wieder, in dem er sich nur vor kurzem aufgehalten hatte. Jeder Bildschirm zeigte einen anderen Käfig mit einem Ussuahr, wie die Antis die raupenähnlichen Monstren nannten. Mikrophone übertrugen die schabenden, schleifenden und schmatzenden Geräusche, die von den Tieren erzeugt wurden.

»Ich löse jetzt die Sprühkapsel aus«, sagte der zweite Sprecher. Er drückte auf einen Hebel, und auf den Bildschirmen war sekundenlang ein blasser, nebelartiger Schleier zu sehen.

»Hoffentlich kommt nichts durch die Abdichtungen«, sagte der erste Sprecher. »Ich möchte nicht zu einer Riesenraupe oder zu einem Ding in einem Kokon werden, das sich zu einer anderen Lebensform umschmilzt.«

»Die Sicherheitsmaßnahmen sind perfekt«, betonte der dritte Sprecher.

Sie kennen also kein Gegenmittel zu ihren mutierten Viren: überlegte Kamla Romo. Das ist Wahnsinn! Wahrscheinlich wissen sie nicht einmal genau, womit sie da experimentieren.

Der Siganese fühlte sich versucht, die drei Antis zu töten. So winzig er im Vergleich zu normal gewachsenen Humanoiden auch war, er besaß Waffen, die diese Lebewesen in Sekundenschnelle töten konnten. Den kleinen Nadler beispielsweise, der Hohlprojektile verschoss, die man mit einem tödlichen Gift füllen konnte.

Seine Rechte tastete nach dem Micro-Pea-Shooter oder Mikropuster, wie Monty Stuep dazu zu sagen pflegte. Er zog sie schnell wieder zurück. Es durfte in den Tiefen der Tempelstadt nichts geschehen, was auf das Wirken eines unsichtbaren Feindes deuten konnte. Viel wichtiger war, dass Kennon und Tekener bald erfuhren, was er in den unterplanetarischen Labors der Antis gefunden hatte.

Kamla nickte unwillkürlich.

Sinclair Marout Kennon und Ronald Tekener waren feine Kerle. Sie behandelten ihn wie ihresgleichen, obwohl er im Vergleich zu ihnen winzig war. Er würde sie nicht enttäuschen. Und Monty Stuep war eigentlich auch kein schlechter Bursche, obwohl der Ertruser seine Körperkräfte gern zur Schau stellte und schlechte Manieren hatte.

Der Siganese hörte der folgenden Unterhaltung der Antis nur mit halbem Ohr zu. Sein Aufzeichnungsgerät lief ohnehin, so dass nichts von dem verloren ging, was hier gesprochen wurde.

»Normale Reaktion«, sagte der zweite Sprecher nach einiger Zeit. »Ich denke, wir müssen auch hier mit der üblichen Inkubationszeit rechnen. Schalten wir auf Automatkontrolle und sehen wir uns im Speziallabor die neu angesetzten Kulturen an.«

Die Antis nahmen einige Schaltungen vor, dann erhoben sie sich und strebten der Tür zu. Kamla Romo schwebte hinter die Schulterblätter des letzten Mannes und verließ den Raum ebenfalls.

Im Antigravschacht trennte er sich von den drei Antis. Es wurde Zeit, dass er an die Oberfläche zurückkehrte und seinen Gefährten berichtete. In zeitraubender Arbeit arbeitete er sich von Etage zu Etage, wartete geduldig, wenn er vor verschlossenen Türen oder Schotten stand, bis jemand kam, dem er folgen konnte, und erreichte dreieinhalb Stunden später das Erdgeschoss des Tempels der Grünen Bolofah, was immer der Name bedeuten mochte.

Obwohl alle übergroßen Humanoiden – sie selber nannten sich paradoxerweise »normalgroße Menschen« – dem Siganesen meist nur als riesige, nie ganz überschaubare Gestalten vorkamen, konnte er doch ihr Verhalten relativ gut analysieren.

Er erkannte an vielen Kleinigkeiten des Verhaltens, den Lauten, Schrittlängen und Körperausdünstungen, eine gewisse Erregung. Etwas musste geschehen sein oder würde geschehen, das diese Erregung hervorrief.

In der Sorge, seine Gefährten könnten den Grund für diese allgemeine Erregung darstellen, beeilte sich Kamla mehr als gewöhnlich, den Tempel der Grünen Bolofah zu verlassen.

