Joseph Conrad


Taifun



Impressum

Regenbrecht Verlag, Berlin 2019

www.regenbrecht-verlag.de

ISBN: 978-943889-123

alle Rechte vorbehalten


Originaltitel: Typhoon

Erstausgabe des Originals 1902

Übersetzung: Martin Regenbrecht




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Über den Autor

Es heißt, dass Joseph Conrad (1857–1924) erst im Alter von 21 Jahren begann, die englische Sprache zu erlernen, und doch wurde er einer der ganz großen englischsprachigen Autoren des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts. Er wurde in Russland geboren, sein Vater war ein polnischer Schriftsteller und Übersetzer, der aufgrund seines politischen Engagements verhaftet und verbannt wurde. Mit sechzehn ging Conrad zur See und wurde bald Kapitän auf verschiedenen Schiffen, unter anderem in Malaysia und auf einem Flussdampfer im Kongo. Schließlich beendete er sein Leben als Seemann und wurde Schriftsteller.

Die Romane und Erzählungen Joseph Conrads handeln häufig von Seefahrt und Abenteuer, doch gehen sie weit darüber hinaus. Sie bieten außer exotischen Schauplätzen und spannenden Geschichten noch sehr vieles andere: feine Psychologie, subtile Zivilisationskritik, die großen Fragen des Menschseins, Abgründigkeit und Vieldeutigkeit, Humor – und das alles in einer zugleich nüchternen und leuchtenden Sprache.


Zur Übersetzung

Diese Übersetzung anzufertigen war ein Wagnis, wie ich im Laufe der Arbeit feststellen musste. Aber es war mir ein Anliegen, dass diese Erzählung in einer guten, verständlichen Ausgabe vorliegt. Die deutschen Übersetzungen, die ich kenne, haben deutliche Mängel oder Nachteile (die letzte hat auch bereits über ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel), und im Original ist Joseph Conrad nur recht schwer zu lesen. 

Eine der Herausforderungen war es, in jedem Satz eine Sprache zu finden, die zeitgemäß ist, zugleich aber respektiert, dass die Vorlage über 100 Jahre alt ist. Sie sollte möglichst nahe am Original sein und zugleich nahe am heutigen Leser. Es musste also so eine Art Vintage-Sprache sein. Conrads grandiose Beschreibungen, sein Metaphernreichtum, sein Humor, seine feine Ironie bei der Zeichnung seiner Charaktere, das waren weitere Herausforderungen.

Neben den vielen Großartigkeiten dieser Erzählung fand ich einen Aspekt ebenfalls bemerkenswert: den »kolonialen Blick« auf eine Gruppe von chinesischen Wanderarbeitern an Bord. Diese tragen kaum individuelle Züge, sondern werden als eine anonyme Masse dargestellt, die hilflos den Naturgewalten ausgeliefert ist, und das in einer höchst fortschrittlichen, hochtechnisierten Welt. Das erinnerte mich stark daran, wie in unserer Gegenwart die Flüchtlingsboote gesehen werden. In Conrads Erzählung wird dieser koloniale Blick durch einen Akt der Fairness aufgebrochen – ausgerechnet von einem Mann, der ansonsten so gar nichts Heldenhaftes hat. Und er findet damit am Ende sogar allgemeine Zustimmung.


I


Das Gesicht von MacWhirr, Kapitän des Dampfers Nan-Shan, war das genaue Gegenstück zu seinem Charakter: Es zeigte weder besondere Festigkeit noch besondere Dummheit. Es hatte insgesamt keine auffälligen Merkmale, es war einfach alltäglich, ausdruckslos und unbeweglich. 

Das Einzige, was man manchmal denken konnte, wenn man ihn sah, war eine gewisse Befangenheit; so saß er mit geschlossenen Augen und mit einem matten Lächeln im sonnenverbrannten Gesicht in den Geschäftsräumen der Reeder. Als er die Augen aufschlug, sah man, dass sie sehr direkt in ihrem Blick und dass sie blau waren. 

Sein Haar war blond und äußerst dünn, es um­gab die kahle Wölbung seines Schädels wie ein Kranz aus flauschiger Seide. Im Gegensatz dazu ähnelte sein rotflammender Schnurrbart einem Gestrüpp aus Kupferdraht, das kurz über der Lippe abgeschnitten war, während, egal wie oft er sich rasierte, über seine Wangen bei jeder Bewegung des Kopfes metallische Schimmer zu gleiten schienen. 

Er hatte nicht ganz mittlere Größe, etwas runde Schultern und war so kräftig, dass seine Kleidung immer um eine Idee zu eng für seine Arme und Beine aussahen. 

Als ob er unfähig wäre zu begreifen, dass die unterschiedlichen Breitengrade unterschiedliche Anforderungen an die Kleidung stellen, trug er immer und überall seinen braunen Hut, einen vollständigen braunen Anzug und schwere schwarze Stiefel. Diese Hafenkleidung gab seiner dicken Gestalt eine Art steifer, unbeholfener Eleganz. Eine dünne silberne Uhrkette zierte seine Weste, und nie verließ er das Schiff zu einem Landgang, ohne einen eleganten Regenschirm allerbester Qualität in seiner mächtigen, haarigen Faust zu halten. 

Sein Steuermann und Erster Offizier Jukes, der seinen Kapitän bis an die Gangway begleitete, wagte es manchmal, mit äußerster Höflichkeit zu sagen »Erlauben Sie, Sir!« und mit aller Ehrerbietung den Schirm an sich zu nehmen; er hob ihn dann in die Höhe, schüttelte die Falten zurecht, drehte ihn geschickt zu einer zierlichen Rolle zusammen und händigte ihn dem Eigentümer wieder aus. Dabei machte er ein so bedeutungsvolles, ernsthaftes Gesicht, dass Mr. Salomon Rout, der Chefingenieur, der gerade neben dem Skylight seine Morgenzigarre rauchte, den Kopf abwandte, um ein Lächeln zu verbergen.

»Ah! So! Dank’ Ihnen, Jukes; dank’ Ihnen!« pflegte der Kapitän anerkennend zu brummen, ohne jedoch aufzublicken.

Er hatte gerade genug Vorstellungskraft, um von einem Tag zum nächsten zu kommen, nicht mehr; und so war er sich seiner selbst sehr sicher. Aus demselben Grund war ihm auch jede Überheblichkeit fremd. Stellen Sie sich einen Vorgesetzten vor, der empfindlich, überheblich und schwer zufriedenzustellen ist; jedes Schiff aber, das Captain MacWhirr befehligte, war die schwimmende Heimstätte von Harmonie und Frieden. Es war für ihn in Wahrheit genauso unmöglich, sich zu einem Höhenflug der Phantasie aufzuschwingen, wie es einem Uhrmacher möglich wäre, eine Uhr mit nichts als einer Säge und einem Hammer herzustellen.

Doch selbst das uninteressante Leben von Männern, die so völlig in der nackten Wirklichkeit zu Hause sind, hat auch ihre geheimnisvolle Seite. In Captain MacWhirrs Fall war es zum Beispiel ein Rätsel, was in aller Welt den wohlgeratenen Sohn eines Krämers aus Belfast veranlasst haben mochte, seinen Eltern davonzulaufen und zur See zu fahren. Und doch hatte er genau das getan, als er fünfzehn Jahre alt war. Wenn man darüber nachdenkt, könnte allein diese Tatsache genügen, um in uns die Vorstellung einer ungeheuren, mächtigen Hand zu erwecken, die unsichtbar in den Ameisenhaufen der Erde hineinfährt, Schultern packt, Köpfe zusammenstößt und die erstaunten Gesichter der Menge in ungeahnte Richtungen und zu nie erträumten Zielen wendet.

Sein Vater vergab ihm niemals ganz seinen dummen Ungehorsam. »Wir hätten ohne ihn auskommen können, wenn das Geschäft nicht gewesen wäre«, sagte er später manchmal, »aber er war ja unser einziger Sohn!« Seine Mutter weinte sehr nach seinem Verschwinden. Da er nicht daran gedacht hatte, eine Nachricht zu hinterlassen, wurde er für tot gehalten, bis endlich nach acht Monaten sein erster Brief aus Talcahuano kam. Er war nur kurz und enthielt die Bemerkung: »Wir hatten sehr gutes Wetter auf unserer Fahrt.« Doch war für den Schreiber offenbar die einzig wichtige Mitteilung die Tatsache, dass ihn sein Kapitän an dem Tag, als er den Brief schrieb, zum ordentlichen Seemann erklärt hatte. »Weil ich gute Arbeit mache«, fügte er als Erklärung hinzu. Die Mutter weinte wieder viele Tränen, während der Vater seine Gefühle mit den Worten »Dieser Dummkopf!« ausdrückte. Er war ein korpulenter Mann mit einem Talent für gemeine Scherze, der es bis ans Ende seines Lebens nicht lassen konnte, über seinen Sohn halb mitleidig wie über einen nicht ganz zurechnungsfähigen Menschen zu witzeln.