Draußen stieg er auf eine Höhe von zwölf Metern. Er hatte herausgefunden, dass zwischen zehn und fünfzehn Metern innerhalb von POLA-2-C, wie diese Tempelstadt der Antis genannt wurde, keine Gleiter verkehrten. Sie schwebten entweder in geringeren oder flogen in größeren Höhen. Er brauchte also nur auf startende oder landende Fahrzeuge zu achten, um Kollisionen zu vermeiden.

Kamla Romo war noch nicht weit gekommen, da fiel ein geisterhaft bleicher Lichtschein vom Himmel, übergoss die korkenzieherartig nach oben strebenden und ansonsten wie gigantische Schneckenhäuser gewundenen Tempel und ließ sie als Bauwerke aus reinem Licht erscheinen.

Kurz darauf erfüllte ein ohrenbetäubendes Donnergrollen die Luft. Kamla schloss seinen Druckhelm und schaltete die Außenmikrophone ab. Dann schraubte er sich höher.

Der Donner erlosch bald darauf. Offenbar hatten die Antis den Energieschirm um die Tempelstadt verstärkt. Doch das Leuchten blieb, wurde greller und bleicher zugleich – und dann ging jenseits der Stadt etwas nieder, das den geblendeten Augen wie eine künstliche Sonne erschien.

Sofort schalteten sich die automatischen Filter in Kamlas Helm ein. Der Siganese wurde nicht mehr geblendet und konnte deutlich das kugelförmige Raumschiff mit den abgeplatteten Polen sehen, das mit seinen Triebwerksstrahlen eine feuererfüllte Lichtung in den Dschungel außerhalb von POLA-2-C brannte.

Dann stand das Schiff. Das Leuchten erlosch. Gleich einem funkelnden Gebirge ragte der stählerne Gigant über die homogen wirkende Fläche des Wipfeldaches, das den Einblick in den Dschungel verhinderte. In der feuchten Luft erloschen die Flammen des brennenden Waldes bald, Rauch wallte dunkel auf, färbte sich hell und verwehte im Wind.

Kamla Romo hatte genug gesehen.

Das Kugelraumschiff durchmaß mindestens zwölfhundert Meter, und seine stark abgeplatteten Pole wiesen es als akonisches Raumschiff aus.

Gewöhnliche Schiffe der Akonen aber würden niemals Landeerlaubnis für Cronot erhalten.

Folglich gehörte der Kugelriese dem akonischen Energiekommando, und das würde kein so großes Raumschiff nach Cronot schicken, wenn seine Fracht nicht überaus wertvoll für die Condos Vasac war.

Der Siganese orientierte sich kurz und richtete dann seinen Kurs auf die Gegend der Tempelstadt ein, in der er seine drei Gefährten zu finden hoffte.

 

*

 

Tarvu von Nyklat blickte mit unbewegtem Gesicht auf jenen Sektor der Panoramagalerie, auf dem die Tempelstadt POLA-2-C dreidimensional abgebildet war. Die skurrilen Tempelbauten, die sich schneckenhausartig nach oben wanden und dabei stetig verjüngten, erschienen ihm als Symbol für die geistige Verdrehtheit jener Leute, die sie als ihre Tempel benutzten.

Tarvu von Nyklat hatte nichts als Verachtung für den Báalol-Kult übrig, aber er schätzte die Antis als wertvolle Bundesgenossen. Das waren klare Einstufungen, die zu seinem klar und logisch denkenden Geist passten.

Weniger klar ließen sich die Fremden einstufen, von denen er drei in Überdruckkammern nach Cronot gebracht hatte. Es war weniger die Fremdartigkeit dieser Intelligenzen, die ihm Unbehagen einflößte, sondern mehr die Tatsache, dass sie innerhalb der Lenkzentrale der Condos Vasac praktisch die Befehlsgewalt übernommen hatten.

Sie waren nicht gewaltsam vorgegangen, sondern als Bundesgenossen gegen die Terraner und ihr Solares Imperium gekommen. Tarvu von Nyklat kannte nicht alle Zusammenhänge, aber er vermutete, dass die Fremden der Condos Vasac etwas angeboten hatten, was die oberste Führung der Organisation veranlasste, ihnen die Rolle des Direktoriums zu überlassen.

Draußen erloschen die Brände, die die Triebwerksgluten der TARMAT bei der Landung erzeugt hatten. Schleusen öffneten und schlossen sich; Sicherungskommandos marschierten hinaus, Kampfroboter und Elitesoldaten des Energiekommandos. Sie würden einen weitgespannten Kordon um die TARMAT bilden und dafür sorgen, dass sich keine Scharen von Neugierigen dem Schiff näherten.