Die Besuche MacWhirrs in seiner Heimat waren natürlich selten, und im Laufe der Jahre schrieb er eine Reihe von Briefen an seine Eltern, in denen er sie über seine verschiedenen Beförderungen sowie über seine Bewegungen über das weite Erdenrund auf dem Laufenden hielt. In seinen Mitteilungen standen Sätze wie: »Die Hitze ist hier sehr groß« oder »Zu Weihnachten trafen wir um vier Uhr auf einige Eisberge«. Die alten Leute lernten nach und nach alle möglichen Namen von Schiffen und ihren Kapitänen kennen … Namen von schottischen und englischen Schiffseigentümern … Namen von Meeren, Meer­engen, Vorgebirgen, ausländische Namen von Häfen für Bauholz, für Reis, für Baumwolle … Namen von Inseln und Halbinseln … den Namen der jungen Frau ihres Sohnes. Sie hieß Lucy. Es kam ihm nicht in den Sinn zu erwähnen, ob er den Namen hübsch fand. Und dann starben die Eltern.

Der große Tag von MacWhirrs Hochzeit kam zur festgesetzten Zeit, unmittelbar nach dem großen Tag, an dem er sein erstes Kommando erhalten hatte.

Alle diese Ereignisse hatten sich viele Jahre vor dem Morgen ereignet, als er sich im Kartenraum des Dampfers Nan-Shan dem Fallen des Barometers gegenübersah, an dessen Zuverlässigkeit er keinen Zweifel haben konnte. Wenn man die Qualität des Instruments, die Jahreszeit und die Position des Schiffes auf der Erdkugel in Betracht zog, so musste dieser Tiefstand in hohem Maße besorgniserregend erscheinen. Aber das rote Gesicht des Mannes verriet keinerlei innere Unruhe. Vorzeichen existierten für ihn nicht, und er war nicht in der Lage, die Botschaft einer Vorhersage zu begreifen, bis ihre Erfüllung direkt vor der Tür stand. »Das ist ein Sturz, und kein Fehler«, dachte er. »Es muss ungewöhnlich schlechtes Wetter in der Luft liegen.«

Die Nan-Shan war auf dem Weg von Süden zum Vertragshafen Futschou, mit etwas Fracht unter Deck und zweihundert chinesischen Kulis, die nach einigen Jahren Arbeit in verschiedenen tropischen Kolonien in ihre Heimatdörfer in der Provinz Fo-kien zurückkehrten. Der Morgen war schön, die spiegelglatte See hob und senkte sich, nicht die kleinste Schaumkrone war zu sehen. Ein merkwürdiger weißer Nebelfleck stand am Himmel, wie ein Halo der Sonne.

Das mit Chinesen vollgepackte Vordeck zeigte ein buntes Gemisch dunkler Kleidung, gelber Gesichter und schwarzer Zöpfe, dazwischen viele nackte Schultern, denn es war windstill und die Hitze drückend. Die Kulis lagen herum, plauderten untereinander, rauchten oder starrten über die Reling; einige warfen abwechselnd eine Pütz über Bord, ließen sie volllaufen, zogen sie wieder hoch und übergossen sich gegenseitig mit dem Meerwasser; andere hatten sich auf den Luken ausgestreckt um zu schlafen, während wieder andere in Gruppen um Tabletts aus Metall hockten, auf denen Teller voll Reis und winzige Teetassen standen. Jeder einzelne Sohn des Himmels führte seinen gesamten Besitz mit sich – eine hölzerne Kiste mit einem klirrenden Schloss und messingbeschlagenen Ecken, die die Erträge seiner Arbeit enthielt: das ein oder andere besondere Kleidungsstück, etwas Weihrauch, ein wenig Opium vielleicht, Stücke namenlosen Plunders von durchschnittlichem Wert und einen kleinen Haufen Silberdollars. Diese letzteren waren auf Kohlefrachtern erworben, im Spiel oder durch einen kleinen Handel gewonnen, aus der Erde gegraben, in Bergwerken, auf Eisenbahnlinien oder im tödlichen Dschungel unter schweren Mühen errungen – mit Geduld angesammelt, mit Leidenschaft geehrt, mit Sorgfalt bewacht.

Ungefähr um zehn Uhr hatte eine querlaufende Dünung vom Formosakanal her eingesetzt, ohne jedoch die Besatzung allzusehr zu beunruhigen, da die Nan-Shan mit ihrem flachen Boden, ihren Schlingerkielen und ihrer großen Breite den Ruf eines außergewöhnlich seetüchtigen Schiffes genoss. Mr. Jukes pflegte in Augenblicken gehobener Stimmung an Land zu schwärmen: »Das alte Mädchen ist genau so gut wie schön«. Captain MacWhirr wäre es nie in den Sinn gekommen, seine Meinung so laut und in solch phantasievollen Worten zum Ausdruck zu bringen. 

Sie war ein gutes Schiff, zweifellos, und auch nicht alt. Sie war weniger als drei Jahre zuvor in Dumbarton gebaut worden, im Auftrag einer Handelsgesellschaft in Siam – den Herren Sigg & Söhne. Als sie fertig am Kai lag, bis ins kleinste vollendet und bereit, ihre Lebensarbeit zu beginnen, betrachteten ihre Erbauer sie mit Stolz.

»Sigg hat uns gebeten, einen zuverlässigen Kapitän für das Schiff zu besorgen«, bemerkte einer der beiden Werftinhaber, worauf der andere nach einigem Überlegen sagte: »Ich glaube, MacWhirr ist gerade an Land.« 

»Wirklich? Dann telegraphiere ihm sofort. Er ist unser Mann«, erklärte der ältere der beiden Männer ohne zu zögern.

Am nächsten Morgen stand MacWhirr in aller Seelenruhe vor ihnen. Er war mit dem Mitternachtsexpress aus London angereist, nach einem ebenso kühlen wie schnellen Abschied von seiner Frau. Sie war die Tochter von Eltern, die den höheren Ständen angehörten und schon bessere Tage gesehen hatten.

»Wir sollten zusammen einen Gang über das Schiff machen«, sagte der Seniorpartner, und die drei Männer begannen, die Vollkommenheiten der Nan-Shan vom Bug bis zum Heck und vom Kielschwein bis zu den Flaggenknöpfen ihrer beiden Masten in Augenschein zu nehmen. Captain MacWhirr zog seinen Mantel aus und hängte ihn auf das Ende einer dampfbetriebenen Winsch, eine Verkörperung all der neuesten Verbesserungen.

»Mein Onkel hat gestern unseren Freunden – Sie wissen schon, den Herren Sigg – etwas über Sie geschrieben, zweifellos werden sie Ihnen das Kommando übertragen«, sagte der jüngere der Werftbesitzer. »Sie können stolz darauf sein, das beste Schiff dieser Größe an der chinesischen Küste zu führen.«

»Tatsächlich? Ich danke Ihnen«, murmelte MacWhirr, für den die Aussicht auf eine entfernte Möglichkeit nicht verlockender war als für einen kurzsichtigen Wanderer die Schönheit einer weiten Landschaft. Er hatte den Blick gerade zufällig auf dem Schloss der Kajütentür ruhen lassen; zielstrebig ging er darauf zu und begann kräftig am Türgriff zu rütteln, während er mit leiser, ernster Stimme sagte: »Man kann den Handwerkern heutzutage nicht mehr trauen. Ein nagelneues Schloss, und es funktioniert nicht! Sehen Sie? Sehen Sie?«

Sobald die beiden Herren allein in ihrem Büro am anderen Ende der Werft waren, fragte der Neffe leicht spöttisch: »Du hast den Kerl Sigg gegenüber so sehr gelobt; was findest du eigentlich an ihm?« – »Ich gebe zu, dass er nichts von deinen neumodischen Kapitänen an sich hat, wenn du das meinst«, erwiderte der ältere Mann kurz angebunden. »Ist der Vorarbeiter der Tischler von der Nan-Shan da? ... Kommen Sie herein, Bates. Wie kommt es, dass Sie uns von Taits Leuten ein schlechtes Schloss anbringen ließen? Das Schloss der Kajütentür ist völlig unbrauchbar. Dem Kapitän ist das gleich aufgefallen. Lassen Sie sofort ein anderes anbringen. Die Kleinigkeiten, Bates, die Kleinigkeiten!«

Das Schloss wurde umgehend durch ein anderes ersetzt, und wenige Tage später dampfte die Nan-Shan nach Osten, ohne dass MacWhirr irgend eine weitere Bemerkung über ihre Ausrüstung gemacht oder ein einziges Wort verloren hätte, welche Stolz auf sein Schiff, Dankbarkeit für seine Ernennung oder Zufriedenheit über seine zukünftigen Aussichten verraten hätte.