Tarvu von Nyklat hatte diese Anweisung aus gutem Grund gegeben. Er wollte den Antis auf Cronot von vornherein klarmachen, dass mit der TARMAT Persönlichkeiten angekommen waren, die in der Hierarchie der Condos Vasac weit über ihnen standen und dass nur wenige Auserwählte das Schiff betreten durften.

Der Akone streckte eine Hand nach dem Kommandopult aus und tastete eine Interkomverbindung mit zwischengeschaltetem Translator. Der Bildschirm erhellte sich, zeigte aber nur ein nichtssagendes Symbol. Die Fremden hatten etwas dagegen, dass man sie sah, und sei es nur auf einem Bildschirm.

»Hier Tarvu von Nyklat«, meldete sich der Kommandant der TARMAT. »Wir sind auf Cronot gelandet, Exzellenz. Kann ich irgend etwas für Ihr Wohlbefinden tun?«

»Meldung bestätigt«, schnarrte eine metallisch klingende, seelenlose Stimme, die Stimme des positronischen Übersetzungsgeräts. Die Stimme des Gesprächspartners selbst bekam Tarvu von Nyklat nicht zu hören. »Für unser Wohlbefinden ist gesorgt. Veranlassen Sie alles Nötige, um die Unterlagen über den so genannten Halbraumspürer-Absorber zu bekommen. Was halten Sie, Tarvu von Nyklat, von der Anwendung physischer Druckmittel?«

»In diesem Stadium überhaupt nichts, Exzellenz«, antwortete der Akone freimütig. »Ronald Tekener ist ein Mann, der auf die Anwendung physischer Druckmittel anders reagieren würde als die meisten humanoiden Intelligenzen. Er würde schweigen. Außerdem ist er zu wertvoll für uns, als dass wir es mit ihm endgültig verderben könnten. Ich schlage die Aufnahme von Verhandlungen vor.«

»Akzeptiert«, ertönte die Stimme des Translators von neuem. »Das entspricht zwar nicht unserer Mentalität, aber wir vertrauen Ihnen, Tarvu von Nyklat. Wenn Sie zu Verhandlungen raten, dann halten auch wir das für richtig. Aber vergessen Sie niemals, dass am Ende der Verhandlungen wir die Gewinner sein müssen. Nachdem wir sämtliche Transmit-Weichen sowie alle Forschungsunterlagen dieses Projekts verloren haben, müssen wir ein Mittel finden, das uns weitgehenden Operationsspielraum in dieser Galaxis gibt.«

Tarvu von Nyklat lächelte undefinierbar.

»Unsere Ziele stimmen überein, Exzellenz«, erwiderte er. »Ich werde die Verhandlungen erfolgreich abschließen.«

Er schaltete ab. Die Fremden würden ohnehin nichts mehr sagen, nachdem das sachlich Notwendige bereits gesagt worden war. Förmlichkeiten und Höflichkeitsfloskeln kannten sie nicht. Manchmal kam es ihm so vor, als ob sie überhaupt nicht für Gefühle ansprechbar wären. Doch das war sicher übertrieben; jedes hochorganisierte Lebewesen braucht Gefühle, und bewusst denkende Intelligenzen kamen ebenso wenig ohne Gefühlsleben aus wie hochentwickelte tierische Lebewesen ohne bewusstes Denken.

Der Akone sah auf, als sein Erster Offizier sich räusperte. Marlan von Sallan stand dicht neben dem Kontursessel des Kommandanten und nahm Haltung an, als er dessen Blicke auf sich ruhen fühlte.

»Alle Befehle wurden weisungsgemäß durchgeführt, Kommandant«, meldete der Erste. »Darf ich Bereitschaftsstufe zwei anordnen?«

»Genehmigt«, sagte Tarvu von Nyklat. »Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen.«

Marlan von Sallan nahm das Lob mit unverhohlener Freude zur Kenntnis. Er salutierte und ging in einwandfreier Haltung ab.

Der Kommandant blickte ihm nachdenklich hinterher. Marlan war ein guter Offizier, aber deswegen allein hätte Tarvu von Nyklat ihn nicht gelobt. Sein Vater jedoch saß im Großen Rat des Blauen Systems und hatte erheblichen Einfluss auf das Energiekommando. Es war immer gut, sich die Sympathie eines so mächtigen Mannes zu sichern, und sei es dadurch, dass man seinen Sohn förderte.