Von Natur aus war er weder geschwätzig noch schweigsam und fand nur sehr wenig Veranlassung zu reden. Außer in seinem Beruf, hier musste er natürlich den Kurs vorgeben, Befehle erteilen und dergleichen. Aber im übrigen: Mit der Vergangenheit war er fertig, die Zukunft war noch nicht da, und die üblichen Vorkommnisse des Tages bedurften keiner Worte – Tatsachen sprechen mit genügender Deutlichkeit für sich selbst. Was gab es da noch zu sagen?

Der alte Mr. Sigg liebte einen Mann von wenig Worten und einen, »der sich nicht erlaubt, über die ihm erteilten Weisungen hinauszugehen«. Da Captain MacWhirr diesen Anforderungen entsprach, so behielt er das Kommando der Nan-Shan und führte sie gewissenhaft durch die chinesischen Gewässer. Sie war ursprünglich als britisches Schiff eingetragen, aber nach einiger Zeit hielten es die Herren Sigg für besser, sie unter siamesischer Flagge laufen zu lassen. Als der Erste Offizier Jukes von der beabsichtigten Veränderung hörte, schien er sich persönlich beleidigt zu fühlen. Er ging grummelnd umher und ließ hier und da ein kurzes, verächtliches Lachen hören. 

»Sehr ausgefallen, so einen lächerlichen Arche-­Noah-Elefanten auf seiner Flagge zu haben«, klagte er einmal, an der offenen Tür des Maschinenraumes stehend. »Schlag mich, wenn ich das aushalten kann! Ich werde kündigen. Macht es Sie nicht auch ganz krank, Mr. Rout?«

Der Chefingenieur schwieg und räusperte sich mit der Miene eines Mannes, der den Wert einer guten Anstellung zu schätzen weiß.

Am ersten Morgen, an dem die neue Flagge über dem Heck der Nan-Shan wehte, stand Jukes auf der Brücke und betrachtete sie grimmig. Er kämpfte eine Weile mit seinen Gefühlen und bemerkte dann: »Sonderbare Flagge das, Sir!«

»Was ist mit der Flagge?« fragte MacWhirr verwundert. »Scheint mir ganz in Ordnung zu sein.« Damit ging er ans Ende der Brücke, um sie besser sehen zu können.

»Nun, sie kommt mir sehr seltsam vor«, stieß Jukes ärgerlich heraus und stampfte davon.

Der Kapitän war erstaunt über dieses Benehmen. Nach einer Weile ging er gemächlich in den Kartenraum, holte sein Internationales Flaggenbuch hervor und schlug die Seite auf, in dem die Flaggen aller Nationen in bunten Reihen auf das Genaueste abgebildet waren. Er ließ seine Finger darüber gleiten, und als er zu Siam kam, betrachtete er mit großer Aufmerksamkeit die rote Flagge und den weißen Elefanten darin. Nichts konnte einfacher sein; sicherheitshalber nahm er das Buch mit hinaus auf die Brücke, um die farbige Abbildung mit dem wirklichen Gegenstand auf der Flaggenstange zu vergleichen. Als Jukes, der an diesem Tag seinen Pflichten mit einer Art unterdrückter Wut nachging, auf die Brücke kam, bemerkte sein Kommandant: »Es gibt nichts auszusetzen an dieser Flagge.«

»So, gibt es nicht?« grummelte Jukes, während er sich vor einen Deckskasten kniete und eine Reservelotleine herauszerrte.

»Nein. Ich habe im Buch nachgesehen. Zweimal so lang wie breit und der Elefant genau in der Mitte. Ich dachte mir schon, dass die Leute hier wissen müssten, wie ihre Landesflagge aussieht. Das war nicht anders zu erwarten. Sie haben sich geirrt, Jukes ...«

»Nun, Sir«, begann Jukes, während er aufgeregt aufstand, »ich kann nur sagen …« Mit zitternden Händen tastete er nach dem Ende der Leine.

»Schon gut«, beruhigte ihn der Kapitän, indem er sich schwer auf einen kleinen Klappstuhl aus Segeltuch fallen ließ, den er schon halb durchgesessen hatte. »Sie müssen nur dafür sorgen, dass die Männer den Elefanten nicht auf den Kopf stellen, solange sie sich noch nicht daran gewöhnt haben.«